In all mein Schwarz dein fettes Grinsen

Frankfurt am Main, 28. Oktober 2013

Mein äußerst erholsamer Schlaf, der einen wunderschönen Traum von Lukas  beinhaltet hatte, wurde am nächsten Morgen brutal beendet.
Irgendetwas  nasses wurde mir von irgendjemandem mitten ins Gesicht gespritzt und  ich wollte mir gar nicht erst vorstellen, um was es sich dabei handelte.  Von Gefühl und Geruch her hoffte ich einfach mal, dass es sich dabei  nur um harmloses Wasser handelte.

„Was ist denn jetzt los? Aufhören", murmelte ich und zog mir die Decke übers Gesicht, als mir der nächste Schwall entgegen kam.
„Überraschung!", rief Marcel viel zu laut und zog mir dabei ruckartig meine Bettdecke aus dem Gesicht.
„Was  machst du denn hier?", fragte ich völlig perplex und musterte die  Wasserpistole in der Hand meines verrückt gewordenen besten Freundes.
„Ich dachte, ich schau mir alles, was hier so passiert mal live und in Farbe an", erklärte er.
„Oh.  Ähm. Okay! Aber... warum hast du denn nicht gesagt, dass du kommst? Wie  lange bist du denn schon hier?", fragte ich und rieb mir kräftig durch  das Gesicht, um wacher zu werden.
„Gestern  Abend angekommen. Ein Mädel, mit dem ich seit Kurzem ein bisschen was  am Laufen hab, hat ein Seminar in Frankfurt und da ihr ja im Moment auch  hier seid, bin ich einfach mal mitgefahren. Wir waren auch bei eurem  Konzert, aber da du ja gesagt hast, dass hier eventuell was mit  Lukas..."

Hektisch presste ich Marcel die Hand auf den Mund und sah mich im Zimmer um.
„Keine Panik Alter, Igor ist nicht hier", sagte er lachend und schubste meine Hand wieder weg. 
„Er  hat mich reingelassen und ist dann zum Frühstück gegangen. Also, da du  ja gesagt hast, dass hier eventuell was mit Lukas läuft, hab ich mich  natürlich nicht bemerkbar gemacht. Vielleicht hättest du mich dann als  Ausrede genutzt, um zu kneifen. Und keine Sorge, ich lass euch auch  heute Nacht in Ruhe. Ich habe ja hoffentlich selbst ein bisschen Action  in der Horizontalen."

„Gott, laberst du viel am frühen Morgen", jammerte ich. „Kippe, bitte."
Marcel stand auf, um mir Aschenbecher und Zigaretten zu organisieren, dann legte er sich neben mich aufs Bett.
„Na los Timi. Ging was? Wie war es denn?"
Ich  gähnte herzhaft, setzte mich hin und lehnte mich ans Kopfteil des  großen, gemütlichen Bettes. „Wie detailliert darf ich denn werden?"
„Ah!", sagte Marcel grinsend. „Es lief also was!"

„Ja. Also... wir hatten... Sex. So richtig", sagte ich leise und schaute grinsend an die Wand gegenüber.
So  richtig traute ich mich nicht, Marcel dabei ins Gesicht zu sehen. Zwar  wusste er so ziemlich alles, was bisher zwischen Lukas und mir passiert  war, aber ihm das jetzt zu erzählen, während er neben mir lag, war dann  doch nochmal eine ganz andere Sache, als ihn hunderte Kilometer weiter  weg am Telefon zu haben.
Erst,  als ich nach einem Klicken seines Feuerzeugs den penetranten Geruch von  Gras wahrnahm, lenkte ich meinen Blick wieder zu ihm.
„Ey,  wenn ich wegen dir hier raus fliege...", sagte ich grinsend und zog ihm  den Joint aus den Fingern, um selbst einen Zug davon zu nehmen.

