Drei

Sanjana erwachte aus einem schrecklichen Albtraum. So lange hatte sie nicht mehr schlecht geträumt. Sie setzte sich im Bett auf und holte tief Luft. Sie hatte von Jay geträumt.

Er war ein mächtiger Krieger, das wusste sie. Von ihm hatte sie auch gelernt, was das Channa war. Eine Art Energie, die in jedem Menschen zu finden war. Man konnte sie nicht sehen, aber spüren. Die Krieger Dokrats konnten das Channa sogar benutzen. Entweder um ihre Umgebung zu beobachten oder um Menschen zu heilen. Es war eine erstaunliche Fähigkeit, die Sanjana gleichermaßen faszinierte und erschrak.

In ihrem Traum hatte sich Jay dem Channa hingegeben. Nein, er war von dem Channa überwältigt worden. Sie hatte ihn vor sich gesehen, wie er von einem bläulichen Schimmer umrandet wurde. Seine gesamte Ausstrahlung hatte sich verändert. Es war als würde er alles sehen können. Was er anfasste wurde zu Asche, denn sein Channa materialisierte sich zunehmend.

So sehr, dass er eine blaue Energie in seinen Händen hielt und alles um ihn herum niederstreckte. Zum Schluss wurde das Channa so mächtig, das er seinen Geist und seine Seele in der Dunkelheit verlor. Dann war sie aufgewacht. Wenn sich das Channa jemals so entwickeln würde, wäre die Welt ein weit gefährlicherer Ort als ohnehin schon.

Ein Blick neben ihr, verriet, dass Jay nicht bei ihr war. Seine Betthälfte sah noch vollkommen unberührt aus. Sie stand auf und sah sich um. Sie sah keine Sachen von ihm. Merkwürdig. Sie wusch sich und kleidete sich an, bevor sie im Haus nach ihm suchte.

Doch wen sie auch fragte, niemand hatte den Krieger gesehen. Er war plötzlich unauffindbar. Sanjana hatte ein flaues Gefühl im Magen. Wo könnte er denn so früh schon hin sein? Sie lief zum Stall und bemerkte dass seines und Alains Pferd fehlten. Sanjana wurde wütend. Wo auch immer sie hin gegangen waren, sie hatten es nicht für nötig befunden ihr Bescheid zu geben. Das war normaler Weise nicht Jays Art. Wenn er unerwartet aufbrechen musste, hätte er sie doch geweckt und sie informiert.

Sanjana lief wieder ins Haus. Ihre Sinne schlugen alle gleichzeitig Alarm. Sie suchte nach einem Hinweis, irgendetwas, was das Verschwinden der Krieger erklären würde. Sie fand nichts. Es war, als wären die Krieger niemals hier gewesen.

Ram stand in der Halle und beobachtete sie schweigend. Zuerst hatte sie ihn gar nicht bemerkt. War er eben auch schon dort gewesen?
Ihre Blicke trafen sich und Sanjana wurde es schlagartig bewusst. Ja Rams Blick verriet es ihr. Langsam näherte er sich ihr und drückte ihr ein Stück Papier in die Hand.
„Es tut mir leid."
Mehr sagte er nicht und lies sie allein.
Mit schlimmen Vorahnungen rollte sie das Papier auseinander und las...

Liebe Sanjana,

eine Zeit lang gingen wir den gleichen Weg. Aber die Zeit ist gekommen, dass wir einer neuen Zukunft entgegen schauen. Ich habe die Zeit mit dir niemals bereut und doch muss ich ehrlich zu dir sein. Das, was du glaubst für Liebe zu halten ist nur unerfahrene Begierde gewesen. Du hast mich verzaubert, das kann ich nicht leugnen. Aber ich bin nach wie vor ein Krieger. Du hattest immer Recht, ich kann mich deinen ehrlichen Gefühlen nicht stellen. Denn ich empfinde nicht dieselben. Ich kam als Krieger zu dir und werde wieder als Krieger gehen. Denn das ist es, was ich bin und immer sein werde. Ein anderes Leben ist nichts für mich. Ein Leben mit dir ist nichts für mich. Ich liebe dich nicht so wie du es verdienst und werde mir niemals verzeihen mit deinen Gefühlen gespielt zu haben. Aber jetzt hast du die Gelegenheit neu anzufangen, dich in jemanden zu verlieben, der deiner würdig ist. Jemand, der bei dir bleiben kann und deine Gefühle erwidert.
Werde glücklich Sanjana. Vergiss mich!

Jay


Das war doch nicht sein ernst? Sanjana glaubte zu träumen. Sie las den Brief von ihm erneut. Wieder und wieder las sie die selben Worte. Trotzdem blieben sie gleich. Was brachte es den Brief immer wider zu lesen?

Der Inhalt würde sich nicht ändern. Die Tatsache, dass Jay sie verlassen hatte würde sich nicht ändern. Sie hörte das Blut in ihren Ohren rauschen. Ihre Kehle fühlte sich trocken an und die Welt begann sich zu drehen. Das war doch nur ein böser Traum. Sie wollte aufwachen. Sofort!

