Die vierte Narbe

Bevor das Kapitel beginnt, habe ich eine kleine Ausschreibung für euch!

Falls jemand von euch gerne Bilder oder Videos editiert und Lust daran hätte, ein Bild oder Video zu Musa & Riven zu erstellen, schickt es mir über eine private Nachricht auf Wattpad! Ich werde die Ergebnisse der Ausschreibung und die Gewinnerinnen oder Gewinner natürlich hier in einem Kapitel würdigen.

Und nun viel Spaß beim nächsten Kapitel!

-flames

Feuer. Mein Kopf stand in Flammen. Jede Nervenzelle und jedes Fünkchen meiner Magie mussten vor Anstrengung glühen.

Riven starrte mich entgeistert von der anderen Seite des Beratungszimmers an. Die Finger seiner rechten Hand verkrampften sich um die Stuhllehne, als musste er sich ermahnen, nicht auf der Stelle einzugreifen.

Müsste ich mich nicht so höllisch konzentrieren, wäre ich wohl auch so entsetzt wie er. Doch ich hatte gerade keinen Platz für meine eigenen Emotionen, ich kämpfte gegen die ihrigen an, während diese wie Meteoriten auf mich einschlugen und mich und meinen Verstand in Brand steckten.

Professor Fletcher knirschte plötzlich hörbar mit den Zähnen: „MUSA, WIRF MICH ENDLICH RAUS!"

„In letzter Zeit hängt Riven wie ein streunender Hund an deinen Fersen.", sprach Terra endlich die Worte aus, die er ihr schon das ganze Mittagessen über auf der Zunge gelegen sein mussten. Misstrauisch beäugte sie mich: „Er ist kein guter Umgang."

„Gut ist niemand von uns. Nicht einmal du.", entgegnete ich kalt. Ich mochte Terra, aber gleichzeitig konnte ich es nicht ausstehen, wie sich einbildete, immer alles besser zu wissen, besonders wenn es um Riven ging. Aus ihr sprach immer noch ein verletztes Ego.

„Was soll das jetzt heißen?", wurde Terras Stimme schriller.

„Riven muss keinen Heiligenschein haben. Wir haben auch keinen.", stellte ich klar und versuchte mich zu beruhigen.

Warum fühlte ich mich in der Position, als müsste ich ihn verteidigen?

„Oder Musa ist ihm auf den Fersen. Terra, hast du vergessen, dass Musa jetzt wieder single ist?", grinste Flora und steckte sich eine Gabel voller Brokkoli in den Mund.

Terras Pupillen weiteten sich. Ich musste mir ein Kichern verkneifen.

„Bring sie ja nicht auf solche Gedanken, Flora! Außerdem seit wann bist du wieder gut auf Riven zu sprechen? Habt ihr euch nicht zerstritten?"

Flora antwortete: „Freundschaftspause. Der Tod von Beatrix hat ihn mitgenommen. Ich wollte darüber mit ihm sprechen und er hat mich ziemlich unhöflich abgewiesen. Er meinte, er sei kein Hilfsprojekt. Seither haben wir nicht viel gesprochen. Ich lasse ihn besser in Ruhe."

Terra nickte. Flora wandte sich mir zu: „Du und Sky scheint die Einzigen zu sein, die er noch an sich heranlässt."

Die Erinnerung an die gestrige Mittagspause verblasste. Ich nahm wahr, wie Professor Fletcher auf die nächste Erinnerung wartete. Diese Sekunden, in denen sie ihre Magie auf mich vernachlässigte, war es mir möglich einen Riss aus ihrem Geist, der sich wie eine Glaskuppel über mich gelegt hatte, zu finden und ihren Zauber zu brechen.

„Ich musste auf das richtige Timing warten.", keuchte ich, kehrte vollends ins Beratungszimmer zurück und strich mir eine Träne von meiner Wange.

„Timing?", Professor Fletcher klang verärgert. „Wenn du in Isis bist, dann wird dir Timing nichts nützen. Dir wird keine Zeit bleiben, dass du den richtigen Moment abwartest. Du brauchst keine Lücke in meinem Geist zu suchen. Du musst so stark sein, dass du eine Lücke, einen Spalt oder einen Riss in meinem Geist hineinschlägst! Nur so kannst du dich rechtzeitig selbst befreien."

„Wollen Sie ihr sagen, dass sie schwach ist, Professor? Das war ihr erster Versuch. Für mich war das schon sehr willensstark.", fiel Riven ins Gespräch ein.

„Alles, was ich sage, ist, dass sie sich noch verbessern muss, Riven. Ein Toll-gemacht bringt sie nicht voran.", Professor Fletcher wandte sich wieder an mich, „Niemand wird sich erkundigen, wie dein Tag gestern war. Sie werden zu den persönlichsten Gedanken und Erinnerungen vordringen wollen.", erklärt sie im Gegenzug.

Riven nickte zustimmend.

