Und jetzt mal Klartext!

Nürnberg, 23. Oktober 2013


„Also...", seufzte Lukas während er starr vor sich auf den Boden schaute. „Oh Gott, ich weiß nicht, wie ich das alles sagen soll."
Ich wurde immer nervöser und hoffte, er würde jetzt endlich gleich mal die richtigen Worte finden. Es lag so viel Spannung in der Luft, dass es kaum noch zu ertragen war. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, was er mir sagen wollte. Da konnte jetzt so ungefähr alles kommen und je mehr ich Lukas beobachtete, wie er nervös an seinem Shirt herum zupfte und nicht wusste, wie er sich hinsetzen sollte, desto unsicherer wurde ich, ob ich mir überhaupt anhören wollte, was er zu sagen hatte.
„Lukas, sag es einfach. Die ganze Zeit ist es dir doch auch nicht schwergefallen, mir zu sagen, was du willst und auch sonst bist du doch nicht auf den Mund gefallen."
Ich setzte mich neben ihn aufs Bett und er drehte sich in meine Richtung in den Schneidersitz. Ich rückte ein Stück näher an ihn heran und nahm seine Hand, die ich ihm sanft und beruhigend streichelte. „Hast du irgendetwas schlimmes getan oder so? Warum hast du Angst vor meiner Reaktion?"
Ganz vorsichtig legte Lukas seine andere Hand auf meine. „Weil ich dir nicht ganz die Wahrheit gesagt habe."
Ein bisschen mulmig wurde mir schon, aber trotzdem versuchte ich, mir das nicht anmerken zu lassen und lächelte Lukas aufmunternd an. „Dann sag sie mir jetzt."
„Ja, ich versuch es ja. Aber bitte, renn nicht weg."
„Ich renne nicht weg." Das hoffte ich jedenfalls.
„T...Timi...", stammelte er und wich meinem Blick aus.
„Lukas", sagte ich und drückte seine Hand. „Rede jetzt bitte."
Lukas holte noch einmal tief Luft, dann sah er mich an und begann endlich zu reden.
„Ich weiß schon etwas länger, dass ich auch auf Männer stehe. Ich habe dir gesagt, dass das alles für mich genau so neu ist, wie für dich. Aber das stimmt nicht. Also, irgendwie auch doch.
Es stimmt, dass ich bisher nur mit dir was im Bett gemacht hab. Das von früher mit meinem Kumpel spielt gar keine Rolle, das war wirklich nur zweckmäßig. Aber in meiner Fantasie... da gibt es das schon länger. Ich wollte es nur nicht wahrhaben, also habe ich versucht, es zu unterdrücken. Ich kann das aber nicht mehr... schon lange nicht mehr."
„Oh", bekam ich nur raus. Es war Lukas sichtlich schwer gefallen, mir das zu sagen. Ich konnte an seiner Hand spüren, wie sehr er zitterte.
„Ich wollte es dir ja sagen, aber du warst sowieso immer so unsicher und wenn du gewusst hättest, dass das für mich mehr als nur ein bisschen austesten ist, dann hättest du doch bestimmt nicht mitgemacht."
„Ach Lukas. Das ist doch nicht schlimm. Es ist doch total egal, wie lange du die Fantasien schon hast. Und selbst wenn du schon mehr mit Männern gemacht hättest... ich verstehe dein Problem gerade irgendwie nicht so ganz."
„Das Problem ist, dass ich dich angelogen habe. Ich habe dir gesagt, dass ich nicht bi bin, obwohl ich doch ganz genau wusste, dass ich das bin!"

Sollte ich jetzt sauer deswegen sein? Er schien ja fest damit gerechnet zu haben, dass ich irgendwie komisch reagieren würde. Vielleicht lag es an den drei Joints, die ich mir im Laufe des Abends schon genehmigt hatte, aber im Moment konnte ich nicht wirklich verstehen, warum Lukas sich gerade so schwer tat.
„Warum macht dir das überhaupt nichts aus?", fragte Lukas mich etwas erstaunt. „Ich habe dich doch benutzt! Ich habe deine Verwirrung und Unsicherheit dazu benutzt, um meine Triebe zu befriedigen!"
Ich konnte gerade nichts anderes tun, außer zu lachen. „Sorry, aber... Lukas! Das hört sich ja gerade so an, als ob du mich missbraucht hättest. Wenn mir das nicht gefallen würde, dann hätte ich doch gar nicht erst mitgemacht."
Einen kurzen Moment sah Lukas sehr erleichtert aus, dann verkrampfte er sich jedoch wieder. „Wenn das doch nur alles wäre", seufzte er.
„Wahrscheinlich machst du dich total verrückt wegen nichts. Ich kenne das gut. Sprich doch einfach alles aus, es ist wahrscheinlich genauso harmlos, wie das, was du mir gerade schon gesagt hast."
„Das glaube ich nicht", sagte er und ließ meine Hand los, um noch einen großen Schluck aus der Flasche Vodka zu trinken, die neben ihm auf dem Nachttisch stand. „Aber ich sag es dir jetzt einfach. Bitte lass mich ausreden und wenn ich fertig bin, kannst du von mir aus gehen. Oder mich raus werfen. Oder was auch immer."

