Kapitel 1.1
Kapitel 1
~2020 New York~
Kühl war der Wind, der durch die Nacht wehte und mit den langen, schwarzen Haaren der Frau spielte.
Die Lichter von New York erhellten die Nacht und so war es nicht schwer, zu sehen. Doch von hier oben, auf dem Hochhaus, hätten nur die wenigsten die Menschen dort unten erkannt.
An der Kante saß sie und ihre zweifarbigen Augen blickten hinab in die Tiefe. Ihr grünes Auge schimmerte ab und an, während das blaue eher matt wirkte. Doch nur oberflächlich.
Als sie jemanden in der Menge erkannte, strahlte es ebenfalls und ein gutes Gefühl breitete sich in ihr aus. Da war er.
Mit einer Bewegung und voller Vorfreude ließ sie sich von dem Hausdach fallen. Ihr schwarzes Kleid, das für diese Jahreszeit eigentlich viel zu kalt war, wehte im Wind und sie rauschte zu Boden.
Als ihre Füße diesen berührten, federte sie sich leicht ab und stand dann, als wäre sie nur von einem Stuhl gesprungen.
Fröhlich pfeifend reihte sie sich in die Menge voller Menschen ein, die selbst um diese Uhrzeit hier noch unterwegs waren. Diese bemerkten sie kaum. Sie waren Meister darin all das zu verdrängen, was sie nicht verstanden. Dazu gehörte eine junge Frau, die von einem Hochhaus sprang und sich nicht verletzte. Zusätzlich kam die Tatsache, dass das menschliche Auge sie kaum erfassen konnte. Das kam ihr gerade recht.
Ihr Blick war auf den Mann gerichtet, der in der Menge lief.
Es war nicht sein Aussehen, was ihn verriet, sondern seine Aura. Sie war wie eine Sucht für sie und ihr Herz fühlte sich zu ihm hingezogen.
Wie einer von vielen Menschen kam er gerade von der anstrengenden Büroarbeit und schlängelte sich geschickt durch die Massen, die ihm entgegenliefen.
Hin und wieder musste der hochgewachsene Mann jedoch ausweichen, weil es einige gab, die einfach nicht auf ihre Umgebung achteten und stattdessen lieber auf ihre Bildschirme vom Handy starrten. Das ärgerte ihn oft, weil es dadurch leichtsinnige Unfälle gab, die man vermeiden konnte.
Von der überfüllten und lauten Hauptstraße bog er in eine kleinere Gasse ein, wo er zuerst einmal tief aufatmete. Diese riesigen Menschenmassen waren für ihn heute einfach zu viel. Dabei war es hier in New York immer so und er sollte es eigentlich gewohnt sein.
Wie sehr sehnte er sich nach dem einen oder anderen Cocktail, um den Stress zu vergessen.
Beinahe dunkel lag die Gasse vor ihm. Man hätte Angst haben können, so gefährlich, wie es aussah. Nicht sehr viele Lichter erhellten die dunkle Straße. Da er diese Gegend jedoch sehr gut kannte, bestand kein Grund, sich zu zieren.
Mit langen Schritten, die auf dem Kopfsteinpflaster hallten, ging er auf ein Gebäude zu.
Dark Cocktail Bar leuchteten die Buchstaben des Schildes über der Eingangstür. Sein Lieblingsladen. Die besten Cocktails, die New York für ihn bot.
Auch das Ambiente war sehr nach seinem Geschmack. Eher dunkle, gute Musik und Ruhe, die er nach einem anstrengenden Tag haben wollte.
Dadurch, dass die Bar von der Hauptstraße abgelegen war, kamen nicht sehr viele Leute hierher. Und dennoch lief der Laden sehr gut. Was an den Stammgästen lag, die sich täglich hierher verirrten.
Ein Regentropfen fiel auf seine blasse Stirn und seufzend öffnete er die Tür. Als ob der Tag nicht noch schlimmer werden konnte. Musste es auch noch anfangen zu regnen? Natürlich hatte er seinen Regenschirm zu Hause vergessen.
Egal, dann würde er einfach ein Taxi nehmen. Davon gab es in New York ja schließlich genug. Nicht umsonst wurde es auch Taxi Stadt genannt.
Warme, nach Alkohol riechende Luft schlug ihm entgegen, sobald er einen Fuß in den Laden setzte. Nun konnte endlich der gemütliche Teil vom Tag beginnen!
Während er noch die Luft in der Bar einsog, bemerkte er nicht, wie die Frau mit den langen, schwarzen Haaren ihm folgte. Diese hatte sie mittlerweile im Gehen zu zwei Zöpfen geflochten, die sie sich nun um den Kopf drehte. Da ihre Haare bis zum Boden reichten, war sie damit sehr auffällig. Selbst hier in New York. So hingegen war es weniger verwirrend für die Leute.
Mit schnellen und eleganten Schritten, die eigentlich viel zu schnell für die zierliche Frau waren, folgte sie dem Mann in die Bar und atmete erst einmal den Geruch ein.
Da sie keine Jacke oder Tasche dabeihatte, lief sie direkt an der Abgabe vorbei und besah sich alle sehr genau. Sie war hier das ein oder andere Mal gewesen und hier hatte sie auch das erste Mal den Geruch des Mannes gewittert. Wie er sich wohl in dieser Zeit nannte und was er tat? Sie war sehr erpicht darauf, es herauszufinden.
Versucht unauffällig suchte sie die Umgebung ab und entdeckte ihre Zielperson.
