19 ♫ One step closer
Darling, don't be afraid
I have loved you
For a thousand years
I'll love you for a thousand more
And all along I believed I would find you
Time has brought your heart to me
I have loved you for a thousand years
I'll love you for a thousand more
One step closer
[ Christina Perri ]
HARRY ║ „Du musst zugeben, das Wetter toppt Los Angeles um Längen!", sprach Spencer gut gelaunt, als wir am nächsten Tag unseren letzten Berlin-Tag genießen wollten. Große Pläne hatten wir nicht mehr, auch, wenn die Siegessäule betrachtet hatten und zum Fernsehturm zum Frühstück hoch fuhren.
Jetzt ließen wir uns treiben, besuchten kleine Geschäfte und ein paar Fotos entstanden dabei. Obwohl ich mich drüber freute, so blieb ein bitterer Beigeschmack, denn wir sahen auf jedem Bild eher wie Freunde aus.
„Schon gut, schon gut", gab ich zu und schob mir die Snapback in den Nacken. Heute trug ich ein weißes schlichtes Shirt und Bermuda Shorts. Spencer wirkte, als hätte er sich im Dunkeln angezogen, auch, wenn ich wusste, dass er lange drüber grübelte.
Sein graues Shirt war verwaschen und hatte an der Schulternaht ein Loch. Die bunten Shorts brannten in meinen Augen und die grell blaue Snapback ebenfalls. Man sah definitiv nicht zweimal hin.
„Wieso hast du dir ein Haus in Los Angeles gekauft, der Hochburg der Paparazzi?", fragte Spencer schließlich, als er neben mir her schlenderte. Ich zuckte mit den Schultern: „Die Stadt ist schön. Jeder hat ein Haus dort und viele großartige Produzenten leben dort."
„Also willst du irgendwann solo arbeiten?", er überraschte mich mit der Frage und ich runzelte die Stirn: „Keine Ahnung, irgendwann sicher. Aber darüber mache ich mir jetzt keine Gedanken. Was ist mit dir?"
„Solo?" Spencer lachte: „Nein, ich brauche die Anderen und kann mir nicht vorstellen ohne sie aufzutreten. Musik ist nur so gut, wie Leute, die Ahnung davon haben, sich damit befassen und wie viel Herzblut reingesteckt wird."
„Du könntest einen anderen Songschreiber engagieren, oder dir Produzenten zur Unterstützung holen", erklärte ich, aber auch darüber lächelte er nur: „Wieso? Meine Leute sind perfekt, ich arbeite gerne mit ihnen zusammen und ihre Musik bedeutet etwas. Auch, wenn wir ohne den anderen nicht funktionieren."
Mir wäre das zu viel Abhängigkeit.
Gut gelaunt shoppte Spencer Mitbringsel, die er alle nach Nashville zu Freunden schicken wollte, oder der Band mitbrachte. Darunter war ein furchtbar kitschiges Berlin Tag und Nacht – Fanshirt und eine bunte Tasse mit Aufdruck.
Irgendwann streifte mein Blick ein wackeliges Schild mit zwei Drums oben drüber. Der Musikladen war durch eine schmale Treppe zu erreichen und ohne zu zögern zog ich Spencer mit. Ich war schon unglaublich lange nicht mehr in solch einem Laden gewesen.
Über der Tür klingelte ein Glöckchen, doch niemand achtete darauf. Leise Musik dudelte aus den Boxen und ein paar Leute beugten sich über Kisten, wo sich Schallplatten, CDs und Kassetten stapelten.
Es gab Sitzgelegenheiten auf speckigen Sofas und irgendwelche Cocktailsesseln. Ein komplettes Regal war mit alten Radios in sämtlichen Variationen vollgestopft. Mein Blick fiel sogar auf einen Plattenspieler mit Horn.
Obwohl es staubig roch, die Wände voller verschlissener Plakate und Poster war, fühlte ich mich direkt wohl. Solche Läden waren normalerweise völlig Nialls Ding, aber ich hatte ihn immer unglaublich gerne begleitet. Mir fiel auf, dass wir solche Läden lange nicht mehr besucht hatten seit... Zayn die Band verließ.
Wir gingen in dem nächsten Raum. Gitarren, so weit das Auge reichte, Flöten säumten den Weg und Zubehör für das Schlagzeug. Es gab so viel zu sehe, dass meine Augen überfordert waren.
„Was kannst du spielen?", warf ich die Frage in den Raum, als ich Blöcke voller Noten passierte. Spencer kratzte sich gerade am Hals und ich blickte auf die deutlichen Markierungen, die er von mir hatte. Darüber verlor er kein Wort und ich war dankbar dafür.
