14 ♫ A little bit of freedom
And now we're going to Berlin
We heard that remix that we never found again
And I'm matrying to get in
And when the fairy just went to the back again
Under the world in the city lights
Next to the street we stay up all night
Don't know where we going,
going, going all night
In Berlin
[ In allen Farben ]
HARRY ║ Berlin mit Spencer zu entdecken war... anders.
Ich hatte schon in London gemerkt, wie begeisterungsfähig er war, aber in Berlin konnte ich dies erst richtig nachvollziehen. Zuerst fühlte ich mich, wie ein Sträfling auf der Flucht und schwitze, als wäre ich gerade erst einen Halbmarathon gelaufen.
Doch nachdem wir nun in diesen gelben U-Bahnen saßen und jeder Fahrgast mit sich selbst beschäftigt war, ich die deutsche Werbung studierte, wovon ich nicht ein Wort verstand, da zwang ich mich, mich zu entspannen.
Neben mir saugte Spencer alle Eindrücke auf, wie ein Schwamm. Er hatte Spaß daran die Tickets zu kaufen, die Fahrpläne zu studiere und suchte nun mit einer App nach dem ersten Ort, den wir aufsuchen sollten.
„Wo geht es eigentlich hin?", fragte ich, als wir die Bahnstation verließen und Spencer versuchte den richtigen Weg zu finden. Da es immer noch unglaublich warm war, war ich froh, dass ich darauf verzichtet hatte die Perücke aufzusetzen.
„Zum Mauerpark", teilte Spencer mir mit. „Dort findet heute ein Flohmarkt statt und ich dachte, dass könnte sehr interessant sein. Zumal bei dieser Hitze hoffentlich mehr Leute im Schwimmbad, statt dort sein werden."
Der Park am Prenzlauer Berg überraschte mich. Denn der Flohmarkt war unglaublich groß. An den zahlreichen Ständen wurden unter anderem Mode und Secondhand, Design und Schmuck, Taschen, Dekoration, Bastelmaterial, Musikinstrumente und Vinyl angeboten.
Besucher konnten auch Handgemachtes und Selbstgebasteltes entdecken. Dazu lockten zahlreiche Imbissstände mit Snacks, Getränken und Sitzplätzen.
Ich war schon ewig nicht mehr über einen Flohmarkt geschlendert. Leider hatte Spencer unrecht, hier war trotzdem regender Betrieb, aber das war vielleicht sogar besser so. Wir schoben uns zwischen den Leuten an den Ständen vorbei. Es gab unglaublich viel zu sehen.
Frustriert seufzte Spencer laut auf, als er sich eine halbe Stunde später in einen knallroten Ohrensessel nieder ließ, umgeben von anderen gebrauchten Möbelstücken, wie Regale, Schreibtische und Hocker: „Das ist so cool hier! Schade, dass ich kein Video drehen kann, oder eine Bude habe, wo solche Möbel reinpassen könnten."
Das mit dem Video war logisch, damit fiel Spencer zu sehr auf, aber das mit der Wohnung irritierte mich: „Was soll das heißen, hast du dir kein Haus, oder so was zugelegt?"
„Wann denn?", fragte er. „Ich bin ja nur noch unterwegs und bevor ich für irgendetwas Geld ausgebe, will ich mir das Ding ansehen, das ich kaufe."
Ich verzog das Gesicht: „Im Internet?"
Nun sah Spencer mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank: „Kaufst du so deine ganzen Immobilien?"
„Ein Paar", gab ich zu. „Aber die habe ich auch direkt vermietet."
„Das wäre nicht meines", gab Spencer zu. „Ich will ein Zuhause, oder eine Ferienwohnung. Ansonsten tut es auch ein Hotel."
Nun zog er sich aus dem Sessel und schob sich die Snapback weiter nach hinten. Ich folgte ihm: „Weißt du schon wo du wohnen willst? Todsicher in Nashville, oder?"
„Nein", überraschte er mich und betrachtete bunte Lampenschirme: „So viel hält mich da nicht. Ich dachte, dass Los Angeles mich am meisten lockt, aber je mehr ich drüber nachdenke, umso mehr glaube ich, dass ich dort eigentlich nur Urlaub machen will."