„Na erzähl schon", drängelte er.
„Willst  du das wirklich hören? Ich meine, ist das nicht irgendwie komisch für  dich? Wir haben so oft schon in einem Bett gepennt und so."
„Ja  und?", fragte Marcel und lachte. „Nur, weil du jetzt auf Lukas stehst,  wirst du doch wohl nicht gleich über alle Kerle herfallen, oder? Und  selbst wenn du damals schon solche Fantasien gehabt haben solltest,  während wir in einem Bett gepennt haben, warum sollte mir das jetzt was  ausmachen?"
„Keine  Ahnung. Ich stell mir das irgendwie komisch vor, wenn du mir zum  Beispiel sagen würdest, dass du jetzt auf einmal auf Männer stehst."

Marcel nahm mir den Joint wieder weg und legte sich entspannt neben mich.
„Ich  kann mir vorstellen, dass so einige Typen ein Problem mit sowas  hätten... also wenn der beste Freund plötzlich schwul wird, oder was  auch immer du jetzt bist. Aber ich sehe keinen Grund dafür, warum das  irgendwas an unserer Freundschaft ändern sollte. Ist doch egal, mit wem  du ins Bett gehst. Solange du nicht mich besteigen willst, kriege ich  davon doch gar nichts mit. Du wirst ja jetzt nicht auf einmal  Glitzerschaumbäder nehmen, dich pink kleiden und mit mir den neuesten  Teil von Sex and the City im Kino angucken wollen."
„Du  bist so ein Spinner", sagte ich lachend. „Ähm. Am besten fragst du mich  einfach, was du wissen willst. Dann besteht nicht die Gefahr, dass ich  dir zu viel von dem erzähle, was du gar nicht hören willst."

„Dass wir mal  so ein Gespräch führen würden, hätte vor ein paar Wochen noch auch  niemand gedacht", sagte er und guckte leicht amüsiert an die Decke.  „Also. Wer hat denn wen beglückt?"
„Ich  ihn", antwortete ich und kicherte ein wenig wegen seiner Wortwahl,  während ich gleichzeitig das Gefühl hatte, signalrot anzulaufen.
„Ich  hatte ja gehofft, dass es andersrum wäre. Ich kann es mir ja gar nicht  vorstellen, sowas großes im Arsch zu haben", philosophierte Marcel vor  sich hin. „Willst du das denn auch mal ausprobieren?"
„Keine Ahnung. Ich kann es mir selbst nicht vorstellen. Aber so, wie Lukas abgegangen ist, scheint das ganz schön gut zu sein."
„Und Lukas hat das auch zum ersten Mal gemacht?"

Ich drehte den Kopf und sah schweigend zu Marcel rüber. Sollte ich ihm  jetzt sagen, dass Lukas sich ab und an mit einem Dildo vergnügte oder  würde das Marcels Bild von ihm für immer zerstören?
„Ähm... also er hat das zum ersten Mal mit einem Mann gemacht, ja", antwortete ich dann wahrheitsgemäß.
Die Antwort war offenbar genug für ihn. „Hat denn alles geklappt?"
„Soweit ich das beurteilen kann ja."
„Und war es besser, als mit Frauen? Oder schlechter? Oder gleich gut?"
Sofort schlich sich ein äußerst zufriedenes Grinsen in mein Gesicht, das auch Marcel zum Grinsen brachte.
„Die  Eindrücke sind ja noch ganz frisch, wer weiß, wie ich in ein paar Tagen  darüber denke. Aber im Moment würde ich schon sagen, dass es mir mit  Lukas besser gefallen hat. Das kann natürlich auch nur daran liegen,  dass alles so neu und spannend ist."

