Die siebte Narbe

Riven drehte sich jetzt schon x-ten Mal neben mir im Bett von der einen auf die andere Seite. Ich verstand es nicht. Das Bett war groß genug für zwei Personen. Eigentlich war es riesig. War mir danach zumute ein Bett zu teilen? Nein, natürlich nicht, aber wir kamen uns zum Glück nicht in die Quere. Wie gesagt das Bett war riesig. Trotzdem blieb Riven nicht ruhig.

Langsam fing es mich an zu stören.

„Entspann dich, Riven.", wandte ich mich seiner Seite zu.

„Wer sagt, dass ich nicht entspannt bin? Ich bin tiefenentspannt.", erwiderte er.

„Ach, wirklich?", murmelte ich spöttisch. „Deshalb haltest du mich schon seit einer Stunde wach."

Schweigen.

Als es mir zu viel wurde, schaltete ich die Nachttischlampe ein. Für einen Augenblick überrumpelte mich der Anblick des Zimmers. Ich war nicht auf meinem Heimatplaneten. Ich war auch nicht in Alfea. Nein, ich musste ausgerechnet hier in Isis in Cleo Trandores Haus mit Riven in einem Bett sein. Sogar hier mussten wir im Fall der Fälle vortäuschen sogar in einem Raum zu schlafen, bloß weil unsere Identitäten zufällig ein Paar waren. Das war so absurd.

„Warum schaltest du jetzt das Licht auf einmal ein, Musa?", stöhnte Riven und drückte sein Kissen auf seinen Kopf. Ich rückte näher an ihn heran, nahm ihm das Kissen vom Kopf und schleuderte es etwas ungeduldig auf den Boden.

Normalerweise bist du tiefenentspannt, Riven. Nur jetzt gerade bist du ein verdammtes Nervenbündel.", gab ich ihm zu bedenken. „Dafür brauche ich nicht einmal auf meine Magie zu hören. Das sehe ich dir an."

„Ich bewege mich schon nicht mehr, versprochen. Du kannst weiterschlafen.", versuchte er mich zu verscheuchen.

„Nein, wir reden jetzt. Was ist los?", ließ ich nicht locker. Bis jetzt hatte er mich nicht richtig angesehen, aber im nächsten Moment schossen seinen Augen wie zwei Dolche in meine Richtung. Gut, er wollte definitiv nicht darüber sprechen, was auch immer ihm auf der Seele liegen musste.

Schweigen.

„Riven, lass mich dir helfen. Du –", mein Atem stockte, „Du hast mir auch geholfen."

Ich spürte, wie Rivens Finger unwillkürlich über meine Handoberfläche strichen, als würde er sagen, dass ich es gut sein lassen sollte.

„Gute Nacht, Musa.", brach er das Schweigen. Die Worte klangen so sanft. Wenigstens war er nicht mehr wütend.

Ich hatte mir überlegt, dass ich ihn anhand von meinen Fähigkeiten einfach etwas beruhigen könnte, doch hatte ich immer noch ein schlechtes Gewissen, wie Sam damals reagiert hatte. Mir war mittlerweile bewusst geworden, dass ich nicht das Recht besaß, jemanden so zu manipulieren.

Seine Hand verweilte weiterhin auf meiner. Ich schaltete mit der anderen das Licht wieder ab und Riven zog sie auch nicht weg. Ich beließ es so, dachte nicht weiter darüber nach. Vielleicht würde er jetzt endlich einschlafen. Und ich auch.

~

Tief im Inneren habe ich Angst.

Ich weiß nicht, wo ich mich gerade befinde.

Die Angst ist wie ein Feuer.

Ich versuche alles, um sie zu bändigen.

Ich tue alles, um keine Angst mehr zu haben.

Also muss es so wirken, als wäre da gar keine, oder?

Als würde ich nicht brennen?

Mein Atem geht wieder unregelmäßig. Die Worte sind nicht meine eigenen. Das Einzige, was zu mir gehört, ist dieses Kribbeln.

Aus dem Nichts taucht ein Raum auf. Er sieht aus wie ein verlassener Dachboden. Kisten türmen sich auf der rechten Seite, während gegenüber ein verstaubte Fensterfront vor mir aufragt.

