Without you (III) ~ #Stexpert

»Man spürt das Kleine, wenn man seinen Bauch berührt.«

Rafi lächelte zwar leicht, als er Tims Erzählungen lauschte, zeigte aber keinerlei Anzeichen für Eifersucht dem anderen Alpha gegenüber. Tim hatte einerseits akzeptiert, dass bei Rafi alles, was das anging, anders zu sein schien - andererseits konnten seine Instinkte das nicht ganz begreifen. Wie konnte ihm so egal sein, dass ein anderer Alpha seinem Omega während der Schwangerschaft so nah war? Selbst er - ohne Stegis Gefährte zu sein - hasste allein diese Vorstellung.

»Tim?«

Rafi schienen ähnliche Gedanken beschäftigt zu haben, denn seine Stimme war ernst und ruhig. Tim sah ihn erwartungsvoll an, bedeutete ihm, dass er zuhörte.

»Liebst du Stegi?«

Überrascht blinzelte der Alpha - und schüttelte den Kopf.

»Also schon. Aber nicht so. Rafi, ich will dir deinen Gefährten nicht wegnehmen!«

Der Andere seufzte.

»Aber ... nehmen wir mal an, Stegi wäre nicht mein Gefährte. Wenn er ungebunden wäre ... würdest du ihn lieben können?«

»Rafi, worauf willst du hinaus?«

Der Dunkelblonde seufzte.

»Die Bindung ist so schwach ... ich spüre fast gar nichts mehr. Das ist meine Schuld, das weiß ich! Aber ... ich würde mir für Stegi wünschen, dass er nicht alleine ist. Dass er jemanden hat, den er lieben kann, nachdem ich so ein scheiß Freund für ihn war.«

Tim versuchte, einmal tief durchzuatmen, bevor er antwortete.

»Rafi ... das ist nicht meine Wahl. Stegi ist, so hilfsbedürftig er momentan ist, immer noch ein eigener Mensch. Wir können nicht über ihn reden, als wäre es unsere Entscheidung!«

Rafi nickte sofort.

»Ich weiß! Schon klar, wirklich ... Aber - ich weiß, dass er mich nicht mehr lieben kann, nachdem ich ihm so im Stich gelassen habe. Und ich weiß auch, wie sehr er dir vertraut, wie gern er dich mag. Ich will bloß sagen: Wenn du ihn liebst ... und Stegi dich ... ich möchte euch nicht im Weg stehen.«

Tim wollte gerade zu noch einer Erwiderung ansetzen - ließ es dann aber bleiben. Er wusste, dass Rafi recht hatte. Er liebte Stegi - vielleicht auch mehr als nur brüderlich, wie er stets vor sich selbst behauptet hatte. Und dass Stegi genauso empfand war nicht auszuschließen.

»Danke.«

*

»Tim?«

Stegis Stimme war schwach, kaum mehr als ein leises Wimmern. Sofort schreckte der Alpha auf - und wusste im selben Moment, was passiert war. Es ging los.

Er hatte die letzten drei Nächte hier bei Stegi verbracht, damit dieser direkt vor der Geburt nicht alleine sein musste und jemand da war, wenn es so weit war. Und jetzt war dieser Zeitpunkt wirklich gekommen. Ein Blick zu dem zitternden Omega bestätigte diese Vermutung.

»Pscht. Hey, Großer, Schau mich an. Ganz ruhig. Steh auf, komm, ich helfe dir. Wir fahren ins Krankenhaus.«

Irgendwie schaffte Tim es, den inzwischen weinenden Stegi durch die Wohnung bis in die Küche zu bugsieren, wo er ihn sanft auf einen der Stühle drückte.

»Hey, kannst du es kurz aushalten? Ich wecke Rafi. Ich bin gleich wieder da, ja?«

Stegi nickte zwar tapfer - aber trotzdem wollte Tim so wenig Zeit wie möglich verschwenden.

