Dreiundzwanzig

Der Weg zum Hafen war Maya mittlerweile bekannt. Dort würde sie auf des nächste auslaufende Schiff springen und Skeliva Lebewohl sagen. Dort hielt sie nichts mehr. Weder ihre Familie noch ihre Freunde. Dieses Mal hatte sie sich von niemandem verabschiedet. Weder von Rony noch von Nika.

Sie hatte sich erneut aus dem Fenster geschlichen und war dann zu ihrer Stute in den Stall gelaufen. Es hatte nicht lange gedauert sie zu satteln und mit ihr die Stadt zu verlassen. Von wegen verstärkte Wachposten. Ram war genauso ein Versager wie ihr Vater. Ihn wollte sie niemals wieder sehen. Sie hatte alle Bande mit ihm gebrochen.

Am Nachmittag kam sie in die Hafenstadt und fragte einige Kapitäne ob sie sie mitnehmen würden. Es war schwierig, doch letztendlich nahm sie einer mit an Bord seiner kleinen Brigg. Natürlich für einen kleinen Preis und solange sie sich nützlich machte. Dank ihrer Seekrankheit war sie nicht zu viel in der Lage, dennoch bemühte sie sich.

Leider gab es an Bord keinen Heiler wie Manu, der sie regelmäßig mit Medizin versorgte. Der Heiler an Bord war eher unerfahren.

Das Wetter spielte ihnen zum Glück in die Karten und brachte Maya zügig aus Skeliva fort. Es war ihr gleich, wohin die Reise ging, solange es nicht Amania war.
Mehrere Wochen verbrachte sie auf See. Die Tage zogen sich endlos dahin und zogen auch Mayas Laune herunter. So fern das noch möglich war. So eine Schifffahrt konnte ja so langweilig sein.

Als sie endlich den donnernden Kanonenschuss und den Ruf „Land in Sicht!" aus dem Krähennest vernahm, erhellte sich ihr Gemüt. Danach dauerte es nur noch wenige Stunden, bis der nächste Hafen angesteuert wurde und eine weitere, bis die Brigg angelegt hatte und die Crew von Bord ließ.

Limar hieß die kleine Hafenstadt. Maya hatte kaum etwas dabei außer einem Beutel mit ihren Habseligkeiten. Kim hatte sie in Skeliva verkauft und einen guten Preis für sie bekommen. Es tat ihr leid sie zurück zu lassen, doch dort wo sie hin ging, konnte sie das Pferd nicht gebrauchen.

Wenn sie überleben wollte, musste Maya sich Arbeit suchen. Erst dann konnte sie Geld für eine weitere Reise zusammen sparen. Nur was sollte sie arbeiten? Sie hatte außer Jagen und höfisches Gehabe nichts gelernt. Also streifte sie durch die Gassen von Limar und bewunderte die neuen Eindrücke. Alles war ihr fremd. Neue Menschen, neue Sitten. Nichts konnte sie hier an Dinge erinnern, die sie vergessen wollte.

Bei einem Gasthof hielt sie an. Noch hatte sie etwas Geld. Doch vielleicht würde man ihr gegen Arbeit ein Zimmer geben. Zumindest für ein paar Tage. Die Tür quietschte als sie eintrat und fiel schwer wieder hinter ihr ins Schloss. Jetzt hatte sie die Aufmerksamkeit der wenigen Anwesenden. Es war noch nicht einmal Mittag, also waren kaum Gäste zu sehen.

Eine junge Frau putze leere Krüge hinter einem Tresen. Hinter ihr stand ein großer Mann mittleren Alters. Er schaute kritisch auf das was sie tat und spielte mit seiner Hand an seinem langen Bart herum. Die schon grau melierten Locken waren ungekämmt und sprachen von einer langen Nacht.

