Geigenspiel ~ [#Kürbistumor]

Dieser Os entstand für ein Fanbaseprojekt von der lieben -Notizbuch-
Sie hat mir (und vielen anderen tollen Autoren) ein Thema und einen Satz zu einem gewünschten Shipping gegeben.
Ähm... und ja. Das kam dabei raus.
Schaut gerne bei dem tohlen Projekt vorbei, hat echt tolle Geschichten darunter und man findet viele gute neue Autoren. Also nur zu empfelhlen.

Shipping: #Kürbistumor
Thema: Musikant
Satz: "Lass es mich auch mal versuchen..."

P.O.V. Patrick

Und auch heute Drangen die lieblichen Klänge an mein Ohr. Wie jeden Mittag sass ich am Rhein und lauschte. Lauschte den gefühlsvollen Tönen. Fühlte die Emotionen die sich darin widerspiegelten.
Geniesserisch schloss ich meine Augen und gab mich voll und ganz den klaren Geigenklängen. Hörte zu, was für eine Geschichte sie mir heute erzählten.

Bilder, von dem jungen Mann, Manuel, wie er alleine auf einer Wiese stand und Geige spielte. Idyllisch. Utopisch. Die späte Abendsonne, wie sie warmes, orangenes Licht auf das hohe Gras schien.
Seine eher längeren, dunkelbraunen Haare, wie sie wild umherflogen, bei den kurzen, energischen Tönen.

Aber mit der Zeit gingen die Pflanzen ein. Die Blumen verwelkten und wurden gräulich. Die vorher so intensiv grüne Wiese verlor ihre Farbe und verblasste.
Langsam wurden die Töne immer schneller.

Und dann Bomben, Explosion. Flugzeuge, Hubschrauber. Menschen die um ihr Leben rannten. Schrei, Lärm. Krieg.
Aber er stand friedlich mittendrin und erzählte auf seiner Geige seine Geschichte.

Alles brannte, bis das Feuer erlisch und nichts als Staub und Asche hinterliess.

Der Mann hielt den letzten Ton aus, bis er die Geige von seiner Schulter nahm und sich mit der anderen die Wangen trocken wischte.
Aber die Musik spielte weiter.

Niedergeschlagen verliess er das Feld. Erst nur langsam schlendernd, doch er verschnellerte seinen Schritt und begann zu rennen. Sein Instrument warf er auf den Boden und fiel daneben weinend ins abgebrannte Gras.

Die Töne widerspielten seine nicht vorhandene Kraft. Ganz hohe, feine Töne durchschnitten die Luft und brachten alles zum Schweigen.


Ich öffnete meine Augen wieder, als das Lied verstummte und sah, wie er direkt vor mir stand, seine Geige in der Hand und mit Tränen in den Augen. Ich schaute ihn nur durch meine Tränen hindurch an.

Seine Lippen formten die Worte: "Für dich." Als er die Geige erneut zum Spielen anlegte.

Und diese Melodie, wie sie so einfach aus seinen Fingern floss... haute mich einfach um. So viele Gefühle auf ein Mal.

Liebe, Hass, Wut, Trauer, Freude, Mitgefühl, Schuld, Begierde und vieles mehr. Es war ein reines Gefühlschaos und genau das machte es so wunderschön, so bewegend.

Diesmal war es keine Geschichte, die er erzählte. Er öffnete sein Herz. Für Mich.

Ein Kribbeln, welches langsam meine Beine hoch kroch. Ich war mir nicht ganz sicher, ob es ein angenehmes oder ein unangenehmes Kribbeln war, aber es berührte mich zutiefst. Es breitete sich immer weiter aus. Kroch mein Rücken hoch und hinterliess dort eine leichte Gänsehaut. Die Arme hinab und in meine Hände, meine Fingerspitzen.

Ich war wie gelähmt und trotzdem staute sich so viel Energie in mir, dass ich hätte Bäume ausreissen können.

