15 ♫ Five questions
Hat dein Herz auch Narben
Deine Tür bleibt immer auf
Ob du weißt, wie gut du tust
Bei dir regnet's auch im Sommer
Und dein Schnee wird so schnell grau
Und du schreist, wenn du fluchst
Irgendwo in Berlin
Gehör ich hin
Doch damit ich sicher bin
Muss ich immer wieder fliehn
Wenn ich mich jetzt umdreh
Heißt das nicht, dass ich geh
In dieser Stadt da lernt ich küssen
Und ich will dich nicht vermissen
[ Rosenstolz ]
HARRY ║ Meine Füße waren müde und brüllten mich förmlich an, dass ich einfach liegen blieb. Schwerfällig öffnete ich die Augen und sah an die weiße Decke des Waldorf Astoria Hotels. Nach dem wir das Brandenburger Tor gewesen waren, schlenderten wir über den Hackescher Markt und waren draußen vor einem Restaurant versackt.
Wir probierten Deutsches Bier aus und ließen uns vom belustigten Keller erklären, was wir lieber auslassen sollten. Berliner Weisse galt als absolutes Muss.
Zuerst waren sowohl Spencer, als auch ich nicht besonders überzeugt. Zumal man nicht alle Tage Bier vorgesetzt bekam, mit einen Schuss Waldmeister- und Himbeersirup.
Die Gläser waren groß und hatten eher Ähnlichkeit mit Cocktailgläser, als mit einem normalen Bierglas.
Unsere Skepsis verflog, denn Berliner Weisse war unglaublich lecker.
Es war total entspannend mit Spencer einfach nur zu sitzen, über belanglose Dinge zu reden und sich über nichts Sorgen zu machen. Auch, als es schon längst dunkel war, hetzte er nicht, sondern nahm gerne Umwege.
Ich hatte völlig vergessen, wie es war, wenn man Zeit hatte. Normalerweise spürte ich ständig Zeitdruck im Nacken und hatte kein Auge für das, was um mich herum passierte. Spencer war noch nicht lange genug im Showbizz, um sich dies abzugewöhnen und ich hoffte, dass er seine entspannte Art beibehielt.
Jetzt wandte ich mich nach links und obwohl es recht dunkel im Raum war, fiel ein Streifen Licht ins Zimmer. Ich erkannte Spencers zerdrücktes Haar. Er schlief auf dem Bauch und hatte das Gesicht in meine Richtung gedreht, so wie er es fast immer tat.
Sein Mund stand leicht offen, aber er schnarchte nicht. Ich war versucht die Stelle auf der Nase zu berühren, die er sich verbrannt hatte. Ein kleiner Streifen auf seinem Unterarm wirkte ebenfalls wie ein Sonnenbrand.
„Statt mich anzustarren, könntest du dich daran machen Frühstück zu bestellen", sprach er plötzlich und seine raue Stimme ging mir runter wie Öl.
„Ich habe gerade darüber nachgedacht, ob du deine Atrien mit Pfannkuchen verstopfen willst, oder mit Bacon", redete ich mich raus. Da Spencer noch immer die Augen geschlossen hatte, glaubte ich, er würde sich wieder daran machen in den Schlaf zu driften. Aber stattdessen runzelte er schließlich die Stirn: „Das ist doch keine Frage! Natürlich beides!"
Ich bezweifelte, dass wir hier solch ein Frühstück bekamen und schwang brummend die Beine aus dem Bett, damit ich die Karte vom Zimmerservice holen konnte. Zurück im Schlafraum zog Spencer mich ins Bett und nahm mir die Karte aus der Hand.
Er sorgte dafür, dass sich die schweren Vorhänge elektronisch öffneten und ein schwerer graue Himmel begrüßte uns. Wahrscheinlich war es so feucht schwül draußen, dass man abnippelte. Es würde nur noch eine Frage der Zeit sein, bis es einen heftigen Wolkenbruch gab und sich die Hitze entlud.
Ich stopfte mir ein Kissen in den Nacken und lag so auf Spencers Oberschenkeln, er selbst saß aufrecht an das Kopfteil des Bettes gelehnt, die Beine ausgestreckt. Dann reichte er mir die Karte zurück und noch bevor ich die Getränke überfliegen konnte, spürte ich wie Spencers Finger durch mein Haar glitten.
Er massierte sanft meine Kopfhaut und mühelos entspannte ich mich völlig.
„Daran könnte ich mich gewöhnen", sprach ich und Spencer schmunzelte: „Ich könnte dir noch ganz andere Dinge massieren."
„Das glaube ich dir aufs Wort. Dazu ein paar Eier, abgesehen von meinen?", fragte ich. Er gluckste amüsiert, dann wollte er wissen: „Was steht drauf?"