Ihre Kleider waren gewöhnlich und verdeckten ihre braune Haut. Die Frau lächelte Maya freundlich zu und fragte sie nach ihrem Begehr. Erstaunlicher Weise verstand sie die junge Frau sehr gut. War sie noch nicht weit genug gereist um ihre Muttersprache hinter sich zu lassen?
„Habt ihr etwas zu speisen und ein Zimmer?"
„Sicher, meine Dame. Nehmt Platz, dann bringe ich euch etwas. Das Zimmer lasse ich sofort herrichten für Euch."

„Bitte einen Becher Met dazu", ergänzte Maya noch schnell und setzte sich an einen der eckigen Tische. Während sie auf ihr Essen wartete blickte sie sich neugierig nach den anderen Gästen um. Schräg hinter der Eingangstür saßen zwei ältere Herren und unterhielten sich angeregt.

Ansonsten gab es da noch einen Mann mit Bart, der seinem breiten Seemannshut tief ins Gesicht gezogen hatte. Er kaute an seinem Brot und löffelte langsam aus der Schüssel vor sich. Dabei blieb die Hälfte an seinem Bart hängen, weil er zu sehr damit beschäftigt war Maya anzustarren. Dies wurde ihr schnell unheimlich und so schaute sie schnell weg. Zum Glück kam auch schon die junge Frau und stellte den Krug Met vor ihr auf den Tisch.

Maya bedankte sich und nahm einen großen Schluck. Es war als wollte sie damit den Rest ihres vergangenen Lebens hinunter spülen.
Sie verschlang ihr Mahl gierig, weil sie auf dem Schiff nur schwache Seemannskost bekommen hatte. Nicht dass sie es nicht gewohnt war etwas weniger zu essen. Dennoch freute sie sich darüber endlich wieder etwas richtiges zwischen die Zähne zu bekommen. Sobald der Teller geleert war, ließ sie sich noch einen Krug Met bringen.
Maya wollte sich gerade müde zurück lehnen, als hinter ihr eine laute Männerstimme durch den gesamten Raum brüllte.

„Für mich auch noch einen."
Er klang betrunken und Maya war sich zuvor absolut sicher gewesen hinter ihr niemanden sitzen gesehen zu haben. Doch das war nicht das Merkwürdigste daran. So sehr konnte er sich gar nicht verstellen und doch war es unmöglich. Maya drehte sich um und erstarrte. Beinahe wäre sie vor Schreck vom Stuhl gefallen.

„Na endlich, Maya. Ich hatte mich schon gefragt, ob ich den Gaukler spielen müsste, damit du mich bemerkst. Doch es reicht wohl aus laut durch die Gegend zu rufen. Nur hast du dir viel zu lange Zeit gelassen. Deinetwegen bin ich halb betrunken."

Maya erhob sich und trat vorsichtig zu dem Mann hinüber. Er stand ebenfalls auf. Seine blauen Augen strahlten und doch war kein Lächeln auf seinen Lippen zu sehen. Sie träumte. Ja ganz sicher.
Sachte streckte sie den Arm aus und berührte ihn an der Schulter. Er war tatsächlich echt. Kein Trugbild von ihr.
Sie starrte ihn an. Eine gefühlte Ewigkeit verging.
„Willst du mich nur anstarren?"
Wieder kam nichts von Maya. Sie fühlte sich auf den Arm genommen. Dann endlich schmolz das Eis in ihr.

„Antonio!", rief sie erleichtert und fiel ihm um den Hals, was ihn sogleich zusammen zucken ließ. Er sog scharf die Luft ein, was Maya dazu brachte ihn sofort los zu lassen. Er fasste sich an die Schulter und verzog das Gesicht. Stimmt, er wurde angeschossen.
„Tut mir leid!"
„Schon gut, ich werde nicht davon sterben. Doch es ist noch sehr frisch."

