Gewittersturm (2)

POV Basti:
Verzweifelt probierte ich mich auf die grauen Schatten vor mir zu fokussieren, rammte einem der grauen Krieger mein Schwert in die Brust und schoss fast in der gleichen Sekunden einen Schatten von seinem Pferd. Echte Menschen zu töten war mir früher schwerer gefallen, während die Schatten dunkle Wesen waren oder arme Seelen die noch auf der Erde geistern mussten waren, waren die Menschen echte Lebewesen, die liebten, womöglich Familie hatten.

Wie oft hatten meine Gedanken darüber gekreist, wie oft hatte ich mich nach dem Sinn dieses Krieges gefragt?

Ich holte tief Luft und stellte mir einen schwarzen, dünnen Strahl vor. Ich konzentrierte mich kurz auf das Bild in meinem Kopf, dann öffnete ich wieder die Augen. Wie ein klebriges Netz legten sich die Fäden um eine kleine Gegnergruppe.

Ich hasste meine Kräfte manchmal, würde nie so ganz verstehen, warum Stegi mich so dafür bewunderte. Alles was ich wollte war normal zu sein, aber ich hatte Soldaten in eine Schlacht zu führen, hatte ein Land zu regieren. Ich dachte an die Nächte als kleines Kind, als ich meine Kräfte noch nicht kontrollieren konnte, als ich mich jeden Tag in den Schlaf weinte und hinter meinem Rücken über den Prinzen der Nacht gesprochen wurde. Stegi war die Sonne gewesen, Stegi hatte gestaunt, Stegi hatte mehr als die schwarzen Adern gesehen, er hatte die verletzlichsten Seiten von mir gesehen. Doch wenn ich ihm nicht vertraute, wem sollte ich sonst nicht vertrauen?

Er würde nie verstehen, was er für mich bedeutete. Weil ich zu wenig Worte hatte um es auszudrücken. Die Schatten wichen langsam und es sah so aus, als könnten wir diesen wichtigen Stützpunkt verteidigen. Ich kommandierte Soldaten um mich herum, wunderte mich im Inneren allerdings wo ihr König geblieben war. Normalerweise würde er sich nicht so eine Gelegenheit entgehen lassen hunderte Soldaten in den Tod zu reißen. Menschen die von ihren Kindern erzählten, die sie nie aufwachsen sehen würden. Es verbarg sich soviel hinter einem einfachen Schwert, Träume, Erfahrungen, Ängste, Gedanken. Es wurden immer weniger Schatten, vielleicht hatte es sie einfach überrascht, dass wir von dem Hinterhalt wussten. Vermutlich hatten wir hier einmal einfach mal Glück. Komisch, warum machte ich mir überhaupt Gedanken darüber, in wenigen Stunden könnte ich mich gewaschen haben und das schöne Wetter genießen. Fast brachte mich der Gedanke zum Lachen, ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal das schöne Wetter genossen hatte. Vermutlich noch vor dem Tod meines Vaters. Ich biss die Zähne zusammen, an manchen Tagen wurde der alte Schmerz doch zu viel.

Sechzehn Jahre alt war ich gewesen.

Das Horn erklang, das Horn der Gegnertruppen. Hoch und fieselnd kündigte es den Rückzug an. Ich atmete erleichtert auf.

„Wir haben diese Grenze verteidigen können, wir waren stark, wir haben gekämpft und wir haben gesiegt" Ich riss mein Schwert hoch, und jubelte.

„Lang lebe der König" rief Raphael neben mir und heilt einen Banner mit unserem Wappen drauf hoch.

„Lang lebe der König" skandierte die Menge.

„Lang lebe unser Land" die Rufen wurden lauter, doch ich wusste um den Schmerz eines jeden Sieges. Wir hatten eine kurze Ruhe, eine kurze Verschnaufszeit in der die Totenfeuer wieder weithin sichtbar brennen würden.

Ich lächelte trotzdem still in mich herein, hörte dem Jubel zu. Er war mir gewidmet, doch ich hätte ihn am liebsten jemand anderem überreicht. Mit all dem, was mit dem Jubel verbunden war.

Dann spürte ich wieder das vertraute Ziepen im Bauch. Ein Ausbruch schwarzer Magie. Es gab verschiedene Arten von Magie, um genauer zu sein gab es tausende, doch so fühlte sich Schattenmagie an, ich kannte sie nur zu gut.

Geschwind beschwor ich den kleinen Kompass der aus mehreren Rauchkringeln bestand. Seine purpurfarbene Nadel zeigte genau nach Westen.

Mir stockte der Atem. „Stegi" presste ich hervor. Das Blut war erstarrt, die Kompassnadel zitterte ein wenig.
„Fuck" stieß ich leise hervor und betrachtete meine unkontrolliert zitternden Hände.