Ich rückte ganz zu ihm ran, legte meinen Arm um seine Schultern und zog ihn zu mir. Er seufzte und lehnte sich an mich.
„Timi... ich mag dich. Also sehr."
Ich grinste und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Dieses nervliche Wrack war ja nicht mehr mit anzusehen! Er nahm meine Hand in seine und atmete ein paar mal tief ein und aus.
„Schon bevor wir uns das erste mal persönlich getroffen hatten... als du mich angeschrieben hattest und ich dich erst einmal nur von deinen Youtube-Videos kannte... da wusste ich einfach schon, dass du was ganz besonderes bist. Ich fand dich so witzig, talentiert und lieb... und hübsch. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie aufgeregt ich war, als ich dich das erste mal live gesehen hatte. Tagelang hatte ich mich vorher schon verrückt gemacht und mir tausend Dinge überlegt, was ich dir sagen könnte, weil ich eben unbedingt wollte, dass du mich magst. Ich hab von dir geträumt. Jede Nacht. Verdammt, als du dann wirklich vor mir standest, da hat es mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Okay, ich fand dich dann am Anfang schon etwas strange. Aber auf eine angenehme Art. Du bist so besonders und so anders, als all die anderen..."
Lukas Atem wurde immer hektischer und er kam immer mehr ins Stottern. Er wollte schon ein Stück von mir wegrücken, aber ich hielt ihn fest. Je mehr er sagte, desto schneller schlug mein Herz. Er sah total unsicher zu mir rüber und schluckte schwer.
„Ich rede total durcheinander."
„Ich kann dir noch folgen", sagte ich und streichelte seine Haare.
„Du willst nicht flüchten?"
„Nein, Lukas." Mein Puls war gefühlt bei dreihundert, aber ich versuchte, ruhig zu bleiben.
„Aber ich bin noch nicht fertig. Vielleicht reicht das ja jetzt und ich habe schon genug gesagt", stotterte er und versuchte wieder, sich aus meinem Arm zu befreien.
Ich lockerte meinen Griff nicht. „Sag alles, was du sagen willst."
„Aber es könnte alles kaputt machen!"
„Ich... ich will es aber hören", sagte ich und bemerkte, wie es in meinem Bauch immer stärker zu kribbeln begann.
„Sicher?"
„Ja!"

„Okay... also... ich hab versucht, mir das auszureden Timi. Wirklich. Wir kennen uns jetzt schon seit knapp drei Jahren. Zwei Jahre lang ist mir das ziemlich gut gelungen und ich hab es schon fast nicht mehr gespürt, so gut konnte ich mich selbst verarschen... aber... seit einem Jahr schon bin ich ziemlich an dir interessiert. Und es quält mich so sehr. So viele Nächte neben dir zu schlafen und diese Fantasien zu haben. Dich küssen zu wollen und das nicht zu können. Und jetzt ist das alles wirklich passiert. Alles, was ich mir so lange schon gewünscht habe. Ich kann es gar nicht wirklich glauben. Ich bin so durcheinander. Ich hätte nie gedacht, dass das nicht nur in meinem Kopf bleiben würde. Weil du machst einfach in keinster Weise den Eindruck, dass du an Männern interessiert sein könntest."
„Bis vor Kurzem hätte ich das auch selbst nicht gedacht. Aber, du siehst ja..."
Lukas atmete schwer und sah mich völlig verzweifelt an.
„Tim, was ich dir damit sagen will... mein Interesse an dir ist nicht nur sexuell. Ich habe Gefühle für dich und die sind weit mehr, als freundschaftlich. Aber du weißt einfach nicht, was du willst. Du kannst mich nur im Dunkeln anfassen. Du siehst mich dabei nie an. Es fühlt sich jedes mal so an, als ob du jeden Moment wegrennen könntest, weil dir bewusst wird, dass du das nicht willst. Und darum weiß ich nicht, ob ich das noch weiter tun kann. Weil ich mich gerade in dich verliebe. Verstehst du jetzt das Problem?"
„Wow", flüsterte ich. „Ich... ich weiß nicht was..."
Seine Worte verwirrten mich zutiefst, aber gleichzeitig schwappte auch eine Welle des Glücks durch mich hindurch und ich hatte so ein starkes Kribbeln im Bauch, wie noch nie zuvor.