Wenig später bestellte Spencer uns über das Hoteltelefon Frühstück und wir hörten es donnern. Sichtlich frustrierte seufzte er laut: „Sieht so aus, als würden wir heute nicht viel machen können."
„Blödmann, wir sind im Waldorf Astoria, hier kannst du alles machen. Nur von der Nase Koks würde ich abraten", antwortete ich. „Ist zwar nicht Thailand oder die USA, aber Europas Drogengesetze sind kein Sommerurlaub."
„Ich stehe nicht so drauf mir den Organismus wegen ein bisschen Spaß kaputt zu machen. Außerdem höre ich automatisch die Fanfare des Militärs sobald ich nur an weißes Pulver denke", schnaubte Spencer.
Gerade wollte ich nachhaken, aber jemand klopfte und ich sprang hastig aus dem Bett, um mir eine Sporthose über die Boxershorts zu stülpen und einen Pullover dazu. Als ich mich im dicken Stoff verhedderte, da wurde mir klar, dass ich mir das hätte schenken sollen.
Wenige Minuten später schob ein Hotelangestellter in Uniform einen Wagen voller Essen, Kaffee und Saft in den Raum. Ich war froh, als er wieder weg war.
Wir frühstückten im Wohnzimmer und ich sah erneut mit an, wie Spencer sich mit ungesunden Fraß vollstopfte und seinen Kaffee so stark trank, als müsste er sich wiederbeleben.
Danach gammelten wir wieder im Bett herum, heiße Tassen Kaffee dabei, in meinem Fall Tee und wie es aussah würde sich heute niemand die Mühe machen sich richtig anzuziehen. Ich machte Spencer den Vorschlag, dass wir die Fitness-Etage doch nutzen könnten.
Doch er lachte mich nur aus und meinte, er würde jede Art Fitness mitmachen, aber in seinem Urlaub ganz sicher nicht vor sich hin hechelnd auf einem Laufband herumrennen.
Ich konnte mir denken welchen Sport er meinte, aber er machte keine weiteren Andeutungen. Schließlich nahm ich auf dem Bett Spencers Position ein und machte den Fernseher an, der gegenüber vom Bett an der Wand hing, während er sich Kopfhörer aufsetzte und durch sein Handy scrollte.
Im Endeffekt machten wir gar nichts, ab und an hob Spencer den Kopf und gab einen Kommentar zu Major Crimes ab. Ich ließ die Folge auf Englisch laufen. Eigentlich hatte ich von der Serie noch nichts gehört, aber sie wirkte nicht wie eine düstere Krimiserie, sondern durch die Besetzung durchaus unterhaltsam.
Und das Wichtigste überhaupt, Spencer konnte mir meine Serien Sechs nicht unter die Nase reiben, weil er die Sendung selbst nicht kannte.
Mittlerweile wusste ich, dass er jede Folge von The Big Bang Theory, Two and a Half Men und American Horror Story mitsprechen konnte. Da fragte man sich doch, wann er all die Serien und Filme gesehen hatte.
Irgendwann registrierte ich, dass Spencer mit meinen Fingern spielte. Es war mir überhaupt nicht aufgefallen, dennoch mochte ich es, wie seine Finger in der Handfläche von meiner leichte Zeichen malte.
Diese kleine Geste hatte etwas seltsam Schönes und ich ließ ihn machen. So lange, bis ich bemerkte, dass er eine bestimmte Abfolge von Zeichen malte, in einem festen Rythmus.
„Was hörst du da?", fragte ich und als er nicht reagierte, da zog ich ihm die eine Seite der Köpfhörer herunter und wiederholte mich.
Spencer stoppte die Musik: „Mara hat einen neuen Song geschrieben 'Teenage Symphony' und Fynny-Boy ihm den letzten Schliff verpasst. Wir dachten, er wäre was für das nächste Album."
„Aber?", hakte ich nach. Auf der Matschscheibe wurde gerade jemand erschossen.
„Er ist fertig und Alex meinte, es wäre eine klasse Überraschung, wenn wir ihn in Italien bringen", führte er aus. Ich nickte: „Verstehe."
„Auf italienisch."
Am trockenen Ton erkannte ich, dass Spencer sich das einfacher vorgestellt hatte und ich lachte laut auf. Auch Louis war damals auf die Idee gekommen, dass wir in jedem Land einen Song singen könnten und dessen Amtssprache berücksichtigten. Dumm nur, dass Gotta be you auf französisch scheiße klang.
„Kommt einen vor, als müsste man auf chinesisch singen, hm?", tritze ich ihn, doch er überraschte mich: „Geht so, ich bin in italienisch eingerostet und vergesse immer eine Zeile."
