47 ♫ Begin again
https://youtu.be/5ASZhKMgzmE
I want one moment in time
When I'm more than I thought I could be
When all of my dreams are a heart beat away
And the answers are all up to me
[ Whitney Houston ]
SPENCER ║ „... es tut mir leid."
„PS: Pass auf dich auf."
„... manchmal wünschte ich..."
„PS: Pass auf dich auf."
„Bin so stolz auf dich und hoffe..."
„PS: Pass auf dich auf."
„Wenn du möchtest, dann..."
„PS: Pass auf dich auf."
„... nicht deine Schuld, meine..."
„PS: Pass auf dich auf."
„... jeden Tag denke ich einmal..."
„PS: Pass auf dich auf."
„... vergeht keine Stunde, in der ich nicht..."
„PS: Pass auf dich auf."
„In Liebe Mom."
„PS: Pass auf dich auf."
Langsam ließ ich den letzten Brief sinken und atmete tief durch. Mit den Daumen strich ich über ihre Schlussworte.
Ich konnte mich daran erinnern, dass sie mir jeden Morgen, wenn ich zum Schulbus aufbrach nach rief: „Pass auf dich auf."
Meistens antwortete ich mit einem genervten: „Jahaa" und dachte nicht weiter darüber nach.
Eigentlich hatte ich geahnt, was sie mir schreiben würde, doch das war dumm. Meine Mom entschuldigte sich bei mir, sie schrieb, dass es ihr leid tat und jeden Tag bereute, an dem sie nicht für mich da war.
Dass der Alkohol und die Tabletten mir meine Mutter genommen hatten, das wusste ich. Aber ich hatte nie gesehen, wie sehr sie sich eigentlich selbst die Schuld daran gab, was Aaron und mir passiert war.
Im Grunde vermisste sie meinen Bruder genauso sehr wie ich, nur, dass ihr Schmerz mit der Zeit nicht aufhörte, sondern nur noch schlimmer wurde.
Die Geige war ihr letztes Geschenk, sie würde mich nicht noch einmal belästigen. Ich war ihr dankbar und komischer Weise traurig zugleich. Sie schrieb, dass sie Berlin nun vor Tagen verlassen hätte und hoffte, dass ich ihre Entschuldigung irgendwann annahm.
Wenn ich wollte, dann könnte ich Aarons Sachen haben, allerdings bat meine Mom darum, dass ich seine Gitarre in Nashville ließ. Damit sie ab und an, wenn sie ihn besonders vermisste, auf ihr spielen konnte.
In diesem Moment wünschte ich, Aaron wäre einfach wieder da, oder ich hätte mehr Wert auf die Gegenwart meines Bruders gelegt, ihn mehr zu schätzen gewusst als er noch da war.
Aber stattdessen war ich als Kind ständig sauer auf ihn, wenn er etwas mit seinen Freunden alleine unternahm, mich nicht in sein Zimmer ließ, oder mich mit dummen Sprüchen ärgerte.
Für fünf Minuten mit ihm würde ich wohl alles geben und es war tröstlich zu wissen, dass es meinen Eltern ganz genauso ging.
Tief atmete ich durch und verstaute die Briefe wieder. Ich hatte die halbe Nacht nicht schlafen können und machte mich nun daran Frühstück zu machen. Harrys Handy lag auf dem Küchentisch und ich sah, dass Louis zweimal angerufen hatte und eine Nachricht schrieb.
Ich dachte an Niall, der Typ, der so scheiße mit Mara umgegangen war und das One Direction die Zwangspause hatte, so wie The Metropolis wegen mir. Ein Drogenentzug war eine ernste Sache und ich war mir sicher, dass Louis nicht umsonst mehrmals anrief.
Die Kaffeemaschine ratterte, zischte und zermahlte. Ich suchte im Kühlschrank alles zusammen, nahm die Eier heraus und kramte nach einer Pfanne. Harry schlief noch, aber ich konnte ja das Nötigste schon vorbereiten, bevor ich ihn aus dem Bett zerrte.
Gerade, als ich Toast in den Toaster stecken wollte, da klingelte es. Verwirrt schritt ich zur Tür und nutze die Gegensprechanlage. Kurz darauf ließ ich den Besucher rein.
DB. Parker betrat mein Loft mit der typischen Eleganz. Er trug einen dunkelblauen Anzug, dadrüber einen schlichten Mantel und schob sich die große Brille mit den Zeigefinger auf die Nase. Der ältere Herr verzog keine Miene, als er mich sah, sondern sprach lediglich: „Guten Morgen, Spencer."
