56 ♫ When I couldn't see
Thank you for loving me
For being my eyes
When I couldn't see
For parting my lips
When I couldn't breathe
Thank you for loving me
[ Bon Jovi ]
HARRY ║ Nervös stand ich am Abend neben Spencer. Die Herbstluft war kalt und Preston lieferte uns ab. Er würde mit Mark seine Runde im Wagen absitzen und ich hatte nicht die Spur Mitleid.
Wir warteten vor einem Südstaaten-Herrenhaus und ich nestelte mit der freien Hand am obersten Knopf meines schwarzen Hemdes. Die andere Hand hielt den Blumenstrauß aus Gerberas und gerade kam ich mir unglaublich albern vor.
Optisch bildeten Spencer und ich einen heftigen Kontrast. Ich wirkte elegant, während er in Jeans und der dünnen Lederjacke etwas arg nach Freizeit aussah. Seine langen Finger legten sich auf meine Hand und er sorgte so dafür, dass ich innehielt.
„Hör auf dich zu zuknöpfen, Harry", sprach er ruhig. „Bleib wie du bist, das ist schon okay so."
Da war ich mir nicht so sicher, immerhin zählte der erste Eindruck.
Leicht beugte sich Spencer vor: „Außerdem mag ich was du anhast. Damit könnte ich mich später beschäftigen."
Prompt musste ich schmunzeln: „Dir gefällt eh mein kompletter Schrank."
„Nein, dass nicht, aber ich mag es, wie du die Dinge trägst", korrigierte er mich, sein Grinsen wurde breiter. „Wegen heute Abend, es ist egal was meine Eltern denken. Mir ist es egal. Wichtig ist nur, dass sie dich kennen und von dir wissen."
Ich sah ihm an, dass er es ernst meinte und atmete tief durch als Spencer die Klingel betätigte. Er sprach: „Wird der Abend eine Katastrophe, dann mache ich es wieder gut."
„Also gehst du schon davon aus, dass es ein Fiasko wird?", horchte ich, aber bevor er antworten konnte, da wurde die Tür bereits geöffnet.
Eine blonde, kleine, schmale Frau sah uns an. Lachfältchen legten sich um ihre hellen grauen Augen, sie strich sich über die konservative schwarze Hose und lächelte zu uns auf: „Überpünktlich die Herren."
Dann machte sie einen Schritt auf Spencer zu und umarmte ihn herzlich. Sie drückte ihm einen Kuss je links und rechts auf die Wange, entfernte die Lippenstiftspuren peinlich berührt. „Kommt rein, kommt rein, das Essen braucht noch ein paar Minuten."
Ihr blick fiel auf mich und ich räusperte mich: „Danke für die Einladung, Mrs Jones." Ich hielt ihr die Blumen entgegen und sie nahm sie automatisch an. Etwas in ihrem Gesichtsausdruck veränderte sich. Die grauen Augen studierten mich, scannten mich nahezu ab. „Danke für die Blumen...?"
„Ich bin Harry", stellte ich mich knapp vor und ihre Mundwinkel zuckten: „Natürlich, Harry. Sie sind ebenfalls Musiker?" Die Tatsache, dass sie nicht sagte: Ein Teil von One Direction - zeigte ihre Skepsis.
„Ja", gab ich knapp zu. Mehr schien sie nicht wissen zu wollen, denn sie nickte nur und wandte sich schwungvoll wieder um. Sie gab mir keinen Wink, wie ich sie jetzt nennen sollte und so würde ich wohl bei Mrs Jones bleiben müssen.
„Hängt die Jacken auf, ich stelle eben die Blumen in die Vase. Dein Vater ist im Wohnzimmer und versucht sich am geöffneten Fenster eine Zigarette anzuzünden", teilte Mrs Jones eher Spencer mit, statt uns.
Wir betraten das Herrenhaus und ich sah mich um, als ich Spencer das Jackett reichte. Die Treppe nach oben war wuchtig, an der Wand hingen zahlreiche Bilder und direkt im Flur stand mitten im Raum ein runder, kleiner Tisch mit einem großen Blumengesteck.
Spencer führte mich nach links durch einen Salon und ich murmelte: „Ich hätte es wissen müssen. Du kommst aus einer neureichen Familie."
„Habe ich doch gesagt", sprach er schmunzelnd und öffnete eine schwere Holztür, die uns ins eigentliche Wohnzimmer brachte. Verblüfft sah ich einen großen, dunkelhaarigen Mann mit grauen Schläfen am gekippten Fenster stehen und eine Zigarette rauchen. Er sah aus, wie aus einer Werbung aus den 60er Jahren für Marlboro.
