Kapitel 7.6
Kapitel 7.6
Audrey wurde aus ihren Erinnerungen gerissen, als jemand sie anrempelte und sie überrascht zur Seite und in Adrians Arme taumelte.
Überrascht davon, brachte dieser ein Hoppla! zustande und fing sie auf. "Haben Sie sich weh getan?", fragte er mit sorgenvoller Stimme. Das konnte hier jederzeit passieren, doch da Audrey so zierlich war, konnte sie leicht verletzt werden.
Die junge Frau hatte für den ersten Moment Probleme die Vergangenheit und die Realität auseinanderzuhalten, doch blinzelnd gelang es ihr. "Danke", brachte sie etwas überrumpelt hervor. "Ich denke es geht", fügte sie hinzu, auch wenn sie diese Sache hätte nutzen können, um Zeit mit ihm zu verbringen.
Das war beruhigend, wenn sie sich nicht verletzt hatte. Adrian stellte die Frau wieder ordentlich auf die Beine und lächelte ihr aufmunternd zu. "Was möchten Sie als Nächstes probieren?", fragte er, um sie von der Situation abzulenken.
"Eine Süßspeise wäre sicherlich nicht schlecht", lächelte sie und hatte noch immer etwas Mühe die Vergangenheit und Gegenwart auseinanderzuhalten. Adrian sah Xiao so ähnlich, obwohl er kurze Haare hatte und auch die Umgebung sorgte dafür, dass sie mit ihren Gedanken immer wieder wo anders war.
"Mögen sie Honigbananen oder frittierte?", erkundigte er sich bei ihr. Ihm fiel auf, dass Audrey nicht ganz bei der Sache war, weshalb er sie erneut fragte, ob wirklich alles in Ordnung war.
Audrey kämpfte darum, im Hier und Jetzt zu bleiben und lächelte schließlich. "Ich mag beides", sagte sie und versicherte noch einmal, dass alles in Ordnung war.
Da er genauso beides mochte, entschied er sich dazu, beide zu kaufen. Gerade übergab er Audrey die kleinen Pappteller, auf denen sie angeordnet waren, da stach ein Mädchen aus der Menge heraus.
"Mailin ...", flüsterte Adrian plötzlich heiser, als er seine Freundin sah, wie sie an der Seite eines Mannes glücklich über den Markt schlenderte. Ihre Augen strahlten vor Freude und sie schien diesen Mann wirklich zu lieben.
Audrey wandte den Blick nur kurz und nahm es ebenfalls wahr. "Vielen Dank", strahlte sie ihn an, um ihn abzulenken. "Wusstet ihr, dass diese Speise schon in der Kaiserzeit sehr beliebt war?"
"Ja, diese Speise existiert schon sehr lange", antwortete er geistesabwesend. Sein Blick folgte Mailin und ein trauriger Zug erschien um seine Lippen.
Es sollte ihn nicht mitnehmen, dass sie einen Mann gefunden hatte. Das zwischen ihnen war immer nur freundschaftlich ohne Vereinbarungen gewesen. Dass sie ihn deswegen hatte sitzen lassen, tat trotzdem weh.
Sein Tag war gelaufen. Das, nach was er sich gesehnt hatte, würde sowieso nicht passieren. Das hieß, dass er genauso gut zurück ins Hotel gehen konnte.
"Geht es Euch nicht gut?", fragte Audrey und blickte ihn nun direkt in die Augen, um mit ihren seinen Blick aufzufangen und auch gefangen zu halten. Sie wollte nicht, dass er traurig war.
Zwei verschiedene Augenfarben sahen ihn an. Zogen seine blauen in ihren Bann, aus dem er sich nicht ganz befreien konnte. Adrian zwang sich zu einem Lächeln und schüttelte den Kopf. "Alles in Ordnung", versicherte er Audrey, wobei er sie fast schon anstarrte.
Langsam hob Audrey die Flöte an ihre Lippen und spielte das Lied, das sie so liebte. Es war dafür da, um Adrian auf andere Gedanken zu bringen. Er sah traurig aus und das sollte sich ändern. Noch konnte sie ihm wohl nicht das geben, was er wollte, doch sie würde es versuchen.
Durch die Melodie zog Audrey jedoch auch die Aufmerksamkeit anderer Passanten auf sich.
War Adrian gerade eben noch leicht aufgewühlt gewesen, so fühlte er sich durch ihr Flötenspiel plötzlich ruhiger.
Erinnerungen an etwas, was er nicht kannte, kamen in ihm hoch. Richtig zeigten sie sich jedoch nicht, sondern ließen Adrian im Dunkeln. Warum nur fühlte er sich bei der Musik so seltsam?
Mit den Süßspeisen in der Hand starrte er noch immer in die besonderen Augen von Audrey, ohne sich zu bewegen.
Schließlich endete Audrey ihr Flötenspiel und schenkte ihm ein Lächeln. "Ich kenne einen wundervollen Ort, der Euch bestimmt interessieren könnte."
Mehrmals musste Adrian blinzeln, als die Melodie verklungen war. Obwohl Audrey aufgehört hatte, hallten sie in seinen Ohren noch eine Weile weiter und hielt ihn in etwas gefangen, was er nicht beschreiben konnte. So, als hatte er etwas erlebt, an das er sich nicht erinnern konnte.
