Vorfreude ist die schönste Freude
Frankfurt am Main, 27. Oktober 2013
Die Tage nach unserem Konzert in Nürnberg waren schnell und ohne größere Ereignisse vorbeigezogen. Wir spielten unsere Konzerte in München, Fulda und Münster und schlugen uns die Nächte wieder in den Clubs der jeweiligen Städte um die Ohren. Ich war extrem froh darüber, dass wir nach dem heutigen Konzert in der Batschkapp erst einmal zwei Tage frei haben würden. Auch, wenn ich es nicht wirklich wahrhaben wollte, machte mein Körper so langsam nicht mehr mit und ich fühlte mich von Tag zu Tag kaputter.
Zwar nahm ich Zuhause in Bielefeld auch nicht unbedingt wenig an Drogen, doch dort konnte ich halt auch einfach mal ein paar Tage lang rumhängen und gar nichts tun, wenn mir danach war.
Auf Tour jedoch waren wir nahezu jeden Tag den ganzen Tag auf den Beinen und Zeit für ein bisschen Entspannung gab es zwischen Fahrten in die nächste Stadt, Soundchecks, Presseterminen, Kontakten mit Fans, Konzerten und durchgefeierten Nächten nicht wirklich.
Auch Lukas merkte man die Anstrengung an. Im Gegensatz zu uns anderen konnte, beziehungsweise wollte er sich ja nicht mal mit ein paar Aufputschmitteln wach halten. Er hielt sich abends wirklich stark zurück und zwar auch dann, wenn wir mal zu zweit alleine waren.
Wir hatten in den letzten Hotels keine Doppelzimmer mehr zusammen gehabt. Ich hatte mir in jeder Stadt ein Zimmer mit Igor geteilt und der Rest war in den Genuss von Einzelzimmern gekommen.
Zwar war ich zweimal spät in der Nacht zu Lukas rüber gegangen, doch wir waren beide so müde, dass wir nach ein paar Küssen eingeschlafen waren und ich mich beide Male relativ schnell wieder zu Igor verzogen hatte.
Da wir in den Nächten zu kaputt waren, um uns so wirklich nah zu sein, wuchs die Sehnsucht nacheinander tagsüber natürlich bis ins Unermessliche. Lukas riss sich sehr zusammen, um mich nicht mehr übermäßig anzufassen oder gierig anzustarren, wenn jemand in der Nähe war, dafür trieb er mich aber mit unglaublich versauten Nachrichten, die er mir bei jeder Gelegenheit schickte, in den Wahnsinn.
Er hatte mir in so vielen Details geschrieben, was genau er alles in unserem geheimen Zimmer in Frankfurt mit mir tun wollte, dass ich schon alleine von der Vorstellung, die Tür dieses Zimmers zu betreten, eine Latte bekam.
Dementsprechend nervös war ich dann auch, seit wir am Morgen Frankfurter Boden befahren hatten. Frankfurt war die letzten Tage über in meiner Vorstellung immer noch so weit weg gewesen. Jetzt waren wir tatsächlich schon da, das Zimmer war gebucht und ich schätzte, es würde nun so richtig ernst werden.
Ich war schon lange viel zu neugierig darauf, wie es denn mit Lukas im Bett sein würde, um jetzt noch den Schwanz einzuziehen. Und bevor Lukas kneifen würde, würden Weihnachten und Ostern wohl auf den gleichen Tag fallen.
„Für welche Nacht hast du das Zimmer gebucht?" flüsterte ich Lukas zu, als wir uns mal wieder ungewollt auf dem Weg in einen teuren Club weit oben über den Dächern Frankfurts befanden.
„Für alle Nächte. Wir können also heute, wenn wir wollen. Oder morgen. Ich dachte, vielleicht ist einer unsicher und so haben wir ein bisschen mehr Spielraum", flüsterte er mir ins Ohr, was mir einen angenehmen Schauer über den Körper jagte.
„Ähm...willst du heute?", fragte ich und merkte, wie mir sofort die Hitze ins Gesicht schoss.
