61 ♫ Beauty in the world
It's sweet music and dance with me
There is beauty in the world
So much beauty in the world
Always beauty in the world
[ Macy Gray ]
SPENCER ║ Der Tag begann eiskalt, mit viel Sturm und unheimlichen Geräuschen. Doch das war mir völlig egal. Meinetwegen könnte draußen die Welt untergehen. Ich kuschelte mich noch mehr unter diese unglaublich dicke Bettdecke und robbte weiter nach rechts. Irgendwie machte ich das mittlerweile automatisch.
Ich bewegte mich dahin, wo Harry lag und manchmal fragte ich mich, ob ihn das nicht nervte. Also blieb ich wo ich war, rollte mich auf den Rücken zurück und sah an die Decke. Es fiel kaum Licht in den Raum und irgendwann war mir trotz Bettdecke so kalt, dass ich mich zwang aufzustehen.
Möglichst leise huschte ich die knarrende Holztreppe runter, zog mir den alten Pullover über den Kopf und rieb die eisigen Hände aneinander. Zuerst würde ich den Kamin befeuern und öffnete sämtliche Türen, damit die Wärme überall hinzog.
Danach kramte ich in der Küche herum, suchte alles für Pfannkuchen zusammen, brühte Kaffee und Tee auf und räumte das Besteck ins Wohnzimmer. Dort war es immer am wärmsten und gerade hatte ich echt das Gefühl mir würden die Füße abfrieren.
Als die Pfanne heiß genug war, goss ich vorsichtig den ersten Teig rein und sorgte dafür, dass die Pfannkuchen so groß wie Pancakes waren. Ich wollte erst Musik anmachen, aber dann fiel mir ein, dass ich sämtliche Türen im Haus aufhatte und ich Harry nicht wecken wollte.
Der Stapel der Pfannkuchen wuchs und wuchs, also suchte ich Apfelmus und Sahne raus und musste mich zusammenreißen, um nicht vorher zu zuschlagen. Leise summte ich vor mir hin und gerade, als ich das letzte bisschen Teig in die Pfanne haute, da hörte ich Schritte von der Treppe.
Harry gähnte, fröstelte und strich sich zerstreut durch das dichte Haar, eine Geste, die er mittlerweile so oft machte, dass ich immer wieder schmunzelte. Als wollte er sich überzeugen, dass er noch Wolle auf dem Kopf hatte.
„Also wenn uns der Sturm nicht umbringt, aber der Zucker wird es auf jeden Fall tun", sprach er mit einen Blick auf die Marmelade, Honig und Nutella. Ich schnaubte: „Was hast du nur immer gegen ein bisschen Zucker?" Ich wendete die Pfannkuchen und spürte, dass Harry mich von hinten umarmte. Sofort wurde mir wärmer und er legte sein Kinn auf meiner Schulter ab.
Er sagte nichts und das war okay. Stumm genoss ich seine Nähe und erst als die letzten Pfannkuchen fertig waren, da zogen wir ins Wohnzimmer. Alleine weil Harry das Gesicht verzog sprühte ich jede Menge Sahne auf meine Pfannkuchen und trunkte ein paar dick in Schokolade.
„Irgendwann-"
„Sterbe ich am Zuckerschock, blablabla", nahm ich ihm die Worte aus dem Mund und er verlangte: „Lass mich das Mittagessen kochen, so als Ausgleich."
Da hatte ich nichts gegen. Es wurde ein absolut entspannter Morgen. Immer wieder legte ich Holz in den Kamin, wir gammelten, lasen, tranken Tee oder Kaffee und ab und an fiel ein Wort. Harry stellte fest, dass das Wlan wackelig war und durch den Sturm unterbrochen wurde. Aber groß zu stören tat ihn das nicht. Stattdessen hörten wir Musik und blätterten durch die Zeitungen und Zeitschriften, mit denen Preston mich die letzten Tage eingedeckt hatte.
„Sind wir in unserer Beziehung ähnlich selbstbewusst?", fragte ich und ein Holzscheitel fiel in sich zusammen. Harry, der mir gegenüber auf der Couch lag, ließ die Zeitung sinken: „Was?"
„Sag schon, was denkst du? So auf einer Skala von eins bis fünf", ich zog einen Kugelschreiber hinter meinem Ohr hervor und sah, dass es hinter Harrys Stirn arbeitete: „Machst du da einen Psychotest?"
Darauf antwortete ich nicht und er seufzte schließlich: „Hm, ich denke wir sind eine Drei, was das angeht."
