Die sechzehnte Narbe
Willkommen im Jahr 2023.
Ich bin lange nicht mehr dazugekommen, etwas zu schreiben. Ich hoffe, das Kapitel gefällt euch! Ich werde jetzt wieder regelmäßig schreiben.
Eure -flames
Ich sprang vom Boden auf.
Ich war so verwirrt, dass Riven und Laurin vor mir zu verwischen drohten. Ich sah sie nicht mehr, sah nur mehr ihre Umrisse... Bis ich merkte, dass mir die Tränen wie Sturzbäche die Wangen hinunterflossen.
Mein Herz würde jeden Moment zerspringen.
Ich war so, so unfassbar erleichtert, Riven zu sehen. Leider sprang mein Herz in einen Abgrund und wusste nicht, wie es jemals aus diesem Schlund hinausfinden sollte. Die plötzlich einsetzende Angst um Riven zerdrückte nicht nur mein Herz, sondern auch jegliche aufgekommene Erleichterung.
Er lag bewusstlos am Boden. Sein linkes Bein war merkwürdig verdreht und wurde von schwarzen Federn gesäumt.
Ich traute mich nicht zu hoffen, dass alles gut werden würde.
Nicht, wenn Riven bewusstlos war und nur mehr flach aus und ein atmete.
Nicht, wenn Riven gerade als ein schwarzer Rabe von der Höhlendecke hinuntergestürzt war.
Ich erinnerte mich an die Prophezeiung. Denn, wenn Riven tatsächlich der Rabe war, dann musste ich die Seele sein, von der alle sprachen. Die Seele – eine Mentalfee. Kurz Musa, also ich.
Ich hätte schon früher draufkommen können, aber das hier war einfach zu verrückt, um es ernsthaft in Erwägung ziehen. Überraschung, Musa, diese Welt war verrückt, ob man es wollte oder nicht. Und wir mit der Welt genauso. Verrückt. Nichts war mehr normal und ich war definitiv keine normale Mentalfee. Zum ersten Mal verstand ich Bloom wirklich. Ich verstand nicht nur ihre Emotionen, ich verstand ihre gesamte Existenz.
Mir dämmerte die Erkenntnis, als würde mir jemand sagen, dass ich die einzige blaue Blume in einem Feld von roten Rosen wäre. Der Regen hatte mir die Farbe abgewaschen, meine Verkleidung.
Ich musste mir in den Spiegel blicken, für die, die ich war. Nicht rot. Blau.
Violett. Eine violett-blaue Seele.
Ich war verrückt gewesen, nach Iris zu kommen und mein Leben aufs Spiel zu setzen. Verrückt, Riven zu begleiten. Wenn es ich zugab, war es nicht nur mein Gefühl, nutzlos zu sein, gewesen, das mich dazu bewegt hatte, hierher zu reisen.
Riven.
Es war Riven gewesen.
Ich war...
Meine Gedanken überschlugen sich. Mein Herz hatte mir jemand ohne Vorwarnung aus der Brust gerissen. Ich vergaß den Berg, mein Gefängnis, Iris, die Mission, Alfea, die Winx-Mädels.
...verrückt nach Riven.
Die Vorstellung, ihn allein nach Iris zu gehen lassen, war absurd gewesen. Die Vorstellung, ihn mit jemanden anderem außer mir die Mission aufzunehmen, war noch absurder gewesen.
Was für eine absurde Welt.
Mit einem Mal fuhr ein Schock durch meinen Kopf. Ich bewegte mich wieder und packte Rivens Schultern und schüttelte kräftig, doch seine Augen blieben geschlossen. Ich tat es ihm nach, schloss die Lider und versuchte ihn gedanklich zu erfassen.
Da verbarg sich irgendwo in der Dunkelheit das Licht einer schwach flimmernden Kerze. Ich konnte sie nicht greifen. Sie war zu weit weg. Rivens Geist befand sich nicht mehr bei mir.
Meine Hände glühten von der Magie des Berges. Irgendetwas musste ich tun können!
Kälte brach in meinem Körper aus. Ich fing zu zittern an. Ich war im Inbegriff meine Nerven zu verlieren.
„Was für ein schöner Empfang.", ertönte die melodische Stimme Laurins. Wenn er nur nicht so ein Arsch wäre, könnte ich ihn fast leiden. Nur da war zu viel in den letzten Tagen passiert. Er hatte sich als größenwahnsinniges Monster entpuppt.