„Okay", das reichte - dieser Pool an nicht Wissen, was Spencer anging, musste sofort kleiner werden. „Du sprichst italienisch? Noch irgendwelche Sprachen, von denen man wissen sollte?"
„Mein Spanisch ist passabel, Französisch reicht, um nach dem Weg zu fragen", gab er unbekümmert zu, als wäre es nichts Besonderes.
Ich horchte auf: „Also warst du schon häufiger in Europa?"
„Ja, aber nie zuvor in England", antwortete er knapp. Ich wartete, aber er erzählte nichts weiter und mittlerweile kannte ich ihn gut genug, um zu erahnen, dass Spencer Dinge, die er mir nicht erzählen wollte, kurz und bündig abschmetterte.
Gerade, als er sich die Kopfhörer wieder aufsetzten wollte, da sprach ich: „Wie wäre es mit einem Deal?"
Nun sah er zu mir auf: „Wie kommst du jetzt auf einen Deal?"
„Vorschlag, ich habe zehn Fragen aller Art frei und ohne Einspruch mache ich alles mit, was du für Berlin geplant hast", bot ich ihm an. Daraufhin verzog er das Gesicht, dachte darüber nach und verhandelte mit mir: „Drei."
Alleine, weil er die Anzahl der Fragen drückte, verriet mir, dass es eine Menge Kram geben musste, den Spencer mir nicht verraten wollte. Kram, der ihn irgendwie ausmachte und dessen Seiten geschwärzt waren.
„Acht", bot ich an und ich sah in seinen hellen Augen, dass ihm dies immer noch nicht gefiel: „Nein, drei."
„Wir sind noch fünf Tage hier", versuchte ich zu argumentieren und dann kam er mir entgegen: „Okay, okay, fünf, aber keine mehr!"
Damit konnte ich leben: „Abgemacht."
Entspannt wandte sich Spencer wieder seinem Handy zu. Ich konnte mich in diesem Moment gar nicht entscheiden, welche Frage ich zuerst stellen sollte. Da war die Sache mit seiner Familie, mit dem Militär, wieso er so viel Sprachen konnte, wie weit er mit Daniel gegangen war, ob es Beziehung davor gab, ich könnte eine Liste führen.
„Erzähle mir etwas von deiner Familie", knallte ich raus und Spencer stöhnte: „Das ist keine Frage."
„Ich kann es umformulieren, dass es eine wird mit gefühlten tausend Kommas", blieb ich hartnäckig. Einen Augenblick lang sagte Spencer gar nichts, dann stieß er die Luft zwischen den Zähnen aus: „Na schön, in Ordnung... also", er kratzte sich nachdenklich am Kopf, weshalb sein Haar noch chaotisches ab stand.
Ich gab ihm die Zeit sich zu orientieren und sah wieder zum Fernseher. Die Crew von Major Crimes befand sich im Zentrum. Zusammen diskutierten sie die Mördertafel, als der Szenenwechsel kam, da räusperte Spencer sich und ich hörte gespannt zu.
„Okay... ähm, mein Dad ist eine Art Krisenmanager, politisch sehr involviert", gab er mir den ersten Überblick. „2004 war er einer der Berater, die Barack Obama zum Senator von Illinois machten."
„Wow", entwich es mir. „Also kennt dein Vater-"
„Ja, sie sind per du. Die Kandidatur zum Präsidenten hat er jedoch nicht begleitet. War ihm eine Nummer zu hoch", Spencer war nicht die Spur beeindruckt. „Ansonsten hat mein Dad ordentlich beruflich was los. Das hat allerdings auch den Nachteil, dass er nie viel zu Hause ist."
War irgendwo nur logisch: „Klingt, als hätte dich das gestört."
Nun lachte Spencer: „Nein, eigentlich nicht besonders. Klar, er hat keines meiner Baseballspiele gesehen, aber das war mir nicht wichtig. Als ich jünger war, war ich sogar irgendwie froh, dass er nicht da war. Denn so konnte er mir nicht mit der Militär Akademie drohen. Das hat er immer gemacht, wenn Aaron und ich nicht sprangen, wie er es gerne hätte."
M-Militär Akademie?
„Wenn er richtig gut drauf war, dann hat er uns Sonntagmorgen immer geweckt indem er die Fanfare mit Reveille aufgedreht spielen ließ", beschwerte er sich. „Später hat Aaron das übernommen, wenn ich nicht pünktlich zur Schule kam."
Ich musste lachen und Spencer stieß mich mit den Arm in die Seite: „Das war nicht witzig! Ich will dich mal erleben, wenn du mit einem Getöse aus dem Schlaf gerissen wirst!" Er machte die Reveille nach und mein Lachflash riss einfach nicht ab. Es dauerte eine ganze Weile, ehe ich mich wieder beruhigt hatte: „Ich dachte, dass du aus einer Demokraten-Familie kommst."
