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Eigentlich gehörte ich nie wirklich zu den großen Romantikern. Und das obwohl ich Eiskunstläufer war. Doch Yuri ließ mich Dinge fühlen, die ich in all den Jahren zuvor nie gefühlt hatte, nicht kannte.
Das Gefühl nach so einer Verbindung nebeneinander zu liegen, die Ruhe zu genießen und den anderen wertzuschätzen, darüber hatte ich mir vorher nie Gedanken gemacht.
Befreit, geliebt und angekommen. So habe ich mich gefühlt.
Yuri lag in meinen Armen und schlief. Er sah erschöpft und trotzdem so entspannt aus. Mehr als nur einmal dachte ich darüber nach, ob er es vielleicht nicht doch bereuen würde. Doch dafür war unsere Verbindung viel zu ehrlich, viel zu leidenschaftlich gewesen. Also verwarf ich den Gedanken gleich wieder.
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Am nächsten morgen, fanden wir uns recht früh wieder in der Eishalle ein.
Vor mir stand nicht mehr der schüchterne Yuri. Vor mir stand wahrhaftig ein Mann. Er schien wie ausgewechselt zu sein. Sein Blick konzentriert, seine Einstellung mehr als bereit für all das was noch kommen würde.
Beobachtend stand ich an der Bande und stützte meine Unterarme auf sie. Die Bewegungen von meinem Schützling waren viel reifer, hingebungsvoller als zuvor. Die Nacht hatte ihn verändert. Seine Blockade schien gelöst, sein Gewissen bereinigt.
Als er rückwärts eine ganze Bahn lief, vermutete ich schon was als nächstes kommen würde. Der Anlauf war perfekt, ebenso der Absprung.
Der 4fache Salchow.
Er stand ihn.
"Amazing Yuri!", rief ich ihm zu. Atemlos kam er zum stehen und lächelte mich an.
Stolz.
Ich war einfach nur stolz auf die Entwicklung, die er in den letzten Monaten gemacht hatte.
"Victor?", er riss mich aus meinen Gedanken und kam genau vor mir zum stehen. Erwartend schaute ich ihn an. "Zeig mir deinen 4fachen Flip. Bitte!", er verbeugte sich und wartete auf eine Antwort. Irritiert und verwundert sah ich ihn an. Er wurde gierig. Wollte mehr.
Lachend hob ich seinen Kopf und sah ihn an. "Was hast du vor? Katsuki Yuri?", er lächelte.
Ich trat aufs Eis und lief zwei komplette Runden um in fahrt zu kommen. Yuri stand in der Mitte und beobachtete mich genau. Es fühlte sich gut an, ein wenig vermisste ich es auf dem Eis zustehen. Die Konkurrenz im Nacken sitzen zu wissen, hungernd nach immer mehr und mehr Punkten. Ja es war etwas, was mich mein bisheriges Leben ständig begleitet hatte.
Ich vollzog eine komplexe Schrittfolge ehe ich Anlauf nahm und meinen 4fachen Flip sprang.. und stand.
Mit glänzenden Augen sah Yuri zu mir.
"Aber es bringt dir nicht viel wenn du ihn von mir siehst. Du solltest ihn erstmal beim Ballett üben, dann ist die Verletzungsgefahr nicht so groß. Bedenke das bitte immer.", ich kam vor ihm zum stehen und schaute ihn ernst an. Er verstand und nickte.
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Es vergingen einige Tage, geprägt vom harten Training, Schweiß, Erfolge und Rückschläge. Yuri stand den 4fachen Salchow immer häufiger. Den 4fachen Flip, sah ich ihn nicht mehr üben..
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Es war der Tag vor dem Cup of Russia. Nervosität stieg in mir auf. Endlich war ich zurück in meiner Heimat. Aber war sie das wirklich? Immer mehr fühlte ich mich bei Yuri und seiner Familie zu Haus. Russland, Yakov und auch Plisetsky waren immer mehr in den Hintergrund gerückt. Auch wenn ich mir bewusst war, dass Russland meine Heimat war, fühlte ich mich immer mehr mit Japan verbunden. Letzten Endes wegen Yuri.
Mein Schützling wurde stetig besser auf dem Eis. Er war vorher schon herausragend, doch seine jetzige Form war kaum zu überbieten. Egal ob er sein Kurzprogramm oder seine Freie Kür lief, jedes Mal überwältigte er mich. Zog mich vollkommen in seinen Bann und weckte in mir Begierde.
"Gut gemacht Yuri. Lassen wir es für heute gut sein", er hatte heute wirklich ein starkes Training. Deshalb hieß ich es für gut es dabei zu belassen bevor sich, durch Erschöpfung, Fehler einschlichen.
"Fühlst du dich bereit?", mein Blick analysierte Yuri haargenau. "Ja, auf jeden Fall. Ich hab eher Respekt vor der Tatsache, das dieser Wettkampf in Russland stattfinden wird. Sie werden skeptisch mir gegenüber sein, wütend sein, dass ich ihren Victor für mich beanspruche..", traurig schaute er in die Leere.
Chris' Worte hatten Yuri tatsächlich Angst eingejagt.
"Hey, nicht so trübsinnig. Dann ist das deine Chance Ihnen zu beweisen, warum ich mich für diesen Weg mit dir entschieden habe! Sie werden wenig von dir erwarten, dich unterschätzen. Das ist ideal!", ich zog Yuri dicht an mich heran, sah ihn tief in seine Augen und strich ihm seine Haare aus dem Gesicht. "Denk dran, du brauchst nur für mich laufen. Überzeugst du mich, überzeugst du sie. Versuch mich zufriedenzustellen Yuri.", ich war nah an seinem Ohr, hauchte die Worte mehr als ich sie sprach und hatte eine Hand an Yuri's Hüfte gelegt. Er schloss seine Augen, ein leicht roter Schimmer bildete sich auf seinen Wangen und seit atmen wirkte angestrengter.
Ich spürte, dass er in dieser Umgebung nicht wusste, wie er auf mich reagieren sollte, wenn ich so etwas tat.. abrupt löste ich mich von ihm und fuhr rückwärts die Halle entlang um dann einen 3fachen Axel zu springen.
Reiß dich zusammen Victor.
"Victor. Schön dich aufm dem Eis zu sehen", überrascht kam ich zum stehen. Gerade ihn wollte ich nicht hier haben, wenn Yuri in so einer mentalen schwachen Verfassung war.
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