Ich kreuzte Harrys Antwort an, denn ich hatte die Eins genommen und glaubte, dass wir sehr verschieden in dieser Hinsicht waren. „Haben wir beide genug Geld zur Verfügung?" Keine Ahnung, wer diesen Test entworfen hatte, aber ich war neugierig darauf, was er über uns aussagen würde.
Harry schmunzelte und sah sich um: „Nun ja, im Moment ist Geld eh unwichtig, also fünf." Da waren wir uns Ausnahmsweise mal einig.
„Weißt du, was dein Partner für eine politische Partei wählt?", ich musste mir das Lachen verkneifen und sah Harry gespannt an, der behauptete allerdings: „Das steht da nicht!"
„Doch", ich erhob mich von meinem Sessel, dann ließ ich mich neben ihm fallen und Harry runzelte die Stirn: „Ist es nicht unwichtig?"
„Wieso machst du so einen Eiertanz um dein Kreuzchen?"
Er rieb sich über das Kinn: „Was meinst du, was los ist, wenn je rauskommen sollte, was ich wähle? Ich will mein Gesicht nicht auf irgendwelche Parteiflyer sehen. Du dagegen würdest für die Demokraten wohl nur zu gerne Werbung machen."
Das stimmte und da Harry sich rausredete, kreuzte ich das Nein an und für ihn das Ja. Die folgende Frage ließ mich grübeln: „Haben wir gemeinsame Hobbys?"
„Squash gehört nicht dazu", fand Harry, dabei war es cool gewesen gegen ihn zu spielen: „Hat es dir keinen Spaß gemacht? Ich fands lustig und dachte, wir könnten es noch mal spielen. Okay, also mal sehen, was haben wir gemeinsam... wir mögen beide Raves."
„Nicht wirklich, ich war nur mit dir in Los Angeles auf einem", gab Harry zu. Er machte es mir nicht einfach, denn als es darum ging sich zwischen Strand- oder Erlebnisurlaub zu entscheiden, nahm Harry Erstes und ich Zweites. Als ich fragte, ob wir einen gemeinsamen Song hatten, da sah Harry mich an, als hätte ich einen Sonnenstich, denn wir hatten tatsächlich keinen.
„Ich kann mir nicht mal vorstellen, dass wir zusammen tanzen", meinte ich, was er anders sah: „Wieso nicht?
Ich spielte mit dem Kugelschreiber: „Wer sollte denn von uns führen?"
Harry sah das pragmatisch: „Du kannst gar nicht führen, also würde ich das übernehmen."
„Blödsinn", widersprach ich. „Natürlich kann ich das. Homecoming und so einen Mist."
Wir wandten uns der nächsten Frage zu und wieder einmal kamen wir auf keinen gemeinsamen Nenner. So war es in vielen Kategorien und am Ende rechnete ich die Punkte zusammen. „Okay, es ist offiziell, laut dieser Klatschzeitschrift sollten wir gut überlegen, ob wir nicht Zeit miteinander verschwendeten", las ich vor.
„Wie gut, dass das keine Zeitschrift entscheidet", murmelte Harry gelassen.
„Eure Unterschiede kommen euch am Anfang noch interessant und charmant vor", las ich weiter. „Aber für eine gesicherte Zukunft sind Gemeinsamkeiten wichtig und da es nicht gesund ist die eigenen Interessen für den Partner zu verbiegen - seid ehrlich zu euch. Kopf hoch, das Leben geht weiter und es sind genug Fische im Teich."
Da blieb es nur eines zu tun. Ab ins Feuer damit.
„Kluge Entscheidung", fand Harry und musterte mich: „Das mit dem Song wummt mich."
„Ach was solls", ich zuckte mit den Schultern. „So wichtig ist das auch nicht. Allgemein finde ich, dass es gerade wegen der Unterschiede bei uns nie langweilig wird. Wir werden also nie den peinlichen Partnerlook tragen."
„Und uns auch nie einigen, wo wir mal zusammen wohnen werden", warf Harry ein. Als ich ihn musterte, da wusste ich, dass er damit recht hatte. Ich liebte Berlin und das Zimmer in der WG, er wiederum liebte sein Haus in London und Los Angeles.
„Ist das nicht total egal?", wollte ich wissen. „Ich mag deine Häuser und du mein Loft ebenfalls. Wieso also irgendetwas davon verkaufen?"
Harry griff nach seiner Teetasse: „Niemand hat was von verkaufen gesagt. Wäre ja noch schöner. Ich finde, wir sollte nur vielleicht mal schauen, ob wir uns nicht etwas zusammen kaufen. Etwas, was wir beide von Anfang an gut finden."
