Kapitel 17.6


Kapitel 17.6

"Trink etwas von mir und danach ganz viel Wodka", schlug sie vor. Da sein Körper anders funktionierte, würde dieser ihn nicht so sehr schaden, wie bei einem Menschen.

Trotzig wie ein kleines Kind weigerte er sich und sank zu Boden. Adrian fühlte sich immer schwächer, sodass er nicht mehr stehen konnte.

Audrey ging mit ihm mit und hielt ihn sanft. "Du wirst nicht darum herumkommen, wenn du nicht zusammenbrechen willst."

Das war ihm sowas von egal. Adrian wollte kein Blut trinken. Niemals. Egal, was Audrey auch sagte.

Diese nutzte ihren Fingernagel, um sich damit in den Zeigefinger zu stechen und kurz darauf hielt sie den Finger an seine Lippen gedrückt.

Er riss seinen Kopf von ihr weg und wischte sich das Blut sofort weg. Schon der Geruch hatte Übelkeit in ihm aufsteigen lassen.

Audrey war kurz davor ihn sogar zu beißen, damit er spürte, dass ein Biss nicht schmerzte, doch damit würde sie sein Vertrauen missbrauchen, daher ließ sie es.

Da er sich noch immer weigerte, passierte das, was Audrey vorausgesagt hatte. Er brach zusammen und sein Körper fiel zur Seite auf den Fliesenboden.

Audrey seufzte und hob ihn hoch, um ihn zum Bett zu bringen. Dann holte sie ein kleines Glas Wodka, bevor sie sich den Finger weiter aufritzte und ihn in seinem Mund platzierte.

Nur gut, dass er das erneut nicht mitbekam. Wenn er schon so auf einen Tropfen reagierte, würde es noch lange dauern, bis er normal wie andere Vampire trank. Sollte sie ihm vielleicht Blut in eine Tomatensuppe mischen?

Selbst dort würde er es vermutlich schmecken und riechen.

Audrey knirschte mit den Zähnen. Vielleicht sollte sie etwas in die Richtung machen und das Blut sehr gut würzen.

Wie konnte er nur so verdammt stur sein und ständig sein Leben dabei riskieren? Irgendwie musste es möglich sein, ihn daran zu gewöhnen.

Instinktiv schluckte sein Körper das Blut der jungen Frau, um sich zu erholen.

Diese sorgte dafür, dass genügend lief und er nicht sonderlich viel davon schmeckte.

Nach einigen Minuten begann sein Körper darauf zu reagieren. Schwindelig setzte er sich auf und bemerkte als erstes den widerlichen Geschmack, der die Flüssigkeit bei ihm hinterlassen hatte, aber auch, dass sein Durst weniger geworden war.

„W-Was ist ...", begann er verwirrt und rieb sich leicht den Kopf.

Audrey ließ von ihm ab und hielt ihm den Wodka unter die Nase.

Schnell schnappte er das Glas und trank den hochprozentigen Alkohol in einem Zug aus.

Nur langsam ließ der Geschmack nach und leicht verärgert sah er Audrey an. „Ich will kein Blut trinken", erklärte er mit Nachdruck. Verstand sie denn nicht, dass es einfach nicht ging?

"Dann werdet Ihr elendig zu Grunde gehen", sagte sie traurig. "Ihr wart zusammengeklappt."

Seufzend und schwach murmelte er, warum keine Transfusion helfen würde. Damit könnte er sich anfreunden.

Audrey entschuldigte sich, meinte aber, dass sie es ausprobieren sollten. Noch hatte sie es nicht testen können.

Adrian ließ seinen Kopf gegen das Schränkchen unter dem Waschbecken lehnen und starrte vor sich hin. „Wie war es damals gewesen?", fragte er müde. Damit wollte er wissen, wie er in seinen vorherigen Leben damit zurechtgekommen war.

"Eigentlich ohne größere Probleme", meinte Audrey nachdenklich. "Ihr habt bisher nichts gegen den Geschmack gehabt, was ist passiert?", fragte sie.

Nur ungern sprach er darüber. Adrian brauchte einige Minuten, bis er endlich die Kraft dazu fand, davon zu erzählen.

