Kapitel 1
»Clarke! Clarke!« Octavia rannte über den Hof zu dem blonden Mädchen hinüber. »Clarke, Bellamy will den Grounder foltern.«
»Wenn er Informationen bringt«, gab Clarke, die am Boden hockte und Vorräte sortierte, emotionslos zurück.
»Wie kannst du so was nur sagen? Lincoln hat uns auch geholfen. Er war auf unserer Seite.«
»Er hat uns nicht vor Anya gewarnt. Wahrscheinlich wusste er sogar von dem Hinterhalt.«
»Hättest du nicht die anderen geholt, hätte wir uns einigen können«, entgegnete Octavia.
»Wo ist Bellamy mit dem Grounder, Octavia?« Finn rannte den beiden entgegen.
»Komm mit.« Zusammen gingen sie ins Schiff. Finn erklomm die Leiter und drückte die Luke auf, die sich mittlerweile wieder öffnen ließ.
»Was wollt ihr hier?«, gab Bellamy entnervt zurück. Er hatte sein Messer gezückt und blickte seine Schwester und den Jungen wütend an.
»Wir wollen nur sichergehen, dass du dem Grounder nichts tust«, meinte Finn ruhig.
»Jag' ihm meinetwegen dein Messer in die Brust.« Clarke kam auf diese Etage, gefolgt von Jasper und Raven.
Sie vernahmen ein Stöhnen - der Grounder erwachte. Bellamy trat einen Schritt vor und riss ihm die Maske ab. Vor Schreck ließ er sie fallen und wich zurück.
»Das ist ein Mädchen«, bemerkte Jasper erstaunt.
Octavia sah in die dunkelbraunen Augen des Grounders. Er hatte dunkelbraune Haare und eine dunklere Haut - nicht sehr, nur ein wenig; wie von der Sonne gebräunt. »Kennen wir uns?«
Die Grounderin hob den Kopf und blickte schwach in die Runde. Erst jetzt schien sie die Lage zu realisieren und riss an ihren Fesseln.
»Ey, eine Bewegung und du hast Schmerzen«, drohte Bellamy und zückte sein Messer. Augenblicklich hörte das Mädchen auf und gab knurrende Geräusche von sich.
»Bellamy ...« Octavia sah ihren Bruder warnend an.
»Wir stellen dir jetzt ein paar Fragen.« Clarke trat einige Schritte nach vorn. »Was haben die Grounder vor?«
Die Grounderin schüttelte heftig den Kopf und zappelte herum. In diesem Moment sprang Bellamy vor und stach ihr in die Handfläche. Auch wenn es nicht tief war, schrie das Mädchen auf.
»Du tust ihr weh!«, rief Finn.
»Ich sagte doch: Eine Bewegung und du hast Schmerzen.« Verachtend blickte der schwarzhaarige Junge auf den Grounder und spie auf seine Schuhe. »Etwas Besseres habt ihr nicht verdient.«
»Bellamy, hör auf!«
»Halt den Mund, Octavia, oder verschwinde!«
»O-Octavia?« Die Stimme des Mädchens klang schwach und brüchig.
»Ja, ja.« Octavia lief aufgeregt einige Schritte auf das Mädchen zu. »Wir kennen uns, oder?« Zu ihrer Überraschung schüttelte der Grounder den Kopf. Sie antwortete nur: "Lincoln ..."
»Du kennst ihn? Du kennst Lincoln?« Octavia begann zu lächeln, als sie nickte.
»Er ist ... mein ... Bruder ...«
Bellamy wurde bleich und starrte die anderen entsetzt an. Octavia rannte sofort los, um die Fesseln zu lösen. »Gib mir dein Messer, Bellamy.« Als er sich nicht rührte, riss seine Schwester es ihm aus der Hand und durchtrennte die Fesseln am Fuß und dann an den Händen. Erschöpft fiel ihr das Mädchen entgegen und Octavia fing sie auf. »Clarke, bitte, du musst ihr helfen. Bitte!«
Erst zögerte das blonde Mädchen, doch dann ging es zu Octavia. »Finn, Jasper, könntet ihr mir bitte helfen, sie nach unten zu bringen?« Die beiden Jungen nickten und halfen Clarke, ohne zu widersprechen.
»Sie ist wach«, sagte Finn und reichte Clarke den Becher Wasser.
Das Groundermädchen sah die beiden an und blinzelte leicht.
»Hier, trink.« Clarke hielt ihm den Becher an die Lippen und stützte mit der anderen Hand seinen Rücken. Vorsichtig trank das Mädchen.
»Wie heißt du?", fragte Clarke.
Es antwortete nicht, sondern blickte sie nur stumm an.