„Kaffee?", fragte ich und er nickte: „Gerne." Dann schritt er durch mein Loft, ohne, dass ich ihn auffordern musste. Parker ging direkt ins Wohnzimmer, zog den Mantel aus und legte ihn über die Lehne der Couch.
Ich kehrte mit zwei dampfenden Tassen zu ihm zurück und bemerkte, dass er den Blick schweifen ließ: „Nett hast du es hier."
„Fehlt noch einiges, aber zumindest ist es nicht mehr leer", ich reichte ihm die Tasse und setzte mich auf einen dicken Hocker. „Wieso bist du hier?"
Einen Moment schwieg Parker, nippte an seinem Kaffee und schien darüber nachzudenken, wie er es anfangen sollte. Dann zog er einen dicken Briefumschlag aus seiner Anzugsjacke und legte ihn auf den Wohnzimmertisch.
„Was ist das?", wollte ich wissen und er erklärte: „Dein Ausgang, wenn du es möchtest." Tief seufzte er: „Ich habe mit den Anderen geredet, Alex, Mara, Fenton und Mattheo. Wir haben gestern sehr, sehr lange zusammen gesessen und sind zu dem Schluss gekommen, dass... sie an erster Stelle Freunde, statt Kollegen sind."
Ich war verwirrt. „Was heißt das?"
„Dass sie verstehen, wenn du nicht zurückkommst", führte er aus. Er holte schwer Luft: „Ich habe lange genug Bands begleitet und Musiker nach oben gebracht. Und wenn ich eines gelernt habe, dann, dass es nichts bringt sie voranzutreiben, wenn sie innerlich kaum einen Schritt vor den Nächsten setzten können."
Ich öffnete den Brief und erkannte, dass der Vertrag mit The Metropolis unter besonderen Umständen gelöst werden konnte. Es würde mich eine Stange Kohle kosten, aber das konnte mir eigentlich egal sein.
„Die meisten Künster sind tot", sprach Parker, „haben den Druck nicht ausgehalten und sich in einen Sumpf aus Drogen und Alkohol verloren."
Unsere Blicke trafen sich und er lächelte schmal: „Ich weiß nicht, was du willst, Spencer. Aber ich kann die Pause nicht unbegrenzt ausdehnen. Dann springen Sponsoren und Werbeträger ab und mein Unternehmen nimmt erheblichen Schaden. Zwei Monate kann ich dir noch geben und dann musst du dich entscheiden."
Der Brief in meinen Händen wog schwer.
„Willst du zu The Metropolis zurück oder ist das, was du erlebt hast, dir genug?", fragte er.
Ich setzte mich nun auf den Boden, formte die Beine zum Schneidersitz und sah noch einmal auf die schwarzen Zeilen.
„Ich habe das Ganze gemacht, wegen-", begann ich, doch Parker unterbrach mich: „Wegen Aaron, ich weiß." Seine Finger verknoteten sich miteinander. „Was Aaron nicht konnte, das hast du in die Tat umgesetzt. Und ich muss dir gratulieren, niemand hätte den Traum deines Bruders besser umsetzen können, als du."
Ein bitterer Geschmack breitete sich auf meiner Zunge aus.
„Aber das, was du mit The Metropolis erreicht hast, das ist ein Teil deiner Arbeit. Nicht Aarons. Die Menschen kennen dich, sie kommen wegen euch zu den Konzerten, kaufen eure Musik und lassen sich von der Begeisterung anstecken, die ihr verbreitet", sprach Parker.
Er tippte auf den Brief: „Die Anderen halten sich daran, dass ihr gemeinsam angefangen habt und auch zusammen aufhört, aber ich schätze darum geht es nicht wirklich."
Das Lächeln auf seinen Lippen veränderte sich und dann erwischte er mich eiskalt: „Du bist kein Ersatz, Spencer. Carrie hat mir damals nicht das Demo-Band geschickt, weil sie glaubte, du würdest Aaron stark ähneln. Natürlich, eure Stimmen sind verwandt, aber dein Volumen ist ganz anders. Es wäre eine Verschwendung gewesen, dich nicht weiter im Auge zu behalten."
Parker trank seinen Kaffee und ich legte den Brief zur Seite, dann fragte ich: „Ich kann nicht glauben, dass die anderen einfach zustimmen würden, dass alles endet."
„Wieso überrascht dich das?", wollte Parker wissen und ich zuckte mit den Schultern: „Sie lieben es auf Reise zu sein, auf der Bühne zu spielen, all das. Dieses ganze Leben."
Vor jedem Konzert sah ich Fenton, wie er die Finger vor Begeisterung aneinander rieb. Alex schmerzte oft das Bein, aber wenn er mit den anderen spielte, dann schien er diesen Schmerz zu vergessen.
