Kapitel 17.1

Kapitel 17.1

Schneller als erwartet war der Tag gekommen, auf dem Adrian wieder auf Geschäftsreise gehen würde. Die letzten Tage waren mit viel Arbeit vollgestopft gewesen, dass er nicht sehr viel Zeit gehabt hatte, sich mit Audrey zu treffen.

Ab und zu eine SMS, die meistens mit den Worten endeten, dass sie sich vermissten. Sie hatten sich abgesprochen, dass sie sich morgens am John F. Kennedy Flughafen treffen würden. Isabella hatte konkrete Anweisungen von Adrian bekommen, die in der Zeit so etwas wie eine Vertretung für ihn war.

Bereits am Abend, als er seinen kleinen Reisekoffer gepackt hatte, war Adrian mulmig zumute gewesen. Schon lange war er nicht mehr geflogen. Der Weg von Houston zurück nach New York hatte er verschlafen. Wie er überhaupt zurückgekommen war, wusste er gar nicht. Aber Audrey hatte sich darum gekümmert.

Die Fahrt über zum Flughafen hatte er bereits einige Dokumente angesehen, um sich abzulenken. Nun fuhr der Taxifahrer auf den vorgesehenen Parkplatz, der nur für die gelben Autos reserviert waren, um die Gäste abzusetzen.

Sein Magen begann, sich umzudrehen, sobald er einen Fuß aus dem Taxi setzte. Geistesabwesend bezahlte er den Fahrer und nahm seinen Koffer an sich.

Minutenlang stand Adrian Blair vor dem Eingang des Flughafens und starrte die große Glastür an. Mit klopfendem Herzen konnte er sich nicht dazu durchringen, sich in das Gebäude zu bewegen. Die Menschen, die rein und raus kamen, wurden von ihm gar nicht bemerkt.

Die lauten Geräusche der Autos, aber auch der startenden oder gelandeten Flugzeuge führten dazu, dass sein Puls sich beschleunigte. Noch nie hatte er Angst verspürt, wenn er hier war. Eher eine Vorfreude, wieder über den Wolken zu sein.

Schwer schluckend presste er seine schwarze Aktentasche an sich. Sie war sein ständiger Begleiter. Darin befanden sich das Flugtickets, aber auch wichtige Dokumente, die er eigentlich im Flieger ansehen wollte. Nur konnte er sich nicht durchringen, in den Abflugbereich zu schreiten. Den Check-In hatte er bereits am Vorabend erledigt, sodass er nur noch durch die Sicherheitskontrolle gehen musste, da er lediglich einen Handkoffer dabeihatte.

Eine Hand legte sich auf seinen Rücken und als er den Kopf wandte, erblickte er Audrey. Sie schenkte ihm ein Lächeln. Wahrscheinlich war sie auch gerade aus dem Taxi gestiegen und er fragte sich, warum sie nur eine kleine Handtasche dabeihatte. Vielleicht hatte sie ihr Gepäck schon aufgegeben oder es war alles in ihrer Wohnung zu finden?

Beides war möglich, so wie er sie kannte. Trocken wie Staub war sein Mund und die Unruhe, die in ihm aufgestiegen war, wurden selbst durch sie nicht gemildert.

Ihre Hand begann sanft seinen Rücken zu streicheln, als sie sich zu seinem Ohr beugte. "Ich bin da und werde auf Euch aufpassen", versprach sie.

Leider beruhigten ihn die Worte nicht wirklich. Sie zwangen ihn eher dazu, sich vom Flughafen abzuwenden. Die Chance, dass wieder etwas passierte, war für ihn zu groß geworden.

Er würde zurück in sein Büro gehen und alle Termine absagen. Die Angst, dass noch einmal etwas passierte, ließen ihn nicht los. Seine Haut war aschfahl geworden, als ein Flugzeug laut dröhnend über sie hinweg flog.

„Tut mir leid", brachte er gerade noch hervor, bevor er sich seinen Weg durch die Passanten auf dem Bürgersteig bahnte.

Das war ein Albtraum. Adrian konnte nicht mehr fliegen, obwohl es zu seinem Job gehörte.

"Wann und wo ist der erste Termin?", wollte Audrey wissen, die ihm folgte. Vielleicht schafften sie es auch ohne Flugzeug.

„Paris", murmelte er tonlos. Ob sie es durch die vielen Geräusche um sie herum hörte, wusste er nicht. Das war's für ihn. Er würde von nun an jemand anderen schicken.

"Der Flug dauert fast sieben Stunden", murmelte Audrey. "Werdet Ihr seekrank?", fragte sie neugierig, aber auch vorsichtig.

Nicht, solange es keine Stürme und hohe Wellen gab. Auf den Booten im Hafen hatte er sich meist wohl gefühlt. Der erste Termin war am nächsten Tag. Würde er mit einem Schiff reisen, käme er zu spät.

Schon jetzt hatte Adrian sein Smartphone herausgeholt und suchte nach der Nummer seines Kunden.

Kurz darauf konnte Audrey Klingelzeichen hören und dann eine männliche Stimme, die französisch sprach.

"Ich könnte Euch rechtzeitig hinbringen", sagte sie mit einem Lächeln und wartete darauf, dass er reagierte.