„Das heißt nicht, dass wir alle Pazifisten sind", erklärte Spencer sachlich. „Aber darüber streite ich mit dir nicht, ihr Europäer seid politisch absolute Labertaschen."
„Und ihr Amerikaner marschiert in fremde Länder ein und macht alles platt", hielt ich dagegen. Spencer wedelte gelassen mit der Hand in der Luft herum: „Wie auch immer, ich werde mich nicht streiten. Das Thema ist heikel."
Ich tat ihm den Gefallen und lenkte den Inhalt auf seine Mutter.
„Sie ist Anwältin für Familien- und Erbrecht, aber am liebsten plant sie irgendwelche Galen und Wohltätigkeitsverstaltungen. Ich kann damit so gar nichts anfangen", kurz zuckte er mit den Schultern und ich wartete auf eine Anekdote, aber sie kam nicht.
Stattdessen ging er zu seinem Bruder über: „Aaron ist zehn Jahre älter als ich und ein ziemlich großer Fan von Guns n' Roses und 38 Special. Von ihm habe ich die Weste, die ich ständig auf Konzerten anhabe. Mara hat bei ihrer Freundin neue bestellt, weil ich zwischendurch auch mal waschen muss und sie es nötig hat geflickt zu werden."
Scheinbar hatte er von ihm den Musikeinfluss.
„Jedenfalls ist er eine ziemlich coole Socke. Durch ihn habe ich erst gelernt Musik zu schätzen. Er zeigte mir Clubs, in denen man Bands spielen ließ und erklärte mir, woran ich erkenne, wann ein illegaler Song Battle stattfindet", redete er weiter.
Er sah meinen verwirrten Gesichtsausdruck und grinste: „Ich war sieben und Aaron sollte eigentlich zu Hause auf mich aufpassen. Stattdessen habe ich Cola getrunken und pappige Fritten gegessen. Mit sieben auf einer Bartheke zu hocken fühlte sich unglaublich cool an."
„Meine Mutter hätte Gemma gehäutet, wenn sie so etwas mit mir gewagt hätte", gab ich zu. Spencer schmunzelte: „Glaub mir, meine Mutter fand diese Ausflüge auch nicht bombig. Sie hat den Wagen meines Bruders in einem Chanel-Kostüm lahm gelegt. Mitten in der Nacht für ganze drei Wochen. Aaron wollte den Wagen mit seinen Kumpels in die Werkstatt schieben, aber die Reifen verloren prompt ein bisschen Luft."
Es klang nach einer verdammt cleveren Frau.
„Das jedenfalls ist meine Familie", schloss Spencer. Kurz wurde ich das Gefühl nicht los, dass er etwas ausgelassen hatte, aber nüchtern betrachtet hatte er einige geschwärzten Zeilen verschwinden lassen.
Nun entspannte sich Spencer wieder und ich gab dem Verlangen nach durch seine Haare zu streichen. Zwischen meinen Fingern fühlte es sich gut an und er schien nichts dagegen zu haben. Einige Minuten lang schwiegen wir, ich sah, wie Spencer die Augen schloss und das zu genießen schien.
So, wie ich vorher.
Ich mochte es, wenn er zeigte, dass er meine Anwesenheit genoss. Irgendwie hatte ich vergessen, wie schön es sein konnte, einfach nur Zeit zu verplempern und kein festes Ziel zu haben.
Die Major Crimes Folge war zu Ende und direkt danach lief Rizzoli & Isles. Wieder so ein Krimi-Zeug. War das ein spezieller Kanal, oder lief tatsächlich nichts anderes?
Gerade, als ich nach der Fernbedienung langte, da öffnete Spencer wieder seine Augen und sprach: „Wenn wir den Deal mal kurz zur Seite schieben, habe ich eine Frage gratis frei?"
„Wenn ich einen Joker kriege", ließ ich mich nicht lumpen und Spencer rollte mit den Augen: „Na schön, von mir aus. Irgendeine lebensmüde Aktion im Laufe der Woche darfst du gerne boykottieren."
„Klingt gut. Was willst du jetzt wissen?", ich zappte durch die Programme, stolperte über irgendwelche Gerichtsshows, die ich nicht verstand, Assi-TV und einen alten Western mit Clint Eastwood. Das ließ ich lauf.
Ich lehnte mich gerade gelassen zurück, als es Spencer in nur einer Frage gelang, mich quasi in die Enge zu treiben.
Ich war so gut wie Schachmatt gesetzt.
„Was sind wir für dich?"
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