4 ♫ I don't wanna miss a thing

I could stay awake just to hear you breathing

Watch you smile while you are sleeping

While you're far away and dreaming

I could spend my life in this sweet surrender

I could stay lost in this moment forever

Well, every moment spent with you

Is a moment I treasure

[ Aerosmith ]



SPENCER ║ „Manchmal glaube ich dich zu kennen und dann wieder nicht."

Maras großen braunen Augen musterten mich, so wie sie es schon oft getan hatte. Es war, als würde sie irgendetwas an mir lesen wollen und ich tat das, was ich am besten konnte, wenn mich etwas unsicher machte.

Ich lächelte distanziert.

„Da!", rief sie und deutete mit den Zeigefinger auf mich. Wir saßen uns Gegenüber. Jeder auf seinem eigenen Hotelbett. Sie hockte auf ihren Fersen und ich im Schneidersitz.

„Da ist es wieder", behauptete Mara, „dieses kühle, aber bestimmte Lächeln, das allen Freundlichkeit vorgaukelt, aber in Wirklichkeit ziehst du nur eine gewisse Grenze."

Ich schüttelte de Kopf: „So ein Quatsch!"

„Nein, eine Tatsache", stellte sie lediglich sanft fest und neigte den Kopf. „Ich bin gespannt, was nötig ist, damit sich dein Lächeln und somit die innere Distanz, die du hältst, verändern."

Dazu schwieg ich und ließ mich auf das weiche Laken fallen. Kurz schloss ich die Augen und wechselte schließlich komplett das Thema: „Gott, bin ich kaputt."

„Irgendwann wird es passieren, Spencer und dann erwischt es dich eiskalt", sagte mir Mara vorher. Gedanklich lächelte ich erneut und hielt eines ganz klar fest.

Es würde nicht passieren. Denn die Distanz garantierte mir, dass ich die Kontrolle behielt über das, was ich empfand und bereit war zu geben. Ich hatte klare Regeln, durch die ich mein Leben bislang gut im Griff behielt.

Alles, oder nichts. Ganz, oder gar nicht.

Für halbe Sachen war ich nicht der Typ. Was ich machte, machte ich richtig und für Geduld war ich nicht zu haben. Ich wollte alles jetzt, sofort und im Augenblick genießen.

Die andere Seite der Regeln war, dass ich mich nicht mehr lesen lassen würde, wie ein offenes Buch. Das, was ich dachte und fühlte, das gehörte mir alleine. Ich gab den Leuten, was sie bereit waren zu akzeptieren. Ich baute mir eine gewisse Erwartung auf.

Dazu gehörte, dass ich sarkastisch, albern und für jeden Mist zu haben war. Denn das war ich, es war weniger Schauspielern, viel mehr eine feste Eigenschaft. Ich umgab mich gerne mit Leuten, hatte kein Problem damit leichtfüßig auf einer Mauer zu balancieren, Quatsch zu machen und warme Sonnenstrahlen zu genießen.

Aber es sollte sich verdammt noch mal niemand in Angelegenheiten einmischen, die nur mich etwas angingen. Familie war so eine Angelegenheit, ganz speziell mein großer Bruder, Aaron.

Ich hatte das Gefühl, dass er da war.

Immer.

Und zwar seit ich den Song Battle mitgemacht hatte und an einem Abend ein Typ humpelnd nach meinem Arm griff, nur um mir zu sagen, dass sich zwei Variablen schon gefunden hatten. Carrie hatte mir geschworen, dass sie mein Leben ändern würde.

Alex, Mara, Fenton und Mattheo taten es.

Jeder auf seine Weise.

Fenton erinnerte mich daran, wie leicht das Leben in all dem Stress, der Hektik sein konnte. Das wir gar keinen Grund brauchten um zu lachen. Man musste es einfach tun und mit Fenton war es unglaublich einfach.