Nur langsam nahm er die Leute um sich herum wieder wahr, die ihren Weg fortgesetzt hatten, nachdem Audrey ihr Spiel beendet hatte. Nicht einmal die Gerüche hatte er in der Zeit wahrgenommen, die nun wieder um seine Nase tanzten.
"Welchen Ort?", fragte er erstaunt und reichte ihr endlich die Süßspeise, die er ihr gekauft hatte.
Audrey nahm sie, als wäre nichts gewesen und schenkte ihm ein Lächeln. "Ein Ort, an dem angeblich der Kaiser mit seiner Mätresse gesessen und den Markt beobachtet hat. Außerhalb der Verbotenen Stadt", sagte sie mit einem Schmunzeln.
Gerade eben hatte er in die Banane gebissen, weshalb er nicht gleich antworten konnte. Mit vollem Mund sprach er garantiert nicht. Sobald sein Mund leer war, wischte er sich mit einer sauberen Serviette die Mundwinkel ab. "Woher wissen Sie das?", fragte er erstaunt.
"Ich habe alte Dokumente darüber gelesen", log sie. Es stimmte nicht, denn sie erinnerte sich sehr gut daran. "Vielleicht waren es nur Gerüchte, aber die Vorstellung, dass ein Kaiser aus der Verbotenen Stadt geflohen ist, um sich den Markt anzusehen, hat etwas sehr Faszinierendes."
"Ein Kaiser, der rebellisch war?", lachte Adrian erheitert auf. Seine Gedanken an Mailin waren in den Hintergrund gerückt, denn Audreys Flötenspiel und ihre Worte amüsierten ihn.
"Ja, das ist eine sehr interessante Geschichte", meinte sie. "Es hieß, dass er sich in seine Mätresse verliebte. Mehr, als er eigentlich dürfte. Sie schenkte ihm kein Kind, doch trotzdem stand sie in der Position einer Ehefrau. Die Frau, die ihm eines schenkte, war jedoch niemals in ihrer Position", erzählte sie. "Als das Kind alt genug war, waren angeblich Kaiser und Mätresse verschwunden."
Kopfschüttelnd schlenderten sie weiter durch die Straßen, während er ihren Worten lauschte. "Ziemlich verwirrend. Was hatte der Kaiser nur davon, mit einer Mätresse zu verschwinden?", fragte er nachdenklich. Immer wieder nahm er einen kleinen Bissen seiner Banane, damit er schneller antworten konnte. Ob der Kaiser gefunden und bestraft worden war?
"Niemand weiß genau, ob beide ermordet wurden oder geflohen sind", meinte Audrey, obwohl sie es sehr genau wusste. "Vielleicht wollte er aber auch nur der Eintönigkeit der Stadt entfliehen."
Leise kicherte er bei der Vorstellung, dass ein Kaiser so etwas überhaupt getan haben konnte. Sich dem Regime der Götter zu widersetzen und seinen eigenen Weg zu gehen.
"Warum war die Frau, die ihm ein Kind geschenkt hatte, nicht in der Position als Ehefrau?", fragte Adrian.
Audrey zuckte die Schultern. "Vielleicht hat der Kaiser sie nie darin erhoben", schlug sie vor. Sie durfte nicht vergessen, dass sie so agieren musste, als wäre sie nicht dabei gewesen. Als würde sie spekulieren.
Adrian dirigierte sie zu einem nahen Mülleimer, um den Teller und die Serviette zu entsorgen. "Das wird wohl niemand herausfinden können. Selbst in Büchern kann etwas Falsches stehen", sagte er schulterzuckend. "Haben Sie denn keinen Hunger mehr? Ihre Banane ist noch gar nicht angefangen", bemerkte der Geschäftsmann und deutete auf ihre Süßspeise.'
Audrey lächelte schief. "Entschuldigung. Ich war wohl so in die Geschichte vertieft, dass ich gar nicht mehr ans Essen gedacht habe", meinte sie etwas verlegen. "So etwas passiert mir regelmäßig", entschuldigte sie sich noch einmal, bevor sie begann ihre Banane zu essen und es sichtlich zu genießen.
Daraufhin meinte Adrian, dass es ihm ebenfalls regelmäßig passierte, wenn er wichtige Meetings hatte oder sich eben in der Verbotenen Stadt aufhielt. "Es klingt vielleicht seltsam, aber sie zieht mich magisch an. Ein Ort zum Träumen", erklärte er ihr mit einem aufmunternden Lächeln.
"Geht mir nicht anders. Manchmal stehe ich fast eine Stunde lang an der gleichen Stelle und betrachte etwas, während meine Gedanken kreisen", erklärte sie ihm mit einem Lächeln, bevor sie ihren Teller leerte.
Diesen nahm Adrian ihr vorsichtig aus der Hand und warf ihn in den Mülleimer. Ohne etwas zu sagen nahm er auch ihre Serviette und tupfte ihren Mundwinkel ab, von dem Honig zu tropfen drohte.
Audrey ließ sich ihre Überraschung nicht anmerken und tat einfach so, als wäre es normal. Was es für sie auch irgendwie war. Das hatte er früher schon getan und sie liebte ihn unter anderem dafür.
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