„Du weißt nicht, was du dazu sagen sollst? Du musst auch gar nichts dazu sagen", sagte Lukas leise. „Weil es einfach absolut bescheuert von mir ist."
Ich könnte jetzt meine Gefühle mal wieder leugnen, aber Lukas hatte gerade so viel Mut bewiesen und mir Dinge erzählt, die er mir nie hatte sagen wollen. Außerdem hatten sich ziemlich viele Zweifel und Fragen gerade in Luft aufgelöst und ich fühlte mich sehr sicher in dem, was ich dann sagte.
„Es ist überhaupt nicht bescheuert, Lukas. Seitdem ich dich kenne, hatte ich immer wieder mal Träume. Ziemlich heiße Träume, in denen du eine Rolle gespielt hast. Anfangs nur alle paar Monate mal und ich habe mir nichts dabei gedacht... aber in letzter Zeit kommt das ziemlich oft vor. Und dann dieser Kuss da auf der Bühne... das war der schönste... der mit Abstand schönste Kuss meines Lebens. Ich könnte nie beschreiben, was ich dabei gefühlt habe, weil es keine Worte gibt, die schön genug dafür sind. Und ja, ich mache einen sehr zurückhaltenden Eindruck. Aber nicht, weil ich das alles nicht will. Das ist nur, weil es neu für mich ist und ich nichts falsch machen will. Ich will nicht damit aufhören und ich will auch nicht wegrennen."

Lukas sah mich total erstaunt an und grinste dann über beide Ohren. „Oh!"
„Ich war so verwirrt in den letzten Tagen. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas in mir drin habe. Aber jetzt zu hören, dass du etwas für mich empfindest... das macht mich so glücklich, wirklich! Aber ich... also was... was erwartest du jetzt?"
„Ich weiß es nicht. Ich bin das Gespräch schon tausend Mal in meinem Kopf durchgegangen, aber in meiner Vorstellung warst du an dieser Stelle schon längst nicht mehr hier. Ich habe keine Ahnung", sagte Lukas und sah mich verwirrt an. „Ich kann dir bloß sagen, dass... also dass ich mir schon mehr wünsche, als das, was bisher war."
„Inwiefern mehr?"
„Also es ist ja noch viel zu früh, um irgendwie von... ähm... zu sprechen", stotterte Lukas und lief dabei in rasanter Geschwindigkeit rot an.
„Um von was zu sprechen?"
„Von einer... also... von mehr als... Freunde zu sein. Weil, da gehört doch noch mehr dazu, als nur ein bisschen fummeln und ich habe das doch auch noch nie gemacht und vielleicht gefällt es mir ja auch gar nicht und was würden denn die Jungs denken und die ganze Öffentlichkeit und... und...das ist alles so schrecklich kompliziert", sagte er total hektisch.
„Es ist nur so kompliziert, wie wir uns das selbst machen", sagte ich, als mir die ganzen Telefonate mit Marcel in den vergangenen Tagen einfielen.
Lukas rutschte nervös auf dem Bett herum und schwieg eine ganze Weile, ehe er wieder sprach.
„Vielleicht sollten wir ja einfach mal so richtig miteinander schlafen? Vielleicht merken wir ja beide, dass das nicht unser Ding ist und können das alles als reine Spinnerei in geistiger Umnachtung abtun? Aber was ist, wenn es nur einem von uns gefällt? Das wäre doch auch total beschissen. Ich weiß ja auch nicht! Ich hätte nie gedacht, dass es überhaupt mal soweit kommt."
„Das wissen wir wohl erst, wenn wir es ausprobieren", sagte ich zögerlich.
„Das würdest du wirklich tun?", fragte er leise.
„Ja."
„Aber Timi... was wenn es uns wirklich gefällt? Wie soll es dann weitergehen? Würden wir einfach nur ficken oder... und was würde die Band dazu sagen? Oder die Öffentlichkeit, wenn das rauskommt?"
Ich beugte mich zu Lukas rüber und küsste ihn sehr lange. „Das wissen wir jetzt noch nicht. Wenn es uns nicht gefällt, dann ist das eben so. Und wenn es uns gefällt... naja... dann gefällt es uns eben. Ja, wir stehen in der Öffentlichkeit und es würde ziemlich kompliziert werden. Aber soweit will ich jetzt noch gar nicht denken, bevor wir wissen, was wir wirklich wollen. Und selbst wenn? Also wer hat das Recht, uns zu sagen, wie wir leben sollen?"

