29 ♫ Wherever you go
Another night slowly closes in
And I feel so lonely
Touching heat freezing on my skin
I pretend you still hold me
I'm going crazy, I'm losing sleep
I'm in too far, I'm in way too deep over you
I can't believe you're gone
You were the first, you'll be the last
Wherever you go, I'll be with you
[ Cheap Trick ]
SPENCER ║ Meine Schritte quietschen viel zu laut, denn im Flur war es absolut still. Dieser Teil des Krankenhauses war regelmäßig so gut wie ausgestorben. Schließlich kam Schwester Stella aus einem der Zimmer.
Die rundliche, rothaarige Frau lächelte freundlich: „Ich habe mich schon gefragt, ob du es dieses Jahr überhaupt schaffst."
„Versprochen ist versprochen", sprach ich und zwang mich ebenfalls zu lächeln. Ich war unglaublich müde, weil wir den Werbesong für Coca Cola eingespielt hatten und ich im Flieger nicht zum schlafen gekommen war, da immer wieder jemand auftauchte und um ein Autogramm oder Foto bat.
Ich flog nie wieder Business Class, aber First Class war ausgebucht gewesen und ich hätte nie gedacht, dass ich je zu einem dieser Leute wurde, die sich beschwerten, weil sie nicht das Beste vom Besten bekommen hatten. Nur langsam verstand ich, dass Privatsphäre das höchste Gut war, was ich kriegen konnte.
„Hat sich etwas geändert?", fragte ich und Schwester Stella schüttelte den Kopf: „Nein, aber Schwester Anne behauptet, dass ihm das letzte Album von David Bowie gefallen hat", schnippte mit dem Finger. „Ich komme jetzt nur nicht auf den Namen."
„Blackstar", sprach ich und Schwester Stella nickte: „Genau, sie ist der Meinung, dass seine Herzsequenz dann erhöht ist. Genauso wenn du da bist."
„Das ist doch Zufall", antwortete ich, dann steuerte ich das Zimmer meines Bruders an. Ich klopfte nicht, wieso auch, es antwortete ja sowieso nicht. Es ruhig, man hörte nur die Maschinen in eintöniger Endlosschleife.
Ich zog die Ballons voller Helium hinter mir her und band sie am Bett fest. Die Vorhänge waren auf und Regen klopfte nun gegen die Scheibe. Auf dem kleinen Tisch neben dem Bett stapelten sich CDs, Kassetten und in der Vase waren frische Blumen.
Ich hatte keine Ahnung, wer das Grünzeug hier immer austauschte und ehrlich gesagt war es mir auch egal.
„Hey Aaron", sprach ich rau und räusperte mich. „Tut mir leid, dass ich so lange nicht da war. Es ist viel passiert. Aber zuerst einmal Happy Birthday, du alter Sack. Nicht mehr lange und du kriegst graue Haare. Wäre also nicht schlecht wenn du vorher mal wieder aus deinem Urlaub kommst." Ich stellte mir gerne vor, dass er entweder am Strand lag, innerlich, oder durch Felder tobte. So, wie er es früher oft getan hatte.
Aarons Augen waren offen, sie sahen mich starr an, so als würden sie durch mich hindurch sehen. Er atmete, war wach, aber zeigte keinerlei Reaktion. Er atmete mit unterstützende Hilfe gleichmäßig.
Als wir damals den Unfall gehabt hatten, da war sein Kreislauf versagt, im Krankenwagen war es zum Herzstillstand gekommen und man hatte ihn reanimiert. Erst im Krankenhaus wurde der Verdacht auf eine Hirnblutung bestätigt worden.
Ich ging um das Bett herum. Seit dem Unfall waren mehr als zehn Jahre vergangen, trotzdem kam es mir manchmal vor, als wäre mein Bruder nicht besonders stark gealtert.
Neben all den CDs lagen seine Kopfhörer und das Handy, welches ich gekauft hatte, um MP3s drauf zu ziehen. Mittlerweile hatte ich nicht mehr die Zeit die Alben auf CD zu bestellen und zu kaufen.
„Du hast unser neues Album schon gehört?", fragte ich und sah auf das coole Cover. „Ich nehme an, du hast einiges als Verbesserung anzumerken. Balladen bringe ich immer noch nicht richtig, ich weiß."