„Im Klartext, du willst dort nur die Sehenswürdigkeiten abklappern", stellte ich fest und er nickte: „Ja genau und New York reizt mich mal gar nicht. Ist ganz nett dort, aber wohnen wollen würde ich dort auch nicht."
Er blieb bei einem Stand mit alten Sonnenbrillen stehen und griff nach einer, die aussah, wie aus einem alten Hollywoodfilm, weiß und voller Strasssteine war.
Wir schlenderten weiter. Irgendwann würde er schon wissen, wo er landen wollte, wobei ich es nicht übel fände, wenn er London ernsthaft in Erwähnung zöge. Aber so richtig vorstellen konnte ich mir nicht, dass Spencer ein echter Brite wurde.
Der Trödelmarkt bot eine menge Klüngel an, Flaschenöffner, Kartenspiele, alte Kunstzeitschriften, aber auch interessante Dinge. Ich mochte die knalligen Telefone aus den 80er Jahren und die längst überholten Fotokameras.
Mir war sofort klar, dass Spencer an einem Stand hängen bleiben würde, wo Shirts mit Bandaufdrucke verkauft wurden.
„Wie heißen die?", ich konnte den Namen kaum aussprechen und Spencer öffnete eine Übersetzungs-App, dann lachte er laut auf und sprach: „Die Toten Hosen, ein krasser Name."
Die Deutschen waren wirklich etwas speziell, denn auch Deichkind und Silbermond waren schon echt gewöhnungsbedürftig. Begeistert wühlte sich Spencer durch die Shirts und entschied sich dann, dass die Toten Hosen es wert waren, genauso wie Reamonn und The BossHoss. Dass er auf dem Tisch daneben unzählige Bügelbilder fand, setzte seiner Begeisterung keine Grenzen und er schlug noch einmal ordentlich zu.
Als er bezahlte und die Tüte entgegen nahm, da fragte ich: „Hast du je etwas von denen gehört?"
„Nö, aber das kann man ja schnell ändern", meinte er pragmatisch.
Für Musikliebhaber war das hier definitiv ein Muss. Wir blieben stehen, als wir Kisten voller Schallplatten sahen und stolperten über sehr viele bekannte Namen.
Spencer hockte sich neben mich: „Irgendwie macht die moderne Technik all das kaputt. Wir mussten nie suchen, wenn wir einen Song immer und immer wieder hören wollten. Und unsere Musik wird auch niemals auf Vinylplatten gepresst werden. Niemand spielt sie auf Kassetten."
„Schade irgendwie", gab ich ihm recht. „Nach uns wird niemand durch Kisten wühlen, sondern einfach nur das Internet an schmeißen und download."
Ich sammelte keine Schallplatten, trotzdem war es gut sich so in Erinnerung zu rufen, welche Musik schon lange nicht mehr gehört hatte. Neben den Platten standen Kisten mit Strickpullis und ich drehte denen demonstrativ den Rücken zu. Zu Weihnachten würde ich so ein hässliches Ding ganz sicher wieder kriegen.
In der Luft lag der Geruch von Bratwürstchen, Kartoffeln und als ich mich umdrehte, da sah ich einen Stand, wo Kartoffelchips frisch auf einem Spieß gezogen wurde. Diese Food Trucks gab es nur an vereinzelten Stellen. In Amerika gab es dafür richtige Festival, doch in Deutschland schien der Trend noch nicht so tiefe verwurzelt zu sein.
Auf Bierbänken saßen die Leute beisammen im Schatten und genossen ein kühles Bier. Ich bemerkte, dass mein Hals nichts gegen das flüssige Gold einzuwenden hätte. Hauptsache kalt.
„Pause?", las Spencer meine Gedanken und ich zögerte: „Noch nicht. Hier ist es auch noch arg voll. Lass uns ein bisschen weiter gehen." Ohne zu zögern nickte Spencer und wir schlenderten weiter an Milchvasen vorbei, Spiegel und gelesenen Büchern.
An einem Zelt mit zahlreichen Klamotten verweilten wir etwas länger und mir fiel ein brauner Hut ins Auge. Versteckt hinter Kleiderstangen setzte ich ihn auf und wollte mit dem Handy schauen, wie er aussah.
Spencer riss sich von verwaschenen Jeans los und trat zu mir, dann grinste er breit: „Der ist absolut geil, wie Indi."
„Wer?"
