Kapitel 26

Clarke und Bellamy setzten sich wieder zu Octavia, und nachdem mir jemand etwas zu trinken gegeben hatte, begab ich mich ebenfalls zum Feuer.
»Jasper lächelt tatsächlich mal«, merkte Bellamy an und wandte seinen Blick von dem Jungen ab.
Ich lugte an ihm vorbei. Jasper sprach mit dem Mädchen, welches zuvor die Geschichte erzählt hatte, und lächelte wirklich dabei. Clarke erwiderte nichts, sondern sah zu Luna, die mit ihrem Freund in einer Ecke saß.
»Clarke, lass es gut sein«, riet Bellamy sie davon ab.
»Wir können nicht einfach gehen.«
»Wir haben nicht wirklich eine Wahl«, murmelte Octavia.
»Vielleicht haben wir die doch.«
»Wovon redest du?«, wollte Bellamy wissen.
»Ich rede davon, ihr das Ding in den Kopf zu pflanzen, ohne sie zu fragen.«
Entgeistert sah ich Clarke an. »Bist du vollkommen verrückt geworden?«
»Auf keinen Fall, Clarke«, stand Octavia mir bei. »Das hier ist nicht wie bei Emerson. Er hat versucht uns umzubringen.«
»Glaubst du, das weiß ich nicht?«
»Clarke, wir müssen das nicht machen«, meinte Bellamy. »Wir können kämpfen und zurück nach Arkadia gehen. Wir rüsten auf.«
»Kämpfen gegen wen?«, hackte Clarke ernst nach. »Die Armee besteht aus unseren eigenen Leuten.«
»Und was sollte deiner Meinung nach Luna dagegen tun?«, verlangte ich zu wissen. »Du pflanzt ihr nur einen Chip ein. Als Lexa den hatte, wurden unsere Freunde auch zu unnachgiebigen Untergebenen von A.L.I.E. 1. Es ändert nichts!«
»Das gefällt mir genauso wenig wie euch«, sagte Clarke und sah uns nacheinander tief in die Augen. »Aber wenn Raven recht hat und der Code auf diesem Ding A.L.I.E. aufhalten kann ... Rose, ich kann dich verstehen, doch gibt es immer noch eine Idee. Macht einen besseren Vorschlag.«
Bellamy nickte langsam. »Wir bleiben hier. Das ist die einzige Chance, dass sie dich alleine mit ihr lassen.«
Clarke wollte sich erheben, doch Octavia beugte sich vor. »Sogar A.L.I.E. lässt den Menschen eine Wahl.«
»Wir haben Luna eine Wahl gelassen«, meinte Bellamy. »Sie hat abgelehnt.«
»Und das heißt in der Regel, dass sie das Ding nicht will!«, zischte ich sauer.
Clarke achtete nicht auf mich, sondern ging einfach.
»Ich will da nicht mit reingezogen werden.« Ich wandte meinen Blick ab und beobachtete stattdessen Jasper, der weiterhin glücklich mit dem Mädchen sprach.