Als Jugendlicher war er von der Schule nach Hause gekommen und hatte seine Eltern erstochen in ihrem Haus vorgefunden. Der Geruch des Bluts war sehr präsent gewesen und hatte sich beinahe über alle Räume verteilt, denn seine Eltern hatten versucht, dem Einbrecher zu entkommen. Während sein Vater bereits verblutet war, lebte seine Mutter nur noch schwach.

Verzweifelt hatte er versucht, seine Mutter zu retten. Den Krankenwagen hatte er gerufen. In der Zwischenzeit hatte er versucht, das Blut aus dem Mund seiner Mutter zu entfernen, damit sie sprechen konnte.

Immer wieder hatte er seine Lippen auf ihre gelegt und das Blut abgesaugt und anschließend ausgespuckt. Durch die ganzen Stichwunden hatte sich seine Mutter nicht bewegen können, weshalb er alles getan hatte. Doch es hatte nicht gereicht. Die inneren Blutungen waren so stark gewesen, dass sie in seinen Armen gestorben war.

Audrey hörte ihm zu und hielt ihn im Arm, weil sie nicht mehr machen konnte. Sie wusste auch nicht, wie sie ihm ihr Beileid ausdrücken konnte, ohne dass es fehl am Platz wirkte.

„Deshalb kann ich einfach kein Blut trinken. Weder schmecken noch riechen. Die Erinnerungen an sie sind zu stark", schloss er leise seine Erzählung ab. Bilder der Vergangenheit tauchten in ihm auf und ließen ihn verzweifeln.

Audrey streichelte ihn und nickte. Das konnte sie durchaus verstehen. "Aber wir müssen irgendeine Lösung finden", sagte sie und klang verzweifelt.

Das war ihm bewusst, und trotzdem konnte er nichts machen. Er selbst war verzweifelt, weil er mit seiner neuen Gestalt nicht zurechtkam.

Audrey hielt ihn sanft im Arm. "Glaubt Ihr, es wäre besser, wenn Ihr es nicht bemerkt?", fragte sie. Wenn sie wollte, könnte sie ihn zum Schlafen bringen.

Er konnte nicht ständig schlafen, nur um zu trinken. Dadurch würde er nur noch abhängiger von ihr werden. Sie konnte nicht ständig bei ihm sein.

Und der Geschmack würde er trotzdem haben. Davor graute es Adrian richtig.

"Vielleicht würde es helfen, wenn du den Geschmack mit etwas weniger Grausamen verbindest", meinte sie hoffnungsvoll.

Adrian hob den Kopf und sah sie neugierig an. „Wie meinen Sie das?", fragte er verblüfft.

"Im Moment ist es so, dass Ihr den Geruch von Blut mit schlechten, grauenvollen Dingen assoziiert", erklärte sie. "Vielleicht könnte man dafür sorgen, dass nicht mehr sofort diese Erinnerung in Euch hervorgerufen wird, wenn Ihr es riecht."

„Und wie? Haben Sie eine Idee?", wollte er hoffnungsvoll wissen. Inständig hoffte Adrian, dass es irgendeine Lösung gab. Es stresste ihn, dass er anders war und etwas brauchte, was er nicht wollte.

"Ich bin noch nicht so ganz sicher", meinte sie. "Ich würde Euch gern zeigen, dass es nicht schmerzt gebissen zu werden, aber das ist nicht so einfach."

Es ging ihm nicht ums beißen, sondern um das Blut trinken. Oft genug hatte er Frauen beim Liebesspiel gebissen, doch nie hatte er aufpassen müssen, mit seinen Zähnen die Haut zu durchtrennen.

"Wenn es Euch möglich wäre, mich zu beißen, wäre es vielleicht etwas anderes, denn das Blut schmeckt und riecht anders, wenn es mit dem Gift vermischt ist", versuchte Audrey zu erklären.

„Was für ein Gift meinen Sie?", wollte Adrian nun wissen. Wieso würde ihres anders schmecken? Das ergab doch keinen Sinn.

"Wenn das Blut mit dem Gift vermischt wird, das wir beim Beißen absondern", erklärte sie. "Dann ändert sich der Geschmack", versuchte sie zu erklären und nahm das kleine Glas, wo der Wodka drin gewesen war. Dort hielt sie ihren Finger drüber und ließ ein paar Tropfen hineinfallen, bevor sie mit den Daumen ihren Zahn leicht drückte, um das Gift abzusondern. Dieses tropfte sie hinzu und schlagartig änderte sich der Geruch.