Raphael bemerkte als einziger in der jubelnden Menge mein vor Angst erstarrtes Gesicht.Er lehnte sich leicht zu mir und wisperte: „Ein Angriff auf den Westen?"
Ich nickte unmerklich, dann brachte ich die Menge mit zwei Räuspern zum Schweigen.

„Wir wurden getäuscht. Schwer getäuscht, anscheinend übt der Feind einen Angriff auf den Westen aus. Alle Verletzten werden in den nahestehenden Soldatenzelten untergebracht, wir werden erst einmal eine kleine Spähergruppe schicken. Ich weiß, im Westen liegen nur kilometerweit Wälder, aber dennoch Leben dort Menschen und wir lassen uns nicht tatenlos unser Land nehmen!"

Ich hatte meine engsten Freunde mitgenommen, weil sie am wenigsten Gerüchte verbreiten würde. Das letzte was ich brauchen konnte waren Gerüchte.Wir ritten schnell, ich ritt allerdings am schnellsten, spornte mein Pferd an, meine dunklen Haare klebten an meiner Stirn und mein Herz sprang mir fast aus der Brust.

„Meine Schuld, meine Schuld" Die Gedanken bewegten sich nicht aus diesem Strudel heraus, die Angst ließ mich fallen. Doch das Adrenalin verhinderte die schlimmsten Gedanken, wofür ich sehr dankbar war. Wir hatten die Waldgrenze erreicht, nach einem Ritt der gefühlt Jahre gedauert hatte. Ich stieg vom Pferd an, als mein Herz erneut stehenblieb.Stegis Pferd war angeleint mit einem schnell und achtlos geknüpften Knoten.

Es war die Art von Angst, wo einem die Luft zum Atem fehlte, die Art von Angst, bei der sie dir ein Messer in den Bauch rammte. Vor meinen Augen begann alles zu verschwimmen.

Wann war das das letzte Mal passiert?
Ein König durfte keine Schwäche zeigen, weshalb ich mich zusammen riss.

Kevin legte seine Hand auf meine Schulter, die anderen schauten betreten auf den Boden.

„Ich gehe los" Isas Stimme zerriss die Stille.

„Ich komme mit" Heiko klang entschlossen, ich wagte es nicht den beiden zu widersprechen.
Also holte ich die kleine goldene Sanduhr aus meinem Umhang hervor und sah ihr besorgt zu wie ein Körnchen nach dem anderem langsam nach unten rieselte.
Ich versuchte meine verfluchten Gedanken zu vertreiben in denen ich die umliegenden Länder it Hauptstädten aufzählte.

Es gelang mir nicht.

Meine Füße wollten losrennen um ihn zu suchen, doch ich musste abwarten. Jeder von uns Freunden hatte ebendiese goldene Sanduhren, sie waren magisch und man konnte mit einem kleinen Rädchen an der Seite die Menge des Sandes einstellen. Bei uns allen war die Sandmenge immer genau gleich, bei einem jeden von uns war sein Name eingraviert.

Das Warten ist am schrecklichsten.

Es war diese Machtlosigkeit die mich zerstörte.

Die Schuldgefühle.

Warum verging die verdammte Zeit immer noch?
Warum waren die Sandkörnchen nicht stehengeblieben, wo er nicht da war.

Doch die Hoffnung war noch nicht verloren, ich klammerte mich an sie, verzweifelt.

Dann nach gefühlten Ewigkeiten, als die Sonne bereits im Westen versank sah ich die beiden Pferde uns entgegen reiten. Der Staub der trockenen Luft ließ wenig erkennen, doch Isa führte eines der beiden Pferde. Langsam lichtete sich der Staub. Jemand saß auf dem Pferd, es waren drei Personen.

Heiko, wie ich es jetzt erkenne konnte, legte seine Arme um die Menschenähnliche Gestalt auf dem Pferd. Dann konnte ich es erkennen.

Erkennen, jedoch nicht begreifen.

Die blonden, leicht schmutzigen Haare glänzten wie pures Gold im Abendlicht.

Sie trugen ihn über die schmale Brücke, behutsam und langsam.

Jemand hatte begonnen Mundharmonika zu spielen, eine Tradition, die bereits jedes Kind im Land kannte.
Es war das Lied der Hoffnung, ein Lied welches oft am Krankenbett der Soldaten zu hören war, jedoch auch bereits bei kleinen Kindern mit der schwarzen Grippe.

Jeder Bürger bekam eine solche Mundharmonika, die fast von selbst spielen konnte.

Die Melodie kam an einem hohen, klagenden langen Ton an, als Heiko Stegi auf dem Boden ablegte. Seine Kleidung war zerrissen, sein Handgelenk lag in einer seltsamen Verrenkung dort, die Haare waren von dem Blut strähnig und seine sonst so fröhlich grün leuchtenden Augen waren geschlossen.

