Kapitel 7.8


Kapitel 7.8

"Entschuldigen Sie, wenn ich Sie mit diesem sentimentalen Gequatsche langweile. Nur hier bin ich immer sehr emotional", gestand Adrian ihr. Schneller als das erste Glas trank er sein zweites aus. Obwohl es nur kleinen Mengen war, machten sich die Prozente bereits bemerkbar.

"Das ist schon in Ordnung", versicherte Audrey. "Es ist schön jemanden kennenzulernen, der über die Dinge ähnlich denkt, wie ich", meinte sie mit einem aufmunternden Lächeln in seine Richtung.

Ein leiser Windhauch rauschte zwischen den Bäumen, die es hier oben gab und ließen die Blätter leise rascheln. Adrians schwarzes Haar wurde dadurch verwuschelt und in seine Stirn gefegt. "Zeit, sie abschneiden zu lassen", grummelte er zu sich selbst, bevor er sie mit der Hand nach hinten legte.

Durch den Wind klingelten auch die Windspiele, die sich an dem Stand befanden und spielten ihre eigene, kleine Melodie.

Audrey hob die Hand und fuhr ihm sanft durch das Haar, um es nach hinten zu kämmen. "Dabei würden Euch lange Haare wirklich sehr gut stehen", sagte sie mit einer Gewissheit, die wohl niemand verstehen würde. Früher hatte er er sehr häufig lange Haare getragen.

Erstaunt warf Adrian ihr einen Blick von oben zu, der im ersten Augenblick erhaben und arrogant wirkte. Audrey hatte kein recht, ihm durch die Haare zu fahren. Und doch fühlte es sich irgendwie vertraut an. Als hätte er das schon einmal erlebt.

"Sicherlich nicht. Als Kind hatte ich sie lang und wurde ständig für ein Mädchen gehalten", erzählte er ihr.

"Das ist wohl das Problem in der heutigen Zeit", meinte sie mit einem Schmunzeln und verhielt sich so, als wäre nichts gewesen. So gesehen hatte sie nach der Sache mit dem Honig etwas bei ihm gut. Zumindest, wenn es nach ihr ging.

Leider stimmte das auch. Viele wurden gehänselt, wenn sie nicht so waren, wie die anderen sie wollten. Sah man anders aus, wurde man oft ausgeschlossen. "Einmal habe ich es bereut sie abzuschneiden. Danach konnte ich nicht mehr mit ihnen spielen, wenn ich mich in den Träumen verloren habe. Das ist erst mit der Zeit besser geworden", meinte er gedankenverloren. Sein Blick ging zu der Auswahl an Spirituosen, die der Stand anbot. Noch ging es ihm ziemlich gut und er überlegte, ob er noch etwas trinken sollte.

Audrey, die ihren Schnaps ebenfalls geleert hatte, bestellte einen Cocktail, der wirklich sehr bunt war und sie faszinierte. "Manchmal ist es aber auch gut, wenn man nicht wie die anderen ist", meinte sie. "Es ist schwierig, aber oft lohnt es sich."

"Dabei ist es einfacher, sich anzupassen und mit dem Strom zu schwimmen", erwiderte er. Adrian entschloss sich, noch einen zu trinken. Schließlich zahlte er.

Würde die Frau neben ihm zahlen, hätte er sich mit nur einem begnügt. Der Alkohol hatte ihn lockerer, aber auch gesprächiger werden lassen.

Die alte Verkäuferin am Stand lächelte den beiden zu, als Adrian sich auf Chinesisch bedankte. Auf sie wirkten die beiden wie ein Paar oder sehr gute Freunde.

"Stimmt, aber dann ist man so angepasst", murmelte sie. "Ich werde mir wohl alle Mühe der Welt geben können, werde aber nie angepasst sein", lachte sie und öffnete ihre Haare, weil es doch etwas schwer wurde. Die schwarze Pracht fiel ihr den Rücken hinab und reichte bis zu ihren Kniekehlen. "Aber ich lege zum Glück auch keinen Wert darauf."

Ihre Bewegung hatte genügt, um Adrians Aufmerksamkeit völlig auf sie zu ziehen. Sprachlos stand er neben ihr und musterte sie eindringlich. Wie verändert sie damit aussah. Die hochgesteckten Haare hatten keinen Hinweis darauf gegeben, wie lang sie in Wahrheit waren.

Leicht spielte der Wind mit ihren schwarzen Haaren und ließen sie zauberhaft aussehen. Wie eine Prinzessin, die aus einer anderen Welt stammte.

Ein Gefühl stieg in ihm hoch, was ihn etwas vermissen ließ, was er nicht kannte. Warum hatte sie nur so eine Wirkung auf ihn?

Nur mit Mühe konnte sich der Geschäftsmann von ihrem Antlitz losreißen.

Ach was, das war sicherlich nur der Alkohol, der ihm zu Kopf stieg.

Audrey schmunzelte und ließ absichtlich eine Strähne ihres Haares über ihre Schulter gleiten, um damit zu spielen. Es war ein wunderbares Gefühl und es beruhigte sie. Dabei war Adrians Anwesenheit schon etwas, was sie zur Ruhe brachte.

Nur das Hupen eines Autos konnte Adrian dazu bringen, seinen Blick von ihr abzuwenden. Wie verzaubert er sie angesehen hatte. Beinahe liebevoll. Seine Sehnsucht nach Zweisamkeit wurde dadurch nur verstärkt, dass er sie nicht verdrängen konnte. Wenn er doch nur jemanden für die Nacht hätte! Dabei hatte er gehofft, durch den Alkohol genau das zu vergessen.

