Kapitel 26

Kapitel 26

Die Wochen vergingen, in denen richtige Schneemassen nach New York kamen. Es wurde klirrend kalt, sodass man froh war, wenn man sich in einem beheizten Raum aufhalten konnte. Oft kam man zu spät zur Arbeit, weil die Räumdienste nicht schnell genug die Straßen freibekamen und somit die Taxis immer wieder stecken blieben.

Und genau aus dem Grund hatte sich Adrian in seinem Büro häuslich eingerichtet. Anstatt sich jedes Mal den Weg anzutun, blieb er einfach gleich da. Arbeitete teilweise fünfzehn Stunden am Tag und schlief nur sehr wenig. Durch den Schnee hatten sich die Kunden bereit erklärt, die Termine zu verschieben, bis das Chaos beseitigt war.

Somit musste Adrian auch nicht raus, während seine Mitarbeiter sich ständig durch den Schnee kämpften. Die viele Arbeit half dem Geschäftsmann, von dem verkorksten Urlaub abzulenken. Wochenlang hatte er Audrey weder gesehen noch sie kontaktiert. Zwar schmerzte es ihn, wenn sie nicht zusammen waren, jedoch verspürte er in diesen Wochen auch keine Lust, sich mit ihr zu treffen.

Sobald seine Gedanken wieder in die Karibik gingen, lud er sich noch mehr Arbeit auf, um genau das zu vergessen.

Isabella hatte ihm eines Morgens die Tageszeitung The New York Times mitgebracht und sie auf seinen Schreibtisch gelegt. In diese vertiefte er sich nun und runzelte nach einer Weile die Stirn.

Immer wieder verschwanden in der letzten Zeit Leute. Einige davon waren sogar wichtig. Zumindest vom Namen her. Doch dieses Mal waren es mehr als nur zwei oder drei Personen. Langsam wurde das direkt unheimlich und Adrian fragte sich, was wirklich geschehen war.

War ein Serienkiller unterwegs, liefen die Vampire Amok, oder steckte etwas anderes dahinter? Aus den Berichten ging hervor, dass die Leute einfach verschwanden und nie wiedergesehen wurden. Von jetzt auf gleich. Eine Augenzeugin berichtete, dass sie nur kurz das Büro verlassen hatte, um einen Kaffee zu holen. Als sie zurückkam stand das Fenster auf, der Wind hatte die Dokumente etwas in Unordnung gebracht und der Stuhl war leer gewesen. Da sie sich im fünfzehnten Stock befunden hatten, war sie erst davon ausgegangen, dass ihr Boss sich in den Tod gestürzt hatte, doch es gab keine Leiche.

Diese mysteriösen Verschwinden hielt die Polizei in Atem. Wöchentlich war etwas von dem Verschwinden zu lesen. Einmal aus einem Büro, dann plötzlich aus einer Wohnung, von der noch telefoniert worden war. Niemand konnte sich einen Reim darauf machen, was wirklich geschehen war.

Viele hofften, dass es sich von selbst legte, doch es gab keinen Anschein dazu. Adrian lehnte sich in seinem gemütlichen Stuhl zurück und legte die Beine auf die Schreibtischkante. Die Zeitung lang auf seinem Schoß und seine Hände trommelten leicht gegeneinander, während er nachdachte.

Er hatte einmal sogar gelesen, dass vielleicht eine Sekte involviert war. Satanisten, wie es hieß. Aber das waren mehr Verschwörungstheorien. Dennoch ging man jeder Spur, mochte sie noch so klein sein, nach.

Ob Audrey vielleicht etwas damit zu tun hatte? Eventuell indirekt, denn schließlich hatten Männer sie angegriffen und versucht, sie zu entführen.

Es klopfte an der Tür und Isabella kam mit einem Kaffee in der Hand herein. Sofort wurde sein düsteres Gesicht freundlich, als hätte man eine Lampe an geschalten. Solange andere dabei waren, konnte er es sich nicht leisten, über diese Dinge nachzudenken.