Mattheo reichte mir in San Francisco plötzlich im Hotelzimmer einen Violinenkasten und meinte: „Ich dachte, du hast vielleicht irgendwann mal wieder Lust zu spielen. Vielleicht nicht heute, oder morgen. Aber vielleicht irgendwann."

Jetzt waren zwei Monate vergangen und ich hatte den Kasten noch nicht einmal aufgemacht. Dennoch befand er sich immer wieder in meinem Hotelzimmer. Mattheo erklärte mir so auf seine eigene Art und Weise, dass es nicht schlimm war, wenn man etwas aus der Vergangenheit gegenwärtig hatte.

Nur, dass die Violine mich an eine Zeit erinnerte, als alles noch leicht und hell war.

Bevor ich dafür sorgte, dass mein Vater sich in Arbeit vergrub, sich mit Praktikantinnen vergnügte und meine Mutter dem Alkohol und den Tabletten verfiel. Ich sah sie vor mir, jeden Morgen, wenn ich ein Badezimmer betrat.

Wie sie betrunken vor der Toilette lag, in ihrem teuren Kostüm von Chanel, das Make-Up verschmiert. Ich sah die Tabletten, welche im Spülbecken verteilt waren und ich roch diesen widerlichen Duft von teuren Whisky.

Ich ließ sie Dinge nach mir werfen. Wenn sie einen guten Tag hatte, dann nahm ich es als gegeben hin, dass sie randalierte. Zu ihrem Glück tat sie das nur in ihren eigenen vier Wänden.

Irgendwann ging ich und es fing an mir egal zu werden, was mit meinen Eltern war. Das war das richtig Schlimme. Dieses Gefühl von egal sein. Denn es bedeutete, dass ich alleine war.

Ganze drei Jahre hielt es an und dann, eines Tages änderte sich diese Tatsache einfach.

Zum ersten Mal seit langer Zeit zu Hause fühlte ich mich, als ich begriff, welchen Stein Mara ins Rollen bringen konnte, wenn sie einen neue Song an Fenton weiter reichte. Ihr Chaos, das sie hinterließ stand im Gegensatz zu der klaren Linie, wie sie Songs schrieb. Ich liebte es zu sehen, wie sie auf ihre Art und Weise hinter die Kulissen sah, aber ich wollte aus Teufel komm raus nicht, dass sie es bei mir tat.

Ich wollte weder Mitleid, Bedauern oder aber Sorge darum, das meine feste Kontrolle mir entgleiten konnte. Ich wusste, wer ich war, was mich ausmachte, aber ich wusste auch, zu wem ich werden konnte, wenn meine Kontrolle schwand und das wollte ich niemanden zumuten.

Zum Glück gab es jemanden, der mich in der Spur hielt. Keine Ahnung, ob Alex das überhaupt bewusst war, doch manchmal, dann, wenn ich besonders müde und erschöpft war, dann erinnerte er mich an Aaron.

Es war die Art, wie er sich um andere kümmerte, ohne, dass wir es wirklich richtig merkten. Das ließ mich jedoch nicht eines vergessen. Mein Bruder war da.

Immer und überall.

Bei jeden Schritt den ich machte.

Mal sah ich ihn deutlicher und manchmal geriet seine Anwesenheit fast in Vergessenheit.

„Nein, ihr könnt nicht wieder abhauen!", dröhnte Parkers Stimme hinter mir her, doch ich ignorierte ihn, stattdessen sah ich am Ende des langen Flurs Alex stehen, der sofort seinen Stock in die Hand nahm. Wir verließen das Tonstudio durch den Hinterausgang und ich knallte energisch die schwere Tür hinter mir zu.

Prompt standen wir in einer feuchten Gasse von Chicago, ich zog mir wegen dem kalten Wind die Kapuze über den Kopf, während Alex seine Locken unter einer Mütze versteckte.