„Wir müssten uns erst Mal auf ein Land einigen", überlegte ich. „Könnte schwierig werden, weil wir zu wenig Länder richtig kennen." Ich goss mir neuen Kaffee ein und dann schlich sich eine fixe Idee in mein Hirn. „Vielleicht sollten wir, wenn dieser ganze Mist vorbei ist und wir beide nicht arbeiten müssen, mal so drei Wochen verreisen."
„Von einem Land ins nächste, oder was?", Harry verstand nicht sofort, doch dann ging bei ihm ein Licht auf. „Ich will auf keinem Fall in Paris wohnen."
„Wegen dem, was passiert ist?", warf ich ein und er nickte: „Seit dem finde ich Paris nur noch hässlich."
Ich fühlte mich schlecht, aber damals war es mir richtig vorgekommen, möglichst schnell ein klärendes Gespräch mit Harry zu suchen. Dass es ausgerechnet in Paris zum Ende der Beziehung kam, die Ironie hatte ich damals nicht richtig begriffen. Trotzdem war es richtig gewesen diesen Schritt zu gehen.
Harry zog mich zu sich und obwohl die Couch definitiv zu schmal für ins war, so ließ ich mich sofort in seine feste Umarmung fallen. Seine Lippen glitten über meinen Hals und ich fühlte mich in seiner Umarmung sicher aufgehoben.
„Was ist los, Harry?", fragte ich und hob den Kopf, um ihn ansehen zu können. Nachdenklich schwieg er einen Moment, ehe er zugab: „Ich frage mich, ob wir dieses Jahr Weihnachten zusammen feiern. Es ist noch etwas hin, aber ich fände es schön, wenn wir das vielleicht schaffen könnten."
„Wenn du nicht in England bleiben möchtest, dann könnten wir auch Skifahren, in den Alpen, oder ich horche bei meinen Eltern, wenn sie nicht in der Südsee sind", schlug ich vor und plötzlich lachte Harry laut auf: „Ich glaube, dass deine Eltern sofort die Südsee absagen würden, als Tausch um mit dir Weihnachten zu feiern."
Ich verzog das Gesicht und dann erklärte Harry mir: „Deine Eltern bemühen sich sehr, schätze, das siehst du nicht so klar."
Das tat ich tatsächlich nicht und schluckte hart. Denn oft waren mir meine Eltern noch fremd. Ich wollte nicht mehr zu Hause übernachten, oder länger als vier Stunden dort bleiben. Zu viele Dinge erinnerten mich dort jene Zeit, als es nur mich alleine gab. Aaron zu besuchen hatte nichts geändert, ich hatte nur verstanden, dass ich keinen bestimmten Ort brauchte, um meinen Bruder nicht zu vergessen.
„Was ist mit deiner Familie? Denkst du nicht, dass sie sich bis Weihnachten wieder einbekommen haben?", ich konnte mir nicht vorstellen, dass diese freundliche Frau namens Anne ihn buchstäblich aus dem Stammbaum entfernen ließ. „Vielleicht solltest du deine Mutter anrufen."
„Nein", sprach Harry. „Etwas Abstand tut uns gut."
Mehr sagte er dazu nicht. Ich küsste sein Kinn und seine Mundwinkel hoben sich. Am liebsten hätte ich das selbst erledigt, aber ich würde mich nicht einmischen, so wie er es bei mir auch nicht getan hatte. Leicht strich ich über sein rechtes Grübchen und konnte erneut kaum fassen, dass er wahrhaftig hier war.
Durch den Sturm konnten wir nicht raus, er rüttelte heftig am Dach und einmal kam Mark vorbei, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung sei. So taten Harry und ich nichts anderes als zu gammeln, Zeit zu verschwenden – obwohl Zeit mit Harry nie wirklich verschwendet war – und ich lernte wieder neue Dinge an ihm.
Er telefonierte mit Niall, erkundigte sich bei Liam, was dessen Haus machte und erzählte mir von der Zeit, als One Direction den Anfang machte und wie unreal ihm es damals vorgekommen war. Es war spannend, auch wenn ich ganz ehrlich froh war, dass ich kein halbes Kind mehr gewesen war, als Carrie The Metropolis zusammenwürfelte.
Diesen Stress hätte ich mit 16 nicht ausgehalten, dafür war ich zu unreif. Zwar gab Harry zu, dass die Jungs und er unglaublich albern gewesen waren und viel Spaß hatten, aber ich hätte trotzdem nicht mit ihm tauschen wollen.
Ich nervte Harry später beim kochen, versuchte ihm reinzupuschen und musste dann jedoch zugeben, dass der Eintopf lecker war. Dazu frisches Brot und einen Dip, den ich nicht kannte. Da ich Spüldienst aufgebrummt bekam, hörte ich, dass Harry meine Musikdatein auf dem Laptop durchging.