Sie stellte den Kaffee auf den Tisch und musterte ihn dann. "Ihr vermisst sie", stellte sie fest. Eine Hand dabei auf ihren leichten Babybauch gelegt.

"Hm? Nein, ich dachte nur über diese Vorfälle nach", meinte Adrian seufzend mit einem Kopfnicken auf die Zeitung und räumte sie zur Seite. "Wie geht es dir? Alles okay mit deinem Kind und dir?", erkundigte er sich, um von Audrey abzulenken. Er wollte nicht an sie denken.

Dafür freute er sich für Isabella, dass diese bereits ein Kind erwartete. Bald schon würde er eine Vertretung für sie in der Firma haben, da sie ihren Mutterschutz antreten würde.

Isabella strahlte. "Ja, es wächst prima, auch wenn es mir ein paar unschöne morgendliche Stunden beschert", strahlte sie.

"Solltest du mehr Ruhe brauchen, bleibst du am besten zuhause", forderte Adrian sie auf. Es war besser, wenn sie nicht kam, falls es ihr schlecht ging.

"Ach, das geht schon. Du brauchst meine Unterstützung, wenn du dich hier so einmauerst", erklärte sie und klang leicht besorgt.

Abwinkend meinte er, dass er einfach keine Lust hatte, sich den ständigen Stress mit dem Verkehr anzutun.

Isabella gab jedoch nicht so einfach nach. "Da ist sicherlich noch weit mehr", beharrte sie.

"Was soll sein? Ich möchte einfach nicht stundenlang im Stau stehen, wenn ich genügend Arbeit habe. Außerdem ist es hier sehr gemütlich", meinte er mit einem Kopfnicken zu seiner Couch. Dort lagen Kissen und eine ordentlich zusammengefaltete Decke.

"Das meine ich nicht, Adrian", sagte sie sanft. "Es passt einfach nicht zu dir, dass du nicht am Abend mit einer Frau ausgehst. Hat sie dir so sehr das Herz gebrochen?"

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er sie an. "Audrey hat mir nicht mein Herz gebrochen. Wie kommst du denn darauf?", wollte er wissen, doch sein Tonfall verriet, dass er überhaupt nicht darüber reden wollte.

"Weil ihr euch nicht mehr gesehen habt. Wenn sie dir nicht das Herz gebrochen hat, was gibt es dann für einen Grund, dass du sie damit strafst, dass du sie nicht mehr siehst?", fragte sie leise.

"Es ist momentan besser für uns", meinte er schulterzuckend und griff sich die Kanne mit dem Kaffee. Genüsslich schenkte er sich ein und sah Isabella an. "Wir haben beide zu tun und keinen Grund, ständig zusammen zu sein."

Isabella zuckte die Schultern. "Solange es von beiden Seiten so gewollt ist, wird hoffentlich keiner denken, dass er nicht erwünscht ist", meinte sie und ließ es als kleine Denkstütze stehen. Wenn es abgesprochen war, dann war das gut, wenn nicht, sollte er aufpassen die Frau nicht zu verschrecken, die ihm Isabellas Meinung nach sehr guttat.

Nur wusste sie leider nicht die Umstände, die dazu führten, wie Adrian reagierte. Er war der Meinung, dass es besser war, erst einmal auf Abstand zu bleiben. Audrey hatte viel Arbeit, genau wie er. Sich zu sehen und dann wieder in Gefahr zu kommen, wollte er nicht unbedingt.

Seufzend rieb er sich über die juckende Narbe, die von dem Vorfall zurückgeblieben war. Dadurch, dass sie noch am selben Abend abgereist waren, hatte Audrey seine restlichen Löcher nicht mehr geheilt. Diese waren mehr schlecht als recht zugewachsen. Einige juckten auch oder brannten. Doch das versuchte er so gut wie es ging zu ignorieren.

Er hoffte nur, dass sich nichts entzündete. Das wäre nicht gut. Aber gleichzeitig sorgte es auch dafür, dass er sich mit keiner Frau treffen konnte, egal ob er wollte.