Audrey trat etwas näher an ihn heran und strich ihm über den Rücken. "Ihr seht etwas angespannt aus", sagte sie sanft. "Soll ich Euch vielleicht massieren?"

Kurz zuckte er zusammen, da er nicht damit gerechnet hatte. Ein kurzes Bild flammte dabei in ihm auf. Eine Erinnerung, die er niemals gehabt haben konnte. Ein Schauer rann über seinen Rücken. Gänsehaut breitete sich bei ihren Worten aus. Nur gut, dass sie das nicht sehen konnte.

Das leichte Zittern, was durch seinen Körper ging, konnte er wenigstens auf den Wind schieben.

Er wollte schon ablehnen, doch der Alkohol hatte seine Zunge und sein Gehirn aufgelockert, weshalb er nur ein Nicken zustande brachte.

Sollte er sich am nächsten Morgen noch an etwas erinnern können, hatte er immer noch genug Zeit, sich deswegen verrückt zu machen.

Audrey war sehr zufrieden mit seiner Reaktion und trat hinter ihn, um dort zuerst sanft mit ihren Händen über seinen Rücken zu fahren und dann an seinen Schultern zu beginnen. In genaz der richtihen Stärke.

Unter ihrer Massage schmolz der hochgewachsene Mann direkt und unterdrückte nur mit Mühe ein Stöhnen. Schon lange hatte er sich das nicht mehr gegönnt. Entspannung war genau das, was er brauchte.

Dass Audrey seine Kundin war, konnte er gerade ausblenden, weil er mit dem Rücken zu ihr stand und sein Blick auf die Stadt gerichtet war.

Dieser wäre ein Bett lieber gewesen, doch so war das auch in Ordnung. Zumindest für sie. Obwohl sie den Drang ihn auf die Schultern zu küssen, verdrängen musste. Die Erfahrung hatte sie jedoch gelehrt, das man geduldig sein musste. Er würde von selbst kommen.

Nur mühsam brachte sich Adrian unter Kontrolle. Mit einem kräftigen Schluck leerte er seinen Schnaps und drehte sich zu ihr um. „Möchten Sie noch etwas?", fragte er sie. Er war angetrunken genug, um Dummheiten zu machen. Die Gelegenheit würde er sich nicht entgehen lassen. Mit irgendjemand würde er die Nacht verbringen.

"Sehr gern", lächelte Audrey. "Aber es wird langsam kühl. Vielleicht sollten wir ins Warme", schlug sie vor, wobei ihre Augen glücklich funkelten.

Das stimmte. Vor allem in ihrem Kleid war es wohl kalt. Am liebsten war ihm im Moment eine Bar in der Nähe seines Hotels. Dann würde er nicht mehr so weit brauchen, wenn er betrunken war.

Adrian zog seine Geschäftsjacke aus und legte die Audrey um die Schultern.

Sein Geruch hing an dieser, was die junge Frau seufzen ließ. Es war so schön. "Möchtet Ihr vielleicht in eine Bar?", fragte sie. "Dort ist es zwar nicht so leicht sich zu unterhalten, aber warm."

Eine Bar klang sehr gut. Betrunken konnte er sowieso nicht mehr richtig klar denken und sprechen.

Das brauchte er aber auch nicht, wenn er sich eine Frau für die Nacht suchte.

„Sehr gern", nickte er und stieß sich vom Geländer ab. Nicht gerade elegant lief er neben Audrey die Treppen hinunter.

Vielleicht hätte er besser aufpassen sollen oder mehr essen, damit er mehr vertrug.

Egal, jetzt war es schon zu spät. Adrian nahm sich fest vor, diese Nacht nicht allein zu beenden.

"Wir können aber auch zu Euch gehen", schlug sie vor und hakte sich ungefragt bei ihm ein. So hatte er nicht mehr ganz so viel Schlagseite. Wobei sich das in Grenzen hielt.

„Ich wohne die Tage in einem Hotel", erwiderte Adrian. Er besaß keine Wohnung in Peking. Dankbar, dass sie ihn irgendwie hielt, schaffte er es ohne Unfälle die Treppen hinunter.

"Ich kann Euch auch dorthin begleiten, aber wenn Ihr nicht wollt, dass ich bleibe, verstehe ich das", sagte sie und hoffte deutlich genug gewesen zu sein. Sie wollte die Nacht bei ihm sein.

Darauf antwortete Adrian nicht, sondern führte Audrey durch die Gassen, damit sie in der Nähe seines Hotels waren. Auf dem Weg dorthin kamen sie an einem Alkoholladen vorbei.

Dort blieb Adrian einen Moment stehen. „Was trinken Sie am liebsten?", lautete seine Frage, die er an sich richtete.

"Etwas chinesisches", meinte sie lediglich und überließ es ihm. Es war ihr egal, sie würde ihn sowieso unter den Tisch trinken.

Da er sowieso schon Maotai getrunken hatte, entschied er sich, genau diesen zu kaufen. Sollte noch was davon übrig bleiben, konnte er ihn noch die nächsten Tage genießen.

Allerdings kam Adrian, der Audrey draußen stehen gelassen hatte, nicht nur mit einer Flasche Maotai zurück, sondern auch mit Champagner. Dabei gab es nichts zu feiern. Nur hatte er gerade Lust dazu. Triumphierend hielt er beides hoch und ein verschmitztes Funkeln erschien in seinen Augen. 

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