Spät in der Nacht wurden wir zum Container geführt - eskortiert von Wachen -, denn Clarke hatte versagt.
»Wo ist Jasper?«, fragte Bellamy.
»Verabschiedet sich von seiner neuen Freundin«, erklärte Clarke.
Die Tore des Kastens wurden geöffnet, laut und rumpelnd.
»Tut mir leid, Captain. Du musst sie zurückbringen«, meinte Luna ernst. »Eure Ausrüstung.«
Die Grounderin schmiss unsere Sachen lieblos hinein. »Ihr bekommt die Waffen, wenn ihr an Land seid.«
»Rein da«, befahl jemand und die Männer schubsten Clarke, Octavia und Bellamy in den Container.
»Was ist mit mir?« Verwundert zog ich eine Augenbraue hoch.
»Du bleibst vorerst hier.« Luna nickte und ein Grounder zog mich grob am Arm zurück. »Wir müssen reden.«
»Rose ...?« Unsicher sah Octavia mich an.
»Es ist okay. Ich komm' nach.«
»Die Flamme?«, fragte Clarke.
»Erinner' dich daran, Clarke. Der Pfad der Gewalt ist eine Wahl.« Luna hielt den Chip hoch.
»Wenn die Wahl zwischen Kämpfen und Sterben liegt, gibt es keine Wahl«, erwiderte Clarke.
Die gibt es immer, schoss es mir durch den Kopf. Eine Wahl.
Ich blickte zu Bellamy, der mich besorgt musterte. Er hatte Angst um mich.
Plötzlich wurde Luna von den Beinen gerissen und Clarke in den Container gestoßen. Grob zog man Luna, mich und einige andere davon, während wir uns heftig wehrten.
»Nimm deine Pfoten von mir«, knurrte ich.
Meine Freunde schlugen verzweifelt gegen die Blechwand, doch konnte ich mich nicht aus dem starken Griff meines Wächters befreien.
»Luna?« Verzweifelt sah ich sie an. »Was ist hier los?«
»Shof yu op!«, bellte jemand und man hielt mir den Mund zu.
Lunas Gesicht wurde mit einem Sack verdeckt und meines ebenfalls. Ich merkte, wie mich jemand über seine Schulter warf und so wurde ich umher getragen.
»Shay, lauf!«, vernahm ich Jaspers Stimme.
Kurz danach hörte ich Schreie und irgendjemand wurde, laut dem Sirren eines Bolzens, zu Boden geschossen.
»Nein!«, rief Jasper.
Ich schrie und zappelte umher, danach hörte ich einen Körper zu Boden fallen. Mein Wächter zischte irgendetwas und trug mich weiter davon. Plötzlich hielten wir und abrupt wurde mir der Sack von meinem Kopf gerissen. Grob fesselte man meine Hände und brachte sie über meinem Kopf an einem Harken an. Jasper wurde ebenfalls so angekettet, und verzweifelt blickte ich zu ihm - sofern es mir möglich war, den Kopf zu wenden.
Auch Luna wurde der Sack hinunter gezogen. Man schmiss sie auf eine Bank, drückte sie darauf, damit sie nicht fliehen konnte.
»Lasst sie in Ruhe!«, rief Lunas Freund. »Was tut ihr?«
Einer der Männer, der A.L.I.E. untergeben war, griff aus einer Wanne einen nassen Lappen und schöpfte Wasser in einen Eimer.
»Derrick«, wimmerte Luna.
»Warum tut ihr das?«, fragte Derrick, Lunas Freund, wieder.
»Ich werde dich töten«, fauchte Luna ihren ehemaligen Gefolgsmann an.
Da wurde der Lappen auf ihr Gesicht gelegt und das Wasser darüber geschüttet. Die Grounderin wehrte sich, doch hielt man sie fest. Gurgelnde und nach Luft schnappende Geräusche erklangen aus Lunas Kehle, und ich zerrte an meinen Fesseln.
»Lasst sie! Hod op!«, schrie ich.
»Aufhören!«, befahl Derrick, doch niemand hörte auf ihn sowie auf mich.
Man ließ von Luna ab und der Captain hielt ihr einen Chip entgegen.
»Nimm den Schlüssel und das wird aufhören.«
»Was ist mit dir geschehen?«, wollte die Frau von ihm wissen.
»Er ist nicht derselbe«, antwortete Jasper, und alle wandte sich zu ihm um. »Es ist der Chip in seiner Hand.«
Der Mann vor Jasper hob plötzlich den Arm und wollte ihm einen Chip gewaltsam zwischen die Zähne schieben. Er hielt dagegen stand und wurde dafür geschlagen.
Ein weiteres Mal legte man das Tuch auf Lunas Gesicht und die Tortur begann von Neuem.
»Ich kann das nicht ertragen«, sagte Derrick nach einer Weile. »Wenn du aufhörst, werd' ich es tun. Ich werde es tun.«
Der Captain verharrte und schritt langsam zu ihm herüber. Er hielt ihm den Chip hin und Derrick schluckte ihn noch, bevor ich »Nein« sagen konnte.
»Wir sind verloren«, flüsterte ich und sah zu Jasper.
»Nein«, antwortete er genauso leise. »Man wird uns retten.«
Derricks Fesseln wurden ihm abgenommen und er nahm das Tuch von Lunas Gesicht. Er zog sie hoch und wischte ihr die Haare aus dem Gesicht.
»Du musst nur den Schlüssel schlucken«, sagte er.
Grob schmiss er sie in die Wanne und tauchte ihren Kopf unter. Sie versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, doch war dieser zu stark. Luftblasen stiegen auf. Ihr Atem wurde knapp. Bevor sie bewusstlos werden konnte oder sogar starb, wurde sie an den Haaren hochgezogen. Immer und immer wieder wiederholte er dies, bis plötzlich die Tür aufgerissen und ein kleines Mädchen hineingeführt wurde.
»Nein, nein«, stammelte Luna völlig außer Atem.
»Nimm ihn -«, sagte Derrick, »- und dem Kind wird es gut gehen.«
»Nein.«
»Schlitzt das Kind auf und sie wird sich ergeben«, befahl Lunas Freund.
»Luna?«, fragte das Mädchen.