„Meine Mutter ist eine Anwältin, wie ein Blutspurhund, sie riecht jeden Braten", flüsterte Spencer mir zu, dann erhob er seine Stimme: „Du weißt schon, dass Mom ebenfalls weiß, was du hier tust?"
Sein Vater fuhr erschrocken herum und warf die Zigarette aus dem Fenster. Erleichtert atmete er aus, als er Spencer erkannte und wedelte mit der Hand in der Luft herum: „Willst du, dass mir das Herz stehen bleibt?"
Schnell schloss er das Fenster und begrüßte Spencer mit einer leichten Umarmung, dann reichte er mir die Hand: „Freut mich, dass du Besuch mitgebracht hast. Ich bin Bram."
„Harry", sprach ich und nahm die Hand an, sein Griff war fest und sein Lächeln einnehmend. Bram wirkte offener, nicht ganz so kühl. Trotzdem fiel mir auf, dass ich diese distanzierte Freundlichkeit kannte, nämlich von Spencer selbst. Aktuell bekam ich eine ziemlich gute Ahnung davon, wie Spencer mit 50 aussehen würde. Pierce Brosnan war definitiv eine nette Vorlage.
„Ist das erste Mal, das Spencer jemanden mitbringt", gab Bram zu und sah seinen Sohn an. „Ich hätte eigentlich damit gerechnet, dass wir zuerst den Rest der Band kennenlernen."
„Ja, aber im Moment ist es etwas ungünstig", meinte Spencer leichthin und ließ mich so wissen, dass er seinen Eltern nicht erzählte, wieso er überhaupt in Nashville war. Er wechselte das Thema: „Was gibt es zu essen?"
„Der Hölle sei Dank keine Experimente", sagte Bram und zog aus seiner Hosentasche ein kleines Spray, mit dem er sich einlullte. „Sie wusste nicht wen du mitbringst und wollte für alles gewappnet sein. Vor deinem Kumpel wollte sie nicht uncool wirken und vor deiner Freundin nicht wie eine Proletarierin."
In diesem Augenblick beobachtete ich, wie Spencer und sein Vater zeitgleich mit den Augen rollten und ich musste prompt grinsen. Wir wurden ins Esszimmer gebeten und ich als mir Bram einen Drink anbot, da ließ ich den Blick schweifen. Die Fenster waren Bogenförmig und man konnte hinaus in den großen Garten sehen.
Die Einrichtung dieses Hauses war perfekt, an jeder Ecke, und dabei schaffte es das Haus trotzdem einladend zu wirken. Elegant, geschmackvoll und heimisch. Der große Eichentisch war schwer beladen mit zahlreichen Platten auf denen Schweinefleisch, Hähnchen, Garnelen, Bohnen, Reis, Tomaten, Avocado und Käse zur Auswahl lagen.
Als ich genauer hinsah, entdeckte ich noch saure Sahne, Guacamole, Salsa und Pico de gallo. Die Tortillas rochen warm und mir lief das Wasser im Mund zusammen, als mir die bereits gefüllten Tacos ins Auge fielen.
„Ein Bud, Harry?", fragte Bram und mein Blick schweifte zu Spencer, denn ich wusste, dass seine Mutter ein Alkoholproblem hatte. Spencer zuckte mit den Schultern: „Es ist allerdings alkoholfrei."
„Oh, ich vergaß, ja", schob Bram hinterher. „Alles hier ist ohne Alkohol, aber wir haben auch noch Root Beer, Dr Pepper und Eistee. Der ist allerdings so süß, dass dir die Zähne zusammenkleben."
Ich ließ mich gegenüber von Spencer nieder und sah, wie er sich ein Glas eingoss und konnte mir denken, wieso der Eistee nahezu nur aus Zucker bestand.
„Dr Pepper ist super", meinte ich und nahm Bram das Glas aus der Hand. Mrs Jones schob noch ein paar Schüsseln zurecht und lächelte: „Ich bin sehr froh, dass es ein entspannter Abend wird", sie atmete hörbar aus. „Guten Appetit. Jeder kann sich seine Tortilla selbst füllen, Achtung, die Tacos sind scharf. Lasst etwas Platz für das Dessert, Männer."
Ihre Stimmung schien gut zu sein und während Bram und ich nach den ersten Schüsseln griffen und ich tief den Duft des Essens einatmete, da fragte Spencer: „Wieso bist du davon ausgegangen, dass der Abend anstrengend wird, Mom?"
