Kapitel 42 - Wiedersehensfreude
Magnus' Sicht
Am Nachmittag schlenderte Magnus durch die langen Flure des Palastes. Er konnte und wollte nicht länger Trübsal blasen und sich in seinem Zimmer verstecken wie ein liebeskranker Feigling.
Dann hatte sich eben etwas am König verändert und er wollte ihn nicht mehr bei sich haben. So etwas passierte! Es war völlig normal! Und irgendwann würde das auch sein blutendes Herz verstehen, zumindest hoffte er das.
Er wollte niemandem die Genugtuung geben, ihn verletzt zu sehen. Das würde nicht vorkommen. Nie wieder.
Allerdings wusste Magnus nicht recht, was er sonst tun sollte, denn draußen war einfach zu heiß, um es dort länger auszuhalten. Er wollte auch nicht in die Bibleothek, denn dann würde er nur weiter an Alex- den König denken. Das wollte er nicht oder zumindest redete er sich das erfolgreich ein.
Also lief er ziellos durch die prunkvollen Gänge und erkundete den Palast. Nicht gerade produktiv, aber es hielt seinen Kopf vom Denken ab.
Stadessen betrachtete er die bunten Ölgemälde in ihren schweren goldenen Rahmen, aus denen ihn entweder düstere Landschaften oder mies gelaunte Menschen in pompösen Kleidern ansahen. Am unterem Rand der Goldrahmen war stets eine Gravur, auf der stand, wie die Landschaft oder die Person hieß und von wann das Gemälde war.
Sie waren alle schön, keine Frage, aber trotzdem wirkte es irgendwie einsam unt trostlos, obwohl die Sonne durch die Fenster schien und ein abwechslungsreiches Muster aus Sonnen- und Schattenfeldern in die Gänge zauberte. Es war beinahe beunruhigend still, was wahrscheinlich der Hauptgrund für diese vorgetäuschte Einsamkeit war.
In Wahrheit wuselten hier nämlich dutzende Bedienstete herum, nur eben so leise, dass man sie weder hören noch sehen konnte.
Magnus kam nicht umhin sich zu fragen, wie der König sich fühlen musste, der sich hier ständig aufhielt. Ob er sich auch manchmal einsam fühlte?
War das vielleicht ein verborgener Grund, wieso er so viele ... Bekanntschaften hatte?
Damit er sich für einen Moment, eine Nacht, nicht mehr allein fühlte?
Er war sich nicht sicher, aber er wusste, dass er sich in einer solchen Situation definitiv nach einer Weile einsam fühlen würde. Allerdings war er dieses Gefühl gewohnt, denn wenn man niemanden nah an sich heranließ, vereinsamte man quasi automatisch.
Physich hatte Magnus stets versucht, sich in großen Menschenmengen aufzuhalten, denn dann fiel er einerseits nicht auf und andererseits kam er so nicht zur Ruhe, denn Ruhe bedeutete Nachdenken und das dann Zweifeln. Beides wollte er nicht in seinem Leben haben, konnte es aber auch nicht änden. Deshalb die Ablenkung durch Menschen.
Er schüttelte leicht den Kopf, um die Gedanken wieder loszuwerden. Er hatte sich doch vorgenommen an nichts zu denken, um nicht in der Dunkelheit seiner Gedanken zu versinken!
Warum hielt er sich nicht an diesen Vorsatz? Ach ja, wenn er nicht über Einsamkeit und seine Vergangenheit nachdachte, kam ihm ein Paar schöner blauer Augen in den Sinn. Das und es war nahezu unmöglich, an nichts zu denken.
~Ich trau meinen Augen nicht! Magnus?~
Magnus wandte sich um und ihm klappte die Kinnlande runter, wortwörtlich.
Einige Meter entfernt lehnte Ragnor an der Wand und sah ihn mit aufgerissenen Augen und einem breiten Grinsen im Gesicht an.
Irgendetwas schlug in ihm um, denn die plötzliche Freude, die er empfand, war noch nie in Verbindung mit Ragnor aufgetreten. Allerdings tat es auch irgendwie so ... gut, ihn zu sehen. Endlich mal wieder ein bekanntes Gesicht zu erblicken, das ihm noch freundlich gesinnt war.
Mit schnellen Schritten ging er auf ihn zu und nahm Ragnor überraschend fest in die Arme. Erst erstarrte der hagere Mann, doch dann entspannte er sich ein wenig und lachte sein raues Lachen, während er ihm auf die Schulter klopfte.
~Ich freu mich auch dich zu sehen, Schönling, auch wenn ich gedacht habe, dass du einen der Wärter abgeschleppt hast, um zu entkommen.~
Bei diesen Worten löste sich Magnus von ihm und presste angespannt den Daumen und den Mittelfinger seiner rechten Hand gegeneinander. Eine unterbewusste Geste, die er immer machte wenn er sich etwas unwohl fühlte oder zögerte.