Rafi war ziemlich einfach wach zu kriegen und so stand er keine zwei Minuten später, wie auch Tim und Stegi, in Jogginghose und Shirt in der Küche und sah zu, wie Tim dem Omega half, Schuhe anzuziehen.

»Okay, los. Rafi, kannst du fahren, oder soll ich?«

Rafi schlucke, nickte dann aber.

»Ich fahre. Kümmere du dich um Stegi.«

Tim war dankbar um diese Antwort und nahm zusammen mit Stegi auf dem Rücksitz platz, wo er den Kleineren halb auf seinen Schoß zog und durchgehend beruhigend streichelte und mit ihm sprach.

Der Blondschopf hatte inzwischen die Augen wieder geschlossen und war ruhig geworden - was erst wieder von einer neuen Welle Wehen abgelöst wurde und ihn erneut zum leisen Wimmern und Weinen brachte. Tim konnte nichts tun, als beruhigend auf ihn einzureden, während Rafi durch die menschenleeren Straßen raste.

Sie waren ziemlich bald am Krankenhaus angekommen - wo Rafi das Steuer übernahm und sich darum kümmerte, dass Stegi aufgenommen wurde. Jetzt, wo es hieß, einen kühlen Kopf zu behalten und distanziert rational zu denken, konnte er endlich wieder Einsatz zeigen.

Wenig später war Stegi von zwei Schwestern weggebracht worden - und hatte zwei Alphas zurückgelassen, die vor Spannung und Sorge wie unter Strom zu stehen schienen.

*

»Er ist so wunderschön.«

Rafi betrachtete fasziniert das unfassbar kleine Kind in seinen Armen und schien seinen Blick gar nicht abwenden zu können. Stegi auf seinem Krankenhausbett lächelte bloß schwach.

Tim hatte sich ein Stück von der Szenerie zurückgezogen und stand halbwegs unbeteiligt am Fenster. Die Eltern waren immer noch die Beiden, während er, egal, was er in den letzten Wochen getan hatte, offiziell nichts mit dem Knirps zu tun hatte. Dass sich das nicht so anfühlte, brauchte man dabei aber nicht zu betonen.

»Tim?«

Es war Rafis Stimme, die ihn zu ihnen rief und zögerlich trat der Alpha auf seine beiden Freunde zu. Stegi lächelte ihn erschöpft, aber voller Zutrauen an.

Vorsichtig streckte Tim die Hände aus, als Rafi ihm dieses winzige Wesen in die Arme legte - und war augenblicklich total gefesselt von dem kleinen, faltigen Knirps mit den einzelnen dunklen Haaren, das so herrlich süß das Gesicht verzog. Er spürte, wie ihm eine einzelne Träne aus dem Auge rann - und wusste selbst nicht, warum. Wahrscheinlich einfach die Erleichterung nach all dem, was in den letzten Wochen geschehen war.

Als Stegi sich im Bett ein Stückchen mehr aufsetzte und erwartungsvoll zu ihm sah, musste Tim den kleinen Fratz gezwungenermaßen wieder abgeben. Vorsichtig, als hätte er den wertvollsten Schatz der Welt auf den Armen, bewegte er sich zum Bett und gab dann Stegi wieder seinen kleinen Sohn. Der Omega sah so wahnsinnig liebevoll aus, als der sein Kind betrachtete, dass es Tim fast das Herz zerriss.

Egal, was Rafi gesagt hatte - das hier war eine Familie. Stegi und Rafi, die sich immer wieder irgendwie verlegen, aber glücklich anlächelten, zwei Gefährten, und ihr gemeinsames Kind, das für beide schon jetzt der Mittelpunkt ihres Denkens zu sein schien.

Tim versuchte, das schmerzhafte Ziehen in seiner Brust zu ignorieren, während er leise zu Tür ging. Woher der plötzliche Drang, zu Weinen, kam, konnte er auch nicht sagen.

Gerade wollte er den Raum verlassen, um dieser kleinen Familie Zeit für sich zu geben, als er davon abgehalten wurde.

