Kapitel 55 - Der Hexenmeister

Als der Abend allmählich in die Nacht überging, war Alec mehr als nur nervös. Aufgeregt stapfte er durch sein Gemach und dachte fieberhaft darüber nach, was er zu Magnus sagen könnte. Vor allem aber, wie er sich entschuldigen könnte, denn das war das mindeste, das er tun konnte und musste.

Doch je mehr er sich anstrengte, desto einfallsloser wurde er, dabei sollte er sich Mühe geben, denn es würde nicht leicht werden, das mit Magnus wieder hinzubiegen. Allerdings hieß das nicht, dass er nicht noch immer zweifelte und Angst hatte, ob das alles so eine gute Idee war.

Noch immer versuchte ihn ein leider nicht so geringer Teil davon zu überzeugen, dass Abstand die bessere Lösung war als sich schutzlos auf ein Minenfeld zu begeben. Doch dieses Mal würde er nicht zulassen, dass dieser Teil die Oberhand gewann.

Im Laufe des Nachmittags hatte er sehr viel mit Isabelle gesprochen und sich ihr dabei so nahe gefühlt wie schon lange nicht mehr. Er hatte ihr sein Herz ausgeschüttet und sie hatte ihm geholfen.

Gleichzeitig hatte sie ihn darin bestärkt, dass es besser war, Ängste zu überwinden und vielleicht auf Glück zu stoßen als sich von diesen kontrollieren zu lassen und so weiterzumachen wie bisher.

Alec tat sich noch immer sehr schwer damit, sich diese Änsgte einzugestehen, allerdings wusste er instinktiv, dass sie real und der Grund für all das Leid waren, das er über sich und Magnus gebracht hatte. Doch er hatte es anfangs nicht wahrhaben wollen, als er das erste Mal darauf hingewiesen wurde.

Dennoch versuchte er es zu akzeptieren und irgendwie fühlte es sich befreiend an, diese Angst zuzugeben. Als würde man ihm einen kleinen Teil der Last von seinen Schultern nehmen. Jetzt musste er nur noch die richtigen Worte finden, damit Magnus ihm glaubte.

Zuhören wäre schon ein Erfolg, denn Alec erwartete keine sofortige Vergebung. Er selbst tat sich damit schon sehr schwer und er bezweifelte, dass es Magnus da anders ging, immerhin waren sie vom Charakter her in machner Hinsicht gar nicht so verschieden wie man vielleicht glauben möchte.

Als es leise an der Tür klopfte, atmete er tief durch und fuhr sich nochmals durch die Haare, bevor er sie mit einem hoffnungsvollen Lächeln öffnete. Doch diese Hoffnung brach sogleich ein Stück, als er Magnus' glatten, leeren Blick sah, mit dem er ihn bedachte.

Kaum eine Emotion war zu erkennen und es schien als hätte er sich weit hinter seiner charmanten Fassade verborgen. Ein kleines, aber falsches Lächeln zierte seine Lippen und er neigte kurz höflich den Kopf, bevor er an ihm vorbei ins Zimmer schritt.

Seine Schritte waren leise und mit Bedacht gewählt, als würde er auf zerbrechlichen Muschelschalen gehen. Dennoch war jede Bewegung elegant und hatte etwas Präzises an sich, ein klares Ziel, von dem sie keiner würde abbringen können. Alec rang unruhig die Hände, bevor er sich gedanklich für den direkten Weg entschied.

~Es tut mir leid! Ich hätte mich dir gegenüber nicht so verhalten sollen und ich ...~

Er verstummte, als Magnus bittend die Hand hob. Er hatte ihm noch immer den Rücken zugekehrt und obwohl Alec der König war, fühlte er sich mikrig und machtlos. Sein Herz klopfte unnatürlich schnell und nur mit Mühe unterdrückte er ein Zittern seiner Hände.