Dazwischen stehen Spiegel. Jemand hat sich vor einen davor zusammengekrümmt. Ich gehe näher an. Nein, ich sehe, wie ich näherhingehe. Es ist so, als ich nicht ich, sondern als ich eine Person, die sich selbst beobachtet.

Ich erkenne Rivens dunkelbraune Haare und in seinen Händen scheint er einen Brief zu halten. Ich kann weder genau lesen, was auf dem Pergament steht, noch liest Riven daraus vor. Dennoch höre ich die Briefzeilen, wie sie in meinem Kopf widerhallen.

Mein kleiner Junge, meine Zeit ist gekommen – ich muss gehen. Du weißt, dass ich hier nie glücklich war. In Isis habe ich eine Chance, neu anzufangen. An diesem Ort habe ich keinen Einfluss. Keine Macht. Dieses Leben reicht mir nicht.

Dein Vater ist ein guter Mann. Bleib bei ihm, er wird auf dich aufpassen. Du bist alt genug auf deinen eigenen Füßen zu stehen.

Wenn du deine Ausbildung abgeschlossen hast, komm nach Isis. Gemeinsam können wir in diesem Königreich viel erreichen.

Deine Mutter

Riven zerknüllt das Papier und hebt den Kopf. Er sieht mich durch den Spiegel. Seine Mundwinkeln verziehen sich in eine grimmige Maske.

Mit der Angst kommt die Wut.

Weil ich die Wut nicht aushalte, tue ich so, als sei sie nicht da.

Und da sie nicht da ist, ist da nichts.

Mir ist alles egal. Ich kann alles sein.

Ich muss mich um keinen Menschen kümmern, nicht einmal um mich.

„Sie hat nur an sich gedacht. Siehst du, wie egoistisch sie ist?", meinte Riven. „Ihr war die Karriere am Hof wichtiger als ihre Familie, als ihr Sohn."

Er schluckte.

„Ich bin erst wieder nützlich als Spezialist für sie. Dann kann ich ein Werkzeug sein.", fuhr er fort. „Ich bin nur ein Werkzeug für alle."

„Ich verstehe dich langsam.", murmelte ich und trat näher zu ihm hin. „Deine ganze Haltung ist nur Schein. Sie ist dein Schutzschild gegen die Welt. Ich sage nicht, dass das schlecht ist. Deine Umgangsweise hat auch Positives an sich. Du bist locker, kannst tun, was du willst, aber du nimmst weiterhin dein Training ernst. Dir ist bewusst, wie weit du gehen kannst..."

Ich zog Riven auf die Beine.

„Weil du eigentlich genauso so sehr fühlst, wie ich es tue.", konfrontierte ich ihn mit der Wahrheit. „Nur du versteckt es besser."

Rivens Hand zuckte. In meinem Körper kehrte wieder ein Gefühl zurück. Meine Hand lag immer noch auf seiner und ich nahm weiterhin dieses Kribbeln wahr.

Der Schlaf vernebelte mir zwar ein wenig noch die Gedanken, aber es gab keinen Zweifel daran, was gerade passiert war: Im Traum war mein Bewusstsein auf Rivens getroffen. Magie schien sich wirklich auf Isis zu intensivieren, nur ohne dass ich es aktiv wollte.

Morgenlicht flutete das Zimmer und Riven regte sich neben mir. Ich sprang alarmiert auf und rannte ins Bad. Duschen, erst einmal duschen, bevor der Tag heute ernsthaft über mich hereinbrach. Frühstück mit Cleo Trandore.

Vorstellung am Hof von Isis.

Kennenlernen der Herrscher.

Besichtigung des Hofes.

Riven zu seiner Spezialausbildung bringen.

Dazwischen herumschnüffeln, unauffällig sein und Riven irgendwie erklären, dass ich mich in seinen Traum geschlichen hatte.

Oder auch nicht, ich müsste ihm ja rein gar nichts erklären. Es war nur ein Traum. Ich musste damit nichts zu tun haben. Das könnte alles ganz seiner Fantasie entsprungen sein.

Ich würde alles leugnen. 


Momentan schaffe ich es nicht längere Kapitel zu schreiben. Ich versuche aber dranzubleiben und bald wieder wieder weiterzuschreiben. Ich hoffe, dass das (kurze) Kapitel euch gefallen hat!

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