„Ein bisschen Klavier", gab Spencer zu. „Aber nicht sehr gut. Mattheo kriegt jedes Mal die Krise und heult herum, dass ich spielen würde, als würde ich jemanden foltern."
Ich musste laut lachen, weil seine verdrossene Miene Bände sprach. Er rollte mit den Augen: „Violine beherrsche ich besser. Was ist mit dir?"
„Klavier und Gitarre, Letztes hat etwas gedauert und ganz grob Schlagzeug", zählte ich auf und dabei kam mir eine spontane Idee: „Lass uns zusammen was spielen!"
„Was?", sichtlich überfahren schüttelte Spencer den Kopf: „Besser nicht, ich meine, wir dürfen hier bestimmt nicht einfach so Instrumente ausprobieren." Seine Gegenwehr machte mich ziemlich stutzig, doch so leicht ließ ich mich davon nicht abbringen.
„Bitte Spencer, ein Lied und ich bin sicher, wenn wir höflich fragen, dann wird niemand etwas dagegen haben. Willst du schon einmal einen Song aussuchen?", statt seine Antwort abzuwarten, suchte ich den Zuständigen und nachdem ich ein bisschen meinen Charme spielen ließ, da knickte der Mann mit der Halbglatze und dem Mundgeruch ein. Er suchte eine Geige raus und ich blickte mich nach Spencer um.
Dieser hatte sich keinen Zentimeter bewegt und die Arme vor der Brust verschränkt. Ich seufzte dramatisch: „Jetzt stell dich nicht quer, bitte!"
„Du warst es, der um keinen Fall auffallen wollte und jetzt willst du hier ein Gratiskonzert geben?", entwich es ihm spöttisch.
„Das nicht unbedingt, aber wo würden wir noch weniger auffallen, wenn wir zwei Instrumente testen?", widersprach ich ihm. „Also, was spielen wir?"
„Was kannst du spielen?", stellte er die Gegenfrage und ich sah durch die passenden Notenbücher. Es war schon klasse, dass selbst moderne Songs mittlerweile aufgenommen wurden. Schließlich zog ich die Noten für 'A Thousand Years' hervor, im selben Moment kam Mr Mundgeruch mit einer günstigen Violine von Steinbach und Spencer nahm sie an.
Wir konnten in einem weiteren Hinterraum spielen. Dort wurden Flügel, Pianino und Klaviere sämtlicher Preisklassen ausgestellt. Kaum jemand war da, wir hatten also viel Privatsphäre. Spencer blätterte durch die Noten und baute dann seinen Notenständer routiniert auf, während ich mich an ein bescheidendes Klavier setzte.
'A Thousand Years' hatte ich zwar noch nie gespielt, aber es war nicht so schwer, dass ich es nicht halbwegs hinkriegen würde. Dann startete ich das Aufnahmegerät auf meinem Handy und sah zu Spencer: „Machst du dir in die Hose oder was?"
„Ha, ha, ha", lachte er trocken. „Nein, ich habe schon lange nicht mehr gespielt und bin total eingerostet."
„Ich auch, also muss sich keiner schämen", behauptete ich. „Bereit?"
Er nickte und setzte die Geige am Kinnhalter an und hob den Bogen. Dann sah er mich an, damit ich anfing. Ich rieb mir die Hände, meine Finger berührten die Tasten und langsam begann der Song.
Einen Augenblick später stieg Spencer mit ein.
Ich brauchte nur Sekunden, um zu begreifen, dass jemand, der eingerostet war, anders klang. Natürlich wusste ich, dass 'A Thousand Years' ein trauriges Lied war, damit rechnete ich.
Womit ich nicht rechnete, war die Wirkung, die das Spiel auf mich hatte. Ohne es zu bemerken, hielt ich einfach mitten im Spiel inne. Spencer bemerkte es und ließ die Violine halb sinken: „Wieso hörst du auf?"
Das wusste ich selbst nicht so richtig.
„Kannst... du weiter spielen?", bat ich ihn und er runzelte die Stirn, doch statt zu fragen, tat er einfach, was ich wollte. Spencer setzte wieder an, sah auf die Noten und ich hörte zu. Ein ziemlich heftiger Kloß machte sich in meinem Hals breit.
Ich bemerkte, dass auch Mr Mundgeruch zuhörte und nicht damit gerechnet zu haben schien, dass einer von uns wirklich spielen konnte. Die Traurigkeit des Liedes ging mir durch Markt und Bein, dabei hatte ich es schon unzählige Male gehört. Nur heute war es irgendwie anders.
