Kapitel 10 Ansichtssache
Erstellt am: 09.07.2018
„Wie, du hast keine Zeit?", rief ich entsetzt. Yukine stand neben mir, in seinem Gesicht ein Fragezeichen. „Tut mir wirklich leid, Nami-chan, aber es ist etwas dazwischen gekommen." Hiyoris Stimme war entschuldigend.
Ich seufzte. „Schon gut.", sprach ich in mein Handy. „Geh ich halt allein mit Yukine einkaufen." Ich spürte wie mir flau im Magen wurde. Es war schon schlimm genug, dass Hiyori Yukine gestern noch schnell eingeladen hatte mit einkaufen zu kommen und er auch noch zugesagt hatte, und jetzt waren wir auch noch nur noch zu zweit! Wäre Yato doch nur mitgekommen ..., dachte ich verzweifelt. Doch Daikoku zwang ihn gerade in diesem Moment das Haus zu putzen und bei Daikoku gab es kein entkommen, also war Yato dazu verdammt den ganzen Tag die Hausarbeit zu tätigen. Hatte er ja auch eigentlich verdient dieser Faulpelz, seit Wochen drückte er sich schon vor der Arbeit.
„Es tut mir wirklich leid.", sagte Hiyori am anderen Ende der Leitung.
„Ach was,", winkte ich ab, „Halb so schlimm." Das war gelogen.
„Ich muss jetzt los, ich wünsche dir noch einen schönen Tag Nami-chan!"
„Ich dir auch.", erwiderte ich leicht verzweifelt. Dann legte ich auf.
„Was ist denn jetzt los?", meldete sich Yukine zu Wort. Er stand da wie immer, Hände in seinen Jackentaschen und ein eher desinteressierter Gesichtsausdruck.
Innerlich schrie ich vor Verzweiflung. Seid dem Reinigungsritual fühlte es sich immer komisch in seiner Nähe an. In meinem Bauch kribbelte es, wenn er mir in meine Augen sah. Ein verrücktes, aber auch zugleich so gutes Gefühl, so gut, dass es mir Angst machte.
„Hiyori hat gerade spontan abgesagt, ich muss wohl alleine einkaufen." Ich hoffte, dass er die Geste in meinen Worten verstand, die so viel bedeuteten wie: Bitte geh und lass mich alleine.
„Ich komme trotzdem mit.", beschloss er entschlossen. Na toll ... Ich blickte mich um. In diesem Teil der Stadt war ich noch nicht so oft gewesen. Hiyori hatte gesagt, hier wäre eine riesige Einkaufsmeile und damit hatte sie nicht gelogen. Eine kleine nur leicht befahrene Straße schlängelte sich an den verschiedensten Läden vorbei, dafür dass auf dieser nur wenig los war, waren auf den Bürgersteigen um so mehr Passanten. Ich konnte den meisten nur mit Mühe ausweichen. Manchmal war es wirklich schwer, wenn man für die meisten unsichtbar war. Ich sah mich genauer um und erkannte die vielen Ayakashi die hier mit den Leuten mitgingen. Kleine als auch große. Eine Katze miaute und machte einen Buckel in einer kleinen Gasse, da neben ihre gerade so ein Dämon erschienen war. Nur ein kleines Auge, dennoch gruselig.
Ich machte wenige Meter weiter das erste Kleidungsgeschäft aus. Mutig stürzte ich mich ins Getümmel und kämpfte mir meinen Weg voran, als plötzlich jemand meine Hand ergriff. Ich zuckte zusammen und blickte hinter mich. Es war Yukine.
„He, warte! In dem Menschenauflauf gehen wir doch verloren!" Ich war froh, dass er mein Gesicht nicht gut erkennen konnte, denn es war rot angelaufen. Sein Griff um meine Hand verstärkte sich und erneut war da dieses Kribbeln. Lästig und schön zugleich.
Bald hatten wir die erste Boutique erreicht. Ich sah mich staunend um.
„Wow, so viel Kleidung!", gab ich verblüfft und freudig von mir. So vieles das ich anprobieren konnte! Entzückt blickte ich mich um, während Yukine sich an eine Wand lehnte und mir gelangweilt zu sah. Ich spürte seine Blicke in meinem Rücken, es war unangenehm. Warum war er nur mitgekommen, wenn er doch so offensichtlich viel Langeweile dabei hatte?