Ram! Wo war er hin gegangen? Er musste ihr sofort Antworten geben. Sie fand ihn im Stall als er sein Pferd sattelte. Einen Moment lang blieb sie wie versteinert stehen und beobachtete ihn entsetzt. Er konnte doch nicht...

„Hast du etwa vor Samara auch zu verlassen?"
Sie spürte den Zorn in ihr aufsteigen und zerknitterte den Brief in ihrer Faust.
„Nein, ich werde nicht dauerhaft fort gehen. Ich werde noch heute zurück sein. Aber ich muss etwas erledigen."
Er schenkte ihr nicht einen Blick. Was sollte das?

„Ram?"
Sie zitterte und schluckte. Nichts half um den Klos in ihrer Kehle los zu werden.
„Bitte sag, dass das nicht wahr ist. Warum? Ich verstehe es nicht."
„Ich kann dir auch nicht mehr Antworten geben, Sanjana."
„Und ob du das kannst."
Sie trat vor ihn und zwang ihn sie anzusehen. „Du kennst Jay am besten. Du kannst mir genau sagen, was dahinter steckt."

„Genau das, was dort drin steht. Ich habe es nicht gelesen, aber ich vermute Jay hat dir eine Erklärung abgegeben."
„Eine Erklärung nennst du das? Das ist eine Lüge. Eine Ausrede, nichts weiter. Er schreibt, dass er mich nicht liebt."
„Wenn es dort steht, musst du es akzeptieren."
„Nein!"

„Sanjana, er hat dich verlassen. Ich weiß nicht warum, noch kann ich etwas daran ändernd. Ich habe versucht ihn zum Bleiben zu überreden, aber du kennst ihn ja. Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist er nicht mehr davon abzubringen. Du weißt, wie stur er ist."
„Das kann doch nicht wahr sein."
„Es tut mir wirklich leid. Ich weiß nicht, was zwischen euch war."



~




Selbst in seinen Ohren klang das so abwegig und schwach. Aber er wusste nicht, was er Sanjana sagen sollte. Die Wahrheit hätte sie auf keinen Fall akzeptiert. Er hoffte nur, sie würde nichts unüberlegtes tun, sowie Jay nachreiten. In Dokrat würde sie ihn nicht finden. Mittlerweile durften er und Alain sogar die Grenzen passiert haben.
„Weiß es Sama schon?"

Ram wandte den Blick zu Boden und schwieg. Er hatte es bis jetzt nicht übers Herz gebracht seiner Frau die Wahrheit zu sagen. Wenn sie es erfuhr, würde sie ihn fünf fach falten. Nicht daran zu denken, was sie mit Jay anstellen würde. Ob sie ihm die Geschichte abkaufen würde? Sie war genauso wie Sanjana von Jays Liebe überzeugt worden. Obwohl, sie hatte anfangs am meisten daran gezweifelt. Vielleicht würde sie es eher glauben, als Sanjana.

Als er wieder in ihr Gesicht sah, blieb ihm die Luft weg. Sie glaubte es anscheinend, denn ihre Wangen waren von Tränen überlaufen. Nur ihre Augen funkelten zornig. So ein Gesicht hatte er noch nie bei ihr gesehen. Dieser Anblick brannte sich in seinen Kopf ein wie der Teufel persönlich. Für eine Sekunde öffnete er sein Channa und fühlte ihre Emotionen. Es war grausam.
Er musste hier weg. Er konnte das nicht länger ertragen, sie so zu sehen. Jay hatte ja keine Ahnung wie sehr diese Frau ihn liebte.

Das schlechte Gewissen drängte Ram dazu sein Pferd schneller zu satteln und es an Sanjana vorbei hinaus zu führen. Er hatte sie nicht verlassen. Er hatte ihr nicht gerade das Herz gebrochen, dennoch fühlte es sich so an.

Wenn er nicht schnell von ihr weg kam, würde er ihr die Wahrheit sagen. Und das würde alles zerstören. Er musste durchhalten und schweigen. Seine verbundene Hand erinnerte ihn an das Versprechen, welches er Jay gegeben hatte. Noch war es Sanjana nicht aufgefallen. Aber eine solche Wunde konnte auf Dauer nicht unentdeckt bleiben.

Erst Jays Tod oder sein Freispruch konnten ihn von seinem Schwur erlösen. Dem Schwur auf sie acht zu geben, sie zu beschützen und ihr niemals die Wahrheit zu sagen. Gerade in diesem Moment fiel es ihm unheimlich schwer.

So schwang er sich auf den Pferderücken und lies Sanjana zurück. Es war herzlos sie so stehen zu lassen. Es war herzlos Samara nichts gesagt zu haben. Verzweiflung ließ ihn sein Pferd schnell antreiben und in Windes Eile über das Land reiten. Später würde Samara ihn umbringen. Sie würde es ihm nie verzeihen. Niemals!

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