Lukas sah mich an und grinste einfach nur, was für mich Antwort genug war.
Ich stieß ihm zart meinen Ellbogen in die Seite. „Dann trink mal lieber nicht ganz so viel, kleine Schnapsdrossel."
„Ich geb mir Mühe", sagte er und schaute grinsend auf den Boden des Taxis.
Tatsächlich hielt sich der Alkoholkonsum von Lukas in dieser Nacht sehr in Grenzen. Er nippte nur sehr zurückhaltend an seinem Glas, als wir uns im Club aufhielten, und obwohl es für die anderen so aussah, als hätte er ständig ein neues Getränk in der Hand, war es in Wahrheit gerade mal sein zweites, das einfach nicht leer wurde.
Mir selbst fiel es total schwer, mich zurückzuhalten, da Benni mit einem Banker ins Gespräch gekommen war, der den reinsten Schnee dabei hatte, den wir jemals zu Gesicht bekommen hatten. Da die Wirkung von gezogenem Koks glücklicherweise höchstens eine Stunde lang anhält, konnte ich immerhin eine Nase zum Probieren ziehen, danach ließ ich es jedoch gut sein. Auch, wenn ich mich nach viel mehr davon sehnte. Doch für Lukas ertrug ich diese harte Entbehrung sehr gerne.
Die Nacht mit ihm war mir im Moment einfach wichtiger, als alles andere und auch er riss sich ja extra zusammen, damit es heute was mit uns werden würde.
„Na, bist du noch fit?", fragte Lukas, als er sich neben mich ans Geländer der Dachterrasse lehnte, auf die ich mich zum Rauchen verzogen hatte.
„Ich schon, und du?", fragte ich grinsend zurück.
Lukas nippte ganz kurz an seinem Cola-Rum, dann drehte er das Glas nachdenklich in seinen Händen. „Klar, ich bin fit. Auch, wenn das Zeug hier so geil schmeckt, dass ich es am liebsten literweise runter kippen würde."
„Tja, mir fällt es auch schwer, hier Nein zu sagen. Die Leute hier haben echt geilen Stoff, weißt du..."
„Timi, ich mein... morgen ist ja auch noch ein Tag. Wir können es jetzt auch hier krachen lassen, wenn du willst."
Ich sah Lukas etwas irritiert an. „Ähm, willst du jetzt doch nicht, oder wie?"
„Gott Timi", stieß Lukas empört aus. „Natürlich will ich. Und wie! Ich will nur nicht, dass du nachher dann mit mir in diesem Zimmer bist und bereust, dass du dich in dem Club hier so zurückgehalten hast."
„Nee", sagte ich lächelnd und gleichzeitig auch ziemlich erleichtert.
„Ich kann mich an jedem anderen Tag genauso gut wegballern, wenn ich das will. Aber ob wir an einem anderen Tag oder in einer anderen Stadt nochmal die Chance bekommen, alleine zu sein, steht auf einem ganz anderen Blatt."
„Hast Recht", meinte Lukas und sah sich verträumt die Skyline von Frankfurt an, die in der pechschwarzen Nacht erhaben glitzerte. „Jedes Mal, wenn ich in dieser Stadt bin, hab ich gar nicht das Gefühl, in Deutschland zu sein. Die Häuser sind so extrem hoch."
„Sieht schon ziemlich geil aus bei Nacht, aber es geht einfach nichts über Bielefeld", erwiderte ich grinsend.
„Du und dein Bielefeld", sagte Lukas und pikte mir neckisch in die Seite.
Ich zuckte lachend zurück und schlug seinen spitzen Finger weg. „Komm halt mal wieder zu mir, dann zeig ich dir, was Bielefeld zur besten Stadt aller Zeiten und der ganzen Welt macht."
„Ich weiß nicht, ob du mich davon noch überzeugen kannst, aber die Aussicht darauf, dort mit dir alleine in deinem abgelegenen Haus zu sein..."
Alleine bei diesen Worten kribbelte es schon wie verrückt in mir. „Das ähm... das sind sehr nette Aussichten, wenn du mich fragst."