~Ist schon in Ordung. Ihr habt nur getan, was Ihr für richtig hieltet~, meinte er monoton,~Können wir anfangen?~

Alec ließ die Schultern hängen und seine Hoffnung hatte einen ordentlichen Dämpfer bekommen. Es schien als wäre Magnus weiter weg als je zuvor und die Tatsache, dass er ihn mit der Ergebenheit ansprach wie es bei einem Adligen normal wäre, war nur der sichtbare Beweis. Er würde ihm nicht zuhören wollen und schon gar nicht glauben.

Alec seufzte schwer, nickte dann aber, obwohl es der andere nicht sehen konnte.
~Ja, das wäre wohl das beste.~, entgegnete er nun und sie setzten sich beide wieder vor das Bett auf den Boden.

Der Hexenmeister hatte das Gefühl für die Zeit verloren, denn er wusste nicht mehr, wie lange er nun schon sein Heimatdorf hinter sich gelassen hatte. Allerdings spürte er, sie er langsam ruhiger wurde und es begann zu akzeptieren.

Er war auf einem guten Wege, den Tod seiner Eltern zu verarbeiten, auch wenn er wahrscheinlich nie ganz darüber hinweg kommen würde. Doch das würde wohl kaum einer verlangen, der die Wahrheit wüsste.

Er wusste nur, dass er Dank dieser Flucht erwachsen geworden war, denn er fühlte sich sicher. Er wusste, wer er war, woher er kam, was er getan und was er eben nicht getan hatte. Er wusste, dass er nicht der beste Mensch auf dieser Welt war, aber bei weitem auch nicht der schlechteste.

Im allgemeinem war das Leben viel mehr als nur gut und schlecht, schwarz oder weiß. Es war viel lieber bunt und kompliziert.

Er konnte nur versuchen, da mitzuhalten und nicht unterzugehen. Eine Sache, die ihm dabei half, war seine wachsende Menschenkenntnis. Er war unglaublich gut darin geworden, andere einzuschätzen und herauszufinden, ob sie ihm nützlich oder hinderlich waren, ob sie ihm gut oder schlecht gesinnt waren.

Das half ihm durchs Leben zu kommen, allerdings brachte ihn genau diese Menschenkenntnis auch in verhängnsivolle Schwierigkeitren.

Der Tag begann damit, dass er vor Soldaten floh, die es irgendwie nicht müde wurden, nach ihm zu suchen. Vielleicht lag das an dem neuen König, dessen Gesetze wohl härter waren, aber da war er sich nicht sicher. Er kannte sich mit Politik nicht aus.

Jedenfalls rannte er mit katzenhaft leisen Schritten durch ein größeres Dorf, als er plötzlich ein Geräusch hörte, das nicht zu den trommelnden Schritten der Soldaten oder deren donnernden Rufen passte.
Es war ein Schrei. Ein hoher, lauter, weiblicher Angstschrei.

Eine Sache, die ihm selbst das Leben auf der Flucht nicht austreiben konnte, war seine Güte oder sein Bedürfnis jedem zu helfen, dem Unrecht angtan wurde. Das hatte ihn schon ein paar Mal in eine brenzlige Situation gebracht, aber er konnte es nicht verhindern und so drehte er ab und schlug die Ricthung ein, aus der er den Schrei gehört hatte.

Die Quelle schien ein junges Mädchen zu sein, die sich mit blanker Panik im Gesicht im Schatten an eine Hauswand drückte. Ihr Haar war zerzaust und Teile ihres schlichten Kleides zerrissen. Geschockt und angsterfüllt sah sie auf die Sznerie vor sich.

Viel erkennen konnte der Hexenmeister nicht, denn dazu bewegten sich die beiden Körper zu schnell, aber die Prügelei konnte man doch sehr gut sehen und sie musste etwas mit dem Mädchen zu tun haben. Schnell lief er zu ihr, blieb aber stehen, als sie zusammenzuckte und sich noch enger an die Wand drückte.

