Kapitel 18 - Das Ende der Kindheit

~Hallo Magnus.~
~Hey Alexander.~, begrüßte Magnus ihn am Abend mit einem Lächeln.

Wie immer sah er mehr als hinreißend aus, aber das war nicht unbedingt das, was ihn so beeindruckte. Viel mehr war es seine Ausstrahlung, die ... heller wirkte.

Bisher war es Alec nie aufgefallen, aber bei jedem ihrer vorherigen Treffen hatte Magnus sich stets zurückgehalten. Nur mal wieder so unauffällig, dass es bislang niemand bemerkt hatte. Jetzt jedoch waren es nicht nur seine perlweißen Zähne, die strahlten, sondern sein ganzes Selbst. Damit schien er auch ihn anzustecken, denn Alec spürte, wie sein eigenes Lächeln noch ein bisschen breiter wurde.

Der Nachmittag mit Magnus war schön gewesen. Sie hatten viel geredet und gelacht. Natürlich waren auch viele atemberaubende Küsse ausgetauscht worden.
Irgendwann hatten sie sich dann getrennt und Alec hatte sich noch etwas ausgeruht, bevor er jetzt wieder auf Magnhs traf.

Er blinzelte überrascht, als er plötzlich dessen weiche Lippen auf seinen spürte. Eilig machte er sich daran, den sanften Kuss zu erwiedern, während er seine Hände locker um Magnus' Taille schlang.

Wieder hatte er das Gefühl zu schweben und sich in der perfekten Blase zu befinden, in der alles Böse keinen Zutritt hatte. In dieser Blase war alles gut und vor allem war er nicht allein in ihr.

Langsam lösten sie sich voneinander und sofort war wieder dieses Lächeln in Alecs Gesicht, das wohl die Absicht hattte, sich dauerhaft dort einzunisten.

Er fragte sich, warum seine Wangen nicht schon längst schmerzten, denn eigentlich war er nicht gerade der Typ, dessen Mundwinkel oft nach oben zeigten. Dazu war er zu ernst. Das hatte sich erst geändert, als Magnus' in sein Leben getreten war.

Er wollte nicht darüber nachdenken, was wäre, wenn genau das nicht geschehen wäre. Davon würde er sich nur runterziehen lassen und gerade war wirklich der falsche Zeitpunkt dafür.

Lieber führte er Magnus zu seinem Bett und setzte sich, nicht halb so entspannt wie er es gerne wäre, auf die Bettkante. Fragend sah er Magnus an.

~Wenn du nichts dagegen hast ...~
~Natürlich nicht.~, entgegnete er lächelnd und setzte sich im Schneidersitz auf die weichen Seidenlaken.
~Also, wie geht es jetzt weiter mit dem kleinen Hexenmeister?~

Seine Neugier konnte Alec nur schlecht verbergen, aber wenn er ehrlich war, war es ihm ziemlich egal. Er fühlte sich wohl bei Magnus und da sie sich versprochen hatten, ehrlich zueinander zu sein, war er genau das: Ehrlich.

Eben nicht nur in dem, was er sagte, sondern auch in dem, was er fühlte. Das musste er erst wieder üben, aber er hatte ein gutes Gefühl.

Magnus' Lächeln hingegen schrumpfe etwas und wirkte nun mehr als gezwungen. Abwesend spielte er mit der Bettdecke, bevor er tief durchatmete und Alec wieder in die Augen blickte.
~Natürlich...~

Der unreife Hexenmeister bemerkte die Veränderungen in seinem zu Hause nur schleichend.

Natürlich bekam er mit, wie sich die Streitereien zwischen seinen Eltern und seinem Onkel häuften und auch, dass seine Mutter dem Onkel nicht mehr so oft wiedersprach wie sonst oder oft den Raum verlies, wenn dieser ihn betrat.
Aber er hatte dem nie viel Aufmerksamkeit geschenkt, denn dazu war zu sehr mit seiner neuen besten Freundin beschäftigt.

Clary war ein wahres Goldstück, auch wenn andere sie wohl mit stur, ungestüm und absolut nervig beschrieben hätten. In den Augen des unreifen Hexenmeisters war sie jedoch ein wundervolles und starkes Mädchen, das sich lediglich traute, ihre Meinung zu sagen.

Er wunderte sich, warum sie nicht mehr Freunde hatte, aber gleichzeitig war er auch froh darüber, sie ganz für sich zu haben. Sie und ihre täglichen Abenteuer machten ihn glücklich.

So glücklich, dass er die seltsame Situation zu Hause vergaß und deshalb waren auch die folgenden Ereignisse eine schockierende Überraschung für ihn.

Hätte er etwas verhindern können, wenn er mehr aufgepasst hätte? Hätte er sie rettten können, wenn er ein besserer Sohn gewesen wäre?
Wären es weniger Streitereien, wenn sein Kopf nicht ständig in den Wolken sondern auf dem Boden mit seinen harten Tatsachen gewesen wäre?

Er wusste es nicht, aber später warf er sich das gerne vor, um seinen Schmerz zu vergessen.

Der Tag fing an wie jeder andere auch. Es war sonnig und heiß und er verbrachte den Tag mit seiner rothaarigen besten Freundin. Zwar waren die anderen Kinder wieder nicht nett zu ihm gewesen, aber wie Clary, die genauso klein war wie er, für ihn aufstand und ihn verteidigte, war einfach rührend gewesen.