„Keine Minute länger", entwich es mir und Alex schmunzelte. Seit zwei Tagen saßen wir im Tonstudio fest. Fenton und Mattheo schlugen sich weiter fleißig die Köpfe ein und ich konnte es kaum abwarten wenn Mara heute Abend zurück kam. Sie hatte sicher ein Dutzend Songs geschrieben, aber nicht jeder machte Mattheo zufrieden.

Das zweite Album musste funzen und möglichst bald stehen, am besten direkt vor Silvester damit Parker die erste große Tour planen konnte. Die Erwartungen mussten unbedingt erfüllt werden und mittlerweile war mir klar, dass nicht der erste Erfolg das Problem war, sondern die kontinuierliche Welle.

Aber dafür mussten Dick und Doof sich erst einmal einigen unter welchem Thema das neue Album laufen würde. Ich mischte mich nicht ein und trällerte alles, was sie mir unter die Nase hielten. Abgesehen von widerlich hohen Noten.

Ich wollte nicht klingen wie eine Pussy auf einer heißen Herdplatte, außerdem war es mir nur mit viel Konzentration möglich die enorm hohen Töne zu erreichen. Bei mir klang das zudem irgendwie seltsam. Ich war von Natur aus ein Bariton mit einer mittleren Sprechstimmlage von ungefähr 109 bis 128 Hertz.

Mein größter Vorteil? Ich konnte die verschiedenen Register meiner Stimme in vielfältiger Weise abschattieren, Das hieß im Klartext, ich sang sowohl im Brust- als auch im Falsett-Register. Demnach wurde der Grad der glottischen Adduktion abhängig vom ästhetischen Kontext entlang der Dimension „behaucht" oder „gepresst" variiert.

Steven Tylers Fachgeschwafel, nicht meines.

Ich hatte die Kamera dabei und sofort fing ich an zu filmen. Alex sollte unseren unglaublichen Fans erklären was gerade so los war. Am Anfang hatte ich noch einen Überblick gehabt, wenn ich mir die Kommentare zu den Videos durchlas und regelmäßig Antworten geschrieben, doch jetzt wurde dem niemand mehr Herr. Alex schimpfte sich jedoch so in Rage, dass er völlig fertig im Starbucks ankam und sich erst einmal setzten musste.

„Das Übliche?", fragte ich und er nickte, dann nahm er mir die Kamera ab.

Mara kam heute erst aus England von ihren kurzen Weihnachtsurlaub zurück und sie versprach, dass sie dem Hickhack um das Album beenden wollte. Ich konnte es kaum erwarten, denn ich konnte bei der Entwicklung eines Songs kaum mitsprechen, geschweige denn arbeiten. Im Endeffekt tat ich, was sie von mir wollten und überlegte, wie man sich zum Beat bewegte.

Das Mädchen hinter der Theke nahm meine Bestellung auf und als ich nach den zwei Himbeer Johannisbeer Frappuccino griff, da sah ich, dass sie mir ihre Handynummer auf den Becher geschrieben hatte und mich nun anlächelte. Ich schnappte mir die Getränke und die Tüte voller Muffins und Cookies.

Draußen stellte ich auf dem Tisch alles sicher ab und warf mich auf den Platz gegenüber von Alex.

„Endlich", brachte dieser hervor, „ich bin echt froh, wenn Mara dem heute ein Ende macht."

„Hoffen wir es", meinte ich, „denn ganz ehrlich, ich will nicht unbedingt eine ganze Woche im Studio pennen." Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und griff zum Frappuccino, dabei ließ ich den Blick schweifen. Während Alex die Cookies in sich hinein stopfte, bemerkte ich, dass zwei Tische weiter uns drei Mädchen unvermittelt ansahen.

Ich machte mir einen Spaß drauf, grinste breit und zwinkerte. Sofort wandten sie kichernd ihre Blicke ab und steckten die Köpfe zusammen. Alex bemerkte das und drehte sich leicht um, dann seufzte er: „Ich dachte, wir wollten in Ruhe abhängen?"

„Tun wir doch", meinte ich gelassen und streckte die Beine aus. Alex schnaubte ein: „Klar", und schwieg daraufhin wieder.