Mara blühte in der Truppe auf, egal wie sehr sie sich über uns beschwerte. Ich sah ihr an, wie glücklich sie war, ihre eigenen Songs zu hören. Für sie war The Metropolis die absolute Chance gewesen.
Genauso, wie für Mattheo. Der Erfolg hatte ihn Finja gekostet, aber ich glaubte, dass es ihm irgendwie das Beziehungsaus wert war. Er sorgte für seine Familie und konnte von seiner anderen Liebe, der Musik, leben.
Und dann war da ich.
„Die anderen lieben die Musik vielleicht mehr als du", schlussfolgerte Parker direkt, „sie haben durch euren Zusammenschluss enorm gewonnen."
Das war richtig.
„Aber das hast du auch."
Ich sah Parker an und sein Lächeln wurde noch eine Spur breiter, er stellte die leere Tasse ab und griff nach seinem Mantel. Meine verwirrte Miene schien ihn zu amüsieren: „Du verstehst es nicht, oder?"
„Ehrlich gesagt nein", gab ich zu.
Parker erhob sich, zog sich seinen Mantel an und sprach: „Sie sind deine Freunde, Spencer. Und damit meine ich Freunde, die du niemals loswerden wirst, ganz egal, wie du dich entscheiden wirst. Früher, oder später steht wieder einer von ihnen vor deiner Tür und wird dir auf die Nerven fallen. Denn das tun richtige Freunde füreinander."
Ich schluckte hart, denn mit richtigen Freunden hatte ich nicht allzu viel Erfahrung.
Die meisten Freundschaften waren oberflächlich und so, dass sie für mich berechnend waren. Doch wenn ich ehrlich war, dann konnte ich niemanden von Fenton, Mattheo, Alex und Mara einschätzen.
Sie überraschten mich immer wieder aufs Neue. Wenn sie sich von mir manipulieren ließen, dann nur, weil sie es wollten. Ich dachte an Halloween, Twister und zahlreiche Dummheiten, die es im Endeffekt wert gewesen waren.
„Wo sind sie?", fragte ich an der Tür, kurz bevor Parker ging. Er wandte sich um: „Na wo wohl? Das Hauptquatier eurer kleinen Truppe befindet sich zur Zeit in London. Fenton weigert sich abzureisen und Alex ist Anfang der Woche dort angekommen. Ich würde mit Brot und Salz zur Einweihnungsparty fliegen, wenn ich du wäre. Das gehört sich schließlich so."
In diesem Moment musste auch ich schmunzeln und Parker verabschiedete sich.
Kaum war er weg, da entsperrte ich mein Handy und loggte mich zum ersten Mal seit längerer Zeit bei Instagram ein. Es waren neue Fotos bei den anderen dazu gekommen und ich dachte darüber nach, was Parker gesagt hatte.
Sie waren meine Freunde und würden jede Entscheidung respektieren. Aber wollte ich wirklich, dass das alles wirklich aufhörte?
Nein, eigentlich nicht.
Bei all dem Egoismus, den ich mir die letzten Wochen rausnahm, so wollte ich nicht, dass dieses Abenteuer ein Ende fand. Wir hatten so viel Spaß, Begeisterung und... es war Besonders. Jetzt aufzuhören würde nicht nur eine menge Leute enttäuschen, sondern auch mich selbst.
Ich hörte Schritte und dann sprach Harry: „Dafür, dass du Frühstück machen wolltest, bist du nicht besonders weit gekommen."
Automatisch drehte ich mich um, ließ das Handy sinken und musterte ihn. Ich musste lächeln, denn es war schön Morgens den Tag mit ihm zu beginnen. Er machte sich einen Kaffee und sah seine Nachrichten durch. Nebenbei nahm er sich Toast.
„Louis hat dich mehrmals angerufen", sprach ich und Harry nickte: „Ja."
Ich räusperte mich und setzte mich neben Harry, er bemerkte es, dass ich ihn beobachtete und sah mich an: „Was ist los?"
Noch einmal befeuchtete ich meine Lippen, dann sprach ich: „Ich glaube, es wird Zeit, dass du nach Malibu fliegst."
„Wie bitte?", Harry verzog das Gesicht und ich fuhr fort: „Louis ist dort alleine und ich denke, dass nicht nur Niall dich braucht, sondern er auch."
„Wir haben ausgemacht, dass immer einer dort ist", erklärte Harry und ich nickte verstehend: „Das heißt nicht, dass Abmachungen sich ändern können."
Er sah mich angespannt an, schließlich schlossfolgerte er: „Du möchtest, dass ich gehe."