„Oh ja...", flüsterte Lukas und leckte sich dann einmal über seine weichen Lippen. „Meine Nachrichten hast du gelesen?"
Direkt schossen mir wieder all die heißen Zeilen in den Kopf, mit denen Lukas mich über Tag ständig bombardiert hatte. „Ja, hab ich. Natürlich."
„Wir sollten wirklich gucken, dass wir bald ins Hotel kommen, findest du nicht?"
Würde es heute tatsächlich soweit sein und ich würde mit Lukas schlafen? Der Gedanke daran ließ mich unglaublich nervös werden, aber gleichzeitig keimte auch eine überwältigende Vorfreude in mir auf. Ich hätte niemals gedacht, dass ich so schnell mit all dem klarkommen würde, aber mit Lukas war einfach alles so schön und da das alles für mich so völlig neu war, auch total spannend.
Auch, wenn er manchmal so unfassbar forsch an die Sache heranging, kannte ich Lukas ja und wusste, dass er niemals irgendwas von mir verlangen würde, was ich nicht wollte.
„Schon", sagte ich und grinste in meinen Schal hinein.
Lukas sah auf meine halb aufgerauchte Zigarette hinab und entfernte sich dann ein paar Schritte von mir.
„Wo willst du denn hin?", fragte ich, da ich den tollen Ausblick über die Stadt gerne noch ein bisschen mit ihm zusammen genossen hätte.
Lukas drehte sich nochmal um und lächelte mich total süß an. „Naja, rein. Unauffällig verhalten und so."
Ich grinste und beobachtete ihn dabei, wie er durch die große Glastür wieder in den Club hinein ging, dann rauchte ich meine Zigarette alleine zu Ende.
Da Benni es mit dem guten Koks etwas übertrieben hatte und irgendwann ziemlich heftige Kreislaufprobleme bekam, machten wir uns dann auch relativ früh wieder auf den Weg zurück ins Hotel.
Schon im Taxi machten wir aus, dass Lukas in Bennis Einzelzimmer ziehen würde, damit Benni nicht alleine schlafen musste. Er machte wirklich keinen besonders guten Eindruck.
Da er sich sein Zimmer heute dann ausnahmsweise mit Stefan teilte, hatte ich die Hoffnung, dass dieser sich dann auch um Bennis Wohlergehen kümmern würde. Außerdem hoffte ich, dass er sich von selbst wieder erholen würde und man ihn nicht, wie es schon öfter mal vorgekommen war, ins Krankenhaus bringen musste.
Es wäre nämlich ein ziemlich seltsames Gefühl, wenn später herauskommen würde, dass Lukas und ich uns im Bett vergnügt hatten, während er in der Notaufnahme lag.
Darum setzten Lukas und ich uns, zusammen mit Igor, auch noch eine ganze Weile zu den beiden ins Zimmer, um sichergehen zu können, dass mit ihm wieder alles in Ordnung kam.
Erst, als Benni friedlich schlief und sein Gesicht wieder eine einigermaßen normale Farbe angenommen hatte, verabschiedete ich mich mit Igor in unser Zimmer und hoffte, dass er bald schlafen würde.
Ich kämpfte hart gegen meinen Drang zu schlafen an, während Igor, völlig aufgeputscht von was auch immer, einen übertriebenen Laberflash nach dem anderen hatte.
Selbstverständlich war es mit Igor immer total witzig, wenn er drauf war und ich liebte es total, solche Gespräche mit ihm zu führen, weswegen es mich jetzt auch nicht unbedingt total abnervte. Aber dennoch hoffte ich, dass er noch vor mir einschlafen würde.
Als mein Handy vibrierte, zog ich es seufzend unter meinem Kopfkissen hervor und drehte mich so, dass Igor das Display nicht sehen konnte.
Lukas: Und??
Ich: Igor schläft noch nicht...
Lukas: Tja, alles nicht so einfach. Sag Bescheid, wenn er endlich mal eingeschlafen ist :)
Ich: Mach ich, dauert wahrscheinlich noch.
Lukas: Kein Ding. Ich kann warten ;)
„Igor?"