»Nein«, antwortete Luna wieder. Da biss sie Derrick in den Arm. Er taumelte zurück, und die Frau nutzte die Chance und entriss ihm seinen Dolch. Sie schleuderte ihn nach hinten, tötete somit den Mann neben dem Mädchen und kämpfte gegen die anderen. Nach und nach fielen sie, bis nur noch Derrick auf den Beinen stand. Er stand ihr gegenüber und Luna hielt die Hände schützend vor sich.
»Derrick, das bist nicht du«, sagte sie. »Bitte, Derrick, nicht.«
Der Mann griff jedoch an. Die Frau wehrte alle Attacken ab, und ehe ich mich versah, sank Derrick zu Boden, den Dolch in der Brust. Langsam führte Luna ihn hinunter. Sie hielt den Sterbenden weinend im Arm - es war ein grauenvolles Bild. Wegen A.L.I.E. musste das Nachtblut ihren Freund töten. Eines der schlimmste Dinge, die geschehen konnten.
»O, sei vorsichtig«, vernahm ich plötzlich Bellamys Stimme. Die Tür war ein weiteres Mal aufgerissen worden, Clarke, Octavia und Bellamy hatten den Raum betreten. Der Mann rannte sofort zu dem Mädchen und hielt es fest. »Bist du in Ordnung?«, fragte er. »Ich hab' dich.«
»Es geht mir gut. Sie konnten mich nicht brechen«, sagte Jasper neben mir, als Octavia ihn von seinen Fesseln befreite.
Bellamy kam zu mir und löste ebenfalls die Seile von meinen Handgelenken. Ich schwankte nach vorn und fiel ihm in die Arme, da diese Position zuvor zu ungewohnt für mich gewesen war.
»Geht es dir gut?«, fragte er mich.
»Ja ...«
Ich löste mich von ihm und lief zu Luna, die weiterhin den nun toten Derrick im Arm hielt. Ich kniete mich neben sie und schloss seine Augen.
»Yu gonplei ste odon. Oso gonplei nou ste odon kos oso gonplei don jos stat au«, flüsterte ich.
Mit tränenden Augen sah mich die Frau an. Sie erwiderte nichts, doch ihr Blick zeigte, dass sie nicht so dachte.
Luna legte sich ein rotes langes Tuch um den Hals, reinigte ihre Hände mit Wasser und küsste sie schließlich - das Ritual war beendet.
»Jeder von ihnen könnte einen Chip haben – und sie würden es nicht mal wissen«, meinte Bellamy neben mir.
»Wenn sie einen haben, werden sie ihren Zug machen, bevor wir die Flamme in Luna einsetzen können«, sagte Clarke. »Bleibt wachsam.«
Luna kam auf uns zugelaufen, einen Becher in der rechten Hand haltend.
»Hat sie ihre Meinung geändert?«, fragte Jasper.
»Ruhe«, befahl Clarke.
Luna nickte einer Grounderin mit Getränken zu und diese hielt uns das Tablett entgegen. Wir nahmen uns jeweils einen Becher und sahen dann wieder zu Luna.
»Die Zeremonie geht jetzt gleich los«, erklärte die Frau.
»Luna, warte«, hielt Clarke sie vom Gehen auf. »Es tut mir so leid. Doch jetzt siehst du, wem wir uns stellen. Ein Feind, der alles tun wird, um zu gewinnen. Sie wird nicht aufhören, bis sie jeden hat.«
Lange sah Luna sie an, dann hielt sie die Flamme hoch. »Leute, die ich liebte, sind heute gestorben. Sinnlos. An meiner Seite. Ich kann das nicht noch einmal geschehen lassen.« Sie wandte sich um und hielt den Chip hoch, so dass alle in diesem Raum ihr die Aufmerksamkeit schenkten. Sie erhoben sich und sahen sie gespannt an. »Wie wir uns darauf vorbereiten, unsere Brüder und Schwestern dem Meer zu überlassen, ehren wir ihr Leben.« Sie reckte ihren Becher hoch. »Kom woda 'so gyon op, gon woda 'so kom daun.«
»Kom woda 'so gyon op, gon woda 'so kom daun«, sagten die anderen im Chor und danach tranken wir alle aus unseren Bechern.
»Wenn wir das machen wollen, müssen wir uns beeilen«, meinte Clarke, als Luna sich wieder an uns gewandt hatte. »A.L.I.E. wird Verstärkung schicken. Und wir müssen einen ruhigen Ort finden, um die Erhebung durchzuziehen.«
»Du glaubst, dass man, um einen Feind zu besiegen, der vor nichts zurückschreckt, man auch vor nichts zurückschrecken darf. Wie sehr unterscheidet sich das von »Blut verlangt nach Blut«?«
»Warte einen Moment, Luna«, mischte Octavia sich ein. »Du kannst nicht einfach ...«
Plötzlich schwankte das Mädchen, ließ ihren Becher fallen und wurde ohnmächtig - und auch ich und meine anderen Freunde stürzten kurz danach ohne Bewusstsein zu Boden.
Ich spürte nassen Sand an meiner Haut und unter meiner Kleidung. Als ich die Augen öffnete, sah ich Wald und Meer und erschrocken sprang ich auf. Bellamy stand bereits auf beiden Beinen und kurz nach mir erwachten auch Clarke, Jasper und Octavia. Wir ergriffen unsere Waffen und stellten uns nebeneinander, den Blick auf das Meer gerichtet.
»Was jetzt?«, fragte Bellamy.
Clarke sah uns an, erwiderte nichts und blickte schweigend wieder nach vorn.

1909 Wörter

Ein wirklich langes Kapitel. Ich kann Luna verstehen, dass sie die Flamme nicht angenommen hat.
Clarke übertreibt es auch ein wenig ^^ Ich verstehe nicht, warum sie nicht einen anderen Weg sucht :0

Oso gonplei nou ste odon kos oso gonplei don jos stat au - Unser Kampf ist nicht vorbei, denn er hat gerade begonnen.

Kom woda 'so gyon op, gon woda 'so kom daun - Aus Wasser geboren, zum Wasser kehren wir zurück.

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