„Ja, weil du wo anders gebraucht wirst", bekräftigte ich. „Du warst genug bei mir."
Nun schmunzelte er bitter: „Das klingt, als wolltest du mich mal wieder loswerden."
Ich griff nach seiner Hand, meine Finger strichen über seine Handfläche und eine Weile schwiegen wir. Harry holte Luft und seufzte: „Bleibst du hier?"
„Nein", ich schüttelte den Kopf. „Es wird Zeit, dass ich nach London fliege und ein paar Dinge erledige. Wenn ich das getan habe... würde ich dich gerne anrufen."
„Okay", meinte er überraschend ruhig. „Dann sollte ich anfangen zu packen."
Noch bevor Harry aufstand, hielt ich ihn zurück. Zuerst wusste ich nicht, was ich sagen sollte, aber dann musste ich lächeln: „Treffen wir uns das nächste Mal in deinem heiß geliebten Los Angeles?"
Er blinzelte bis er verstand, was ich ihm damit eigentlich zu verstehen geben wollte. Langsam setzte er sich wieder und schien nachzudenken: „Wenn ich in Malibu bin, dann möchte ich meinen Freunden von dir erzählen."
Ich hielt inne und Harry sprach weiter: „Denn du hast recht, alles zu verheimlichen macht nicht glücklich und... es wird Zeit es meinen Freunden zu sagen."
Mein Herz begann zu rasen, meine Handflächen zu schwitzen. Ich wusste nicht, ob ich mich freuen, oder irgendetwas anderes fühlen sollte.
„Kann ich es... meinen Freunden ebenfalls erzählen?", auch wenn Mara es bereits zu wissen schien. Harry nickte knapp und in den folgenden Stunden packten wir zusammen. Als ich sah, wie Harry seine Sachen suchte und da räumte ich in meinem Schrank etwas zusammen.
„Du kannst Sachen hierlassen", schlug ich ihm vor und er sah mich unbewegt an. Dann zog ein Sonnenstrahlen über sein Gesicht und er trat zu mir: „Sicher?"
„Total!", versicherte ich ihm.
Seine Lippen streiften meine, sanft und ich schloss sofort die Augen. Meine Hände glitten in Harrys weiche Haar und kurz darauf wurde ich schon gegen den Schrank gedrückt. Ich liebte es, wie Harry roch, schmeckte, sich anfühlte.
Jede kleine Geste, Berührung und Zärtlichkeit war bei ihm etwas Besonderes. Zu wissen, dass er nicht meiner war, war in Ordnung. Damit kam ich klar, es überraschte mich fast selbst. Doch wenn man etwas nicht haben konnte, dann gewöhnte man sich irgendwann daran.
„Ich nehme dich bei Wort", murmelte Harry an meinen Lippen. „Das nächste Mal treffen wir uns in Los Angeles und ich will kein Gemoser."
Automatisch schmunzelte ich: „Keine Beschwerde, versprochen. Kein Gejammer über das heiße Wetter, den heftigen Verfolgungsjagten mit der Presse und die völlig überteuerten Preise."
„Spencer!"
„Kein Gemoser, wenn wir in Los Angeles sind, von jetzt hast du nichts gesagt."
Sanft strich Harry mit dem Daumen über meine Wange und ließ mich schließlich los. „Sobald du kalifornischen Boden unter den Füßen hast, will ich deine beste Laune."
„Deal, 24 Stunden Sonnenschein. Hoffentlich hast du genug Sonnencreme dabei und-"
Ich bekam prompt ein Kissen ins Gesicht geworfen, der Lohn für schamlosen Sarkasmus.
Wir ließen uns Zeit damit unsere Sachen zusammenzusuchen und ich buchte sowohl einen Flug nach Malibu, aber auch einen nach London. Ich wühlte von einem Ort zum anderen, fummelte mein Handyladekabel zusammen und suchte in den Kisten nach meinen Baseballhandschuh und Ball. Beides würde ich mitnehmen.
Dabei fiel mein Blick auf den Couchtisch und im ersten Moment glaubte ich nicht richtig zu sehen. Langsam ging ich auf den Tisch zu und war fassungslos.
„Dieser...", mir fehlten die Worte dafür, denn vor mir stand etwas, was für mich einen sehr hohen persönlichen Wert hatte. Vielleicht mehr, als ich glaubte. Aus weiter Ferne hörte ich Aarons Stimme, aber es war nicht wichtig, was er sagte.
Wichtig war nur was Fakt war.
Harry hatte die Sternschnuppe zusammengebaut.
Er hatte das Unmögliche möglich gemacht.
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