Manche würden sich dämlich vorkommen mit sich selbst zu sprechen, aber das war alles, was ich tun konnte, in der Hoffnung, dass Aaron mich trotzdem hörte. „Wir nehmen bald einen Konzertfilm auf und so eine Doku. Sobald die Rohfassung fertig ist, bringe ich sie dir mit. Aber erwarte nicht, dass der Konzertfilm so cool wird, wie der von den Stones."
Niemand toppte die Stones, dass war ungeschriebene Regel.
Ich warf mich auf dem Besuchersessel, auf dem ich schon so manche Nächte und Tage verbrachte. Ganz früher wagte ich es noch neben Aaron zu schlafen, oder zu liegen, ihm Dinge zu erzählen, zu heulen und ihn anzuflehen wach zu werden. Doch irgendwann wurde ich zu groß und ich begriff, dass mein Bruder nicht einfach so zurückkam.
Schwester Stella erklärte mir, dass sich Aaron im sogenannten 'Schattenland' befand und Berührungen, Gespräche und Reize brauchte. Er war weder Hirntot noch ein Sterbender, sondern ein existierender Mensch, dessen Bewusstsein nur irgendwo zwischen hier und anderswo schwebte.
Als Kind war ich jeden Tag hier, zu Hause hielt ich es nicht aus und als ich ein Teenager war, da ertrug ich es nicht in der Nähe meiner Eltern. Ich fing an unerlaubt hier zu übernachten. Die meisten Schwestern ließen mich einfach bleiben, denn ich verursachte keinen Ärger.
Ich gewöhnte mich an die Zustände zu Hause, machte bei Aaron Hausaufgaben und bunkterte in seinem Schrank sogar Klamotten.
Da die Reize wichtig waren, begann ich mit Aaron Serien zu schauen und ließ sie laufen, wenn ich weg war. Eine Serie folgte der nächsten. Von Sitcoms bis hin zu Horror, Krimi und Drama ließen wir fast nichts aus.
Kurz sah ich auf mein Handy, ich hoffte, dass Harry mein Päckchen bekommen hatte. Zu gerne wäre ich zu seinem Geburtstag geflogen, aber dann hätte ich es niemals kurz nach Nashville geschafft.
„Ich habe die Sternschnuppe weiter geschenkt, du erinnerst dich?", sprach ich. „Wenn ich sie mit achtzehn nicht zusammen gebaut bekommen hätte, dann durfte ich sie jemand anderen geben, der mir sehr wichtig ist."
Es war eines unser letzten Gespräche gewesen. „Hoffentlich hält Harry mich jetzt nicht für total bescheuert", redete ich weiter. „Wäre nett, wenn du mir ein paar Tipps gegeben könntest, aber ich verstehe schon, wenn dir gerade nicht danach ist."
Ich seufzte tief und schwieg eine Weile. Das mit Harry war nicht einfach, aber es war es das wert. Zumindest hoffte ich das. Manchmal wünschte ich, wir hätten einfach mehr Zeit, Zeit für ganz normale Dinge.
Aber das meiste war nicht möglich, da Harry weiterhin alles sehr, sehr privat halten wollte. So privat, dass ich nicht einmal mit meinen Freunden darüber sprach und sein Umfeld weiterhin dachte, ich wäre nur ein weiterer Kumpel.
„Ich vermisse die Zeit, als man sich einfach mit jemanden in der Öffentlichkeit zeigen durfte", gab ich zu und dabei war es egal, ob es sich um eine meiner Exfreundinnen handelte, oder um Daniel. Ich wollte mein Glück zeigen und fragte mich nicht zum ersten Mal, wieso Harry da zurückhaltend war.
Es war doch wirklich egal was andere von ihm hielten.
Die breite Öffentlichkeit auszuschließen, das verstand ich. Aber im kleinen Kreis, mit seinen engsten Freunde, da behielt man doch immer noch Privatsphäre. Okay, ich sollte aufhören damit und mich mit dem zufrieden geben, was ich bekam.
Ich erzählte Aaron von der Tour, von Fenton und das, was mit seinem Vater passiert war. Aktuell schien mein Freund nur arbeiten zu wollen, um sich abzulenken.