Es war besser als sich auf die Lippe zu beißen, denn das war doch ziemlich auffällig und Magnus wollte unleserlich und unnahbar für jeden bleiben.
Beim König hatte er diese Geste jedoch stets gelassen, denn entweder hatte er nie den Drang dazu verspürt oder er hatte sich so wohl in seiner Haut gefühlt, dass es ihm egal war, ob er sah, dass er angespannt war oder nicht. Vor Fremden aber behielt er diese Geste bei, denn er traute niemanden, auch wenn Ragnor verdammt nah dran war.
Er war irgendwie eine Mischung aus einem Fast-Freund, der einen in jeder Lebenssituation auslachen oder auf seine Fehler hinweisen würde, und dem Onkel, den er sich immer gewünscht hatte. Er vertraute ihm nicht hundertprozentig, aber das hieß nicht, dass er ihn nicht mochte.
Magnus verdrehte nur die Augen, doch er wusste, dass es noch nicht vorüber war.
~Allerdings hast du scheinbar tatsächlich so etwas wie Geschmack und angelst dir gleich den König. Respekt!~
~Was machst du denn überhaupt hier, Ragnor?~, fragte er mit dem breitesten und sarkastischsten Grinsen, das er aufbringen konnte.
Auf den Kommentar ging er natürlich nicht ein, aber wieso sollte er auch? Ragnor musste ja nicht wissen, was alles und was nicht vorgefallen war. Er machte sich sein eigenes Bild von der Lage und Magnus hatte keinen Drang, das richtig zu stellen. Außerdem war er ihm keine Rechenschaft schuldig und beide wussten das, immerhin gehörte es zu den positiven Affekten ihrer Fast-Freundschaft.
Ragnors Grinsen fiel etwas in sich zusammen, bevor er erst mit dem Kopf nach rechts nickte und dann die zusammengeketteten Hände hochhob. Ein Blick zur Seite verriet ihm die Position der beiden Soldaten, die sie mit ausdruckslosen, aber wachsamen Mienen musterten.
~Ich werde gleich verurteilt. Raphael ist gerade da drin~, er deutete zur Tür hinter sich, bevor sich sein Blick verfinsterte,~Und wird wahrscheinlich eine viel zu harte Strafe bekommen.~
~Es wird schon gut gehen.~, versuchte er ihn aufzuheitern. Erfolglos.
Ragnor schnaubte verächtlich.
~Wie denn? Der König wird nicht verstehen, wieso er getan hat, was er getan hat. Er wird nur die Verletzungen sehen, die Raphael verursacht hat und dabei völlig außer Acht lassen, dass jede Wunde verdient war.~
~Wie meinst du das?~
~Du weißt, dass Raphael beinahe jemanden umgebracht hat?~
Magnus nickte. Natürlich kannte er die Hintergründe zur Tat, er kannte sie wahrscheinlich sogar besser als Ragnor selbst. Allerdings wusste er nicht so recht, worauf er hinauswollte.
Ragnor fuhr überraschend ernst fort~Das hat er gemacht, um seine Schwester davor zu bewahren, ihre Unschuld an einen alten Knacker in irgendeiner Gosse zu verlieren. Er hat sie mehr als bedrängt und sie konnte sich nicht erfolgreich wehren. Ohne Raphael ... Ich weiß nicht, was passiert wäre und ich will es auch nicht wissen. Fakt ist, dass, egal was kommt, er es nicht verdien hat. Er ist noch so jung ... hat sein ganzes Leben noch vor sich. Er sollte es nicht im Knast verbringen.~
~Und was ist mit dir?~
Er zuckte die Schultern, ein trauriges Lächeln zierte seine Lippen.
~Ich habe schon gelebt und Erfahrungen gesammelt. Ich werde mich nie ändern, auch wenn ich freikomme. Ich habe damit abgeschlossen, aber ...~
Aus einem Reflex heraus legte Magnus eine Hand auf Ragnors knochigen Arm. Er hatte einen Entschluss gefasst und obwohl er wusste, dass der ihm nicht gefiel, so ahnte er, dass es doch das richtige war.
Weder Ragnor noch Raphael waren seine Freunde, aber sie kamen dem doch schon sehr nah. Jedenfalls waren sie ihm nicht völlig egal und vielleicht war er auch gerade nur etwas sentimental wegen Alex- dem König, aber ... er musste etwas tun.
~Ich werde ihm helfen. Und dir auch ... irgendwie.~
~Magnus ...~
~Schon gut. Ich habe eine gewisse ...Verbindung zum ... König und ich werde versuchen sie zu nutzen. Sieh es als eine Art Fast-Freundschaftsdienst.~
Ragnor schien ihn förmlich mit seinen grünen Augen zu durchbohren, bevor sich ein besorgter, aber wissender Ausdruck auf sein Gesicht legte.
Er nickte leicht.
~Viel Glück.~
Mit diesen Worten im Nacken klopfte Magnus an der Tür.
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