Sie lachte losgelöst und verriet: „Hättest du deine Freundin mitgebracht, dann hätte ich mir den Rest des Abends Gedanken darübergemacht, wann ich welches Bein übereinanderschlagen muss, damit sie eingeschüchtert von mir ist. Und ich müsste ständig ernst gucken."
„Nichts gegen Sie, Harry", schob Bram gelassen hinterher. „Lauren guckt auch ohne Grund ernst. Das ist nur ihr Anwalt-Gesicht, dass sie nach der Arbeit nicht ablegen kann."
„Ich habe kein Anwalt-Gesicht!", rügte sie ihn, doch ihre Mundwinkel blieben zum angenehmen Lächeln gezogen.
Na ja... noch.
„Ist ja nun gleichgültig", Mrs Jones wedelte mit der Hand und fragte mich: „Können Sie mir das Huhn reichen?" Kaum hatte sie die besagte Schüssel in der Hand, da wollte sie wissen: „Sie kommen aus England, Harry? Ihr Akzent ist charmant."
Bevor ich antworten konnte, schob Bram direkt die nächste Frage hinterher: „Was treibt Sie nach Nashville? Ich dachte Ihre Musikrichtung gehört nicht unbedingt zum Country?"
„Richtig, England, Holmes Chapel ist ein ziemlich kleines Städtchen", antwortete ich zuerst Mrs Jones, dann wandte ich mich Bram zu. „Ich bin nicht in Nashville, um Musik zu machen. One Direction macht zurzeit Urlaub."
Lauren musterte mich nun achtsam, verlor allerdings ihre Neugier nicht: „Und wie lange soll der Urlaub gehen, wissen Sie das schon?"
Ich fand die Frage merkwürdig und gab zu: „Nein, wir finden uns wieder zusammen, wenn es so weit ist. Im Moment eilt es nicht."
Über Niall würde ich nichts verraten und ich war froh, dass Mrs Jones keine Details wollte. Das Essen wurde entspannter, denn Bram fragte Spencer, ob er sich von mir wegen der Tattoos anstecken gelassen hatte.
Das Hin und Her gab mir die Möglichkeit alle drei zu beobachten. Man sah deutlich, dass Spencers Eltern sich Mühe gaben und ich begriff, dass Spencer seinen direkten Humor von seiner Mutter hatte, genauso wie die hellen grauen Augen. Sie waren mir schon beim ersten Treffen aufgefallen.
Die selbstgemachten Burritos waren unglaublich lecker, mir blieben die Garnelen jedoch fast im Hals stecken, als Mrs Jones Spencer fragte: „Ich weiß nicht, wie lange du schon wieder hier bist, Spence, aber hast du Aaron mittlerweile besucht?"
„Ja", gab er zu meiner Verblüffung zu. Hatte er den Friedhof aufgesucht, als ich mit Mark einkaufen war? Eine andere Zeitspanne blieb ihm da nicht.
„Heute Morgen war ich dort und ich habe die Rehe auf dem Friedhof gesehen. Juckt es dir nicht in den Fingern, Dad?", erzählte Spencer und drehte das Glas Eistee in seinen Händen. Seine abwehrende Haltung machte deutlich, dass er über diese Zeit auf dem Friedhof nicht sprechen wollte.
„Du meinst, das Vieh zu jagen? Oh ja! Schade, dass Aaron und du ein bisschen zu sehr mit Mutter Natur per Du wart. Wie sieht es bei Ihnen aus, Harry, kann man Sie mit auf die Jagd nehmen?", wandte sich Bram mir zu.
Ich nickte knapp: „Ich weiß, wie man schießt und mag es morgens durch den Wald zu streifen, aber ich halte nichts davon nur zum Vergnügen zu jagen. Um die Population im Blick zu behalten ist es in Ordnung."
„Aus der Nummer kommst du nie wieder raus", hielt Spencer mir vor. „Jedes Mal, wenn wir nun hier sind, wirst du deinen Wecker auf halb drei stellen müssen."
„Oder ich gehe gar nicht erst ins Bett und mache die Nacht durch", überlegte ich praktisch und erwiderte Spencers Lächeln.
In diesem Augenblick wurde ich live und in Farbe Zeuge davon, wie gewitzt Spencers Mutter wirklich war. Sie kombinierte wie Sherlock Holmes in seiner besten Zeit. Ich hatte es immer für eine Übertreibung gehalten, doch ich irrte schwer. Sie lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und ihr Gesichtsausdruck wurde sehr geschäftlich, fast schon lauernd.