„Jetzt sag mir nicht, du kennst Indiana Jones mit Harrison Ford nicht", er zog den Hut etwas nach vorne und bei mir fiel der Groschen: „Der Film, wo der Typ eigentlich komplett unwichtig ist und auch ohne ihn funktioniert hätte?"
„Das behältst du dir, aber nicht, dass er einen Hut trug und eine Peitsche?", dies schien ihn sichtlich zu amüsieren. „Jedenfalls sieht der Hut gut aus, zumindest zu deinem eigentlichen Stil."
Ich kaufte ihn kurzerhand.
Über eine Stunde später hockten wir uns auf eine Holzbank mit Biertisch und machten die erste große Pause. Genießend streckte ich die Beine aus. Spencer hatte seinen Spaß daran uns Club-Mate zu besorgen - irgendeinen Hipsterscheiß. Wonach das Zeug schmecken sollte, blieb mir ein Rätsel.
Gerade grub ich meine Zähne in weiches Fladenbrot und er schwatze: „Die Deutschen sagen irgendwie Döner zum Kebab."
Mir egal, was sie zu sagten, es schmeckte genial.
Während ich fraß, schien Spencer eher die Leute zu beobachten. Er ließ den Blick schweifen und als ich meinen Döner runter geschlungen hatte, bot er mir seine übrige Hälfte an. Da mein Magen noch immer ein echtes Loch war, sagte ich nicht nein, doch jetzt zügelte ich mich etwas.
„Suchst du jemanden?", fragte ich und er schüttelte den Kopf: „Nein, ich genieße das nur. Ich meine, wir sind draußen, gammeln im Schatten, mitten auf einem Flohmarkt und niemanden scheint es zu interessieren."
Ich hob den Kopf und sah mich nun ebenfalls unauffällig um, denn er hatte recht. Zum ersten Mal seit Stunden dachte ich wieder daran, dass normalerweise irgendwelche Leute ihr Handy in mein Gesicht hielten und hinterher eierten.
In Spencers Gegenwart hatte ich alle Vorsicht vergessen, sobald wir den Mauerpark betreten hatten. Zu viel gab es zu sehen. Seine Begeisterung und Gelassenheit gleichermaßen, färbte ab. Die Panik kroch auch nicht durch meine Glieder, stattdessen blieb ich absolut ruhig.
Hinter Spencer versuchte ein Vater seine drei Kidis im Zaun zu halten, weiter rechts feierte eine Gruppe von jungen Leuten den Sommer. Leider verstand ich das Tohuwabohu nicht, trotzdem war es interessant ohne Hektik die Menschen zu betrachten.
„Denkst du, wir können die nächsten Tagen auch noch losziehen?", Spencer schmunzelte und nippte an seinem Club-Mate.
„Noch ist der Tag nicht rum, es kann immer noch alles schief gehen", erinnerte ich ihn und er seufzte überdramatisch: „Du bist wieder optimistisch, wie eh und je." Dann zuckte er mit den Schultern: „Und wenn, mir wäre das ziemlich egal, weil wir es bis hier hin geschafft haben."
Unsere Glückssträhne hielt an.
Auf dem Rückweg ging die Sonne langsam unter und färbte den Himmel rot, die Hitze sank nach und nach. Ich klemmte mir die Sonnenbrille in den Kragen und bemerkte, dass wir nicht dieselbe Bahn zurücknahmen. Spencer schien noch andere Pläne zu haben, als zurück ins Hotel zu kehren.
„Wenn wir schon dabei sind, dann müssen wir auch unbedingt noch zum Pariser Platz", behauptete er und deutete meine ratlose Miene richtig, denn er schob hinterher: „Das Brandenburger Tor steht dort."
„Wenn du tourst, klapperst du auch alle Touristenplätze ab?", die Jungs und ich hatten das früher einmal getan. Damals waren wir nicht so schnell müde zu kriegen. Heute sah das anders aus. Lediglich Niall raffte sich noch auf.
Spencer schüttelte den Kopf: „Nein, wir sind ja kaum zwei Nächte in derselben Stadt. Man hat einfach keine Chance. Wenn wir dann einmal Zeit haben, dann brennen die anderen darauf, dass wir etwas zusammen machen und meistens landen undercover wir bei irgendwelchen Konzerten, oder Fenton bettelt uns an, dass wir feiern."