Das überraschte Adrian richtig. Misstrauisch sah er auf die rote Flüssigkeit in dem kleinen Glas.

„Wie ist das möglich? Wofür soll das gut sein?", wollte er wissen. Es roch überhaupt nicht mehr nach Blut wie zuvor.

"Das weiß ich nicht", meinte sie schulterzuckend. "Es ist halt so."

Vorsichtig nahm Adrian ihr das kleine Glas aus der Hand und beäugte die Flüssigkeit misstrauisch. Er roch sogar daran und runzelte die Stirn. War das eine Art Zaubertrick, damit er das herunterkriegen konnte?

Es roch nicht mehr nach Blut und vielleicht schmeckte es auch nicht mehr so? War es dann nicht egal, ob es ein Zaubertrick war oder nicht?

Schwer schluckte er, bevor er das Glas an die Lippen hob. Bevor er einen winzigen Schluck zu sich nahm, atmete er tief ein. Fast so, als würde er hoffen, dass es nach Blut schmeckte und roch, sodass er es noch immer verweigern konnte.

Der Tropfen, der seine Lippen berührte, sagte jedoch etwas anderes. Wie eine süße Flüssigkeit schmeckte es. Richtig beschreiben konnte Adrian den Geschmack nicht, doch er war positiv davon überrascht.

Audrey beobachtete ihn und weil er nicht sofort ausspuckte, war sie zufrieden. So würde es zwar nicht immer funktionieren, aber wenn er selbst trank, würde sich das geben.

Es waren nur wenige Tropfen Blut in dem Glas gewesen, die Adrian zu sich nahm. Danach reichte er es Audrey wieder und lehnte seinen Kopf gegen das Badezimmerschränkchen. "So wäre es nicht ganz so schlimm, es zu trinken", gestand er leise. Die Erinnerungen jedoch würden für immer bleiben.

"So schmeckt es meistens, wenn man von jemanden trinkt", erklärte sie ihm und fuhr mit ihren Fingern über ihren Hals. Als Einladung. "Ich habe kein Problem damit, wenn Ihr etwas fester zubeißt, als sonst."

Doch Adrian schüttelte den Kopf. Jemanden zu beißen kam für ihn einfach nicht in Frage. Weder Audrey noch andere Menschen. Es grauste ihn davor, an jemanden zu hängen und von demjenigen zu trinken.

Als er diese Einladung ablehnte, wirkte Audrey für einen kurzen Moment verzweifelt, fing sich jedoch wieder. Es würde schon funktionieren. Irgendwann waren sie soweit.

"Wir sollten schlafen. Für den Termin muss ich halbwegs anwesend sein", murmelte Adrian schließlich und stand mit wackeligen Beinen auf. Zumindest ein paar Stunden Schlaf sollten sie bekommen. Obwohl sie so schnell in Frankreich gewesen waren, blieb ihnen nicht mehr viel Zeit. Durch die Zeitverschiebung war es bereits früher Morgen in Nantes. Das hieß, es blieben gerade mal noch zwei bis drei Stunden Schlaf, bevor sie losgehen sollten. Der Termin war für mittags ausgelegt und so, wie es aussah, war es bereits sechs Uhr morgens.

Adrian hatte das mit der Zeitverschiebung komplett vergessen, denn er wäre bereits in der Nacht angekommen.

Audrey nickte ihm zu und hakte sich bei ihm unter, um ihn Richtung Schlafzimmer zu führen. "Dann schlafen wir jetzt noch etwas", sagte sie, obwohl sie nicht zwingend schlafen musste.

Murrend stellte sich Adrian den Wecker auf acht Uhr, sodass er genügend Zeit zum Frühstücken hatte. Das brauchte er, wenn er halbwegs munter beim Kunden eintreffen sollte.

"Gute Nacht, Audrey", flüsterte er, nachdem er die Decke über sie gezogen hatte. Hoffentlich konnte er ein bisschen schlafen.

Audrey kuschelte sich an ihn und begann ihn zu streicheln, damit er schneller in den Schlaf fand. "Guten Nacht, Adrian."

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