„Was ist los, du Vogel?"
Ich grinste und gähnte einmal übertrieben. „Meinst du, wir können bald mal schlafen?"
„Wie schlafen? Ich dacht, dass wir uns gleich erstmal noch was zum essen bestellen!"
„Es ist zwei Uhr morgens, ich glaube, es liefert nix mehr. Außerdem gibt es doch sowieso bald wieder Frühstück", sagte ich, legte meine Hand auf Igors Bauch und ließ ihn ein bisschen schwabbeln.
Igor setzte sich auf und schaute mit überlegendem Blick aus dem Fenster. „Hm. Da ist was dran. Aber ich bin so unmüde!"
Ich stand auf und kramte in meiner Tasche herum. „Na dann bau ich dir jetzt mal einen, dann geht das gleich wunderbar mit dem Schlafen."
Igor grinste über beide Ohren und warf sich quer über das ganze Bett. „Du bist der beste Zimmerpartner, den man sich wünschen kann!"
Nachdem ich mein Werk vollendet hatte, drückte ich Igor den Joint samt Feuerzeug in die Hand.
„Was ist mit dir?", fragte er, als er den Rauch genüsslich und mit hochzufriedener Miene ausblies.
„Ich bin so kaputt, ich brauch jetzt nix mehr."
„Wie gut für mich", murmelte er mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
Nach einer halben Ewigkeit hatte Igor dann endlich mal aufgeraucht und von seinen hibbeligen Anfällen war keine Spur mehr zu sehen. „Timi mein Freund. Du solltest dein Zeug echt im großen Stil verticken. Du wärst bald der Walter White im Marihuanabusiness...", murmelte er mit verträumtem Gesichtsausdruck in sein Kissen hinein.
„Danke Bruder, lass mal. Auch, wenn das ein sehr schöner Gedanke ist, aber das wäre mir einfach viel zu viel Arbeit."
Endlich wurde Igors Atem ruhiger und kurz darauf schnarchte er ein paar Mal. Ich wartete noch eine ganze Weile zur Sicherheit ab, dann schrieb ich Lukas, dass ich bald kommen könnte und hoffte, dass er überhaupt noch wach war.
Lukas: Okay, gib mir noch zwanzig Minuten. Zimmer 420 ;)
Ich ging mit rasendem Herzen ins Bad, und obwohl ich vorhin bei der Ankunft im Hotel schon einmal geduscht hatte, benebelte ich mich nochmal großzügig mit Deo und kämmte meine Haare. Ich war so dermaßen aufgeregt, dass ich sogar meine Halsschlagader leicht pochen sehen konnte.
Ich überlegte, ob ich mich noch einmal umziehen sollte, aber dann verwarf ich den Gedanken wieder, da ich meine Klamotten im Idealfall ja hoffentlich sowieso nicht lange anbehalten würde.
So leise, wie nur möglich, kramte ich aus den Tiefen meiner Tasche die Schlüsselkarte für das andere Zimmer heraus, die Lukas mir irgendwann im Laufe des Tages unauffällig zugesteckt hatte.
Ich wollte schon losgehen, doch dann rauchte ich noch eine letzte Zigarette zur Beruhigung.
Danach schnaubte ich genervt und putzte mir noch ein drittes Mal die Zähne, da meine Küsse bei unserem ersten Mal nicht gerade nach kaltem Qualm schmecken sollten. Noch ein letzter Spritzer Parfum, dann verließ ich das Zimmer.
Ich trat lautlos aus dem Zimmer heraus und lief vom ersten in den vierten Stock des Hotels hinauf. Schwer atmend vor Anstrengung und Nervosität näherte ich mich unserem Zimmer.
War Lukas schon da? War er genau so aufgeregt wie ich? Würden wir es eher langsam angehen lassen oder würde er sofort loslegen wollen?
Mit Herzschlägen, deren Frequenz sich weitab vom gesunden Bereich bewegte, zog ich die Schlüsselkarte durch und betrat das Zimmer, in dem Lukas auf der Fensterbank saß und mich schon breit grinsend erwartete.
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