„Ja, früher haben Louis und Liam das auch getan, aber mittlerweile macht jeder sein eigenes Ding", gab ich zu und wir liefen die Treppen hoch ans Tageslicht, um die U-Bahn zu verlassen. Spencer musterte mich: „Ist bei euch etwas vorgefallen, dass ihr nicht mehr so dicke seid?"
„Wir sind schon noch dicke miteinander, nur vielleicht auf eine andere Art und Weise", korrigierte ich lahm. Gleichzeitig dachte ich darüber nach. Denn Tatsache war, irgendetwas war komisch und ich wusste nicht, wann es angefangen hatte.
Das Brandenburger Tor wurde durch die untergehende Sonne mit Gold überzogen. Vereinzelt waren noch Touristen unterwegs. Einheimische hatten kein Blick für das eindrucksvolle Tor. Spencer machte Fotos mit seinem Handy und faselte etwas von Quadriga und irgendwelche Einzelheiten.
Ich wusste nicht einmal, was er mit Quadriga meinte, tippte aber auf die Skulpturen, die auf dem Tor standen. Immer wieder wechselte Spencer für Fotos den Standort und ich nutze die Gelegenheit und überprüfte meine Nachrichten.
Zu meiner Überraschung hatte Louis mir geschrieben und ein Video mitgeschickt. Freddie lief so eifrig an der Themse vor ihm weg, dass er Mühe hatte hinter seinem Spross her zu kommen. Automatisch schmunzelte ich und las, dass er wissen wollte, ob bei mir alles okay war.
Ich hob den Kopf und sah mich nach Spencer um. Dieser war von jemanden angesprochen worden, der Flyer verteilte, ihn jedoch nicht erkannte. Mein Daumen tippte die ersten Worte, ohne, dass ich richtig hinsehen musste.
Die Wahrheit war, ich hatte mich schon lange nicht mehr so okay gefühlt. So normal und unbedeutend. Daran könnte ich mich gewöhnen. Auch, wenn ich genau wusste, wie trüglich dieses Gefühl war.
Spencer kam zurück und hielt den roten Flyer in den Händen: „Im Park Inn am Alexanderplatz kann man Base Flying oder Jumping machen! Ganze 125 Meter!" Er klang, als wäre Weihnachten vorverlegt worden und gut gelaunt faltete er den Flyer, um ihn sicher wegzustecken.
„Ist Fallschirmspringen schon zu langweilig?", sprach ich und schaltete mein Handy wieder aus. Spencer schüttelte den Kopf: „Nein, aber ich habe Fynny-Boy versprochen, dass wir das auf Hawaii zusammen machen. Er tötet mich Nachts, sollte ich es wagen den Nervenkitzel vorzugreifen."
Nun sah er die gemachten Bilder durch. Ich bemerkte, dass Spencer nachdachte, denn seine Stirn legte sich in Falten.
„Was ist?", fragte ich direkt. Etwas zögernd sprach er: „Ich weiß, ich habe dir versprochen, dass wir möglichst unauffällig sind, den Kram eben. Aber denkst du... das wir vielleicht ein Foto machen können?"
Ein Foto?
Er hatte doch gerade erst ein Panorama-Bild geschossen.
Ich brauchte zwei Augenaufschläge, um zu begreifen, was Spencer mit dem Foto meinte.
„Wir... haben keines wo wir zusammen drauf sind, ich meine, völlig normal und so", schob er hastig hinterher. Es wäre schon cool, wenn wir zumindest ein einziges Foto hätten, wo wir zusammen drauf waren. Kurz entschlossen zuckte ich mit den Schultern: „Das Tor im Hintergrund?"
Spencer lächelte und erneut gaukelte ich mir vor, dass er nur mich so anlächelte. Breit, zufrieden und irgendwie glücklich. Wir rückten zusammen, achteten darauf, dass die Sonne uns das Bild nicht verdarb und ich versuchte den Kopf so weit zu heben, dass die Snapback mich nicht völlig verdeckte.
Spencer blinzelte, weil die Sonne ihn blendete und hob das Handy hoch, da wir auf dem Bildschirm des Handys genau sahen wie das Bild werden würde, trafen sich dort unsere Blicke. Genau in diesem Moment drückte Spencer ab.
Wir hatten unser erstes gemeinsames Bild.
Blieb zu hoffen, dass es nicht unser Einziges blieb.
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