JUBLALI Umzug

Pov. Ju

"Irgendwie komisch...", murmele ich, während ich mit den Fingerspitzen über den Türrahmen streiche.
Annika sieht mich verwirrt an. Sie steht mit verschränkten Armen neben mir, offensichtlich erleichtert, dass so gut wie alle Vorbereitungen abgeschlossen sind.

"Was meinst du?" Ich drehe mich zu ihr und lächele, vielleicht etwas zu auffällig traurig.
"Das alles hinter sich zu lassen", sage ich schließlich. Das alles... Nicht nur die alte Wohnung, mit der ich so viele Erinnerungen verbinde... auch all die Menschen, die Freunde, die ich verlasse.
Ihn verlasse, Vik.

"Ja, aber auf jedes Ende folgt ein neuer Anfang, sagst du doch selbst oder?", meint sie und drückt mir mitfühlend die Schulter.
Ich nicke, mein Nacken fühlt sich unangenehm verspannt an.

"Komm schon, heute Abend solltest du nicht traurig sein, hab n bisschen Spaß, vergiss einfach mal all deine Sorgen", fügt sie noch aufmunternd hinzu und ich ringe mir ein Grinsen ab.

Wie soll ich meine größte Sorge, dass ich Vik wahrscheinlich kaum noch sehen werde, vergessen, wenn er auch da sein wird?

-3h später-

Pov. Vik

Eher wenig begeistert folge ich Toni und Nia in den Fahrstuhl.
Die kleine Kabine ist schon relativ voll, weswegen wir eng aneinander gequetscht werden, als sich die Metalltüren vor uns schließen und hinzu kommt die viel zu laute Musik, die ich schon bis hierher hören kann.

Aber das kann ja egal sein, schließlich sieht Ju seine Nachbarn eh nie wieder...
Mich nie wieder.

"Alles okay?", dringt Tonis Stimme an mein Ohr und ich nicke leicht.
Natürlich.
Es juckt mich überhaupt nicht, dass der Typ, auf den ich seit gefühlten Ewigkeiten heimlich stehe, den ich vielleicht sogar liebe, wegzieht.
Alles super.

Endlich öffnet sich die Tür wieder und ich verlasse den engen Raum, um mich in einem, nicht weniger überfüllten Flur wieder zu finden.

Menschen mit Plastikbechern und Gläsern drängen sich aneinander vorbei, bewegen sich zum Dröhnen der Bässe, oder unterhalten sich wild gestikulierend.
Eigentlich mein Paradies, denn ich müsste lügen, würde ich behaupten, ich hasse Partys.

Heute kommt es mir allerdings wie einer der schrecklichsten Orte vor, die ich je gesehen habe.

Erinnerungen flammen auf.
Wie Ju mich vor der offenen Tür zum Abschied umarmt hat.
Wie wir lachend die Wohnung betreten, wenn wir zusammen Videos gedreht haben.
Das ist mit dem heutigen Abend für immer vorbei.

"Ey, jetzt sei nicht so depressiv", schmollt Toni und nimmt motiviert meinen Arm.
"Was auch immer dich bedrückt, blend es einmal aus, ich hol uns was zu trinken."

Und schon zieht er mich durch die Menschen in die volle Wohnung.
Immer wieder erwische ich mich dabei, wie ich in der Menge nach Ju Ausschau halte, ihn aber nirgends entdecken kann.
Besser so.

Toni dreht sich grinsend zu mir um und drückt mir einen Becher in die Hand, den er irgendwo her gezaubert hat.
"Und jetzt amüsier dich mal, ich geh wieder zu Nia", er wackelt mich den Augenbrauen und bahnt sich einen Weg zurück zum Flur.

Müde dränge ich mich zum Sofa durch, wo ich mich seufzend fallen lasse und das Treiben beobachte, während ich meinen Drink leere.
Wo zum Teufel ist Ju nur hin?

Pov. Ju

"Lass mich", fahre ich Rob an, der beschwichtigend die Hände hebt und mich verzweifelt an sieht.

"Ich will dir doch nur helfen man", meint er und ich verdrehe die Augen. Helfen?
Vielleicht hätte er mich davon abhalten sollen, umzuziehen.
Oder diese scheiß Feier zu schmeißen
Vielleicht hätte das geholfen.