»Tim?« Es war Stegis Stimme, die ihn gerufen hatte, ruhiger und kräftiger als noch nur Stunden zuvor. Er war wieder er selbst und nicht dieses hilflose Nervenbündel der letzten Wochen, was Tim unglaublich erleichterte. Der Alpha blieb stehen und atmete ein weiteres Mal tief durch, bevor er zurück in den Raum sah.

»Du musst nicht gehen.«

Er versuchte ein Lächeln.

»Ich glaube, es ist besser so. Ihr beide liebt euch - auch wenn ihr eine schwere Zeit hattet, könnt ihr das immer noch, davon bin ich überzeugt. Ihr seid gerade auf dem besten Weg, einen Neuanfang zu machen - nutzt diese Möglichkeit, verzeiht euch. Ihr seid jetzt eine Familie. Rafi, du kannst das. Ich habe doch gesehen, wie du die beiden ansiehst. Du könntest es mir nie verzeihen, würde ich sie dir wegnehmen, egal, was du sagst. Und Stegi ... du bist unglaublich stark, das hast du mehr als nur bewiesen. Du schaffst das alles, das weiß ich - und du bist nicht alleine!«

Er wünschte wirklich, da wäre nicht diese Träne, die stumm über seine Wange lief. Anstatt sie wegzuwischen versuchte er bloß, sie mit einem Lächeln zu überspielen.

»Tim? Danke für alles.«

Er nickte bloß, während die nächste Träne die vorherige ablöste. Das war die Bestätigung. Es tat irgendwo weh, dass Stegi ihn einfach so gehen ließ, nach all diesen Wochen, nachdem sein eigenes Leben sich so lange nur um das Wohl des Omegas gedreht hatte. Und dennoch bestätigte ihn das nur darin, dass er richtig handelte.

»Jederzeit. Versprochen.«

*

Am liebsten wäre Tim nach Hause gefahren, hätte sich in sein kleines, kaltes Bett gekuschelt und seinen Liebeskummer weggeweint - aber er riss sich zusammen. Er wollte und musste stark sein, hatte nicht vor, seine beiden Freunde jetzt, nach all der Zeit, im Stich zu lassen.

Tobi war sofort gekommen, als er ihn angerufen hatte und zu zweit hatten sie Stegis Zimmer aufgeräumt und in Ordnung gebracht. Es war warm, stickig und chaotisch hier. Jetzt, wo Stegis Schwangerschaft vorbei war, hatte auch das Nisten ein Ende und Tim konnte endlich die ganzen Klamotten, aus denen er sich sein Nest gebaut hatte, in die Waschmaschine schmeißen.

Tobi schien ihn zum Glück nicht darauf ansprechen zu wollen, dass ihn merklich etwas belastete - wahrscheinlich ahnte er mehr, als Tim sich eingestehen wollte.

Stumm arbeiteten sie Seite an Seite, räumten auf und lüfteten und schließlich fuhr Tim sogar noch zu seinen Eltern, um das alte Babybett zu holen, von dem sie ihm versprochen hatten, dass er es haben konnte. Eine ungewohnte Nostalgie befiel Tim, als er schließlich das fertig aufgebaute Bettchen sah, in dem er zuletzt seinen kleinen Bruder hatte liegen sehen.

Er wusste nicht, ob Stegi und Rafi es behalten würden - sie hatten nie über so etwas gesprochen und sie wussten noch nichts davon. Aber er war sich sicher, dass Rafi sich bis jetzt nicht um so etwas gekümmert hatte.

Ein leichtes Lächeln schlich sich auf Tims Lippen.

Stegi würde das Bettchen wahrscheinlich eh nie benutzen - er konnte sich nicht vorstellen, dass der zierliche Junge das Baby, das aus ihm für so viele Monate fast einen anderen Menschen gemacht hatte, auch nur für eine Sekunde aus seinen Armen lassen würde. Und auch, wenn irgendwelche neuen Studien davon abrieten - das Kind würde neben ihm auf dem Bett schlafen, dessen war Tim sich sicher. Stegi war ein kleiner Rebell, niemand, der sich an solche sinnlosen Vorschriften hielt, einfach nur weil es sie gab.