Die Verkäuferin an der Kasse blickte mich komisch an. Ich war verwirrt, dass sie 'mich' ansah, dann bemerkte ich den Ayakashi hinter ihr. Ich zuckte zurück. Arme Frau. Doch Yukine und ich konnten im Laden nicht einfach einen Kampf gegen eines dieser Viecher austragen. Komisch, diese Frau blickte so fröhlich nach außen hin, aber in ihrem inneren war ihre Seele am verderben. Es schauderte mich. Ich nahm mir ein paar Kleidungsstücke die mir gefielen und probierte sie in der Umkleide an. Als ich mich umzog, betrachtete ich mich kritisch im Spiegel. Selbstzweifel gehörten im Teenager alter nun mal dazu. Meine Haut war blass und das Braun meiner Haare matt. Sie neigten dazu sich immer zu zerzausen, was mich tierisch nervte. Mit zwei kleinen rosa Haarspange, die Hiyori mir geschenkt hatte, hielt ich ein Teil meiner Haare die mir sonst ins Gesicht fielen zurück. Ich sah in meine eigenen großen braunen Augen, sie wirkten leer und teilnahmslos. Ich seufzte einmal und betrachtete weiter meinen Körper. Unförmig und unfertig, so würde er für immer bleiben. Deprimiert zog ich mir den Schwarzen Kapuzenpullover an, den ich mir ausgesucht hatte. Er saß eher eng und war dennoch gemütlich und praktisch. Dazu noch die Knöchellange helle Jeans. Ich wollte nicht auffallen, ich wollte es einfach nur praktisch. Also perfekt. Einkaufen war gar nicht so spannend wie ich es mir vorgestellt hatte. Monoton zog ich mich wieder um und bemerkte dann erst den Preis der Sachen. Meine Augen weiteten sich ... „Ach du ...", murmelte ich geschockt.
„Ähm Nami?", meldete sich Yukine zu Wort. Ich erstarrte in der Umkleide. „Was ist?", fragte ich vorsichtig.
„Dir ist schon klar, dass wir in einem verdammt teuren Laden sind oder? Kannst du dir das überhaupt leisten?"
Ich sank zu Boden. „Nein.", antwortete ich beschämt.
··· ☾ ···
Genervt und demotiviert kickte ich einen Stein vom Gehweg auf die Straße. Grundsätzlich gegen einkaufen hatte ich nichts, aber da wusste ich auch nicht, dass Namine bis spät Abends noch hier herumtrödeln wollte. Die passenden Sachen hatte sie nachher auch in der richtigen Preisklasse gefunden. Zum Schluss wurde es ein schwarzer, eher enganliegender modern geschnittener Mantel und eine einfache Jeans. Den Mantel, hatte sie sich sofort nachdem sie sich ihn gekauft hatte angezogen, verständlich bei der Kälte.
Eigentlich dachte ich, dass wir danach wieder nachhause gehen konnten, aber Nami war so von all den Geschäften fasziniert, dass wir bis spät Abends noch durch die Straßen schlenderten. Viele Worte wechselten wir aber nicht, dennoch konnte ich teils nicht aufhören sie anzusehen. Was war das nur für ein Gefühl, dass mich überkam wenn sie in meine Nähe trat? So ein warmes und unbändiges Feuer loderte dann in mir.
Ein beschäftigt aussehender Mann im Anzug rempelte Nami ausversehen an.
„Oh entschuldi-", der Mann schien wie durch Nami hindurch zu sehen. Sein Gesichtsausdruck wechselte von entschuldigend, zu verwirrt, er zog einmal fragend die Augenbraue hoch, dann faste er sich wieder und ging weiter seines Weges. So schnell konnte jemand uns vergessen. Von einer auf die andere Sekunde, mal wieder wurde mir dies schmerzlich bewusst. Wir würden niemals mit den Menschen Kontakt aufnehmen können, nicht ohne dass sie uns danach sofort wieder vergaßen. Ein trauriges Schicksal, wenn man so darüber nachdachte. Ich blickte zu Nami die sich nicht beirren ließ und munter fort ging.
Dann drehte sie sich zu mir, da ich einfach stehen geblieben war. Sie sah nach mir und lächelte mich an. Ein echtes Lächeln. Ein wunderschönes, sorgenloses Lächeln.
„Hey, Yukine wo bleibst du denn?", fragte sie glücklich.
Ich sah sie weiterhin fasziniert an. Sie blickte mir direkt in meine Augen, Braun traf auf Orange.
„Macht es dir nichts aus, dass du für die Menschen unsichtbar bist?", fragte ich sie gerade heraus.
Sie blickte kurz verwirrt, dann dachte sie nach.
