T & S
Stegi war verliebt.
So viel war ihm inzwischen selbst klar geworden.
Er war bis über beide Ohren verliebt.
Warum ihm das ausgerechnet jetzt bewusst wurde, warum er überhaupt jetzt darüber nachdachte, da er eigentlich lernen sollte, um sein Studium nicht ganz in den Sand zu setzen, war ihm unklar. Und wirklich hilfreich für seine Konzentration war es auch nicht, nein.
Ohne es zu bemerken, hatte Stegi begonnen, mit Kugelschreiber kleine Herzen auf seine Schreibtischplatte zu kritzeln. Hässliche Herzen. Er war ein Junge, natürlich sahen seine Herzen irgendwie verkrüppelt aus! Welcher Junge konnte schon schöne Herzen malen?
Ob er wohl - nein. Stop. Er durfte nicht jetzt schon anfangen, bei jeder Kleinigkeit an ihn zu denken. Obwohl, wenn er wirklich ehrlich zu sich war, tat er das doch schon lange. Kurz zögerte Stegi, erklärte sich innerlich für verrückt, dann kritzelte er versuchsweise ein T & S neben die Herzen auf seinen Tisch. Umrandete das ganze mit einem eigenen, etwas größeren Herz. Nur um zu sehen, wie es aussah - quasi probehalber. Stegi grinste. Ja, das gefiel ihm. T & S. Definitiv verrückt. Oder einfach total verliebt. Vielleicht auch beides.
War Stegi schwul?
Bis jetzt hatte er diesen Gedanken erfolgreich verdrängt. Fände er das schlimm? Schwul zu sein?
Natürlich hatte er nichts gegen Schwule, im Gegenteil. Er war YouTuber, Mitglied einer der - mit ein paar dummen Ausnahmen - wohl tolerantesten Plattformen. Und genauso war es er. Offen. Tolerant. Aber schwul? Hatte Stegi überhaupt eine Chance?
Er lehnte sich seufzend in seinem Schreibtischstuhl zurück. Bloß nicht zu viel darüber nachdenken, sich nicht verrückt machen. Und vor allem so etwas, wie hier mit deiner Tischplatte, nicht in der Uni bringen. Es musste nicht gleich die ganze Welt bescheid wissen, dass er auf Typen - viel mehr auf einen ganz bestimmten Typen - stand.
Ja, wenn schwul sein hieß, so jemanden zu küssen, oder es sich auch nur vorzustellen, dann war es für Stegi okay. Er fragte sich viel mehr, wie man nicht ihn ihn verliebt sein konnte.
Augenblicklich überkam Stegi eine leichte Gänsehaut, als ihm seine Stimme in den Sinn kam. Tief, melodisch, beruhigend. Sein Lachen. Die manchmal unfassbar flachen Witze und seine Fähigkeit, sich in seine Bewunderung zu jeder Kleinigkeit hineinzusteigern.
Stegi zog ein zweites, größeres und genauso verkrüppeltes Herz um ihre Anfangsbuchstaben auf dem Tisch.
Er war wirklich krass verliebt. Diese Vorstellung brachte ihn irgendwie zum Grinsen. Verliebt. In einen Jungen. In ihn. Verliebt.
Er würde ihn anschreiben. Oder noch viel besser - Teamspeak.
Nicht um ihm seine Liebe zu gestehen - Gott, klang das schnulzig - nein. Einfach, um zu reden. Seine Stimme zu hören. Sein Lachen. Seine Witze zu hören und wie er allem und jedem das Gefühl geben konnte, dass er sich für einen interessierte.
Stegi gab es auf. Das mit dem Lernen konnte er gerade eh vergessen. Viel zu sehr drehten sich seine Gedanken um ihn. Also, warum es noch künstlich herauszögern. Dann konnte er auch gleich aufs Teamspeak - jetzt.
Mit ein paar Handgriffen packte Stegi seine Lernsachen zusammen, schob seine Blöcke und Stifte zur Seite, zog stattdessen seinen Laptop heran. Die Lernseiten in den Hintergrund verdrängt, Teamspeak geöffnet. Jetzt die Server durchschauen, alle Server, auf denen er und die anderen Youtuber normal ihre Zeit verbrachten, zum Aufnehmen und einfach Abhängen.
Schon beim zweiten Versuch hatte Stegi Glück, dort war er.
Lächerlich, dass Stegi schon nur beim Lesen seines Namens zu grinsen begann.
Er war in einem ganz normalen Channel, kein Aufnahmeraum, alleine. Das hieß, Stegi würde hoffentlich nicht stören, wenn er dazukommen würde.
Doppelklick auf den Channel, kurzes Schweigen, Neuorientieren, wer war gekommen, was war Sache.
"Hi, Stegi."
Unglaublich schöne Stimme.
"Hey, Taddl."
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