Ich fahre mir durch die Haare und halte mich etwas zittrig am Treppengeländer fest, um nicht mein Gleichgewicht zu verlieren.
Wenn 'lockerer werden' sich völlig besaufen heißt, dann habe ich nach ihm außerdem eh alles richtig gemacht.

Der Gedanke, dass Vik wahrscheinlich oben irgendwo ist und am besten noch mit irgendeinem Mädchen flirtet lässt mich würgen.

"Ju... Jetzt komm schon. So bist du sonst doch auch nicht!", versucht es Rob nochmal, aber ich funkele ihn nur kalt an, auch wenn es mir gleichzeitig unendlich leid tut, so asozial zu sein.
Ich will gerade einfach nur meine Ruhe.

"Ich brauch frische Luft", meine, oder eher lalle ich noch und stolpere die letzten Stufen herunter, dann reiße ich die Haustür auf und taumele in die kühle Nacht hinaus.

Pov. Vik

Meine Augen versuchen sich auf das Gesicht des Mädchens vor mir zu konzentrieren, aber ich schaffe es einfach nicht.

Tatsächlich liegt das nicht mal am Alkohol, sondern viel mehr daran, dass meine Gedanken alle paar Sekunden zu Ju abdriften.
Ich muss ihn sehen.
Nur noch einmal.
Mit ihm sprechen, ihn umarmen, ein letztes Mal seine Nähe spüren...
Selbst wenn es wehtun wird.

Entschlossen springe ich auf und ignoriere den verwirrten Blick meines nervigen Anhängsels.
"Sorry, ich muss noch was erledigen", meine ich kurz angebunden und gehe zielstrebig zur Tür, glücklich darüber, dass ich so wenig getrunken habe und noch gut gehen kann.

"Vik?", fragt plötzlich eine bekannte Stimme und ich zucke zusammen, als Rob vor mir auftaucht.
"Oh hey", meine ich, wobei es mir misslingt, den Ärger in meiner Stimme zu verbergen. Ich mag ihn ja wirklich, aber gerade will ich einfach nur zu Ju!

"Könntest du vielleicht mal nach draußen vor die Tür gehen und gucken, ob Ju noch da ist? Er ist voll ausgeflippt und hat sich die Kante gegeben und jetzt mach ich mir dezente Sorgen...", meint er so leise, wie die Musik es zulässt.

Erschrocken weiten sich meine Augen und mir wird kalt. Oh fuck...
"Ich bin schon auf dem Weg", stoße ich hervor und renne so schnell wie möglich ins Treppenhaus und die Stufen herunter. Den Fahrstuhl kann man eh vergessen...

Während des Weges überschlagen sich meine Gedanken.
Warum sollte jemand so begerrschtes wie Ju sich öffentlich so gehen lassen?
Was hat ihn dazu gebracht?
Oder wer?
Das ziehen im meiner Brust wird stärker und ich beschleunige mein Tempo noch mehr.

Schwer atmend komme ich unten im Flur an und versuche mich etwas zu beruhigen, bevor ich mit leicht bebenden Händen die Tür öffne.

Besorgt huscht mein Blick durch das Halbdunkel der Straße vor mir und ein Stein fällt mir vom Herzen, als ich Ju entdecke.
Er lehnt leicht nach vorne gebeugt an der Hauswand gegenüber und hält vor sich sein Handy, was einen bläulichen Schein auf sein Gesicht wirft.
Bilde ich mir das nur ein, oder weint er?

Plötzlich habe ich Angst, zu ihm zu gehen.
Es ist, als fielen mir keine Worte ein, die ich sagen könnte.
Als würde ich in dieser Szene so unerwünscht sein, wie kein anderer.

Aber dann sieht der Halbasiate auf und unsere Blicke treffen sich glühend in der Nacht.
Ein Schauer überläuft mich, als er mit offensichtlicher Mühe meinen Namen ausspricht. Er sagt ihn mit so viel Schmerz in der Stimme, dass ich nicht anders kann, als mir einen Ruck zu geben und zu ihm zu laufen.

Pov. Ju

Ich erkenne Viks Gesicht nur verschwommen in der Dunkelheit, aber doch ist es der schönste Anblick seit Langen.

Auf einmal realisiere ich, dass er auf mich zukommt und versuche vergeblich mein Handy auszuschalten, damit er nicht sieht, was ich anstarre.
Irgendwie gleitet es mir aber aus der Hand und ich meine einen dumpfen Aufprall wie aus weiter Ferne zu hören.