„Ach komm, das sind sechzehnjährige Girlies, die sich nicht entscheiden können, welche von ihnen uns ansprechen soll", sprach ich, „du hättest dir die Hübsche hinter der Theke ansehen sollen, die war eher unsere Alterklasse."

„Nur Altersklasse, oder mehr?", wollte Alex belustigt wissen und ich grinste: „War ein bisschen schwer den kompletten Überblick auf ihr Fahrgestell zu bekommen. Die hässliche Schürze war im Weg."

„Und trotzdem hast du sie nicht klar gemacht?", durchschaute Alex mich. Ich zuckte mit den Schultern: „Nein, zu uninteressant." Denn das war mir am Wichtigsten.

Außerdem war ich im Moment sowieso genug beschäftigt. Während also Alex weiter Cookies und Muffins in sich reinstopfte, blickte ich auf mein Handy und sah die neuen Nachrichten durch. Beiläufig sprach ich: „Mara ist gelandet und in zwei Stunden will sie uns alle sprechen. Bete, dass sie eine Lösung für das Albumproblem hat."

„Ich tue nichts anderes, als beten", empörte sich Alex und seufzte dramatisch. Ich lehnte mich zurück und scrollte weiter Nachrichten durch.

Harry hatte geschrieben und ich schmunzelte. Mittlerweile saß er in Manila fest und hatte sich bei mir beschwert, dass er Weihnachten nicht zu Hause war. Ich hätte gerne mit ihm getauscht, wenn ihm das so wichtig war.

Wir schrieben viel miteinander und hatten uns seit San Antonio nicht mehr gesehen, dafür allerdings telefoniert. Jedoch lief das irgendwie seltsam ab. Ich war nicht der Typ für lange Telefonate und verfiel irgendwann automatisch ins Schweigen.

Danach hörte ich ein paar Tage lang nichts von Harry, bis ich irgendwann nachfragte, ob alles okay sei. Tatsache war, meine Schweigsamkeit hatte ihn irritiert und verunsichert. Etwas, was mich wiederum verwirrte.

Ich hatte noch nie besonders viel Zeit mit jemanden wie Harry verbracht und damit meinte ich nicht, dass er ein weltlich großer Popstar war und sich Millionen Mädchen regelmäßig vor seinem Postergesicht umzogen.

Was ich meinte war, dass ich unsichere Menschen vermied, besonders, wenn sie sich nicht im klaren darüber waren, wer sie eigentlich sind. Mochte sein, dass Harry den Leuten nach außen das Gefühl gab, dass er an Selbstbewusstsein nur so platzte. Aber Kleinigkeiten verrieten ihn.

Er traf sich in der Regel mit langbeinigen, untergewichtigen Bohnenstangen und nicht mit Kerlen. Das wollte er die Welt glauben lassen und auf gewisser Weise verstand ich das sogar.

Ich erinnerte mich daran, was ich alles über ihn gelesen hatte. Taylor Swift, Kendall Jenner, Nadine Leopold – es gab einen guten Grund, wieso er bei der Krönung der Schöpfung so gut ankam. Wie konnte er auch nicht, immerhin war er ein sehr attraktiver und heißer Mann. Selbst verkleidet ließ sich das nicht leugnen.

Nachdenklich sah ich auf Alex, der sich nun die Finger sauber leckte. Er bemerkte es und lächelte: „Denkst du wieder an deine... wie nennt Fenton sie... deine heiße Schnecke aus New York?"

Ich musste lachen, denn bislang hatte ich gegenüber den anderen eisig geschwiegen, so wie ich es Harry versprach. Manchmal war das eindeutig ein Nachteil.

„Sie ist mehr als heiß", sprach ich langsam und Alex nickte knapp: „Wie kommt sie damit zurecht, dass du viel unterwegs bist?"