„So und jetzt kommen wir zu dir.", richtete sich Professor Fletcher an Riven. Sie verfiel mit Riven in ein angespanntes Flüstern, das ich ohne den Einsatz meiner Magie nicht mitanhören könnte. Das gab mir eine kurzzeitige Verschnaufpause, um meine Gedanken zu ordnen.

Als uns gestern Professor Fletcher in ihr Beratungszimmer zitiert hatte, hätte ich nie angenommen, dass sie mit uns noch eine solche intensive Unterrichtseinheit vorhätte. Klar, ein paar Ratschläge für die Mission hätte ich erwartet, aber das hier?

Meine magischen Fähigkeiten hatten sich bisher dahin erstreckt, dass ich die Emotionen anderer wahrnehmen und diese beeinflussen, also stärken oder abschwächen, konnte. Daneben war es mir möglich, geistige Kraftfelder aufzurufen, die ich im Nahkampf mir als eine Art Schild dienten.

Zum zweiten Mal, aber das hier? Das war etwas komplett Neues für mich. Ich hatte in den Lehrbüchern darüber gelesen. Mir war nicht bewusst gewesen, dass die Mind-Fairies auch so etwas im Lehrplan hatten. Vermutlich nicht. Das stand bestimmt nicht auf den Lehrplan.

Professor Fletcher hatte versucht mit ihrem Geist über Magie in meinem einzudringen.

Ein Schauer glitt meinem Rücken hinunter. Ich hatte bis jetzt noch nicht den Schaden betrachteten, den jemand anrichten könnte, wenn er Zugang zu deinem Innersten hätte. Der Körper war heilbar – reparierbar. Doch dein Geist, dein Verstand... Das war gefährlicher als alles, was ich jemals in Betracht gezogen hatte.

Und es war eine Sache Professor Fletchers Verstand abzuwahren, aber dasselbe zu tun wie sie, ließ mich am liebsten auf der Stelle erbrechen. Es sprach gegen alle ethisch-moralischen Grundeinstellungen, die ich besaß.

„Musa, komm bitte zu uns her.", forderte mich Professor Fletcher auf. „Ich weiß, dass das für euch eine ziemliche Herausforderung darstellt. Ich habe euch damit überrumpelt, doch ihr müsste auf alles Mögliche vorbereitet sein. Das ist die letzte Lektion für heute."

Sie blickte Riven an. Sein Gesicht enthielt keine Information darüber, wie er sich fühlte. Auch sein Gefühlszustand, als ich diesen mit meiner Magie überprüfte, glich der ruhigen See.

Verwirrung musste sich auf meiner Miene zeigen.

„Ah, sehr gut!", jubelte Professor Fletcher. „Da kann jemand seine Gefühle besser verstecken, als ich angenommen hätte."

Rivens Gesicht verhärtete sich. Er sah nun wirklich aus wie ein Spezialist. Oder sollte ich sagen wie ein Soldat? Kalter Ernst sprach aus seinen Augen.

„Bringen wir es hinter uns.", brummte er.

Mit einem fragenden Blick wirbelte ich zu Professor Fletcher herum.

„Da Riven keine Magie besitzt, kann er nur üben, wie auch er einen anderen Verstand abwehrt. Doch, Musa, du musst noch lernen, wie es ist, wenn du für eure Mission selbst Informationen beschaffst.", erklärte Professor Fletcher pragmatisch.

Mir stockte der Atem.

„Der Zweck heiligt nicht alle Mittel!", fuhr ich sie an. „Das ist mir zu persönlich..."

„Um Himmels Willens, du bist eine Mind-Fairy. Du hast nicht den Luxus zu sagen, dass etwas dir zu persönlich ist!", erwiderte Professor Fletcher, der langsam die Geduld mit mir ausging.

Riven streifte meinen Blick. Ich erinnerte mich daran, dass ich diesen Luxus hatte. Er erinnerte sich auch. Den Luxus ohne jeden Funken Magie in mir.

„Musa, es ist okay.", räusperte sich Riven, „Du wirst mir nicht wehtun."

Sie soll sich daran erinnern, dass sie das hier will. Sie will auf diese Mission. Sie will sich beweisen. Musa, warum denkst du nicht wie eine Spezialistin?

Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus. Rivens Augen flackerten kurz violett auf. Professor Fletcher bemerkte es nicht. Sie konzentrierte sich auf mich und meinte: „Gut, du wärmst deine Magie bereits auf, soweit ich es von deinen violetten Augen schließen kann, oder?"

Ich brachte vor Schock keine Silbe über die Lippen. Ich nickte stumm, fokussierte mich ganz auf Riven und schloss die Augen. Ich schickte meinen Geist aus, bis ich die Grenze zu Rivens Geist wahrnahm. Ich breitete meinen Geist wie eine Decke über seinen aus. Dann verstärkte ich meine Magie, bis sie wie eine Glaskuppel über seinen Geist lag.