Octavia kam ins Schiff gerannt. »Hat sie schon etwas gesagt?«
»Nein.« Finn sah kurz zu Bellamys Schwester.
»Könnt ihr mich vielleicht mit ihr alleine lassen?«
Die beiden nickten und verschwanden.
»Hey, ich bin Octavia, aber das weißt du ja bereits.«
Das Groundermädchen setzte sich auf die Kante der Liege. »Ich bin Rosana. Du kannst mich Rose nennen.«
»Hat ... Lincoln dich ...«
»Hier.« Rose griff in ihre Hosentasche und holte etwas hervor. Sie trug keine Felle mehr - die hatte Clarke ihr ausgezogen -, sondern eine Stoffhose und ein dunkles Top, welches sie darunter getragen hatte. Um ihrer rechten Hand, an der Bellamy sie verletzt hatte, war ein Verband angelegt.
»Oh ...« Octavia nahm Rose die Kette ab und setzte sich neben sie auf die Liege. Der Anhänger war ein Schmetterling aus Holz. »Danke ... Tut mir leid, dass Bellamy dich -«
»Hat er meinen Bruder verletzt?«, unterbrach Rose sie.
»Ja, es tut mir leid ...«
»Nicht so wild.« Sie winkte ab. »Er hat's verdient.«
»Du und Lincoln, ihr seid nicht so, oder?« Octavia sah ihr in die Augen.
»Mal mehr, mal weniger.«
»Und warum hat er dir dann die Kette gegeben?«
»Weil er irgendwas zu regeln hat.«
Octavia nickte langsam und starrte auf den Anhänger, dann sah sie wieder auf. »Wollen wir rausgehen?«
»Kannst du mir garantieren, dass ich überleben werde?« Rose grinste.
»Nein, aber sie hören auf Bellamy«, antwortete Octavia ebenfalls grinsend und erhob sich.
»Das heißt also, ich werde nicht überleben.«
Lachend gingen die beiden Mädchen nach draußen. Sofort kam ihnen Bellamy entgegen und stellten sich ihnen mit verschränkten Armen in den Weg. »Wo will sie hin?«
»Ich zeig' ihr unser Lager«, meinte Octavia.
»Damit sie uns auskundschaften kann?«
»Du übertreibst, Bell. Ich bezweifle, dass sie dafür gekommen ist.« Octavia zog das Mädchen mit sich und ging mit ihr zum Lagerfeuer. Die Leute, die dort saßen, sahen auf und verschwanden hastig.
»Okay, sie hassen mich. Aber, hey, ich bin ja auch ein Grounder.«
»Komm, setz dich.« Octavia zerrte Rose auf den Baumstamm.
»Wir sind alle Menschen und jeder will eines: überleben«, meinte das Mädchen.
Octavia nickte.
»Na, Grounderschlampe. Hast du dir schon wieder neue Freunde gesucht?« Harley kam auf die beiden zugelaufen. Er hatte seinen Speer gezückt und deutete auf Rose.
»Hast du gerade meine Schwester beleidigt?« Bellamy sprang von der Seite herbei und stieß den Jungen grob zu Boden. »Noch ein Wort und ich schneide dir deine hässliche Zunge heraus!«
»Was sind das denn bitte für Waffen?«, fragte Rose und hob den Speer von Harley, der bei seinem Sturz zu Boden gefallen war, auf. Sie erhob sich und sah Bellamy an. »Die brechen bei dem ersten Schlag auseinander!«
»Halt dich da raus, Grounder!" Wütend funkelte Bellamy sie an.
»Bellamy, hör auf!«, brüllte Octavia sauer und stand eilig auf.
»Sie ist ein Grounder. Man sollte sie einsperren!«
Viele der Jugendlichen um sie herum stimmten ein.
»Sie wird uns helfen. Warum sollte sie sonst hier sein?«
»Octavia, lass gut sein.« Rose berührte sie sanft an der Schulter. »Ich kann euch verstehen. Ich werde gehen, dann habt ihr wenigstens wieder Ruhe.«
»Vergiss es!« Bellamy hielt sie am Handgelenk fest. »Das ist das Letzte, was wir tun werden - dich gehen lassen. Jasper, gib mir ein Seil.«
»Bellamy, was tust du?« Unsicher sah Octavia ihren Bruder an.
»Jasper, gib mir ein Seil!«
Jasper tat ihm den Gefallen und reichte ihm eins. Bellamy ergiff es, drückte Roses Hände zusammen und fesselte ihre Handgelenke. Er zurrte den Knoten fest zu, so dass Rose leicht zusammenzuckte.
»Sie wird mit uns mitkommen, wenn wir das Exidoship besichtigen.«
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