„Ganz gut, schätze ich", zumindest kannte Harry das Problem. Anders, als bei Mattheo und seiner Freundin. Da wurde es erst ein Problem. Ich hörte oft genug mit an, wie Mattheo sich bei ihr entschuldigte, weil er es nicht geschafft hatte sich zur versprochenen Zeit zu melden, oder wieder lange keine Zeit für sie hatte. Finja würde noch ihr böses Wunder erleben, wenn sie glaubte, dass sich das irgendwann änderte.

Aus diesem Beziehungskram hielt ich mich jedoch weise raus, während Fenton ab und an schon einmal einen unsensiblen Kommentar dazu fallen ließ.

„Wieso stellst du sie uns nicht einmal vor? Lässt sie zum nächsten Konzert, oder so einfliegen?", schlug Alex vor und ich versuchte mir nicht vorzustellen, wie das aussehen würde, wenn ich Harry diesen Vorschlag machte. Eigentlich wäre er dran, mich einzuladen. Immerhin spielte er in den größeren Hallen.

Ich war jedoch Realist genug, um das gleich als Blödsinn abzuwinken.

„Nein, sie ist beruflich etwas stark eingespannt", wehrte ich ab. Alex seufzte tief, denn er schien begriffen zu haben, dass ich ihm nicht viel über 'die heiße Schnecke' mitteilen würde. Kurz darauf stand er auf und entschuldigte sich für die Toilette. Humpelnd ließ er mich sitzen und ich sah ihm schweigend nach.

Wie würde Harry überhaupt reagieren, wenn ich ihm davon erzählte, welchen Codenamen er von meinen Freunden bekommen hatte?

Es war sowieso schon schwierig für mich ihn einzuschätzen. Er schien ständig Angst zu haben, dass er etwas falsch machen konnte, oder irgendjemand durch die Wand sprang und mit den Finger auf ihn zeigte.

Was Harry brauchte war jemand mit viel Geduld und Rücksicht. Ich war definitiv nicht der Richtige dafür. Meine Geduld war extrem limitiert. Es langsam angehen zu lassen fiel mir extrem schwer. Zwar klappte es bis jetzt ganz gut, aber ich kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich ganz andere Dinge wollte, als Harry bereit war zu tun.

Und trotzdem hatte ich ihm gegenüber das nicht laut ausgesprochen.

„Entschuldigung, hast du vielleicht Feuer?", fragte mich eine wohlklingende Frauenstimme und ich blickte nach rechts. Die hübsche Brünette, mit kirschroten Lippen lächelte mich freundlich an.

Ich schüttelte den Kopf: „Sorry, ich rauche nicht."

„Ich auch nicht", gab sie prompt zu und neigte leicht den Kopf. Mit der linken Hand spielte sie an ihrem Kaffeebecher herum: „Ich wollte nur einen Vorwand finden, um dich anzusprechen."

Na das nannte ich mal direkt heraus.

Automatisch wandte ich mich ihr nun zu und fragte: „Gibt es einen bestimmten Grund dafür?"

„Nein, nur, dass ich es unbedingt tun wollte."

Diese Art zu denken kannte ich von mir selbst und beobachtete, wie sie kurz die Augen nieder schlug und sich leicht auf die Unterlippe biss. „Ich bin Sally."

„Spencer", sprach ich und erhob mich von meinem Plastikstuhl, dann setzte ich mich ihr gegenüber und sie strich sich durch das lange Haar, eine Geste, die ich oft bei Frauen beobachten konnte. Sally war hübsch, hatte gleichmäßige Gesichtszüge und ich sah an ihren Augen, was für Absichten sie wirklich hatte.

Ich sollte nicht ihr Mittags-Small-Talk werden, viel eher eine Art Snack. Gerade wollte ich mich vorbeugen und die ganze Sache etwas beschleunigen, als ich spürte, dass mein Handy vibrierte. Ich zog es aus meiner Jackentasche und just in diesem Moment überlegte ich es mir anders und stand auf: „Wünsche dir noch einen schönen Tag, Sally."