Doch es war seine Brust die mir Panik bereite, seine Brust die sich einfach nicht hob und senkte.

Was tat man wenn die schlimmste Angst drohte wahr zu werden?

Ich wusste es nicht, kniete neben ihm auf den steinigen Boden, die kleinen scharfen Kiesel drückten mir scharf in die Knie. Irgendetwas versperrte mir meine Atemwege, ich probierte nach Luft zu schnappen, doch es funktionierte nicht.

Ich musste es tun, ich wusste es, ich war nicht bereit für die Wahrheit.

In meinem Kopf zuckten wieder Bilder auf, Bilder die so lange her waren, aus einer Zeit der ewigen Einsamkeit.

Ein schwarzer Sarg, das Trauerlied des Landes.

Wie lebt man?
Ich hatte es vergessen.

Die ersten Regentropfen fielen schwer aus den dunkelgrauen Wolken, hinterließen dunkle Spuren auf dem Boden. Sie wuschen Stegi den Dreck aus dem Gesicht, das ganze Blut.

Es könnte wunderbar hier sein, wenn er mit mir im Regen tanzen würde, wenn er die erfrischende Luft nach den langen trägen Augusttagen auf seiner Haut spüren würde, wenn er lachen würde, während die Regentropfen ihn pitschnass machen würden.

Es waren die ersten Regentropfen des Sturmes.

Die metallene Kette an seinem Hals schimmerte leicht. Vorsichtig umgriffen meine Finger die silberne Sanduhr an der Kette, in der Stegi eingraviert war.

Es war seine Idee gewesene mir die goldene zu geben, ich hätte jedem meiner Freunde ohne zu zögern eine goldene Sanduhr gegeben.

Doch Stegi hatte widersprochen, meinte die silberne würde ihn an mich erinnern, an meine Haare im Mondlicht.

Jeder von uns Freunden hatte viele kleine Symbole. Um seine Sanduhr rankten sich feine Blüten, eine kleine Taschenuhr hing von oben herab und ich erkannte ebenfalls das wirklich pochende Herz unter den Ranken. Die Magie hatte sich uns angepasst, ich liebte alles an seiner Sanduhr.

Ich liebte ihn mehr.

Mehr als mein Herz schaffen konnte, mehr als es je vorstellbar gewesen war.

Müde ließ ich die Sanduhr zurück auf sein blaues, blutbeflecktes Hemd zurückgleiten.

Dann endlich wagte ich es meinen Kopf auf seine Brust zulegen und seinem Herzschlag zu lauschen.
Er war da, schwach, aber Stegi lebte.

Vielleicht war es das einzige was momentan zählte.

Ich umklammerte den schwachen Körper, während der Regen auf unsere Köpfe niederprasselte, uns bis auf die Knochen niedernässte.

Der Regen schmeckte staubig, befeuchtete Stegis aufgesprungenen Lippen. Er weichte die Erde in ein einziges matschiges Feld, doch er lebte.

Wenige Minuten später waren wir beim dem nächsten Heiler in dieser Gegend.

Ich drückte ihm etwas unwirsch eine Hand voller Münzen in die Hand.

„Wehe sie erzählen was" Veni hinter mir schaute den Arzt drohend an und erst jetzt merkte ich, dass die ganze Situation meine Freunde ebenfalls furchtbar mitnahm. Heiko fuhr sich mehrmals übers Gesicht, er hatte den Arm um Isa gelegt, während wir besorgt auf den blonden Mann vor uns starrten.

„Ich brauch Ruhe beim Behandeln" gab der Heiler schließlich kleinlaut zu, scheuchte uns dann doch recht energisch heraus. Meine Freunde verdrückten sich bis auf Heiko und mir.

Er blickte uns beide irritiert an.

„Ähm"
„Wir gehen nicht weg von ihm" fasste ich mein Misstrauen in Worte.

Ich hatte heute schon auf zu viel Vertraut, auf meinen eigenen Ahnungen, Befehle und auf meinen verdammten Kopf.

Stegi hatte widersprechen wollen, doch ich hatte ihn überzeugen können.

Ich seufzte, lehnte mich gegen die splittrige Holzwand der kleinen, warmen Hütte. Ich durfte nicht schlafen, nicht jetzt.

Heiko hatte sich auf die Bank neben dem Kamin gesetzt starrte mit müden Augen ins Feuer, während ich den Heiler beim Brauen sämtlicher Heiltränke beobachtete. Zumindest hoffte ich dass sie das waren, denn wie ich mir selber eingestehen musste, könnten es auch irgendwelche Gifte sein, die er da mischte.

Ich hatte nicht bemerkt wie ich auf den Boden gerutscht war.

Im Sekundentakt fiel mein Kopf auf meine Brust und irgendwann gab ich diesem unfassbaren Drang zu Schlafen nach.

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