Lukas atmete erleichtert aus und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. „Timi. Das hört sich ja so ganz verständlich an, aber ich weiß nicht, ob dir bewusst ist, was das bedeuten könnte. Ich weiß nicht, ob das so einfach akzeptiert werden könnte, wenn zwei Mitglieder von Plan B miteinander ins Bett gehen. Und auch für mich als Solokünstler... keine Ahnung. Der Großteil der Fans besteht eben aus Mädels und die brauchen doch die Fantasie, dass..."
„Ich weiß Lukas. Natürlich wäre das nicht so einfach. Ich kann dir nur sagen, was ich denke. Für dich sprechen kann ich da nicht. Ich hab mein ganzes Leben nur das gemacht, was ich wollte. Ich hab mir nie irgendwas vorgeben lassen und ich habe nicht vor, das jetzt auf einmal zu tun. Leute, die mich nicht so akzeptieren wollen, wie ich bin, die sind für mich schlichtweg uninteressant. Ich habe mich nie für irgendwas oder irgendwen verbiegen lassen. Klar ist mir meine Karriere wichtig. Aber am wichtigsten ist mir, dass ich mit mir und meinem Leben zufrieden bin. Dass ich sein kann, wer ich bin und frei sein kann, in allem was ich tue. Ich will einfach nur glücklich sein, egal was das am Ende bedeutet."
„Das beruhigt mich wirklich", sagte Lukas und lächelte mich an.
„Und wie gesagt, lass uns doch erst einmal schauen, ob wir das überhaupt können, bevor wir uns jetzt den Kopf über alle Eventualitäten zerbrechen, okay?"

„Was fühlst du für mich?", fragte Lukas nach einer längeren Pause. „Ich habe halt Angst, dass du es nicht gut findest und ich mich aber richtig in dich verliebe..."
„Lukas, du bist mir wahnsinnig wichtig. Ich hab jedes einzelne mal Herzrasen, wenn du mich berührst. Du bist für mich der schönste, liebste, witzigste und intelligenteste Mensch der Welt. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dich am Abend als letztes und am Morgen als erstes zu sehen. Das war jetzt wahnsinnig kitschig, aber so ist es eben. Und ich bin total scharf auf dich. Mein Schwanz wird schon hart, wenn ich mir nur vorstelle, dich zu küssen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ich Sex mit dir scheiße finde."
Endlich lachte Lukas mal wieder richtig. „Das war mal ne Ansage!"
„Dann ist doch jetzt alles klar, oder?"
„Ich denke schon."

Völlig aufgewühlt, erleichtert und glücklich ließ ich mich nach hinten ins Bett fallen und zog Lukas mit runter.
„Was hast du Stefan erzählt? Ich war der festen Überzeugung, dass er was wüsste."
Lukas lachte und kuschelte sich an mich. „Ach, der hat gefragt, warum ich so komisch bin. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also habe ich ihm von irgendeiner Frau erzählt. Ich hab gesagt ich hätte Sex mit der und wäre in sie verliebt, aber weiß nicht, was sie darüber denkt."
„Ach so ist das", sagte ich grinsend. „Na, offenbar hast du ja doch eine Chance bei ihr."
„Was ein Chaos", seufzte er. „Also, wann wollen wir denn...?"
„Mh, also auf jeden Fall dann, wenn wir absolut nicht gestört werden können. Ist jetzt hier ziemlich ungünstig, wenn die wissen, wo wir sind. Vielleicht, wenn die Tour vorbei ist?"
Lukas beugte sich über mich und begann, mich unter meinem Shirt zu streicheln. „Ich weiß nicht, ob ich noch so lange warten kann."
„Jetzt?"
„Nee, oh Gott. Doch nicht zehn Zentimeter neben Stefan", sagte Lukas kichernd und schielte auf die Wand neben uns. „Ich überleg mir was, okay? Vielleicht sollte ich jetzt auch mal wieder in mein Zimmer gehen."
„Mach das mal, bevor er skeptisch wird. Ich hoffe, er hat das hier jetzt nicht gehört."
„Nein, wir haben doch leise geredet. Aber ich geh jetzt trotzdem mal rüber."

Lukas stand auf und ich begleitete ihn bis an die Zimmertür, dann küssten wir uns nochmal sehr lange.
„Ich bin sehr froh, dass du mir das alles gesagt hast", sagte ich und drückte ihn an mich.
„Ich auch", antwortete er und lächelte mich dabei total glücklich an.

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