„Also gehe ich davon aus, dass ihr es in Zukunft öfter miteinander treibt", schloss Marcel aus meiner Aussage.
„Definitiv", antwortete ich mit einem noch breiteren Grinsen.
„Weiß Lukas eigentlich, dass du mit mir über euch redest?"
„Ja,  weiß er. Ich hatte dich doch angerufen, als ich gedacht habe, dass er  in Braunschweig ne Olle gefickt hat. Er stand da plötzlich vor mir auf  dem Hinterhof des Clubs und hat ein bisschen was von meinem  eifersüchtigen Gejammer mitbekommen."
„Also muss ich vor ihm nicht ganz so penibel aufpassen, dass ich mir nichts anmerken lasse", überlegte Marcel.
„Nein,  aber verhalt dich bitte trotzdem so unauffällig wie möglich und sag am  besten gar nichts. Nicht, dass die anderen irgendwas bemerken. Ich habe  nicht die leiseste Ahnung, wie die reagieren würden und ich will auf  keinen Fall, dass die irgendwas checken. Jedenfalls.... nicht jetzt."

Marcel drückte seinen Joint in den Aschenbecher und legte sich auf die Seite, um mich besser sehen zu können.
„Jetzt nicht. Aber... irgendwann?"
„Keine Ahnung", seufzte ich. „So weit will ich eigentlich noch gar nicht denken."
„Na sind da Gefühle im Spiel oder eher nicht? Ist das nur körperlich, oder...?"

Ich rutschte ein Stück nach unten und drehte mich ebenfalls auf die Seite, sodass ich Marcel nun direkt gegenüber lag.
„Naja", sagte ich und konnte ein Lächeln nicht zurückhalten.
„Also sind Gefühle dabei", meinte Marcel und lächelte mich ebenfalls an.
Mittlerweile  fand ich es gar nicht schlecht, dass ich Marcel das alles persönlich  sagen konnte und nicht bloß am Telefon. Sein Lächeln war ehrlich und in  seinen Augen erkannte ich keinen Ekel und keine Abscheu. Er schien sich  wirklich für mich zu freuen und sein Interesse an der ganzen Sache war  echt. Bei einem Telefonat hätte ich diesen, mich sehr beruhigenden  Eindruck niemals gewinnen können, ohne ihn zu sehen.
Zwar  war es schon ein wenig komisch, mit Marcel so offen über den Sex mit  einem anderen Typen zu sprechen, aber er machte es mir ja wirklich  leicht, sodass ich mich dabei recht schnell entspannen konnte.

Ich rutschte zu Marcel rüber und legte dankbar meine Arme um ihn. Als er ebenfalls direkt seine Arme um meinen Körper schlang und nicht zurückzuckte, hätte ich am liebsten vor lauter Freude losgeheult. In einer so verwirrenden Zeit einen echten Freund an meiner Seite zu wissen, der zu hundert Prozent hinter mir stand und sich aufgrund meiner neu entdeckten Neigungen nicht vor mir ekelte, wie ein kleiner Teil von mir im Geheimen befürchtet hatte, war unglaublich viel Wert und machte mich über alle Maße glücklich.

Als Marcel dann auch noch anfing, mir sachte über den Rücken zu  streicheln, war es wirklich zu viel für mich und alle Dämme brachen.
„Was ist denn jetzt los?", fragte er besorgt, als ich hemmungslos zu schluchzen begann.
„Ich  bin... einfach nur... so froh... dass du trotzdem noch...", presste ich  angestrengt heraus, bis mich die nächste Welle erschütterte.
„Timi.  Natürlich. Es ändert sich überhaupt nichts zwischen uns. Rein gar  nichts, ich schwör es dir. Wir haben so viel Scheiße zusammen  durchgemacht. Da wird uns das doch jetzt nicht trennen. Es ist  vielleicht ein bisschen ungewohnt für mich, aber es ist doch nichts  schlechtes, wenn dir das mit Lukas gut tut. Um Gottes Willen, wie kommst  du nur auf die Idee, dass ich dich deswegen verstoßen könnte?"
„Ich weiß doch auch nicht", schluchzte ich in seinen Hoodie hinein.
„Ist  es vielleicht, weil du dir selbst noch nicht so sicher bist, was du  davon halten sollst? Findest du dich eventuell selbst irgendwie... eklig  oder so und überträgst deine Gedanken dabei unbewusst auf mich?",  fragte Marcel vorsichtig.
Ich überlegte kurz und meine Mundwinkel zuckten zu einem kleinen Lächeln nach oben. Marcel, dieser alte Hobbypsychologe.
Ich wischte mir mit dem Ärmel ein paar Tränen aus dem Gesicht und schaute zu ihm nach oben.
„Ähm.  Das kann sein. Also... ich fühle mich nicht eklig oder so. Aber...  verwirrt. Ich weiß nicht, was ich bin. Bin ich jetzt schwul oder bi oder  keine Ahnung was? Werd ich jetzt nie wieder mit einer Frau Sex haben?  Komm ich mit Lukas zusammen und wir wohnen irgendwann in einem Haus auf  dem Land und adoptieren einen Stall voller Kinder? Oder müssen wir uns  für immer heimlich irgendwo treffen, weil wir uns niemals öffentlich  machen können?"