Er kannte den Ausdruck in ihrem Gesicht und wusste daher, dass Abstand und Ruhe jetzt das beste für sie waren.
~Was ist passiert?~, fragte er so sanft wie möglich.

Das Mädchen begann zu zittern und deutete auf den Haufen ringender Männer.
~E-er hat mir auf-aufgelauert und w-wollte ... Dann kam mein B-Bruder und jetzt kämpfen s-sie. E-r wollte mich nur schü-ützen und jetzt  ...~

~Hey, alles wird wieder gut. Ich helfe deinem Bruder, aber dafür musst du auch etwas für mich tun~, unterbrach er sie behutsam,~Geh nach Hause und schließ dich dort ein.~
~A-ber mein B-bruder ...~

~Ich helfe ihm. Versprochen. Aber er würde sicher nicht wollen, dass du weiterhin in Gefahr bist. Tu es für ihn.~
Das Mädchen sah ihn noch immer ängstlich an, bevor sie nickte und floh.

Der Hexenmeister seufzte, während er seinen Rucksack fallen ließ und die Ärmel hochkrempelte. Er hasste es anderen wehzutun, aber das hieß nicht, dass er nicht wusste, wie er das bewerkstelligen konnte.

Er hatte seid dem Tod seines Vaters dazugelernt. So bewegte er sich mit Kraft und Anmut, als er die Streithähne voneinander trennte und anhand der Ähnlickeit ausmachte, dass der schmalere der Bruder des Mädchens sein musste, denn seine Augen waren ebenso dunkelbraun, genau wie die Haare.

Der Junge konnte nicht älter als sechzehn sein und würde bestimmt wie ein Engel aussehen, wenn da nicht die blutende Lippe und der dunkle Abdruck über seinem Auge wäre. Er sah den Hexenmeister skeptisch an, aber dennoch schienen sie sich ohne Worte zu verstehen, als er dem Jungen ein kleines Messer reichte, das er irgendwann erbeutet hatte.

Sie arbeiteten Hand in Hand und überwältigten den größeren Kerl gemeinsam, auch wenn es vor allem der Junge war, der ihm mit dem Messer Schmerzen beibrachte. Als der Übeltäter schwer atment und blutend am Boden lag, sahen sich die beiden übrigen kurz in die Augen.

~Danke.~, sagte der Junge schlicht.
Der Hexenmeister wollte gerade etwas entgegnen, als die Rufe der Soldaten plötzlich lauter wurden. Sein Blick musste Bände gesprochen haben, denn der Fremde sagte nur~Geh. Ich halt sie auf.~
~Ich bin dir war schuldig.~
~Egal. Jetzt hau schon ab!~

Das ließ sich der Hexenmeister nicht zweimal sagen und rannte, auch wenn er ein schlechtes Gewissen hatte. Deshalb nahm er sich vor, diese Schuld, die er sich da gerade aufgeladen hatte zu begleichen, wozu er später auch noch die Chance bekommen würde.

Jetzt jedoch hieß es ersteinmal fliehen, doch er würde nicht weit kommen. Die Soldaten hatten ihm ohne sein Wissen den Weg abgeschnitten, sodass er direkt in ihre Arme lief. Er konnte sich dieses Mal nicht befreien und so kam er in die Hauptstadt des Königreichs, wo er im Gefängnis auf seinen Prozess warten musste. Immerhin wurde er noch immer wegen Vatermord angeklagt, obwohl er diesen nie begangen hatte.

Die Flucht des Hexenmeisters war vorüber und er mussste sich dem Schicksal stellen, was auch immer dieses für jhn bereit hielt, denn er hatte es schon lange nicht mehr in der Hand. Und egal, ob er nun sterben würde oder nicht, er würde den Kopf hoch in die Luft halten une dem Tod mit offenen Armen begegnen, denn er wusste, wer er war. Er war der Hexenmeister.

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