Mara pflasterte ihn mit Ideen zu, ich schleppte ihn durch die Clubs und Mattheo versuchte so oft mit ihm zu streiten, wie er nur konnte. Aber langsam gingen ihm die Konflikte aus und er behauptete schon Stuss.
Alex schüttelte lediglich den Kopf und erinnerte uns daran, dass wir es nicht übertreiben sollten.
„Jedenfalls", schloss ich, „es kann sein, dass ich länger brauche, um das nächste Mal vorbei zu kommen. Parker hat große Pläne mit uns." Und ich hatte schon eine vage Vorahnung, um was es sich handeln würde.
Bevor ich ging, änderte ich die Musik auf Aarons Handy und setzte ihm die Kopfhörer auf: „Nächstes Mal bringe ich wieder etwas mit. Halt die Ohren steif." Ich drückte seine Hand, so wie immer und verharrte einen Moment. Dabei fiel mein Blick auf die Narbe auf meinem Daumen. Aaron hatte eine Ähnliche und mit den Finger strich ich drüber.
Wenn ich das Zimmer verließ, dann hatte ich immer ein schlechtes Gewissen. Früher war ich so viel bei ihm und jetzt konnte ich froh sein, wenn ich es alle zwei Monate schaffte. Die Zeit glitt mir nur so durch die Finger.
Ich flog noch am selben Tag nach New York zu Parker. Im Flugzeug nickte ich ein und war völlig gerädert, als ich das Hauptgebäude der Universal Music Group, waren die anderen schon anwesend. Im Konferenzraum stellte Alex einen großen Becher Kaffee vor meiner Nase ab und musterte mich kritisch.
„Spare es dir", wies ich ihn an und er humpelte auf den Platz neben mir. Netterweise schwieg er, aber Fenton war da nicht so nett: „Siehst scheiße aus."
„Ich weiß", meinte ich nur und nachdem sich Mara und Mattheo ebenfalls dazu gesellten und Parker eintrat, da sprach ich: „Also Sklaventreiber, was ist so wichtig?"
Elegant schob er mit seinen Zeigefinger die Brille zurück auf die Nase, er nahm zwischen Mattheo und Fenton am runden Tisch platz und legte eine Unterlage ab: „Ihr habt gute Arbeit geleistet."
Fenton blinzelte: „Ich glaub', ich hab' was mitte Ohr'n. Hatter gerad' gesagt wir ham' gute Arbeit geleistet?"
„Ja, so ähnlich habe ich das auch verstanden", sprach ich irritiert. Parker rümpfte arrogant die Nase, so wie es seine Art war: „Jedenfalls möchte ich euch auf Stadium Tour schicken, weltweit. Irgendwelche Einwände?"
Alex beugte sich vor: „Was heißt das, weltweit? Von was sprechen wir hier."
„Von 82 Konzerte bis nächstes Jahr", erklärte Parker sachlich.
Mara riss den Mund auf und er fuhr fort: „Man könnte den Konzertfilm drehen, die Reportage als Kinofilm verpacken und natürlich müsstet ihr das vierte Album auf Tour aufnehmen."
Wir würden durch Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Afrika reisen. Zusammen sollten wir mehrere Vorbands zusammen suchen, außer für Nordamerika, da sollte uns Hailee Steinfeld begleiten.
Neugierig studierten Fenton und ich die Liste und ich riss die Augen auf, denn es gab jede Menge Vorschläge. Viele Künstler fand ich selbst ganz großartig. Boyce Avenue, Charlie Puth, Passenger, Jasmine Thompson, Jordan Smith, Vance Joy – das war ein krasses Staraufgebot.
„Was ist mit den Ideen, die wir dir geschickt haben?", fragte Mara und Parker machte eine elegante Handbewegung: „Die habe ich in der Tourplanung berücksichtigt. Ihr werdet auf einem High School Abschluss spielen können, zwei Geburtstage aufpeppen und diese Date-Sache für den Homecoming Ball ist auch drin. Außerdem dachte ich an eine Hand voll Krankenhäuser."
Na das klang doch ganz nach unseren Geschmack. Wir studierten die Tourliste, sie hatte es in sich, aber es gab immer mal wieder kleine Pausen von einer Woche. Diesen Urlaub würden wir auch brauchen.