Adrian hob seine Hand, damit sie still war, während er dem Kunden auf Französisch erklärte, dass er nicht kommen konnte. Den wahren Grund gab er jedoch nicht preis.

Audrey seufzte leise und wartete, bis Adrian sein Gespräch beendet hatte.

Zornig sah Adrian aus, als er aufgelegt hatte. Fluchend drehte er sich zu Audrey um. „Die Reise ist abgesagt. Ich muss zurück ins Büro, um die anderen zu erreichen", knurrte der Mann richtig zornig. Das galt eher für ihn, denn seine plötzliche Angst verdarb ihm alles.

Dabei hatte er sich sogar darauf gefreut, Audrey bei sich zu haben. Auch wenn er es nicht hatte zugeben wollen.

"Ich kann Euch in der Hälfte der Zeit dorthin bringen", meinte Audrey erneut und betrachtete ihn nachdenklich.

„Fliegen ist fliegen", fauchte Adrian ungehalten. War doch sowas von egal, ob es in einer Maschine oder auf einem fliegenden Teppich war. Das machte für ihn keinen Unterschied mehr. Wenn er es schaffte, konnte er eine Vertretung für sich finden, die in die anderen Länder reisten.

"Ich dachte an was Schwimmendes", erklärte sie und versuchte nicht zu mitleidig oder belustigt zu klingen.

Für einen Moment hielt Adrian mit dem Fluchen inne und sein Zorn wich der Neugier. „An was genau?", erkundigte er sich.

"Wenn wir schnell reisen wollen, dann nehmen wir ein Schiff hinaus aufs Wasser und von dort geht es dann mit dem Boot weiter", erklärte sie ihm. "Dann sackt uns ein Schiff wieder ein und setzt uns ab."

Aber auch nur, wenn es kein Sturm gab und hoher Wellengang war. Adrian wirkte nicht sehr begeistert über den Vorschlag.

"Ihr vergesst, dass wir keine Menschen sind", meinte Audrey leise. "Versucht es und dann könnt Ihr entscheiden, ob es etwas für Euch ist."

Nicht sehr sanft zog er Audrey an sich heran. „Sagen Sie mir genau, was sie vorhaben, Audrey", knurrte er sie gefährlich an. Adrian war gestresst durch das am Flughafen. Das war deutlich spürbar. Es passte ihm nicht, dass er nun so eingeschränkt war.

Audrey packte ihn und mit einem Satz waren sie auf dem Dach des nächsten Hauses. "Keine Angst, uns hat niemand gesehen", versicherte sie ihm und klang sogar leicht belustigt.

Erschrocken darüber brachte Adrian kein Wort heraus. Ungläubig sah er nach unten auf die Menschenmenge, die von hier oben wie kleine Ameisen aussahen.

Er wandte seinen Kopf zu ihr herum und sah sie eindringlich an. „Das war nicht die Antwort auf meine Frage", bemerkte Adrian.

Audrey überlegte, wie sie es erklären sollte und blickte einen Moment in die Wolken. "Früher sind wir so gereist, dass sich einer in ein kleines Kanu gesetzt hat und der andere hat es geschoben", erklärte sie. "Viel schneller als jedes Motorboot."

So sehr ihr Angebot ihn auch berührte, Adrian konnte es nicht annehmen. Es ging um seine Arbeit. Nicht um irgendeinen Spaß. Wenn er selbst nicht mehr in der Lage war zu fliegen, hatte das Konsequenzen. Der Geschäftsmann konnte nicht erwarten, dass Audrey ihm ständig zu Verfügung stand.

"Es gibt direkt Vampire, die das täglich machen", erklärte sie. "Sie nehmen nicht einmal sehr viel dafür."

„Sie haben mir versprochen, dass ich meinem Leben normal nachgehen kann. Das hier hat überhaupt nichts damit zu tun", erinnerte er die Frau an ihre Worte.

Vermutlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass Adrian Angst hatte, zu fliegen.

"Mag sein, aber ich ermögliche Ihnen das, was mir möglich ist", sagte sie. "Dass Ihr nicht mehr fliegen wollt ... Kann ich verstehen, aber daran hätte auch die Wandlung nichts geändert. Zudem könntet Ihr versuchen es positiv zu sehen. Wir brauchen gerade einmal zwei Stunden."

Nun wandte er seinen Blick in die Wolken und dachte gründlich nach. Wenn er wirklich so schnell wäre, würde er viel mehr Zeit mit vorbereiten und schlafen verbringen können.

Erneut zog er sein Smartphone aus der Tasche und nickte Audrey zu, bevor er seinen französischen Kunden anrief und ihn wissen ließ, dass er doch kommen würde.

Als das Gespräch beendet war, fragte Audrey, ob er gern weiterhin hier oben bleiben und so die Stadt durchqueren wollte, oder ob sie ein Taxi nehmen sollten.

„Egal, Hauptsache ich erreiche Paris noch heute", meinte Adrian abwinkend. Ein zufriedener Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Vielleicht hatte die Wandlung doch mehr Vorteile als er angenommen hatte.

Audrey lächelte. "Gut, dann hoffe ich, dass es Euch nicht schlecht wird", meinte sie und hob ihn hoch, um über die Dächer zu springen. Dabei machte sie jedoch nach wenigen Sprüngen Halt, um zu sehen, wie es Adrian ging.

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