Völlig überrumpelt sah sie mich an, so als würde ihr auf einem Schlag ein eiskalter Wind ins Gesicht wehen. Hinter ihr sah ich Alex aus dem Starbucks kommen und wollte mich an ihr vorbei schieben, doch sie ergriff meine Hand und strich mit ihren Zeigefinger über meine Handinnenfläche: „Du solltest deine Meinung nicht so vorschnell ändern, Spencer."

Da hatte sie vielleicht recht, aber in diesem Fall würde ich es wohl überleben. Doch Sally war nicht ganz so leicht abzuschütteln, denn sie zog einen Kugelschreiber aus ihrer Tasche und schrieb mir ihre Handynummer auf die Handfläche: „Melde dich, wenn du Interesse an einem frischen Kaffee hast." Sie zwinkerte und ich verstand die Zweideutigkeit: „Oder an einer Zigarette danach?"

Nun lachte sie hell: „Dumm nur, dass keiner von uns raucht. Aber wir würden bestimmt eine Alternative finden."

Dessen war ich mir sicher.

Sally ließ meine Hand los und ich lächelte, so, wie Mara es mir immer vorhielt. Allerdings hatte es die gewünschte Wirkung. Sally schien zufrieden und ließ mich gehen, mit dem festen Glauben, dass ich sie anrufen würde.

Alex musterte mich skeptisch und runzelte die Stirn: „Was wollte sie?"

„Nichts Besonderes", würgte ich ihn ab und wir schoben uns an die drei kieksenden Mädchen vorbei, die nun alle drei ihr Handy zückten und nicht wissen zu schienen, ob sie uns hinterher hetzten sollten.

Zum Glück taten sie es nicht.

Kaum hatten wir Starbucks verlassen, da griff Alex nach meiner Hand und sah auf die geschriebene Nummer: „Ach Spencer... was soll denn deine heiße Schnecke denken?"

„Gar nichts", antwortete ich ruhig, „denn sie ist nicht hier, oder?"

„Aber-"

„Meine Fresse, Alex", entfuhr es mir gereizt, „es ist nur eine Handynummer. Ein paar kleine Zahlen. Nichts Besonderes."

Wir liefen nebeneinander her und ich drosselte mein Schritttempo, weil ich wusste, dass es ihn erschöpfte von einem Ort zum anderen zu eilen. Kurz bevor wir das Tonstudio erreichten, da hielt Alex inne und sprach: „Wenn es dir mit deinem Mädchen ernst ist, dann solltest du so etwas nicht tun." Das war alles, was er dazu sagte, dann stieß er die schwere Hintertür auf.

Bevor die Tür hinter Alex ins Schloss fallen konnte, hielt ich sie auf und blieb dennoch zwischen Tür und Angel stehen. Zögernd zog ich mein Handy aus der Jackentasche und sah auf die Nachricht, die mich abgehalten hatte.

Harry besaß ein erschreckendes Timing.

Die Aussage von Alex lag mir schwer im Magen, denn ich konnte nicht sagen, wie richtig, oder falsch er damit lag. Denn wie ernst konnte ich das mit Harry nehmen?

Etwas, was hinter verschlossener Tür abliefen und was niemand je erfahren sollte?

Das mit Harry würde all das sein, was ich nicht mochte. Geheim, langsam und unsicher. Ich hätte das erst gar nicht so weit treiben sollen und trotzdem beendete ich dieses Chaos nicht einfach.

Automatisch dachte ich an den Morgen auf der Brücke in Los Angeles. Der einzige Moment, wo alles noch okay gewesen war, vor allem normal. Denn jetzt war es nichts mehr von alldem.

Mara meinte, es würde mich eiskalt erwischen, wenn sich meine innere Grenze verschob. Sie übersah dabei, dass es schon längst passiert war und ich nichts mehr dagegen tun konnte.

Ich verließ die Türschwelle und schritt direkt ins Innere. 


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