Parker berichtete, dass wir von den Ländern nicht nur die Stadien und Interviewräume sehen würden, sondern auch etwas vom Land. Das wäre schließlich wichtig für den Kino/Reportagen-was-auch-immer-Film.
Nach einigem hin und her waren wir uns einig. Würden sich die Karten gut verkaufen, dann machten wir die Tour.
Parker hatte keinerlei Zweifel daran, dass wir es rocken würden und bat uns, dass wir nach der Besprechung sofort nach Chicago flogen, um das dritte Album fertig machten, damit wir es auf Tour als Überraschung spielen konnte. Zumindest ein, zwei Songs. Das Zweite war frisch in den Läden, doch scheinbar plante Parker weit voraus.
Ich verschwieg, dass ich dringend waschen musste, denn die Wäsche in meiner Reisetasche lief auf Limit. Aber noch war Parker nicht fertig.
„Vier Dinge noch", sprach Parker. Er sah Mara an: „Du solltest dir überlegen, ob du nicht ab und an jemanden öffentlich datest, denn das würde infantile Gerüchte vertreiben, dass innerhalb der Band irgendetwas läuft."
Mara stöhnte und wir taten es ihr gleich. Das war mehr als infantil!
„Ich weiß, ich weiß, aber überlege es dir", meinte Parker. „Gleiches gilt übrigens für dich, Spencer."
Irritiert verzog ich das Gesicht: „Mir wirft niemand vor, ich würde mich durch die Band bumsen."
„Das nicht, aber Journalisten dichten dir den größten Blödsinn an, unter anderem auch sehr schlechte Presse und das möchten wir beim Marketing vermeiden", berichtete Parker mir. „Je weniger Journalisten zum schreiben finden, umso erfinderischer werden sie und wir können das nicht kontrollieren."
„Und das heißt?", horchte ich. Er sah mich geschäftig an und reichte mir eine Liste: „Geh aus, habe ein bisschen Spaß, geht etwas essen, tut so, als würdet ihr euch blendend amüsieren."
Ich blickte auf die Frauennamen: „Ist das dein verzweifelte Versuch mich zu verkuppeln?
„Nein, dass ist mein Versuch die dummen Gerüchte um dich zu kontrollieren. Es kommt nämlich nicht gut, dass man dir andichtet, du wärst für die Eheprobleme einiger Sternchen zuständig", gab er direkt zu. „Und diese Damen sind entspricht darauf dich kennen zu lernen und ein bisschen Zeit mir dir zu verbringen."
Verdrossen sah ich ihn an und Parker schob hinterher: „Das sollte kein Problem sein, immerhin bist du ungebunden und es gibt Schlimmeres, als mit Jungschauspielerinnen und Nachwuchsmodels etwas essen zu gehen."
„Falls sie überhaupt essen", warf Mara amüsiert ein und ich war versucht sie mit der Liste zu schlagen.
Parker wandte sich Fenton zu und bat ihn, sich nicht zu irgendwelchen Alkoholeskapaden hinreißen zu lassen. „Mattheo könnte dich ja nun auf deinen nächtlichen Streifzügen begleiten, jetzt da du nicht mehr der Beziehungs-Guru bist."
Wir drehten alle die Köpfe zu ihm und Mattheos Miene war ausdruckslos, dann zuckte er mit den Schultern. Fenton konnte nicht hinter dem Berg halten: „Du hast deine Beziehung beendet?"
„Ja", antwortete er knapp.
Wir fielen aus allen Wolken, doch Mattheo schien das nicht ausführen zu wollen und Parker wies Alex an, ob er nicht zusammen mit Demi überlegen wollte die Beziehung offiziell zu machen. Das würde sich zur Promotion sehr gut eignen.
Wir verdrehten die Augen, während Alex ernst nickte. Damit entließ uns Parker und scheuchte uns zum Flughafen. Mein Magen knurrte im Fahrstuhl und ich hörte Alex zu Mattheo sagen: „Willst du drüber reden?"
Wieder drehten wir uns alle zu ihm, doch er verneinte knapp. Demnach hielten wir uns zurück und im großem Taxi ließ Mara durchblicken, dass auch sie dringend waschen musste. In Chicago würde es ja wohl Möglichkeiten geben.