Am Abend kehrte er Heim und wurde wieder von den lauten Stimmen seiner Familie begrüßt.
~Ich kann dich auch einfach rauswerfen! Du hast hier nicht das Sagen, Azazel, also verbiete ich es dir, so mit meiner Frau zu sprechen!~

~Du und das Sagen?~, lachte sein Onkel,~Du bist ein Taugenichts! Schon immer gewesen! Kein Wunder also, dass dein Balg so missraten ist!~

Der unreife Hexenmeister bekam bei der drohend rauen Stimme seines Onkels Angst und rannte in sein Zimmer. Die nächsten Worte hörte er nicht mehr, denn er hatte sich auf sein Bett geworfen und hielt sich ein Kissen über den Kopf.

Er hasste es, wenn sie stritten und alles so laut und ... böse war. Der unreife Hexenmeister war ein Freund der Harmonie, des Friedens. Wenn es so laut war, bekam er Angst und frage sich, was er hätte besser machen können, damit genau so etwas nicht geschah. Konflikte taten ihm nicht gut.

Er wusste nicht, wie lange er so dalag, aber irgendwann strich ihm eine weiche Hand über den bebenden Rücken.
~Mama?~
~Ich bin's, Süßer. Wie lange bist du denn schon hier?~, fragte ihn seine Mutter und er drehte sich langsam zu ihr um.

Der unreife Hexenmeister war nicht blind. Er sah die dunklen Augenringe seiner Mutter und auch, dass sie in den letzten Wochen viel schlanker geworden war, war ihm nicht entgangen. Ihr Gesicht wirkte kantiger und ... müder als normalerweise. Der Funke in ihren braunen Augen war fort.

Jedoch glaubte er, dass sie nur einmal richtig schlafen müsste, damit es ihr wieder besser ging. Immerhin hatte jeder mal einen schlechten Tag, sogar sein großes Vorbild.

~Weiß nicht. Als ich kam, habt ihr gestritten und ...~, erzählte er gepresst, während er seine Fingernägel in die Handflächen drückte, damit er nicht schon wieder zu schluchzen anfing.

~Es tut mir so leid, Kleiner. Wir wollten nicht, dass du das mitbekommst, aber keine Sorge. Wir werden uns ab Morgen nicht mehr streiten.~
~Echt?~, fragte er mit einem Lächeln. Seine Mutter nickte, wirkte aber nicht halb so glücklich wie er.

~Hast du Hunger?~
~Nein, ich durfte bei den Fairchilds essen.~
~Dann solltest du jetzt schlafen gehen.~

Seine Mutter half ihm, sich bettfertig zu machen, bevor sie ihn liebevoll zudeckte und ihm einen Kuss auf die Stirn gab. Sie lehnte ihre eigene dagegen und nahm gequält Luft.

~Bitte hör mir noch kurz zu. Egal, was in Zukunft passiert, bleib so wie du bist. Verlier nie dieses Licht, dieses Glück, in deinem Herzen. Sei tapfer, mein kleiner Hexenmeister.~, wisperte sie mit zitternder Stimme, bevor sie ihm nochmals einen Kuss gab und dann leise das Zimmer verließ -mit kaum merklichen Tränen in den Augen.

Mitten in der Nacht gab es plötzlich einen lauten Schrei und der unreife Hexenmeister wachte auf. Es war dunkel und bedrohlich und er wusste nicht, woher dieses schrille, unheilverkündene Geräusch herkam.

Er war zwar schon zehn Jahre alt, aber das minderte seine Angst nicht. Was wenn dieses Geräusch wieder kam? Oder es einen Sturm ankündigte?

Da wollte er lieber nicht alleine sein. Auf seinen kleinen Kinderfüßen tapste er durch den dunklen Flur und stieß die Tür zu seinem Elternschlafzimmer auf.

Eine Bettseite war leer, aber der Onkel hatte ihm irgendwann einmal erklärt, dass sein Vater Nachts gerne rausging und sich 'vergnügte'. Der unreife Hexenmeister verstand nicht wirklich, was er damit meinte, hatte diese Antwort aber vorerst akzeptiert.

Seine Mutter auf der anderen Seite lag reglos da und schien zu schlafen. Das Geräusch hatte sie also nicht aus ihren Träumen gerissen.

Der unreife Hexenmeister bekam ein schlechtes Gewissen, denn er wollte sie nicht wecken, aber mittlerweile war ihm kalt in seinem dünnen Nachthemd und es war schon so lange her, dass er das letzte Mal mit seinen Eltern gekuschelt hatte. Also ging er weiter und flüsterte~Mama? Bist du wach?~

Keine Antwort. Nun entschlossener griff er nach dem kühlen Arm seiner Mutter und schüttelte ihn leicht. Plötzlich rutschte die Bettdecke hinab und entblößte den blutigen Oberkörper seiner Mutter. In ihrem Bauch steckte ein Dolch und sie atmete nicht.

Noch verängstigter wich er zurück. Sein Herz schien ungewöhnlich laut zu hämmern und alles drehte sich. Nein, das konnte nicht sein. Nicht seine Mutter. Nein!

Er begann zu schreien.

In dieser Nacht fand nicht nur das Leben der Mutter ein Ende sondern auch seine Kindheit. Nichts des Guten schien übrig geblieben zu sein. Da war nur Schmerz. Ein Schmerz, der alles trübte und doch war das erst der Anfang einer langen Reise durch seine persönliche Hölle.

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