„Oh Timi", seufzte Marcel. „Du machst dir, wie so oft, einfach viel zu viele Gedanken. Was sagt denn Lukas dazu?"
„Ich  weiß, dass ich zu viel denke. Das sagt Lukas mir auch manchmal",  murmelte ich und presste meine Wange wieder an den weichen Stoff von  Marcels Hoodie.
„Lukas  sagt, dass ich mich nicht in eine Schublade stecken soll. Er meint, wir  sollen einfach mal gucken, was uns gefällt und was nicht, ohne uns  einen Stempel aufzudrücken. Er will, dass wir erst einmal noch ein paar  Sachen ausprobieren und alles locker angehen lassen, ohne uns zu viele  Gedanken darüber zu machen. Er hat überhaupt kein Problem damit, dass er  auf Männer steht. Erst hat er gesagt, er will sich keine Bezeichnung  geben, aber später irgendwann meinte er, er wäre bisexuell. Und es  scheint ihm überhaupt nichts auszumachen. Er sagt... das ist jetzt eben  so."

„Ja, das klingt  doch ganz nach Lukas", sagte Marcel und ich konnte an seiner Stimme  hören, dass er gerade lächelte. „Und wie findest du seine Art, die Sache  zu betrachten?"
„Gut. Und ich wünschte, ich könnte das auch."
„Ich drücke dir die Daumen, dass du das bald auch ein bisschen entspannter sehen kannst. Du machst dich ja noch ganz verrückt."

Ich seufzte tief. „Um auf deine Frage mit den Gefühlen zurück zu kommen... ich schätze, ich bin in Lukas verliebt. Mit Herzrasen und Schwärmen und dem ganzen Kram. So, wie er mich anguckt, ist er auch in mich verknallt, denke ich. Gesagt hat das noch keiner. Glaube ich. Vielleicht hab ich es auch in dem ganzen Gefühlschaos vergessen. Nein... das wüsste ich doch noch. Lukas wollte mir kürzlich eventuell ein Liebesgeständnis im Club machen, aber vielleicht spinne ich mir da auch nur hoffnungsvoll was zusammen."

Nachdem ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, setzte ich mich  auf, um noch eine Zigarette zu rauchen. Als ich in Marcels Gesicht sah,  grinste mich dieser total breit an.
„Was ist los?"
„Ich find das alles einfach so putzig!"
Ich wischte mir die letzte Träne aus dem Gesicht und lachte auf. „Ich glaub, das Gras wirkt so langsam, hm?"
„Timi,  du Depp. Ich würde das ganz ehrlich auch richtig süß finden, wenn ich  gerade nicht breit wie eine achtspurige Autobahn wäre."
„Okay", sagte ich grinsend und lehnte mich wieder etwas zurück. „Ich bin so unglaublich froh, dass ich dich hab."
„Weiß  ich doch. Und ich hau dir auch garantiert niemals ab. Denk sowas bloß  nie wieder", antwortete mein bester Freund und wuschelte mir kräftig  durch die Haare. Auch, wenn ich das normalerweise total hasste,  protestierte ich nicht, sondern ließ ihn einfach machen.

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