Tim fühlte förmlich, wie er sich den Dolch selbst immer tiefer ins Herz stieß.

Rafi hatte Recht gehabt. Er liebte Stegi - nicht nur freundschaftlich, sondern auf jede erdenkliche Art und Weise. Und genau deshalb musste er sich für ihn wünschen, mit dem Vater seines Kindes wieder glücklich zu werden.

Bevor sie die Wohnung wieder verließen - ordentlich und vorbereitet auf die Ankunft des Kindes, was Rafi und Stegi hoffentlich überraschen und freuen würde - entfernte Tim den Wohnungsschlüssel, den er besaß von seinem Schlüsselbund und ließ ihn auf der Kommode liegen, wo einer der Beiden ihn sicher finden würde. Das hier war nicht mehr sein Leben, sondern Stegis und Rafis und das ihres Kindes. Und er musste nun irgendwie wieder in seinen Alltag zurückfinden, der sich in den letzten Wochen nur um den schwangeren Omega gedreht hatte.

*

»Hey, du kleiner Schlingel! Wie geht es dir?«

Tim hatte einen Schritt zurücktreten müssen, um einen sicheren Stand zu finden, als der Fünfjährige auf ihn zugestürmt gekommen war und ihm förmlich in die Arme gesprungen war.

Wo er als Baby noch so große Ähnlichkeit mit Stegi gehabt hatte, wurde Moo inzwischen mit jedem Tag mehr zu einer kleineren Version Rafis. Moo - benannt nach Tims Zweitnamen. Das ließ dem jungen Mann immer noch jedes Mal das Herz aufgehen, wenn er daran dachte.

Er hatte Recht behalten - Stegi und Rafi hatten einander verzeihen können und waren inzwischen ein absolutes Traumpaar - mit einem traumhaften Sohn, bei dem sie darauf bestanden hatten, dass Tim sein Patenonkel wurde.

Während der Knirps auf seinen Armen Tim aufgeregt vom Kindergarten und seiner besten Freundin dort, die sich heute getraut hatte, die ganz große Rutsche runterzurutschen, erzählte, wanderte Tims Blick an ihm vorbei nach hinten, zu der schön eingerichteten Terrasse, wo Rafi und Stegi dicht nebeneinander auf der Bank saßen und die warme Sommersonne genossen.

Tim ignorierte geübt den kleinen Stich in seinem Herzen, als er sah, wie Rafi Stegi zu sich gezogen hatte und ihm einen Kuss auf die Schläfe drückte. Was das anging, hatte er leider nicht recht behalten - und Tobis damalige Prophezeiung hatte sich in grausamer Ironie bewahrheitet. Bloß war es nicht Stegi gewesen, der sich auf Tim neu geprägt hatte - sondern Tim.

Schon oft war er nachts wach gelegen und hatte die Welt verwünscht für diese himmelschreiende Ungerechtigkeit. Er hatte in den Monaten vor Moos Geburt so viel für ihn und seinen jungen Vater getan - hatte sich selbst komplett zurückgestellt, um für Stegi dazusein - und anstatt dass irgendein Schicksal oder Karma es ihm dankte, durfte er deswegen seit fünf Jahren leiden. Seit fünf Jahren - geprägt auf einen Wolf, der jemand anderen liebte. Doch in genau diesen durchwachten Nächten fiel sein Blick immer wieder auf eines der Fotos von Stegi, Moo, beiden zusammen oder allen drei - und jedes Mal kam er wieder zu dem Schluss, dass Stegis und Moos Glück ihm das allemal wert war.

Denn das war es, was diese Liebe für ihn bedeutete - zurückzustecken und leise zu ertragen, damit sein bester Freund glücklich sein konnte.


~~~~~~~~~

Ähm ... Sorry?

Das war nie so geplant!

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