Es war schon Luxus am Flughafen den VIP-Bereich nutzen zu können. Paul erwartete uns und brachte es auf dem Laufenden, wann wir wo zu sein hatten. Jetzt konnten wir allerdings ein bisschen runter kommen, etwas Essen, Schlaf nachholen und die Vorzüge der oberen Klasse zu genießen.
Wir zerstreuten uns und ich wollte Fenton gerade zum Buffet folgen, als Paul mich zurück hielt: „Da ist jemand, der dich sprechen wollte."
Verblüfft blickte ich Paul an, dann nickte er mit dem Kopf nach rechts: „Harry hat mich gestern angerufen und gefragt, von wo wir als nächstes fliegen und ich hoffe das war in-"
Ich hörte Paul nicht mehr zu, sondern lief bereits in federnden Schritten auf Harry zu. Man erkannte ihn auf den ersten Blick nicht. Die Beanie hatte er tief ins Gesicht gezogen und statt seines extravaganten Stils sah er aus, als hätte er sich an Louis' Schrank bedient. Grau, farblos und unauffällig.
Mein Herz raste und obwohl ich bemerkte, dass Harry merkwürdig geschafft aussah, so fand ich nicht einen Makel an ihm.
„Hey", sprach ich und unterdrückte den Drang ihn zu mir zu ziehen und ihn zu küssen. Gerade noch rechtzeitig hielt ich inne und fragte: „Was zum Teufel tust du hier?"
„Ähm...", zögerte er, räusperte sich und schob hinterher: „Können wir irgendwo in Ruhe reden?" Er rieb sich die Handflächen aneinander und ich runzelte die Stirn.
„Klar, ich glaube hier gibt es einen Fernsehraum, vielleicht haben wir Glück", meinte ich und tatsächlich. Der Raum mit den einladenden Sitzgelegenheiten war leer und der Fernseher aus. Harry schloss gerade die Tür hinter sich und ich konnte nicht mehr warten.
Ohne zu zögern schob ich ihn mit den Rücken gegen die Tür und atmete tief seinen Duft ein. Meine Lippen wanderten sanft über seine, ich schmeckte Teereste und schloss die Augen. Harry schlang die Arme um mich, zog mich näher zu sich und ich verspürte eine Welle von Wärme durch meinen Körper fließen.
Seine Stirn lehnte gegen meine und stumm genossen wir diesen kleinen Moment, den wir für uns hatten. Harry öffnete langsam die Augen und mit den Daumen strich ich leicht über die Grübchen, die ich so sexy fand.
„Tut mir leid, dass ich nicht da war, als-"
„Nein, schon gut", unterbrach er mich. „Du wirst deine Gründe haben."
Ich rief mir in Erinnerung, dass wir ausgemacht hatten, dass wir offener redeten und gerade, als ich ihm von Aaron erzählen wollte, da sprach Harry: „Wir haben nicht viel Zeit, dein Flug geht gleich und ich muss zurück nach Los Angeles."
„Wieso bist du überhaupt hier?", fragte ich und beobachtete, wie Harry sich auf die Unterlippe biss: „Weil... ich muss mit dir über etwas sprechen."
Ich nahm meine Hände von ihm und machte einen halben Schritt von Harry weg. Deshalb flog er eben mal von Los Angeles nach New York? Hätten wir das nicht auch via Skype bereden können?
Ein merkwürdiges Gefühl beschlich mich, besonders, als ich sah, wie Harry sich die Beanie vom Kopf zog und sich die Haare raufte. Das tat er nur, wenn er nervös war und dies ließ sich nicht leugnen.
„Okay... das Geschenk hat dir nicht gefallen", mutmaßte ich und der Knoten im Magen wurde größer. „Sorry ich dachte nur, dass es dir gefallen würde, aber wenn du es doof findest, dann-"
„Nein!", unterbrach mich Harry hastig. „Die Sternschnuppe ist großartig, wirklich, ich... Spencer... ich verdiene sie nur nicht."