"Ich nehme an, dass ich ihre Anrufe dann auch nicht durchstellen soll?", wollte Isabella wissen und wirkte nachdenklich.

"Nein, nur die von den Kunden bitte", bat Adrian sie eindringlich. "Kannst du mir bitte etwas aus der Apotheke besorgen lassen? Ich brauche dringend Kopfschmerztabletten", sagte er und rieb sich die Schläfe. Seit dem Vorfall hatte er das öfters und er fühlte sich auch nicht wohl.

"Natürlich", meinte Isabella. "Ich sollte noch Aspirin in meinem Schubfach haben", bot sie an, würde aber neues besorgen müssen.

"Nein, bitte etwas Stärkeres. Aspirin hilft nicht wirklich dabei", widersprach er und schob seiner Assistentin die Zeitung wieder zu. "Was hältst du von dem ganzen Verschwinden in der letzten Zeit?", wollte er wissen.

Überrascht, dass er das Thema wechselte, betrachtete Isabella die Zeitung, bevor sie nachdenklich die Stirn runzelte. "Anfangs bin ich davon ausgegangen, dass der erste einfach nur die Schnauze voll hatte und untergetaucht ist", gestand sie. "Aber mittlerweile finde ich die Idee mit der Sekte gar nicht so schlecht. Man hat wohl Informationen, dass sie irgendwie alle miteinander zu tun hatten."

"Wer hätte nicht ab und an die Schnauze voll?", lachte Adrian plötzlich bitter. "Wenn es eine Sekte ist, dann sollen sie sich gegenseitig ausrotten. Solche Dinge braucht die Menschheit nicht", murrte er irgendwie verstimmt. Leider hatte er genau dieses Gefühl, dass er durch die Wandlung zu einer Sekte von blutrünstigen Monstern gehörte.

"Man glaubt nicht, dass sie sich gegenseitig auslöschen, aber vielleicht ist das so", meinte Isabella nachdenklich, die nicht ganz verstand, wie sie ihn nun wieder verärgert hatte.

"Vielleicht verschleppen sie sich gegenseitig, nur um in die Schlagzeilen zu gelangen", meinte er schulterzuckend und seufzte. Viele Leuten taten das, nur um Aufmerksamkeit zu erregen.

Adrian nahm seine Geldbörse und holte einige Scheine heraus. "Hier, das ist für die Tabletten. Bitte die Stärksten, die sie ohne Rezept verkaufen", bat er.

Isabella betrachtete ihn skeptisch. "Vielleicht solltest du dich mal bei einem Arzt vorstellen", meinte sie besorgt. "Es könnte etwas ernstes sein."

Sicherlich würde er das mit seinen unerklärlichen Narben nicht tun. Deshalb winkte er ab und schob es auf die Arbeit, die ihm einige Kopfzerbrechen brachte. Dass es nicht stimmte, musste sie nicht wissen. "Wann gehst du genau in Mutterschutz?", fragte er, um abzulenken.

"Erst in etwa zwei Monaten", meinte sie, da sie vor hatte so lange zu arbeiten, wie es möglich war. Auf das davor ging sie nicht weiter ein. Auch wenn sie sich Sorgen um ihn machte.

"Wir brauchen immer noch eine Vertretung für dich. Meinst du, du könntest jemand in der Zeit einweisen?", wollte er nachdenklich wissen. Es gab einige Bewerber dafür, doch bis jetzt hatte er sich nicht entscheiden können.

"Das könnte ich machen", meinte Isabella. "Soweit ich weiß ist auch Audrey unter den Bewerbern", meinte sie vorsichtig.

Plötzlich schlug Adrian hart auf den Tisch auf und ballte seine Hand zur Faust. "Nein. Sie hat ihre eigene Arbeit, die sie ausfüllt", knurrte Adrian verstimmt. Was sollte das überhaupt?

"Wenn du meinst", meinte Isabella, die sich fragte, ob Audrey Adrian vielleicht belogen hatte, was die Arbeit betraf. Vielleicht versuchte sie über diesen eine zu bekommen.

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