Normalerweise hatte die Melodie etwas Tragisches und Schmerzliches, aber jetzt klang es nicht wie eine perfekte Kopie. Viel mehr wie etwas eigenes. Als würde man jemanden zum letzten Mal verabschieden und es ganz genau wissen.
Spencers Spiel sah so leicht aus, so geübt, dass er schon sehr, sehr lange spielen musste. Es war wieder etwas Neues, was ich über ihn erfuhr und eigentlich sollte es das, aber stattdessen fühlte ich mich einfach bedrückt und melancholisch.
Das Lied endete und langsam ließ Spencer die Violine sinken. Fast wirkte es, als wäre er enttäuscht darüber, dass es vorbei war und gleichzeitig erleichtert. Ich konnte seine Haltung nicht seiner Mimik zuordnen.
Höflich bedankte er sich bei Mr Mundgeruch und reichte die Geige zurück, dann erst wandte er sich mir zu und ich räusperte mich: „Das war ziemlich eindrucksvoll." Ich machte das Aufnahmegerät auf meinem Handy aus.
Er grinste: „Dann solltest du mal Beethoven hören." Spencer lehnte sich gegen das Klavier und ich konnte ich nicht anders uns sprach: „Okay, hier ist Frage Nummer zwei von unserem Fünf-Frage-Deal, wie gut kannst du wirklich spielen und warum?"
Nun war es Spencer, der tief seufzte und ein wenig amüsiert zu sein schien: „Ich komme aus einer Neureichen Familie, was hast du da erwartet, Harry? Meine Mutter war versessen darauf, dass ich ein klassisches Instrument spiele. Das war quasi mein Einschulungsgeschenk."
„Ein Geigenkasten?", entwich es mir fassungslos. Bei mir gab es eine Schultüte voller Süßkram. Spencer zuckte mit den Schultern: „Ich habe immer gerne gespielt, also war das kein Drama."
„Warum hast du aufgehört?", wollte ich wissen, denn er war es schließlich, der etwas von eingerostet faselte.
„Frage Nummer drei?", meinte er kleinlich. Sofort schüttelte ich den Kopf: „Nein. Aber du bist so freundlich und tust es trotzdem."
Er schnaubte, aber zumindest behielt ich recht: „Manchmal hören bestimmte Dinge einfach auf Spaß zu machen. Das ist alles."
Das war ganz sicher nicht alles, aber gelogen schien es auch nicht zu sein. Jetzt richtete Spencer sich auf und sprach: „Wollen wir weiter, uns noch ein bisschen etwas ansehen, oder Option drei?"
„Was ist Option drei?", hakte ich nach. Er tat, als würde er schwer darüber nachdenken: „Och, du weißt schon, abhängen, Zimmerservice ausnutzen, bisschen Musik hören und durch das Fernsehprogramm zappen."
Im Endeffekt, alles, was wir gestern am angebrochenen Tag gemacht hatten. Lediglich abends besuchten wir ein eingestaubtes, kleines Kino, mit fast nur fünfzig Plätzen. Zwischen Popcorn und Nachos musste ich zugeben, dass ich die Faszination nicht mit Spencer teilen konnte. Mir gefiel die neue Version von 'Das Cabinet des Dr. Caligari' besser, als der Stummfilm von 1920.
Daraufhin durfte ich mir was von ihm anhöre, als hätte ich beschlossen einen fremde Nation zu erobern und deren Menschenrechte mit Füßen zu treten.
„Bin für Option drei", gab ich zu. „Aber nur, wenn du schwörst, dass ich nicht eine Beschwerde von dir hören, was für ein Film-Banause ich bin."
„Aber das bist wirklich!", beharrte er. Wir verließen diskutierend den Musikladen, ohne, dass wir etwas kauften. Draußen knallte die Sonne immer noch und ich sah, dass Spencer die Nase wieder kräuselte. Sein Sonnenbrand sah zumindest schon einmal besser aus.
Draußen setzte ich mir die Sonnenbrille auf und routiniert linste ich nach links und rechts. Spencer schüttelte den Kopf: „Oh hallo Paranoia, ich habe mich schon gefragt, wann sie wieder auftaucht."
„Ich kann das nicht einfach abstellen", wehrte ich mich und dazu schwieg er. Wir fuhren ein letztes mal mit der gelben U-Bahn, doch bei Tag waren sie belebt und voll. Mein Blick glitt über die Sitze und prompt dachte ich an den Morgen nach dem Song Battle. Bei Spencer wusste ich nicht, ob er diesen Gedanken teilte, da er mehrere Nachrichten auf seinem Handy durchging.