„Also dürfen wir davon ausgehen, dass du uns mit Harry noch öfters besuchst?", die Stimme von Mrs Jones war täuschend freundlich, während Bram völlig gelassen seinen nächsten Burrito belegte. Wahrscheinlich war er die Szene bereits gewöhnt.
Spencer verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln, er schien sich völlig für das Verhör gewappnet zu haben: „Wenn unsere Kalender es zulassen, dann bestimmt. Ach komm, Mom, das kann doch nicht so überraschend für dich kommen. Ich weiß, dass du fast alle Interviews von The Metropolis aufgenommen hast. Es ist nichts Neues, dass ich-"
„Flexibel bist?", warf Bram ein. „Ja, Lauren und ich haben viele unerträgliche Nächte über die Definition gesprochen. Du hättest deine ruhig erläutern können."
Mrs Jones schien mich mit ihrem Blick zu durchbohren und Spencer bemerkte es, also schnippte er mit dem Finger, da er die Aufmerksamkeit seiner Mutter wiederhaben wollte.
„Pack die Waffen wieder ein, Mom. Wenn du anfängst Harry zu verhören, dann gehen wir. Scheiß auf die Burritos!", warnte er sie.
Darüber schien Mrs Jones den Bruchteil einer Sekunde drüber nachzudenken, dann rügte sie ihn: „Achte auf deine Wortwahl, und drei Fragen wirst du mir ja wohl kaum verwehren."
Drei Fragen?
Was bezweckte sie damit?
Statt weiter auf Spencer zu achten, sah sie mich erneut an, lächelte eiskalt und wollte wissen: „Wie lange seid ihr schon... sagen wir, zusammen flexibel?"
Mein Hals war furchtbar trocken, doch ich traute mich nicht unter ihren strengen Blick nach meinem Glas zu greifen. „Ähm... fast drei Jahre, oder?", wollte ich Spencer mit einbeziehen, aber das schien für Mrs Jones nicht wichtig zu sein. Denn als Spencer zustimmen wollte, da hob sie nur die Hand und brachte ihn zum Schweigen.
Völlig aus dem Zusammenhang stellte Mrs Jones ihre nächste Frage und ich bekam eine vage Vorstellung davon, wie sie im Gericht war. Auf der Gegenseite oder auf dem Vernehmungsstuhl wurde es gerade sehr, sehr angespannt und ungemütlich.
Was, wenn sie etwas wissen wollte, das mich in Teufels Küche brachte?
Diese Frau machte mich nervös seit ich über die Türschwelle ihres Hauses getreten war. Aber vielleicht lag das auch eher daran, dass sie mich mit diesem überheblich wissenden Verhalten an meine eigene Mutter erinnerte, die es so schaffte, dass ich in Sekundentakt einknickte.
„Wie sehen Ihre politischen Ansichten aus?", kein Muskel regte sich in Mrs Jones' Gesicht. Meinte sie das ernst?
Spencer stöhnte auf und raufte sich die Haare. Bram dagegen meinte: „Das ist wichtig, wir sind Demokraten und wenn dein Freund die britische Konservative und Unionistische Partei wählt, dann müssen wir das wissen."
Ich reagierte nicht sofort, zu sehr verwirrte mich der Richtungswechsel. „Es heißt Wahlgeheimnis, also mache ich davon Gebrauch."
Mrs Jones schnalzte mit der Zunge und Bram rieb sich das Kinn, dann seufzte er: „Das heißt, es ist nichts verloren. Man kann Ungläubige bekehren."
„Das klingt als wäre Harry ein Zeuge Jehovas!", empörte sich Spencer. „Und wenn er Konservativ wählt, was soll's. Ist ja nicht so als würde er mit dem Parteiflyer von Tür zu Tür ziehen. Außerdem ist es britische Politik, keine Amerikanisch."
Ich war definitiv in einem schrägen Haus gelandet, aber es erklärte Spencers seltsamen Humor und gewisse Ansichten. Politik schien in dieser Familie ein sehr wichtiges Thema zu sein. Genauso wie Jagen - Tiere und Menschen gleichwohl.
„Was ist die dritte Frage?", nahm ich den Faden möglichst gelassen wieder auf und vermied es Spencer anzusehen.
Mrs Jones beugte sich vor, ihre Haltung änderte sich: „Mögen Sie Apple Pie mit Karamell?"