„Was suchst du?", fragte ich ihn während ich den Topf abtrocknete. Er hatte nachdenklich die Stirn gerunzelt: „Als du meintest, wir hätten keinen Song und das es eben so ist, war's mir egal, aber irgendwie stört mich das wirklich."
„Jetzt werde nicht kitschig", lachte ich und er warf ein Sofakissen nach mir: „Du hast doch mit diesen komischen Fragen angefangen! Außerdem ist es nicht kitschig, es muss ja keine Ballade sein."
Schnell räumte ich das Geschirr weg: „So einen Song findet man doch eher spontan. Die meisten suchen danach nicht. Was ist mit Old time feeling?"
Harry klappte den Laptop zu und erklärte bestimmt: „Das ist mein Song, nicht unser. Ich weigere mich den zu teilen."
„Seit wann bist du so habgierig?", ich wollte ihn gerade ärgern, da kam Harry auf mich zu und hob mich hoch, ich schnappte nach Luft und spürte, wie seine Hand über meinen Rücken abwärts bis zu meinem Hintern glitt.
„Zeit schlafen zu gehen", beschloss er und ich lag über seiner Schulter, wie ein nasser Sack. In diesem Moment musste ich so laut lachen, dass Harry auf der Treppe fast stolperte. Im oberen Zimmer hörte ich die Fensterläden, die ab und an knarrten, aber bevor ich auch nur irgendwie reagieren konnte, da warf Harry mich buchstäblich aufs Bett. Ich fühlte mich dezent an Los Angeles erinnert.
„Wird das jetzt der Hinweis von dir, dass du Sex willst?", fragte ich dreist und beobachtete, wie Harry sich den Pullover über den Kopf zog. Er schmunzelte, doch dann antwortete er: „Ich bin nicht habgierig, aber was meins ist, bleibt meins. Und das schließt gewisse Sachen mit ein."
„Ich bin keine Sache, du paranoide Schissbuchse", empörte ich mich, was Harry nur noch mehr belustigte, denn er zog die dicken Socken von meinen Füßen: „Meine Paranoia hält sich im Moment wirklich in Grenzen."
„Die kommt wieder", behauptete ich. „Immerhin macht sie doch einen großen Teil deines Charmes aus."
Jetzt war es Harry, der lachte und mich zwang den Pullover auszuziehen: „Ach komm, mein gutes Aussehen ist auch ein Teil davon."
Ich hielt inne und brachte Harry schließlich unter mich, den Pullover warf ich beiseite und blickte auf ihn herunter: „Es wäre mir egal, wie du aussiehst."
„Spencer-"
„Nein wirklich!", sprach ich mit Nachdruck. „Ich mag deine Grübchen", gab ich zu und strich erneut mit den Daumen drüber. „Aber nur, weil es dann wirkt, als würdest du zweimal lächeln." Automatisch dachte ich an die Nacht, als ich ihn kennenlernte: „Wir sind uns zuerst begegnet, als du Zach warst, erinnerst du dich?"
„Ja, natürlich und an diesen bekloppten Höschen-Club", gab er zu. Ich musste breit grinsen: „Wenn wir je unseren Eltern erzählen müssen, wo wir uns kennengelernt haben, dann sollten wir das Höschen weglassen und nur Club sagen."
„Definitiv", stimmte mir Harry zu. Seine Brust hob und senkte sich, dann sprach er: „Ich wollte nicht sagen, dass du oberflächlich bist."
„Ach, was, ein bisschen schon", gab ich zu. „Aber wenn mich nur dein Aussehen anmachen würde, dann hätte sich das schnell erledigt gehabt." Mich zog etwas anderes an. Mattheo bezeichnete es als bestimmte Art Typen, aber ich konnte kein Muster entdecken.
Ich beugte mich zu ihm herunter und küsste ihn. Harrys Finger strichen in meinen Nacken, das Haar und malten schließlich kleine Kreise auf meinen nackten Rücken. Sein Atem prallte an meiner Wange ab und jedes Bisschen Zärtlichkeit saugte ich wie ein Schwamm auf.
Meine Lippen glitten über Harrys Hals, ich saugte an der empfindlichen Haut und er seufzte. Mochte sein, dass der Stalker eine unbequeme Sache war, aber durch dieses Pech verschaffte er mir zumindest eine Zeitspanne, die ich mit Harry alleine sein konnte.
Das war Luxus und Luxus sollte man genießen, so lange man noch konnte.
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