„Ich kann gar nicht glauben, dass du überhaupt vor mir stehst. Ich war mir absolut sicher, dass du... dass du..."
Maya brach ab.
„Ich habe meine Leben deinem Vater und Samier zu verdanken."
Sie setzten sich an den Tisch neben sich und Antonio holte eine kleine Kugel hervor.
„Samier sagte, ich soll dir dies zeigen. Sie gehört zu seinen neusten Experimenten."
Maya hörte erstaunt zu, als er ihr die Wirkung der kleinen Pille erklärte.

„Sie lähmt den Körper und verursacht eine vorübergehende Unterbrechung des Blutflusses, sowie Atmung und alles, damit der Körper wie tot erscheint."
Er wartete auf ihre Reaktion, doch Maya starrte nur fasziniert auf das kleine runde Ding zwischen seinen Fingern.
„Jay gab sie mir in dem Moment, wo er mir eigentlich etwas zeigen wollte. Doch alles was ich sehen konnte war das Bild von mir, wie ich sie zu mir nehme."
„Wann? In welchem Moment hast du sie genommen?"
„Der Einzige, in dem du nicht zu mir gesehen hast."

Jetzt zogen sich seine Mundwinkel zu einem verschmitzten Grinsen.
„Du hast sie geschluckt, ohne zu wissen was auf dich zukommt?"
Er nickte. „Ich habe Jay vertraut. Er wusste, dass ich erst sterben muss, um Darian zu entkommen. Ich habe lange genug nach seiner Pfeife getanzt. Ich will das nicht mehr. Von jetzt an bin ich frei, Maya. Etwas angeschlagen, das mag sein, doch absolut frei."

„Ich kann das gar nicht glauben. Wieso habt ihr mir nichts davon gesagt?"
„Weil Darian zu nahe ans Schloss heran gekommen ist. Samier hat mir nur gesagt, dass er von einem benachbarten Turm aus geschossen hat. Wie er genau gehandelt hat, ist mir nicht klar. Doch nur durch deine Reaktion konnten wir ihn von meinem Ableben überzeugen."
„Was ist mit ihm geschehen?"
„So weit ich weiß, nehmen deine Eltern und die Krieger die Verfolgung auf. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Darian fallen wird."
„Also bist du wirklich frei", stellte Maya nüchtern fest.
„Ja."

Maya konnte das Chaos an Gefühlen ihn sich nicht deuten. Erleichterung, Schock, Frust, Unglauben und Reue. Ja vor allem Reue. In den vergangenen Wochen hatte sie so sehr versucht ihren Vater zu hassen. Nun stellte sich heraus, dass er niemals vorhatte Antonio wirklich zu töten. Im Gegenteil, er hatte alles getan, um ihm das Leben zu retten und ihn frei zu bekommen.

Sie bereute so sehr die letzten Worte, die sie zu ihm gesagt hatte. Sie hasste ihn doch nicht. Sie liebte ihn. So sehr hatte sie ihn vermisst alle die Jahre. Nun hatte sie sich freiwillig von ihm getrennt. Das musste sie wieder gut machen. So durfte sie mit Jay nicht auseinander gehen.

Wie auf ein Stichwort, hielt ihr Antonio etwas vor die Nase.
„Ich dachte du möchtest den hier vielleicht wieder haben."
Es war ihr Anhänger, den sie ihrem Vater eigentlich genau vor die Füße geworfen hatte.
„Wie hast du...?"

„Ich hielt ihn in der Hand, als ich wieder zu mir kam. Vermutlich hat Samier ihn mir gegeben, oder Jay, das kann ich nicht sagen. Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich so weit war zu reisen und es war gar nicht so einfach dich einzuholen. Doch es hat seine Vorteile Käpt'n seines eigenen Schiffes zu sein. Zudem ist die Cruiser...ziemlich schnell."
„Du hast dich nach wie vor noch nicht ganz erholt", stellte Maya besorgt fest, als er ein wenig blass um die Nase wurde. Zudem trank er auch noch Alkohol, war der Mann denn von Sinnen?

