Kapitel 32
Ich kam nicht pünktlich, aber fairer Weise musste man sagen, dass ich mich auch nicht beeilt hatte.
Ich klopfte zaghaft an die Tür von Raum 117 und eine freundlich klingende weibliche Stimme bat mich herein.
Zögernd trat ich ein und ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Ungefähr ein halbes Dutzend Oberstufenschüler und Schülerinnen saßen um einen großen Tisch in der Mitte des Raumes. Vor ihnen ein Teller mit Gebäck.
Wenigstens hatten sie Kekse.
„Oh hey du", begrüßte mich ein schlankes Mädchen mit langen dunkelbraunen Haaren. „Willst du dem Winterballkomitee beitreten?"
Ich nickte vorsichtig und sie lächelte mich freundlich an. „Das ist perfekt. Wir haben hier nämlich einen ernsthaften Mangel an Freiwilligen."
Mir fiel der Brief wieder ein, den ich immer noch in der Hand hielt.
„Bist du Vivian?", fragte ich das brünette Mädchen, doch sie schüttelte nur den Kopf. Stattdessen meldete sich eine Schülerin mit schmaler Brille und rotblonden Locken von der anderen Seite des Tisches zu Wort: „Ich bin Vivian. Hey. Ist das die Liste von Oliver wegen den Ausgaben?"
Ich nickte und reichte ihr den Zettel.
„Setz dich doch", meldete sich die Braunhaarige wieder zu Wort und deutete auf einen noch freien Stuhl. Ich setzte mich dankbar.
„Ich bin übrigens Vera", stellte ich mich vor und nun nannte mir auch der Rest des Komitees seine Namen. Ich versuchte angestrengt, sie nicht alle gleich wieder zu vergessen.
Der kleine Junge mit den wilden schwarzen Haaren hieß Emil, der große blonde neben ihm war Moritz. Das Mädchen mit dem langen hellbraunen Zopf hieß Lotta, dann kam Vivian und daneben saß Elizabeth; sie und Lotta gingen in meine Stufe. Das schlanke Mädchen mit den langen dunklen Haaren, die vermutlich die Gruppe leitete, stellte sich als Robin vor.
Ich sah sie irritiert an. „Sorry, aber ich dachte immer, Robin wäre ein Jungenname", gestand ich.
Sie lächelte gequält, so als würde sie diesen Satz nicht zum ersten Mal hören. „Ist es nicht. Robin ist ein Unisexname." Sie seufzte kurz. „Mein voller Name lautet Robin Maibritt, du kannst dir also vermutlich denken, warum ich nicht meinen Zweitnamen benutze."
Ich behielt für mich, dass ich ihren zweiten Namen mochte. Aber mir gefiel auch Robin ziemlich gut, also wäre es sowieso unnötig gewesen.
„Weißt du, wofür unser Komitee zuständig ist, Vera?", fragte Robin mich. Wusste ich peinlicherweise nicht.
„Wir ehm organisieren den Schulball?", es klang eher wie eine Frage als wie eine Antwort.
„Im weitesten Sinne könnte man das wohl so sagen", sie nahm einen Schluck aus der scharlachroten Tasse, die vor ihr auf dem Tisch stand. „Unsere Gruppe ist quasi der Hauptgrund, warum dieser Ball überhaupt stattfinden kann. Wir beauftragen den DJ, suchen die Lokation raus, sorgen für Essen, Deko und Werbung und organisieren auch den Kartenverkauf und die Krönung des Königpaares", verkündete Robin und ich meinte, eine Spur Stolz in ihrer Stimme mitklingen zu hören.
„Als Leiterin des Komitees", fuhr sie fort. Ich hatte also Recht gehabt. „Habe ich hier eine Liste vorbereitet, in die ihr euch für die Aufgaben, die ihr übernehmen wollt, eintragen könnt."
Sie griff in ihre Tasche und zog einen Notizblock heraus, der mit kleinen Schmetterlingen in verschiedenen Orange- und Rosatönen und in weiß verziert war. Sie klappte eine Seite auf und reichte den Block dann zusammen mit einem schlichten schwarzen Kugelschreiber an Emil weiter.
Als der Block bei mir angekommen war, waren die meisten Aufgaben bereits verteilt und ich trug mich eher des Witzes halber bei „Getränke ausschenken" ein. Simons Prophezeiung würde also wahr werden, ich würde den Ballabend tatsächlich damit verbringen, Punsch an meine Mitschüler zu verteilen.
Nachdem der Block wieder bei Robin angekommen war, warf sie einen Blick auf die Seite und strahlte uns an. „Perfekt, es sind alle Aufgaben verteilt worden." Sie schien eine Vorliebe für das Wort Perfekt zu haben.
Sie warf einen schnellen Blick auf ihre Uhr. „Okay, wir haben noch etwas Zeit. Was haltet ihr von dem Vorschlag, dass wir noch eben schnell die Durchsage wegen der Nominierung für das Ballkönigspaar machen, damit die Kinder auch noch genug Zeit haben, sich deswegen in die Haare zu kriegen, und wir dann erstmal für heute Schluss machen?"
Sie hatte eben schon davon gesprochen, dass das Komitee vorhatte, das US-amerikanische Konzept des Promkings und der Promqueen zu übernehmen. Das würde Melissa Lord sicherlich freuen.
Ich wusste nicht, ob es in den anderen Jahrgängen sogar noch beliebtere Mädchen gab als Melissa, die einzige Person, die ich kannte, die ihr Konkurrenz machen könnte, wäre jedenfalls ... ich versuchte den Klos, der sich in meinem Hals bildete, sobald ich an Minou dachte, runterzuschlucken, während Robin schon dabei war, das gesamte Komitee Richtung Sekretariat zu scheuchen, um ihre Durchsage zu machen.
Dort angekommen drückte sie, ohne zu zögern, auf den kleinen roten Knopf, der das Mikrofon aktivierte.
„An alle Schülerinnen und Schüler der Oberstufe: Ich hoffe, ihr habt bereits von dem Winterball gehört, den unsere Schule dieses Jahr veranstalten wird. Der Höhepunkt des Abends wird die Verkündung des Ballkönigpaares, das ihr selbstverständlich selbst wählt. Morgen in der siebten Stunde werden in der Aula Nominierungen für das Königspaar entgegengenommen. Mitmachen dürfen alle Schülerinnen und Schüler der Einführungsphase und der Qualifikationsphasen. Viel Spaß beim Nominieren! Wir freuen uns auf euch! - Robin, Vorsitzende des Schulballkomitees."
Sie warf mir während des letzten Teils einen kurzen Blick zu und betonte dabei das letzte E in Vorsitzende laut und deutlich. Ich biss mir auf die Lippe, um nicht grinsen zu müssen.
Robin ließ den roten Knopf wieder los und die Durchsage brach ab. Sie warf einen kurzen Blick auf die Liste. „Mist, ich habe vergessen draufzuschreiben, dass einer die Nominierungen entgegennehmen muss."
Sie sah hilfesuchend in die Gruppe.
„Ich könnte das machen", bot ich sofort an und sie lächelte dankbar. Ich hatte mich im Vergleich zu den anderen eh für viel zu wenig Aufgaben eingetragen.
„Perfekt", sagte sie, „dann erwarte ich dich morgen früh in der Mittagspause in der Aula."
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