Nun hockte ich mich auf die Lehne der Couch und verschränkte die Arme vor der Brust. Harry verwirrte mich nur mehr und mehr. „Was redest du da? Ich habe von dir eine Schublade bekommen und-"
„Sie bedeutet dir etwas! Die Sternschnuppe, sie ist wichtig für dich und – Spencer, ich...", er rieb sich über das Gesicht und langsam wurde mir etwas Bange.
Schweigend ließ ich ihn sich sammeln und wartete ab. Dann, als er sich gefasst hatte, da sah er mich fest an und in diesem Moment konnte ich in seinem Gesicht lesen: „Ich habe etwas sehr Dummes getan."
Die Vorahnung wurde größer und größer.
„Aber - Spencer, ich bereue das und würde es nie wieder tun! Es war einfach nur eine riesige Blödheit meinerseits und-",Harry verhaspelte sich fast und ich unterbrach ihn: „Was hast du getan?"
Harry atmete tief durch, dann gestand er: „Ich... ich habe Kendall geküsst."
Zuerst konnte ich nicht anders und hob lediglich beide Augenbrauen, aber bevor ich das verdaut hatte, da schob er direkt hinterher: „Wir – es ist einfach passiert und es war nicht richtig – Spencer du musst mir glauben, ich bereue das und-"
Bevor er enden konnte, da entwich es mir: „Es ist mehr passiert, nicht wahr?"
Harry wich meinen Blick aus und zum ersten Mal wusste ich nicht, was ich sagen sollte.
Nun war ich derjenige, der sich über das Gesicht rieb. Innerlich war mir, als würde eisige Kälte an mir hoch kriechen. Mir wurde übel, wenn ich mir die gemachte Nase mit Harry zusammen vorstellte.
Wie er sie anfasste, wie sie stöhnte...
„Spencer, ich-", begann er überfordert, aber ich wollte das nicht hören. „-habe nicht mit ihr geschlafen."
„Ach", entwich es mir gepresst. Harry anzusehen fiel mir sehr schwer. Ich war nicht voll doof und konnte mir bildlich vorstellen, was da noch gelaufen sein sollte. Direkt sprach ich: „Und, weshalb hast du sie nicht gefickt?"
„Das ist nicht wichtig", wich Harry aus und machte zwei Schritte auf mich zu, doch als er die Hand hob, da wehrte ich sie ab. Ich wollte im Moment nicht, dass er mich berührte: „Und trotzdem hattest du den Drang danach."
„Es bedeutete nichts", erklärte Harry sich schwach und in diesem Moment nickte ich knapp: „Ich raffe das nicht. Angeblich sind wir zusammen, aber du willst keinen Sex mit mir, hast Schwierigkeiten mit Körperlichkeiten mit einem Kerl, aber bei einer Tussi geht dir direkt einer ab."
Harry schluckte hart. Ich fühlte mich furchtbar verraten: „Was soll ich davon halten? Willst du überhaupt mit mir zusammen sein?"
Entsetzt sah er mich an: „Natürlich! Ich will überhaupt nichts anderes."
Doch, aktuell fühlte es sich verflucht noch mal so an. Sein Umfeld hielt mich für seinen Kumpel, seine Familie auch und keiner meiner Freunde durfte etwas von Harry wissen.
Es war... als wäre ich ein Geheimnis das ihm peinlich war.
Und jetzt das.
Ich stieß mich von der Couch ab und ging an Harry vorbei, er griff nach meinem Arm und ich riss mich los. Ohne ihn anzusehen sprach ich: „Ich muss darüber nachdenken."
„Spencer, bitte, können wir... ich weiß auch nicht", Harry bewegte sich keinen Schritt und ich hatte Mühe irgendwie zu atmen. Mich hatte dieses Geständnis mit voller Wucht total unvorbereitet getroffen.
„Ich muss... lass mich... verdammt... Ich melde mich bei dir", schloss ich und griff nach dem Türgriff. Der Raum wurde merkwürdig klein, die Wände schienen näher zu rücken und erst, als ich über die Schwelle trat, da bekam zumindest meine Lunge wieder Luft.
Im großen VIP-Bereich versammelte sich die Crew, damit wir nach Chicago konnten. Wir mussten zum Eincheck. Jeder Schritt fiel mir schwer und ich fühlte mich so fremd im eigenen Körper, wie schon lange nicht mehr.
Atmen, gehen, ruhig bleiben.
Irgendwie.
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