Ich antwortete nicht und blinzelte. Just in diesem Augenblick ging zum ersten Mal an diesem Abend ein ehrliches Lächeln über ihr Gesicht: „Ich habe nur einen Nachtisch, ansonsten werde ich einen bestellen müssen."
„Ehrlich gesagt habe ich noch nicht Apple Pie mit Karamell gegessen", gab ich zu und die Gesprächsthemen drehten sich in eine andere Richtung. Es ging um alte Filme, neue aufstrebende Senatoren, die Bram im Blick hatte und um einen gemeinsamen Urlaub, den Spencers Eltern planten.
„Ko Pha-ngan soll reizend sein", schwärmte Mrs Jones und Spencer verzog skeptisch das Gesicht: „Ich dachte, du hast nichts übrig für thailändischen Klimbim?"
„Das war, bevor wir auf Havelock Island waren", gab Bram zu. „Liegt zwar eher in der Nähe von Indien, aber Lauren hat Inselluft geschnuppert."
Sie grinste: „Im Sommer möchten wir die schottischen Inseln besuchen. Die Luft tut uns beiden gut."
Bevor es zum Nachtisch ging, wurde der Tisch abgeräumt. Mrs Jones bat Spencer ihr zu helfen und nickte Richtung Küche, gleichzeitig fragte Bram, ob ich die Terrasse schon gesehen hätte.
Natürlich nicht, wie auch. Es war ein ganz dreister Wink, dass ich mitzukommen hätte. Da Spencer sich einfach Platten schnappte, da folgte ich Bram nach draußen. Er führte mich in eine kleine Sitznische, warf einen Blick zurück und zündete sich erneut eine Zigarette an. Dann holte er hinter einem Blumenkübel einen Aschenbecher hervor.
„Verzeihen Sie das kleine Verhör, Harry", sprach er, nachdem er tief das Nikotin eingeatmet hatte. Er bot mir eine an, aber ich wehrte ab. Stattdessen sah ich über den erhellten Garten und ließ die Hände in den Hosentaschen: „Geht das Verhör nun weiter?"
„Ja, in der Küche. Gut für Sie", lachte Bram und brachte mich zum Schmunzeln. „Lauren mag es nicht, wenn unvorhergesehene Dinge passieren und Spencer weiß das. Also hat er es verdient."
„Ich dachte, er hätte ein paar Details mehr verraten", gab ich zu.
Bram blickte mich an: „Oh nein, denken Sie nicht, wir sind wütend darüber. Es kam nur überraschend und es würde mich interessieren, wie Sie es drei Jahre lang geschafft haben, dass niemand etwas davon mitbekommt. Ich dachte immer solche Dinge kommen sehr schnell raus."
Da hatte er nicht unrecht. „Wir waren vorsichtig und haben uns nicht oft getroffen", im Endeffekt konnte man die Treffen abzählen. Tragisch.
„Jedenfalls, umso schöner, dass Spencer Sie heute mitgebracht hat. Ich nehme das mit der Jagd übrigens ernst und der Wecker geht früh", drohte er mir und erzählte von dem Waldabschnitt in dem die Jagd zu bestimmten Zeiten erlaubt war. Bram wollte wissen, ob ich Wild auch aß und einen Waffenschein hatte.
Im Endeffekt war es die Gegenwart von Bram angenehmer, als die von Mrs Jones. Ihr Apple Pie war trotzdem lecker und Spencer schien mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein. Seine Laune war jedoch dieselbe. Nun wurde ich aufgefordert von den Ländern zu berichten, in denen ich schon war und welche mir gut gefielen.
„Harry ist Los Angeles – Verliebt", ärgerte Spencer mich und ich wehrte mich: „Und du Berlinophil."
Ehrlich gesagt war es schwierig einen Favoriten zu finden, es gab zu viele schöne Orte auf der Welt. Lediglich Osteuropa war für mich noch ziemlich Neuland.
„Wann können wir den nächsten Besuch erwarten?", fragte Mrs Jones, als Spencer durchblicken ließ, dass wir langsam gehen mussten. Preston und Mark saßen immerhin schon lange im Wagen.
„Ich weiß es nicht", gab Spencer zu. „Vielleicht Dezember?"
Ich nickte: „Könnte hinkommen."
Bram reichte uns im Flur die Jacken und zu meiner Überraschung sprach Mrs Jones: „Ich würde mich freuen, wenn wir beim nächsten Essen etwas mehr Zeit haben, Harry. Dann könnten Sie so viel mehr erzählen."