Stattdessen war mein Blick nur starr auf Manuel gerichtet. Wie er den Bogen so gefühlvoll über die Saiten strich und ihnen so atemberaubende Melodien entlockte. Wie sich sein ganzer Körper zur Musik bewegte wie ein Grashalm zum Wind.

Der letzte Ton lag noch lange in der Luft und keiner von beiden traute sich auch nur zu atmen. Dass wir mitten in einem Park waren, kümmerte uns gerade herzlich wenig.

"Lass... es mich auch mal versuchen...", hauchte ich leise gegen die sanfte Brise, welche gerade seine Haare umwehten.

Manuel öffnete seine Augen und übergab mir stumm nickend sein Instrument.

Mit zittrigen Fingern griff ich nach dem weichen Holz und klemmte die Geige zwischen Kinn und Schulter.

Ich hatte schon seit Ewigkeiten keine Geige mehr in der Hand gehabt.
Fast 16 Jahre lang, hat mir meine Schwester das schöne Instrument zu spielen gelehrt. Sie selber hatte es vergöttlicht.

Und dann kam ihr Todesurteil: Krebs.
So lange wie sie konnte, hatte sie die Geige gespielt. Sie wusste, ihr Ende käme bald und so hat sie das Instrument teils tagelang nicht weggelegt.

Seit ihrem Tod hatte ich nie mehr eine Geige auch nur angefasst. Und jetzt war es wieder da. Das Gefühl des Instruments in meiner Hand.

Selbst nach all den Jahren spürte ich ihre Hände die meine sanft in die richtige Position führten.

Und dann setzte ich den Bogen an. Erst nur einzelne, lange Töne, um wieder ins Spielen zu kommen. Um die lieblichen Klänge im ganzen Körper spüren zu können.

Eine kühle Hand Manuels rückte meinen Ellbogen an die richtige Stelle, so wie es meine Schwester immer getan hatte.

Ich schloss meine Augen und spielte die Töne. Spielte die Töne, welche so lange in mir geschlummert hatten. Spielte ihre Töne. Liess sie aus meinem Herz in meine Finger fliessen, bis sie nicht mehr nur in meinem Ohr waren.

Es war ihr letztes Stück gewesen. Und das letzte, welches sie mir beibrachte.

Eine zweite Geige ertönte neben meinem Ohr und intensivierte den Klang noch um ein vielfaches. Manuel hatte mit eingestimmt und verleite dem Lied eine ganz eigene Interpretation.
Aber ich blendete alles um mich herum aus. Nur die Musik und mich; Manuel und mich, nahm ich wahr.

Das Stück schweifte immer mehr Improvisation über und endete in einem wilden Kampf der Töne, bis wir schlussendlich gleichzeitig aufhörten und den letzten, langen Ton in vollen Zügen genossen.


Erst da bemerkte ich die vielen Leute, welche um uns herum standen. Einige wischten sich sogar Tränen aus den Augenwinkeln, aber niemand sagte etwas, bis wirklich gar nichts mehr vom Lied zu hören war. Erst da verfielen alle in brausenden Applaus.

Ich konnte nicht anders. Ich fiel Manu mit Tränenüberströmten Gesicht um den Hals. In mir war gerade die Hölle los. Ich war mir unschlüssig welche Emotion ich gerade empfand. Es war ein undefinierbares Gefühl. Die Berührungen Manuels beruhigten mich wenigstens ein wenig.

Die Leute liessen nach und nach wieder von uns ab und gingen erneut ihre Wege.

"Danke", flüsterten wir gleichzeitig und ich verstummte, um ihm das Wort zu überlassen. "Danke, dass du mir, meinen Geschichten jeden Tag gelauscht hast. Danke, dass ich dir meine innersten Gefühle offenbaren durfte."

"Danke, dass du mir deine Geschichten erzählt hast. Danke, dass du mich aus meinem Loch geholt hast."

Danke für alles.

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