„Was ist los?", fragte ich, als wir wieder Tageslicht sahen und er sprach: „Der Flug geht morgen später und Alex hat mich auf den Stand der Dinge gebracht. In Italien will Parker mit uns die Erweiterung der Tour durchgehen und ein paar Änderungen."
„Na du klingst ja begeistert", murmelte ich. Spencer schmunzelte: „Ich kann mir im Moment Besseres vorstellen." Er zwinkerte dreist und statt drauf einzugehen antwortete ich: „Ja, zum Beispiel könnten wir endlich den Hotelpool ausprobieren."
„Viel Spaß dabei", spottete er. In der Suite stellte Spencer die Klimaanlage etwas runter und ich bestellte beim Zimmerservice, was mir in den Sinn kam. Vom Wohnzimmer aus beobachtete ich Spencer, obwohl ich einen passenden Film raussuchen sollte.
Es war seltsam, ich hätte drauf wetten können, dass er sich Berlin weiter ansehen wollte. Aber es schien ihm zu reichen, dass wir auf der Couch angammelten. Der Service kam, ich schob ihn rein, gab Trinkgeld und nach einer halben Stunde war die Gammelzeit angebrochen.
„Das Cabinet des Dr. Caligari, oder eher 'Das Kabinett des Doktor Parnassus' kann es sein, dass du da was durcheinander gebracht hast?", sprach Spencer belustigt und murmelte etwas von: „Ziehen wir uns diesen abgefuckten Depp rein."
„Was hast du gegen Johnny Depp, das ist ein gefragter Schauspieler!"
„Er ist ein Schatten von sich selbst", behauptete er und griff nach der Fernbedienung. Richtig auf den Film konnte ich mich nicht konzentrieren. Irgendwann nutze ich Spencers Beine als Kissen und merkte, dass mir die Augen immer wieder zufielen.
Spencers Finger strichen durch mein Haar, massierten meine Kopfhaut und er stütze seine Füße auf einem Hocker ab, der zum Sessel gehörte, statt zur Couch.
„Das werde ich vermissen", gab ich zu und hörte ihn leise lachen: „Nur das?"
„Natürlich nicht. Ich wünschte wir hätten noch ein bisschen mehr Zeit", Urlaub konnte man nie genug haben. Auch, wenn ich das nächste Mal gerne mit Spencer nach Los Angeles oder wieder nach London wollte.
„Dabei sollte man meinen, dass uns sieben Tage gereicht hätten", sprach er und seine Finger glitten etwas höher, über meine Stirn und wieder zurück: „Übrigens Harry, wie darf ich meinen Freunden dein nettes Andenken erkläre?"
Ich wusste sofort was er meinte, aber Spencer klang nicht pissig darüber. „Ich kann sie noch mal auffrischen, wenn du so scharf drauf bist."
„Unbedingt!", bestätigte er. „Also, soll ich ihnen das Übliche erzählen? Party, Alkohol, etwas Spaß?"
„Wenn wir es genau nehmen, dann ist nichts davon gelogen", wies ich ihn drauf hin. Daraufhin schmunzelte er lediglich und ich war wieder fast daran einzuschlafen. Die Stimmen des Filmes konnte ich nicht mehr richtig zuordnen, geschweige denn dem Inhalt folgen. Denn der Film war mir im Grunde total egal. Es reichte das Spencer anwesend war.
In diesem Moment wurde mir bewusst, wie sehr sich meine Prioritäten verschoben hatten. Ich dachte genauso wie Louis, wenn er von seiner Zeit mit Eleanor erzählte. Ihm war es ebenfalls gleichgültig gewesen, was sie miteinander unternahmen, so lange sie es zusammen machte.
Das Spencer meine Eleanor sein könnte, wirkte trotzdem noch befremdlich.
„Meine Fresse", hörte ich ihn irgendwann sagen. „Was ist denn mit deinem Handy los?"
Schwerfällig hob ich den Kopf und sah auf den Wohnzimmertisch, wo es zwischen Kuchen und anderen Süßkram lag. Es blinkte unaufhörlich und ich setzte mich aufrecht hin. Gleichzeitig langte Spencer nach dem seinen und als ich meines entsperrte, da erschlug mich eine Welle von Nachrichten. Über dreißig Chats waren plötzlich aktiv.
„Was zum-", entfuhr es mir überfordert, doch in meinem Hirn ging schlagartig ein Licht an, als ich Louis' Chat öffnete. Auf Twitter war die Hölle los, denn vier Fotos geisterten durch das Netz, die Spencer und mich dabei zeigten, wie wir den Musikladen verließen und die U-Bahn zurück zum Hotel nahmen.
Wir waren entdeckt worden.
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