"Ju", er steht jetzt direkt vor mir. Mein Magen rebelliert, als ich mich aufrichten und die Welt gerät wieder ins Wanken, aber ich reiße mich so gut wie möglich zusammen.

"Hey, komm her", er zieht mich in seine Arme und ich lasse es zu.
Spüre, wie schwach mein Körper plötzlich ist und wanke leicht... oder stark?
Ich weiß es nicht.
Mein Kopf schmerzt so sehr.
Viks Hände, die meine Handgelenke umfassen lassen meine Haut brennen.
Falle ich gerade?

Pov. Vik

Scheiße...
So schlimm hätte ich seinen Zustand nicht erwartet.
Aber tatsächlich sackt der Kleinere einfach in meinen Armen zusammen und kracht mit ganzem Gewicht gegen mich. Ich taumele ein Stück zurück, bevor ich ihn fest an den Schultern packen und wieder aufrichten kann.

"Jetzt beruhig dich erst mal...", meine ich besorgt und drücke ihn vorsichtshalber wieder an die Hauswand, damit er sich anlehnen kann.
Zumindest rede ich mir das ein... Die Tatsache, dass ich ihm dadurch noch näher kommen kann, spielt da sicher keine große Rolle...

Mit verschleiertem Blick aus den dunklen Augen sieht er mich an.
Ein paar Tränen rinnen ihm über die geröteten Wangen und er zittert.
Die hellen Haare sind völlig zerzaust, der Mund leicht geöffnet, als wolle er etwas sagen, aber sei sich nicht mehr sicher, was es eigentlich genau war.

Das Herz in meiner Brust zieht sich unangenehm zusammen und ich will irgendetwas sagen, etwas tun, aber ich kann ihn nur ansehen.

"Bin ich denn so erbärmlich?", bricht er schließlich das Schweigen und sieht mich mit hängendem Kopf und Schultern an. Wieso ist er immer noch so unglaublich süß?
Er wirkt so jung... im Schein der Staßenlaterne, die eine Hälfte seines Gesichtes in einen goldenen Schein taucht und seine Augen funkeln lässt...
Wie sehr ich ihn doch liebe...

"Was natürlich nicht! Ju, ich...", ich breche ab.
'Ich liebe dich.', vollende ich stumm den Satz, bringe es aber nicht über mich, die Worte auszusprechen.

"Ich will nicht gehen... Ich will nicht von hier weg! Dich nicht nie wieder sehen! Ich will... dich...", die letzten Silben haucht er nur noch.

Ich habe das Gefühl, in meinem Magen explodieren die Schmetterlinge.
Er will 'mich'?!

Die Luft zwischen uns scheint wie elektrisiert zu sein.
Ich halte die Spannung kaum noch aus, sehe in seine Augen, die sich keine Sekunde von mir abwenden.

Ich denke schon, er will mich von sich weg drücken, aber stattdessen beugt er sich plötzlich vor, packt mich fahrig in den Haaren, um unsere Lippen zu vereinen.
Einfach so.

Ein paar Sekunden stehe ich einfach wie erstarrt in der kühlen Nacht, Ju so nah vor mir, dass ich sein Zittern spüren kann, die Hände immer noch in seine Schultern gekrallt und kann nicht realisieren, was gerade passiert.

Aber dann blende ich einfach alle Gedanken aus.
Die Tatsache, dass er eh betrunken ist.
Das jemand uns sehen könnte.
Das ich ihn vielleicht nie wieder sehe.

Ich nagele seine Hände an die Hauswand und drücke ihn mit meinen ganzen Körper dagegen.
Unsere Lippen bewegen sich im perfekten Einklang miteinander.
Ich beiße ihm leicht auf die Unterlippe, schmecke den Alkohol, verschränke unsere Finger fester.

Beginne, über sein Gesicht, zu seinem Hals zu küssen, was ihm ein wundervolles Stöhnen entlockt.

Hektisch fahren seine Finger durch meine Haare, über meine Brust und hinterlassen überall ein wohliges Prickeln. Ich reibe mein Becken gegen seins, habe jegliche Kontrolle über meine Handlungen verloren.

Es gibt nur noch ihn und mich- uns beide in diesem Moment, alles andere ist unwichtig.

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Ups, ist n bisschen lang geworden und es wird noch n Teil 2 geben :O

Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass es 'Geburtstagsgeschenk' ähnelt, war aber unbeabsichtigt :/

Hoffe es gefällt dir trz :)
Keksfangirl


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