Dieser Mann hatte sich an der Bar niedergelassen und bestellte gerade den ersten Whisky Sour. Etwas Starkes, was er wirklich gebrauchen konnte.
Seinen Mantel hatte er dem Herrn hinter der Abgabe einfach in die Hand gedrückt. Da er fast schon täglich hierherkam, kannte er die Leute ganz gut. Dass es eine Verwechslung mit seinem Mantel geben würde, war ausgeschlossen, denn in den Innentaschen waren seine Initialen eingenäht. A. B.
Nun aber legte er seinen Kopf auf die zusammengefalteten Hände und wartete auf seinen Cocktail. Blaue Augen schweiften in der Bar umher und grüßend hob er seine Hand in eine Richtung. Der Manager der Bar und er kamen gut zurecht. Vor allem, weil er immer großzügig Trinkgeld gab.
Tanzmusik lief im Hintergrund, während auf dem Bildschirm vom Fernseher Baseball kam. Ein Sport, den er nicht mochte, aber als Ablenkung akzeptieren konnte, wenn er hier war. In der Bar gab es mehrere Bildschirme, damit auch wirklich alle Gäste etwas sehen konnten.
Leicht ließ er seinen Kopf zur Seite drehen, um dem Spiel zuzusehen, während der Mann hinter der Bar ihm den Cocktail hinstellte. „Danke", sagte er mit dunkler Stimme, die verriet, dass er wohl nicht gerade der sanfte Typ war.
Mit einer eleganten Bewegung ließ sich eine Frau neben ihn gleiten, die dem Mann hinter der Bar nur ein Lächeln zuwarf.
Dieser wusste sofort, was sie wollte und mixte ihr den gewünschten Drink. Etwas, was nicht jeder bestellte und auch nicht jeder bestellen konnte.
Sie lehnte sich etwas mit dem Rücken an die Bar und kreuzte die schneeweißen Beine. Durch den kurzen Rock, der bis zu den Knien ging, und den für diese Jahreszeit unpassenden Schuhen, konnte man ihre porzellanfarbene Haut an den Beinen sehen.
Ihr Blick war jedoch nicht auf den Bildschirm gerichtet. Sie musterte den Mann neben sich sehr genau.
Gedankenverloren spielte der schwarzhaarige Mann mit seinem Glas. Hin und her drehte er es in den Händen und nahm einen kleinen Schluck.
Obwohl sein Blick auf den Bildschirm gerichtet war, nahm er nichts von alledem, was dort passierte, auf. Zu sehr hing er in Gedanken bei der Arbeit. Das würde sich mit der Alkoholmenge ändern. Ein Alkoholiker war er nicht. Oft nahm er auch nur einen Cocktail und konnte sogar ohne Probleme darauf verzichten. Doch nicht heute. Nicht, nachdem ihm ein Geschäft durch die Lappen gegangen war.
Erst der wunderbare Geruch neben sich holte ihn wieder in die Gegenwart. Ein Parfüm, das er nur vom Namen her kannte. Teuer war es auf jeden Fall. Das hieß, dass die Person neben ihm wohl in Geld schwimmen musste.
Ein leicht säuerlicher Ausdruck erschien auf seinen Lippen. Gerade der Kunde heute wäre so wichtig gewesen! Ein Investor, der ihm sicherlich geholfen hätte, seine Firma zu vergrößern. Eine Sorgenfalte zwischen den Augen erschien.
Kurz darauf glättete sich sein Gesicht wieder. Nur nicht daran denken.
Sollte er sich umdrehen oder einfach stur auf den Bildschirm starren? Lust auf ein Geplauder hatte er nicht.
„Darf ich Euch einen Cocktail spendieren?", erklang ihre sanfte, melodische Stimme, die ihm einen Schauer über den Rücken jagte.
Dass die Frau ihn die ganze Zeit angestarrt hatte, war ihm gar nicht aufgefallen und nun schien sie auf seine Reaktion zu warten.
Wie in Zeitlupe drehte er seinen Kopf schließlich zu ihr herum. Dunkles Haar umrahmten ein fast weißes Gesicht, welches in dem Schein der Barlichter unwirklich aussah. Die beiden unterschiedlichen Augenfarben fielen ihm jedoch sofort auf, denn diese waren sehr gut zu erkennen. Sein Blick wanderte ihren zierlichen Körper hoch und runter, bevor er ihr wieder in die Augen sah. Das dauerte keine zwei Sekunden.
Hübsch war sie, stellte er fest. Woher sie wohl kam? Er hatte sie noch nie gesehen. Vermutlich war sie falsch abgebogen und hier gelandet.
Als Antwort hob er sein Glas nach oben. „Danke, ich habe schon", lehnte er freundlich mit dunkler Stimme ab.
Sie senkte ein Stück die Lider und musterte ihn nun ihrerseits. Er war gut gebaut und trug seine schwarzen Haare kurz. Etwas ungewohnt, doch nicht weniger anziehend. „Sehr schade", sagte sie und griff hinter sich, um ihren Cocktail zu greifen. Er trug den Namen Bloody Marry und war eine Spezialanfertigung. Es war nicht der typische Cocktail, der auch diesen Namen trug.
Jedoch sah er beinahe genauso aus. Durch das Licht in der Bar konnte man keinen Unterschied erkennen.
Darauf achtete der Mann nicht einmal. Ihre unterschiedlichen Augen zogen ihn an. So etwas hatte er wirklich noch nie gesehen.
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