„Nichts was einen Freibeuter im Dienste seiner Majestät aufhalten könnte."
Mayas Herz wurde immer schwerer. Sie hatten ihr alle etwas vorgespielt - schon wieder. Ihre Mutter hatte recht behalten, ihr Vater wusste tatsächlich immer was er tat. Wieso hatte sie ihm nicht ein wenig mehr vertraut? Die Angst um Antonio hatte Maya blind gemacht.

„Jetzt mach nicht so ein Gesicht. Ich werde wieder gesund."
„Was muss ich noch alles mit dir erdulden?"
Maya brach vor allen Leuten in Tränen aus. Sollten sie doch gucken. Sie fühlte sich völlig hilflos und konnte ihre Gefühle nicht mehr länger zurück halten. Antonio verstand sie zum Glück.

„Von jetzt an hoffentlich nicht mehr solche Horrorszenarien."
Damit beugte er sich vor und legte ihr die Kette um. Ihre Tränen tropften auf den Holztisch, als er ihr die Haare aus dem Band zog und sie über ihre Schulter fielen. Dann berührte seine warme Hand ihre Wange und wischte die Tränen weg.
„Ich ertrage es nicht, dich noch einmal sterben zu sehen. Bitte tu das nie wieder."
„Versprochen", gab er als Antwort zurück und küsste sie sacht. Auch ihn schienen die Anwesenden nicht zu kümmern.

Als Maya sich endlich etwas besser fühlte wandte Antonio den Kopf zur Seite und grinste.
„Maya, ich glaube es ist an der Zeit für uns aufzubrechen."
„Weshalb?"
Er drehte ihren Kopf Richtung Fenster neben der Tür. Es war geöffnet und bot einen umfangreichen Blick auf die Straßen von Limar.

Maya erkannte die Lage sofort und sprang auf. Entsetzt starrte sie auf die Krieger aus Skeliva. Es war eine ganze Horde Männer, die sehr wahrscheinlich mach ihr suchten.
„Nicht schon wieder", maulte sie kläglich und sah wieder zu Antonio, der plötzlich verschwunden war. Panisch sah sie sich im Gasthaus um.

„Er ist hinten raus", erklärte ihr die junge Frau und grinste wissend.
Maya nickte dankend, hatte gerade noch Zeit sie zu bezahlen und rannte dann durch die Küche auf den Hinterhof. Dort erwartete sie eine dunkle Kutsche mit vier Rappen davor gespannt.
Antonio war soeben auf den Kutschbock gesprungen und nahm die Zügel auf.
„Komm schon."
„Wem gehört die Kutsche?"
„Dem Käpt'n dort drinnen."

Maya wusste, wen er meinte. Den komischen Kauz mit Bart, der sie zuvor so komisch gemustert hatte.
„Das ist Diebstahl, Antonio."
„Wenn du mit mir kommen willst, musst du dich daran gewöhnen. Ich bin nunmal ein Pirat. Außerdem ist es nur eine vorübergehende Leihgabe."
Maya gab ihm einen skeptischen Blick.
„Ich habe nicht viel Zeit, Maya. Willst du, dass sie dich finden?"

Sie zögerte nicht länger und sprang neben ihm auf den Kutschbock.
Antonio ließ die Pferde antraben und fuhr mit Maya vom Hof.
„Warum muss es unbedingt eine Kutsche sein?"
„Hatte gerade nichts anderes zur Verfügung."
Geschwind rasten sie durch die belebten Straßen und mussten ganz schön auf die Fußgänger aufpassen. Der Eine oder Andere schimpfte ihnen hinterher. Maya kümmerte es nicht, solange sie nur bei Antonio war und den Männern ihres Bruders entkommen konnte.

Kurze Zeit später jagte die Kutsche über die Steppe und wirbelte eine ganze Menge Staub auf. Maya warf vorsichtig einen Blick über die Kabine und stellte fest, dass die Krieger ihnen folgten. Sie erkannte etwa zehn oder fünfzehn berittene Männer.
„Sie holen auf."
Antonio versuchte alles aus den Pferden heraus zu holen, doch eins war klar: ewig konnten sie diese Jagt nicht durchhalten.