„Naja, ich sehe dass ganze so: Eigentlich wäre ich tot und würde darauf warten von einem Ayakashi verschlungen zu werden, wenn nicht der Gott wäre, der mich davor gerettet hat, der mir ein zweites Leben geschenkt hat. Auch wenn ich Katana hasse, danke ich ihr dennoch für diese eine Tatsache: Dass sie mich wieder lebendig gemacht hat. Mehr oder weniger.", sie grinste mich an, „Ich finde es schön, dass man mir eine zweite Chance gegeben hat zu leben, da kann ich mit der Nebenwirkung, dass mich Menschen schnell vergessen gut klar kommen. So lange es solche wie dich gibt, die mich nicht vergessen werden und sich erinnern."
Ich starrte sie nur sprachlos an. Nami hatte eine völlig andere Sicht auf die Dinge, sie war so selbstlos, sie dankte den anderen dafür, dass sie leben durfte. Und was tat ich stattdessen? Beschwerte mich, dass niemand mich wahr nahm und stach meinen Gott, der es mir doch ermöglicht hatte jetzt hier stehen zu dürfen. Ich war selbstsüchtig. Unglaublich selbstsüchtig sogar.
Ich sah wie Nami mich immer noch anblickte. Ich fühlte mich unwohl so von ihr angestarrt zu werden, dennoch spürte ich wie mein Herz vor Aufregung schneller schlug.
„Was ist?", fragte ich sie und versuchte belanglos zu klingen.
Sie starrte mich weiterhin an, ich wich ihren Blicken nicht aus.
„Deine Augen sehen wunderschön aus.", bemerkte sie faszinierend. Ihr Worte trieben die Röte in meine Wangen, gleichzeitig erinnerte ich mich daran zurück, dass Nora dies auch schon mal erwähnt hatte.
Bedrückt starrte ich zu Boden.
„Ich weiß, sie haben die Farbe von Früchten eines Hagedorns." Leere, unnütze Früchte ... ergänzte ich im Kopf, doch Nami schüttelte den Kopf.
„Für mich haben sie die Farbe der aufgehenden Sonne und ich liebe den Sonnenaufgang.", erwiderte sie.
Das kribbeln wurde stärker, es schnürte mir die Kehle zu. Ich spürte den Drang, in ihrer Nähe sein zu wollen.
„Nami, ich ...", presste ich hervor. Wieso sagte sie so etwas? War das hier ein Spiel für sie? In ihrer Mimik fand ich keine Belustigung.
„Hab ich euch endlich gefunden!", schrie eine mir nur all zu bekannte Stimme. Nami und ich drehten uns fast synchron zur Seite, wo unser Gott auf uns zugerast kam, hinter ihm eine Horde Ayakashi.
„Yato was hast du jetzt wieder angestellt?", fragte ich entsetzt, doch statt einer Antwort rief er nur gehetzt: „Sekki!", ich gehorchte und verwandelte mich zu den zwei Schwertern.
„Die Ayakashi sind heute besonders mies gelaunt.", knurrte Yato. Er stellte sich mit mir in beiden Händen den Ayakashi gegenüber. „Gut, dass ich dich gefunden habe, während ich hier um mein Leben renne, hast du nichts besseres Zutun als zu flirten!" Ich lief rot an. „Halt den Mund!", rief ich diesem Trottel zu, in dem Moment durchschnitt ich den ersten Ayakashi.
··· ☾ ···
„Iiiks", schrie ich. Direkt neben mir war ein Ayakashi aufgetaucht. „Grenzlinie!", schrie ich laut und zitterte dabei. Sie war dieses mal viel stärker, der Ayakashi, der aussah wie ein großer Hirsch, ergriff schnell das weite. Ich grinste stolz. Sie war schon fast so mächtig wie Yukines. Ich blickte zu Yato der mich verwundert ansah. Hinter ihm baute sich gerade erneut ein verdorbene Seele auf. „Achtung!", rief ich um zu und genau im richtigen Moment drehte er sich wieder um und die zwei Klingen durchbohrten den Ayakashi. Wahnsinn! Yukine war so unglaublich stark!
Der Ayakashi wich dem hellen Licht, es sah wunderschön aus. Yato widmete sich gleich dem nächsten. Ich wollte nicht einfach nur so am Rande stehen, ich wollte helfen, also rannte ich zu Yato und Yukine.
„Yato, ruf mich bitte bei meinem Namen, vielleicht kann ich nützlich sein!", forderte ich ihn auf. Er sah mich wieder an und nickte. Zum ersten mal würde er mich rufen. Was war ich wohl für ein göttliches Instrument? Konnte ich von nutzen sein? Oder war ich nur sinnlos? Kämpfen konnte ich ohnehin nicht gut.
„Kiki!" Ich spürte wie das Zeichen auf meinem Schulterblatt zu leuchten begann, das Gefühl war mir so bekannt und trotzdem völlig neu.
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Vielen Dank für's lesen ♥️
1868 Wörter
Meinung ?🤗
Fortsetzung folgt ...😘
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