„Als wenn Google dir nicht alles erzählt, was du wissen willst", behauptete Spencer, während Mrs Jones zum Abschied meine Hand drückte. Dann widmete sie sich ihrem Sohn und umarmte ihn herzlich. Bram dagegen raunte mir zu: „Denken Sie an Ihre Jagdausrüstung."
Wir traten nach draußen in die kalte Herbstluft und das Licht im Wagen ging an. Kaum ließ ich die Schwelle des Hauses hinter mir, da fühlte ich mich befreit und wie nach einer schweren Prüfung.
Da Nieselregen einbrach, beeilten wir uns und Preston grüßte: „Habt ihr uns nicht einmal Reste zum Essen mitgebracht?"
„Nein, weil es keine Reste gab", behauptete Spencer, aber er reichte Mark schließlich die Tüte mit Apple Pie. Wir brauchten nicht allzu lange nach Carrie und oben in der Wohnung atmete ich endlich frei durch. Es tat gut sich aus den Klamotten zu schälen, die Schuhe in die Ecke zu werfen und die Jacke hinterher.
Kaum hatte ich das getan, wurde ich auch schon von hinten umarmt und Richtung Bett gedrängt. „Siehst du", sprach Spencer. „Du bist nicht gefressen worden und hast sich super geschlagen. So gelassen, wie der Pate in seiner besten Zeit."
Ich stieß mit den Ellenbogen gegen seinen Bauch und hörte ihn lachen. „Für drei Minuten dachte ich, sie grillt mich draußen."
„Quatsch", hielt Spencer dagegen und presste seine Lippen hinter mein Ohr. „Ich mache die ungemütliche Zeit wieder gut."
Sein Raunen verpasste mir eine Gänsehaut und Sekunden später wurde ich aufs Bett geschupst. Spencer beugte sich über mich und ich konnte es kaum erwarten ihn endlich zu küssen. Er saß auf meiner Hüfte und schien das zu genießen.
„Danke, dass du nicht schreiend abgehauen bist", sprach er und ich sah zu ihm hoch: „Wieso auch, ein bisschen war es, als würde ich deine Eltern schon kennen."
Irritiert verzog Spencer das Gesicht und ich erklärte: „Du bist im Verhalten deiner Eltern sehr ähnlich, das hat es etwas leichter gemacht sie einzuschätzen. Und außerdem-!" In einem Ruck brachte ich Spencer unter mich: „-frage ich mich eher, ob sie es wirklich gut aufgenommen haben."
„Denke schon", gab er zu. „Meine Mom hat in der Küche jedenfalls keine Szene gemacht."
„Was wollte sie dann?", ich ließ zu, dass Spencer bereits an meinem Hemd nestelte, er grinste: „Sie wollte nur wissen, ob du ein guter Kerl bist und natürlich habe ich ihr auf die Nase gebunden, dass du nur so tust und in Wirklichkeit ein Arsch bist."
„Das glaubst du ja wohl selbst nicht", spottete ich, sonst wäre ich sicher am Apple Pie erstickt. Statt direkt zurückzuschlagen, schwieg Spencer und sah mich lediglich an. Dann griff er zum Kragen meines Hemdes und zog mich zu sich runter.
Seine Lippen trafen meine und prompt machte er das Verhör wieder gut. Das Essen mit Spencers Eltern war überraschend geimpft verlaufen, aber er hatte auch den eindeutigen Vorteil auf seiner Seite gehabt, dass seine Eltern wussten, was ihm seine Flexibilität bedeutete. Indirekt waren sie vorberietet, immerhin hatte Bram verraten, dass er und Mrs Jones darüber schon gesprochen hatten.
Meine Familie dagegen ahnte rein gar nichts.
Es würde anders laufen und der Gedanke verursachte mir Magenschmerzen. Deshalb verdrängte ich dieses Übel und warf mich mit aller Konzentration in das Hier und Jetzt.
Spencer schnappte nach Luft und ich ließ meine Lippen von seiner Wange, über sein Kinn, bis zum Hals wandern. Sein Keuchen war wie Musik und dann sagte er etwas, was mich an Los Angeles erinnerte und an New York.
„Hab' keine Angst, Harry."
Ich bekam das Gefühl, er wusste genau, woran ich gedacht hatte. Also verschränkte ich unsere Finger miteinander und prompt fühlte ich mich ruhiger, sicherer und rief mir in Erinnerung, dass ich die Wahrheit meiner Familie nicht alleine sagen musste.
Es wurde wahrlich Zeit es ihnen endlich zu sagen.
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