„Übernimm du die Zügel."
Verwirrt gehorchte Maya ihm und sah, wie er die Pistole hervor holte.
„Bitte töte sie nicht."
„Keine Angst, sie sollen bloß vom Pferd fallen."
Maya hörte vielmehr die Schüsse, als dass sie etwas sah. Sie konzentrierte sich darauf die Kutsche schnell aber kontrolliert zu steuern. Das war gar nicht so einfach, weil sich das Terrain gewaltig veränderte.

Der Boden wurde steiniger und bald fuhr der Wagen am Rande einer Klippe entlang. Unter ihnen ging es einige Meter tief bis zum blauen Meer. Eine enge Bucht eröffnete sich neben ihnen. Auf der anderen Seite wuchsen hohe Sträucher, die den Wagen sofort zu Fall bringen würden, sobald man ihnen zu nahe kam.

„Was soll ich tun?", fragte Maya etwas hilflos.
Antonio hörte auf zu schießen und verstaute die Pistole wieder in seinem Gürtel.
„Egal was passiert, ich möchte, dass du weiter fährst. Halte nicht an."
Maya bekam ein ungutes Gefühl."
„Sind sie immer noch da?"
„Ja", antwortete Antonio. „Doch sind es nicht mehr so viele. Sobald du die Wälder erreichst, versuche dich zu verstecken."

„Das sind Krieger Dokrats, Antonio. Ich kann ihnen nicht ewig davon laufen."
„Fürs Erste sieh zu, dass du untertauchst. Nur für eine Weile."
Sie hielt einen Moment inne.
„Wieso klingt das so, als ob du nicht mitkommst?"
„Weil ich noch etwas erledigen muss. Doch ganz gleich wohin du gehst, ich finde dich schon."

„Antonio...", fing Maya an, um zu protestieren.
„Vertrau mir, Maya."
Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Ich liebe dich, Prinzessin Maya Mathur von Skeliva."
Ihren vollen Namen von ihm zu hören, war überwältigend schön. Leider blieb ihr keine Zeit sich daran zu erfreuen, denn plötzlich drehte sich Antonio um und sprang von der Kutsche.
Maya hielt kurz die Luft an. Sie blickte zurück und sah ihn in die Schlucht fallen. Elegant und zielsicher stürzte er sich hinab. Dann hörte sie ein Rufen aus der Ferne.

Sie blinzelte gegen die Sonne an und erkannte weiße Segel ganz in der Nähe.
Sie wusste dass es die Cruiser war. Antonios Mannschaft war gekommen, um ihn mitzunehmen, als hätte er es geplant. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Dann musste sie schmunzeln. Er war ganz sicher unbeschadet im Wasser gelandet. Trotz Verletzung nahm er nichts als Extreme auf sich. Doch wer zweimal den Tod überlistet hatte, würde bei so etwas nicht sterben. Ganz sicher nicht. Maya war sich sicher, sie würde ihn bald wieder sehen.


~


„Ady, warum hast du deine Männer nach ihr geschickt?", fragte Aria vorsichtig.
Er stand auf dem breiten Balkon und blickte über das Schloss auf die Stadt.
„Weil ich ihr nicht gestattet habe zu gehen."
„Du weißt doch genau, dass sie nichts hier hält. Sie wollte immer schon fort gehen. Sie kommt zu sehr nach ihrer Mutter."
„Manchmal bedaure ich das."

„Lass sie gehen, Ady. Gönn ihr die Freiheit. Du musst sie nicht unbedingt verheiraten, um Skelivas Zukunft zu sichern. Dein Vater hat alles dafür getan, um unser Volk zu beschützen."
„Und was soll ich jetzt tun?"
„Lebe, Ady. Lebe!"
Er drehte sich zu der jungen Frau um und betrachtete sie forschend.
„Was wird aus dir?"
Sie kam näher und nahm vorsichtig seine Hand.

„Wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne mit dir leben."
Er betrachtete ihre Hände für einen langen Augenblick. Als er wieder aufschaute, schien er sich die Antwort überlegt zu haben.
„Es wäre mir eine Freude, liebste Aria."
Lange genug hatte er auf sie verzichtet. Sei es aus Angst oder aus Dummheit. Wenn jeder sich das Recht heraus nahm den einen Menschen zu heiraten, den sie liebten, dann wollte er dies auch tun.
Es war keine große Hochzeit. Still und ohne großes Aufsehen wurde Aria zu Adytias Königin.


~

( ein paar Wochen später )

Die Sonne hing gigantisch über dem blauen Meeresspiegel und drohte jeden Moment darin zu versinken. In den Gassen wurden die Laternen angezündet und die letzten Händler auf dem Markt packten ihre Waren ein. Es war ein weiterer Tag in einer unbekannten Welt vergangen.

Es war Maya tatsächlich gelungen den Kriegern zu entkommen. Wie wusste sie selbst nicht so recht. Vermutlich würden sie sie auch an diesem Ort bald finden. Deshalb würde Maya auch morgen früh an Bord eines Schiffes springen und mit der Flut auslaufen. Das war wohl jetzt ihr Los. Von Ort zu Ort reisen, auf der Suche nach Jay und Sanjana. Sie musste sie einfach finden. Sie musste sie ein letztes Mal wieder sehen, sich entschuldigen und bedanken. Sonst würde sie keine Ruhe mehr in ihrem Leben finden.

Nur wo waren die beiden? Die Welt war groß und sie konnten überall sein. Doch Maya würde nicht aufgeben. Eines Tages würde sie ihren Vater finden. Es konnte doch nicht so schwer sein einen Channajiu Meister zu finden. Oder doch?

Sie seufzte ermüdet und schlenderte auf dem matschigen Weg entlang. Es war nicht mehr weit bis zu ihrer Unterkunft. Nur noch zwei Straßen, dann konnte sie ihre müden Füße ausruhen. Sie war den ganzen Tag gelaufen. Hatte sich alles angesehen und mit vielen Menschen gesprochen. Sofern sie ein Wort verstanden hatte. Sie war so weit nördlich von Skeliva, dass man endlich ihre Sprache nicht mehr verstand.

Der Nachteil an diesem Ort war der ständige Nebel und der kalte Regen. Sie hüllte sich fröstelnd in ihren Umhang und eilte über die Schlammlöcher hinweg. Ihre Kleidung war noch halbwegs trocken. Das sollte vorerst auch so bleiben. Auf die letzten Meter war es nicht nötig sich komplett einzusauen.

Plötzlich zupfte jemand an ihrem Umhang. Maya blieb stehen und sah den kleinen Jungen. Seine rötlichen Haare waren zerzaust und er sah ziemlich arm aus. Vermutlich war er einer der Botenjungen, die sich in der Stadt Geld mit der Überbringung von Nachrichten verdienten.
Er sagte etwas unverständliches zu ihr und hielt ihr eine kleine Schriftrolle entgegen.
Maya wusste gerade was in seiner Sprache Danke bedeutete.

Kaum hatte sie das Wort ausgesprochen, rannte der Junge weiter. Offenbar hatte man die Nachricht schon bezahlt. Da solche Burschen es stets eilig hatten, hielt Maya ihn auch nicht auf.
Sie entrollte das kurze Stück Papier und freute sich etwas in ihrer Sprache zu lesen. Ein einziger Satz, nein eine Frage, um genau zu sein: „Wird dir an Bord eines Schiffes immer noch unwohl?"

