drei

✎﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏✍

Ich weinte lange.

Erneut.

Als ich mich schließlich vom Boden hoch stemmte war es weit nach Mitternacht.

Ich ging nicht ins Bad, wollte mein verweintes Selbst nicht im Spiegel ansehen müssen. Stattdessen ließ ich mich einfach so aufs Bett fallen.

Ich schlief schlecht.

.

.

.

Ich stand am Bahnsteig. Züge donnerten ununterbrochen an mir vorbei.

Das laute Donnern dröhnte in meinen Ohren. Gemischt mit der Durchsagenstimme.

"Seoul Express, Gleis 95. Ankunftszeit nie."

Ein Zug hielt. Ich stieg ein. Kein einziger der shäbigen Sitze war besetzt.

Ich setzte mich, griff nach einem der Mode Magazine die auslagen.

Kaum schlug ich es auf, sah ich auf Tae hinab. Seine Arme eng um den Hals des anderen gelegt. Dessen Hände an seiner Hüfte. Lippen auf Lippen.

Sofort blätterte ich weiter. Aber auf jeder Seite war das gleiche Bild.

Panisch schloss ich das Heft, schmiss es durch das offene Fenster.

Als ich wieder auf sah, saß ich in einer Sandkiste.

Grüne Schaufel in einer Hand, ein kleiner Eimer in der anderen.

Vor mir im Sand saß ich.

Jüngeres Ich, vielleicht fünf Jahre alt.

Kleinkind ich hielt die gleiche Schaufel, den Gleichen Eimer. Und warf gerade sieben jährigen Tae mit Sand ab.

Fasziniert sah ich dabei zu wie wir spielten.

Lachten.

Kinder waren.

Freunde waren...

Mit einem Mal sah ich hoch.

Tae stand vor mir.

Seine Haare blond.

Wangenknochen definiert.

Kiefer scharf.

Er trug sein eigenes Merch.

Er sah so aus wie jetzt.

So wie er immer im Stream aussah.

"Du hast versagt Jungkook."

Seine Stimme donnerte über mich hinweg.

"Du hast unsere Freundschaft versaut."

Kleinkind ich fing an zu weinen.

"Ich habe einen anderen. Habe dich ersetzt."

Tae griff nach seinem Kleinkind selbst, hob ihn hoch.

"Du hast versagt."

Damit drehte er sich um und ging, sofort sprang ich auf und hasstete ihm hinterher.

Doch es war zu spät.

Er war um eine Ecke verschwunden und als ich ihm folgte war er weg.

Ich hatte versagt.

Hatte es nicht geschafft ihm meine Gefühle zu gestehen.

Mehrmals.

Schließlich liebte ich ihn seid Jahren.

Schon seid wir in der Oberschule waren.

Aber ich hatte Angst gehabt.

Jetzt war es zu spät.

Ich hatte versagt.

Der Boden unter mir brach zusammen.

Ich begann zu fallen, doch konnte mich gerade noch an etwas fest halten. Meine Beine baumelten über einem Abgrund.

Plötzlich hörte ich einen Schrei. Meinen Schrei. Kleinkind Ich stürzte an mir vorbei in die Tiefe.

Ohne nach zu denken ließ ich los und griff nach mir.

Doch kaum berührten sich unsere Hände, ging er in Flammen auf.

.

.

.

Schweiß gebadet wachte ich auf. Atmete schnell und krallte mich in die Bettdecke.

Ich hatte versagt.

Stumm starrte ich an die Decke. Bedauerte mich selbst für einige Momente.

Dann tastete ich nach meinem Wecker und warf einen Blick auf die Uhr.

4:24

In dieser Nacht schlief ich nicht mehr.

Ging am Morgen zur Arbeit, einen Energiedrink intus. Mehrmals sakte mein Kopf auf die Tastatur, nur um von dem Klingeln in den Kopfhörern wieder hoch gerissen zu werden.

Den Abend saß ich in meinem dunklen Zimmer. Weinte.

Es war erbärmlich.

So verbrachte ich meine Woche. In dem drekigen Loch was meine Einzimmerwohnung war.

Verließ es nur um zur Arbeit zu gehen. Bestellte jeden Tag Pizza.

Weinte viel.

Rauchte viel.

Trank zum ersten Mal Alkohol.

Jeder Tag nur dieser graue Matsch.

Ich hatte das einzige Fünkchen Farbe aus meinem Leben verbannt.

Es fühlte sich schrecklich an.

Tae war das einzige worauf ich mich jeden Tag freuen konnte.

Er war der Grund warum ich morgens auf stand.

Er war der Grund warum ich jeden Tag zur Arbeit ging.

Er war der Grund warum aß.

Er war der Grund warum ich trank.

Er war der Grund warum ich lächelte.

Er war ...

.

.

.

Ich hatte ihn aus meinem Leben gesperrt.

Ich war Schuld.

Ich war der Grund warum ich morgens nur unter Anstrengungen auf stand.

Ich war der Grund warum mich jeden Morgen dazu zwingen musste zur Arbeit zu gehen.

Ich war der Grund warum ich kaum aß.

Ich war der Grund warum ich kaum trank.

Ich war der Grund warum ich nicht lächelte.

Aber ich hatte nicht anders gekonnt.

Ich hielt das nicht aus.

Ich konnte das nicht.

Der Neid würde mich umbringen.

Ich wollte zurück in meine Illusion.

Dort wo ich noch eine Chance bei ihm hatte.

Wo er nur für mich lächelte.

Wo er mit mir redete.

Wo er wusste das ich exestierte.

Ich wollte immer, dass er glücklich war.

Warum konnte ich es denn nicht einfach akzeptieren?

Das er glücklich war.

Ich wusste warum.

Es war klar.

Aber schmerzhaft.

Ich wollte nicht, dass er glücklich war...

.

.

Ich wollte, dass er wegen mir glücklich war.

.

.

.

Am Wochenende hielt ich es nicht mehr aus.

Ich wollte ihn wieder sehen.

Konnte es nicht ertragen.

Ich musste.

Auch wenn es weh tat.

Das Wissen, dass jemand anders ihn hatte tat noch mehr weh.

Ich musste ihn vergessen.

So wie er mich schon vor Jahren.

Es brachte doch nichts.

Immer wieder darüber zu fantasieren.

Das machte es doch nur noch schlimmer.

Ich musste loslassen.

Mein Leben in den Griff bekommen.

Es hatte mich ruiniert.

Komplett.

Seelisch war ich ein Wrack.

Meine Taschen waren leer, ich wohnte in einem der schäbigsten Viertel Seouls, ernährte mich von fragwürdigem Essen, saß ohne Licht, weil der Strom zu viel kostete.

Er hatte Monate lang von meinem Einkommen gelebt, während ich immer weiter verkümmerte.

Ich war süchtig.

Süchtig nach seiner Stimme.

Süchtig nach seinem Lächeln.

Süchtig nach...

.

.

Nach ihm.

.

.

.

Wie von selbst flogen meine Finger über die Tastatur.

V95 war schnell getippt.

✎﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏﹏✍
3.11.21



914 Wörter, warum fühlte es sich so viel mehr an..?

-

Hab heute schon 1200 Wörter Wipo geschrieben und hatte nein Krampf in der Hand. Ups. xD

Have a wonderful day 💜

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top