Erinnere dich daran, dass du das hier willst.

Du willst auf diese Mission.

Du willst dich beweisen.

Denk wie eine Spezialistin und nicht wie eine Fee.

Ich öffnete die Augen und zog schweratmend Luft in meine Lungen. Das hier war zu viel für mich, für die Fee in mir. Doch die Spezialisten war erpicht darauf, etwas über Riven in Erfahrung zu bringen.

Ich fokussierte meine Magie stärker auf ihn. Riven entkam ein Keuchen. Schweißperlen rannten über seine Stirn.

Ein Bild blitzte vor meinem geistige Auge auf.

Eine Frau mit dunkelbraunen Locken und blaugrünen Augen stand auf einem Balkon eines Schlosses und überblickte einen glitzernden See.

Ich vernahm Worte, nur Riven sagte nichts. Rivens verängstigte Stimme war aber in meinem Kopf: „Meine Mutter ist in Isis."

Ein weiteres Bild.

Ein kleiner Junge stand mit einer Kapuze über den Kopf im Regen. Das Geräusch von Donner ließ ihn zusammenzucken. Er fing bitterlich zu weinen an.

„Mum, bleib hier!", flehte er, „Verlass Dad und mich nicht!"

„WIRF JETZT MUSA RAUS!", ertönte da der Befehl von Professor Fletcher.

Ich spürte, wie sich nichts tat. Ich sah weiterhin den kleinen Jungen vor meinem geistige Auge. Er blickte mich verzweifelt an und streckte seine winzigen Hände nach mir aus.

Am liebsten wollte ich ihn in den Arm nehmen und festdrücken.

Riven keuchte erneut hörbar auf.

Trotzdem war ich immer noch in seinem Kopf.

„Jetzt!", wiederholte sich Professor Fletcher.

Ich ließ von Riven ab und Riven sprang vom Stuhl auf. Professor Fletcher nickte zufrieden. Sie glaubte wohl, dass er es aus eigenen Kräften geschafft hatte.

Mit einem Mal traf mich Rivens Zorn wie ein Blitz. Er schnellte auf mich zu und deutete wutentbrannt mit dem Finger auf mich: „What the fuck, was was das gerade? Verdammte Mind-Fairies!"

Riven griff nach seiner Kapuzenjacke und verließ ohne ein weiteres Wort, ohne das Professor Fletcher oder mir Zeit zum Reagieren blieb, das Beratungszimmer. Die Türe knallte bei seinem Verlassen ohrenbetäubend laut zu.

Ich starrte ihm fassungslos hinterher.

Professor Fletcher klopfte mir auf den Rücken. Eine Welle von Ruhe wollte mich einlullen. Ich konterte sie mit meiner eigenen Magie.

Ich wollte das hier spüren.

Tränen strömten mir die Wange hinunter.

„Für Riven ist es nicht einfach. Er tut zwar so, aber für Personen, die selbst keine Magie besitzen, wissen oft nicht, was Magie alles anrichten kann. Was sie tun kann, wie stark sie wirklich ist und vor allem wie sie sich am eigenen Leib anfühlt.", versuchte mich Professor Fletcher zu trösten.

„Ich weiß.", flüsterte ich. „Riven, er –"

Mich verließen die Worte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

„Lassen wir es gut sein für heute.", tätschelte mir Professor Fletcher die Schulter. „Ruht euch noch bis zu Sonnenuntergang aus und hier sind eure Identitäten. Liest euch die Dokumente genau durch, besonders lernt sie auswendig! Alles Gute!"

Hinter Professor Fletchers Hornbrille zeigte sich ein ermutigendes Paar Augen.

„Danke, Professor. Ich gehe dann mal Riven suchen.", zwang ich ein Lächeln auf meine Lippen und verabschiedete mich.

Vor dem Beratungszimmer wartete Flora auf mich.

„Flora?"

„Riven hat mir eine Nachricht geschickt.", hakte Flora ein und deutete auf ihr Handy.

„Warum?"

„Anscheinend hat er deine Nummer nicht.", meinte sie.

„Was will er?", brachte ich endlich mehr als ein Wort raus.

„Dich nicht bis zur Party am Abend sehen.", antwortete Flora. Die Party war der perfekte Zeitpunkt, um unbemerkt zu verschwinden und uns zu bei Sonnenuntergang auf unsere Reise zu begeben.

Ich spürte, wie neugierig sie war, aber wenigstens bombardierte sie mich nicht mit Fragen.

Bis jetzt.

Flora zog fragend die Augenbrauen hoch: „Hast du jetzt auch einen Rausschmiss alla Riven kassiert?"

„So in etwa.", zeigte ich mich nicht gesprächig. Ich wollte einfach auf mein Zimmer und die Kopfhörer über meine Ohren stülpen.

~

Fortsetzung folgt...

Was würdet ihr nun an Musas Stelle tun? Mit Riven die Konfrontation suchen oder nicht?

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