Maya sah vom Papier auf. Sie wusste sofort wessen Nachricht das war. Nun hielt sie nichts mehr zurück. Ihre innere Stimme sagte ihr nur: lauf!
Also nahm Maya die Beine in die Hand. Sie rannte zurück zu den Anlegern, vorbei an all den fremden Schiffen. Sie wusste genau nach welchem sie suchen musste.

Schlamm bespritzt und außer Puste rannte sie durch den kleinen Hafen. Ungeachtet aller merkwürdigen Blicke. Doch sie fand nicht wonach sie suchte. Enttäuscht wollte sie aufgeben. Da packte sie jemand von hinten. Ehe sie sich versah warf man ihr einen Sack über den Kopf und band ihre Arme auf den Rücken. Maya suchte verzweifelt nach ihrem Channa. Doch das wollte ihr dieses eine Mal nicht helfen.

Die groben Hände führten sie vom Hafen weg Richtung Strand. Dort verfrachtete man sie in ein Ruderboot und brachte sie übers Meer. Sie wusste, dass man sie zu einem Schiff brachte, nur zu welchem? Hatten die Männer ihres Bruders sie gefunden? Nein, sie würden sie niemals so grob behandeln. Wurde sie etwa schon wieder von Piraten entführt?

Kaum stand sie an Deck, nahm man ihr den Sack vom Kopf und löste die Fesseln. Ein Haufen fremder und grimmiger Gesichter starrte sie an. Dann fiel ein Seil vor ihr auf den Boden. Maya sah zur Takelage hinauf und erkannte Rat. Sie atmete erleichtert auf.
Er schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln. Dann ertönte eine lang ersehnte Stimme vom Achterdeck:
„Verzeih, aber ich konnte ihnen den Spaß nicht nehmen dich zu entführen. Schließlich sind sie Piraten."

Maya hob vorwurfsvoll die Augenbraue, konnte den Männern um sie jedoch nicht länger böse sein, weil sie sie schuldbewusst und wissend angrinsten.
„Wir haben klar Schiff, Käpt'n."
„Dann runter die Segel und fort mit uns. Unbekannte Gewässer erwarten uns Matrosen."
Antonio kam zu Maya hinunter und lächelte sie aufmunternd an.
„Ich habe jetzt das letzte Mitglied meiner Crew an Bord."
„Mitglied?"
Er nickte. „Es sei denn du machst einen Rückzieher."

„Niemals!", gab sie eisern zurück.
„Ich warne dich, dort wo wir hin segeln, gibt es viele Abenteuer."
„Um so besser."
„Es könnte gefährlich werden."
„Und wenn schon."
„Unentdeckte Orte und fremde Menschen...", fuhr er fort, doch Maya brachte ihn zum Schweigen, indem sie ihm die Hand vor den Mund hielt.

„Worauf warten wir noch?"
Antonio verstand, dass sie nicht nachgeben würde.
„Wo möchtest du als erstes hin?"
„Ich weiß nicht genau. Ich weiß nur eins: ich muss meinen Vater finden."
Antonio hob dieses Mal die Augenbraue.
„Ich weiß schon warum. Also gut. Ganz egal wo es hin geht. Wir werden ihn schon finden. Hauptsache du bleibst von jetzt an bei mir."
Maya nickte.

Die Cruiser segelte langsam der untergehenden Sonne entgegen, die halb hinter dem Horizont verschwand.
Ein Traum ging für sie zu Ende und eröffnete ihr einen neuen. Antonio hatte sie gefunden. Von jetzt an würde nichts in der Welt sie wieder trennen. Gar nichts!
Sie verlor sich abermals in seinen diamant-blauen Augen, als er sich zu ihr hinab beugte und küsste.
„Du bist mein, Maya! Für alle Ewigkeit", flüsterte er glücklich an ihr Ohr, als sie sich an ihn schmiegte.

E n d e

Teil 3

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Ich möchte mich ganz herzlich bei meinen fleißigen Lesern und Mithelfern bedanken!
Ohne euch wäre dieses fantastische Werk nicht zur Stande gekommen.

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