„Mh, wunderschön.", spottete ich. „Besser, wenn du gleich am Boden liegen geblieben wärst, und zwar für immer!"
Laurins Bewusstlosigkeit hatte mir für keine Sekunde etwas ausgemacht.
„Diesen Gefallen würde ich dir gerne machen, aber ich kann nicht.", Laurin stand vom Boden auf und klopfte sich den Dreck von der Kleidung. Ich richtete meine glühenden Hände zur Sicherheit in seine Richtung. Ich könnte ihn jederzeit erledigen. Erneut. Materiell oder geistig. Meine geistige Kräfte ließen sich manifestieren. Es glich einem Wunder. Vorher war ich außerhalb des Berges gewesen und es war mir bereits möglich gewesen, die Magie zu kanalisieren. Jetzt war ich mitten im Berg. Ich war zu allem fähig.
Schließlich fing Laurin an mich mit Fragen zu löchern. Ich musste seine Emotionen nicht lesen, sein aufgeregter Blick sprach Bände: „Hast du ihn gesehen? Wo ist er? Ist er dir erschienen? Was hat er gesagt?"
Er war nicht enttäuscht, nicht besiegt. Er schien Luftsprünge machen zu wollen.
Ich blinzelte verwirrt: „Was redest du? Von wem sprichst du, Laurin?!"
„Von Osiris, von dem Herren des Berges natürlich!", tat er so, als würde ich über alles, was auf diesem Planeten passierte, Bescheid wissen.
Ich überlegte. Er meinte den Berg, der in der Prophezeiung des Mädchens vorgekommen war. Also diesen Berg. Aber ein Bergherr? Ich schüttelte noch verwirrter den Kopf.
„Du wirst ihn mit deinen Kräften befreien, Musa, und als Belohnung für meine Hilfe wird er mir seine ganze Macht geben, die ich für meine Eroberungszüge brauche. Ich brauche mehr. Er muss mir meine Bitte erfüllen. Sein kleines Geschenk war zu wenig."
„Bestimmt.", gähnte ich. Ich blickte zu den Gitterstäben der Gefängnistüre. „Sag mal, Laurin, du hast nicht zufällig einen Schlüssel?"
„So wie du drauf bist, könntest du die Türe in Schutt und Asche zerlegen.", deutete Laurin auf meine Hände.
Ich sah ihn bestürzt an und murmelte: „Nein..."
Gut, als ich meinte, ich wäre zu allem fähig, da... Gut, ich hatte nicht darüber nachgedacht, was ich tatsächlich alles tun könnte, wenn ich wollte.
„Habe ich dir nicht immer gesagt, dass du nicht an dir zweifeln darfst? Nicht für eine Sekunde? Es ist dein Leben.", eine Hand berührte mich sachte an der Schulter und Rivens Worte drangen mir aus der Ferne entgegen. Ich war wie in Watte gehüllt. Zügig wandte ich mich um und ertrank in seinen grünen Augen.
„Riven.", hauchte ich und ließ mich in seine Arme fallen.
Das Zittern verließ meinen Körper nicht. Ich war in Schock.
Ich schluckte. Wenn man verliebt war, sprachen da nicht alle von einem Kribbeln? Einem leisen, sanften Kribbeln?
Ich fühlte mich, als hätte ich keine Zeit, dieses Gefühl zu ergründen. Ich fühlte mich, als müsste ich dafür kämpfen, um es nicht mehr gehen zu lassen. Alles oder nichts. Es gab kein Dazwischen. Ich fühlte alles. Diesmal wollte ich auch alles fühlen, als könnte mein Herz zerspringen.
„Ich kann dich nicht verlieren.", murmelte ich und legte meinen Kopf in seinen Nacken. Ich wollte mich darin begraben.
Riven rückte leicht von mir ab und nahm meine Hände in seine.
Ich zitterte weiter. Es war eine Kälte, die von innen kam, als würde dein Körper nicht verstehen, was los war, als müsste er das ganze warme Blut nur in eine Richtung pumpen, damit du zu Sinnen kommst. Direkt ins Herz.
Erst, wenn du etwas beinahe verloren hast, wenn du achtlos damit umgegangen bist, gerade wenn du noch nicht alles gesagt oder getan hast, dann schmerzt es gleichzeitig am meisten. Es ist der Grund, warum du schreien willst: Gib mir mehr Zeit!
„Ist das so?", streichelte Riven meine Wangen und runzelte nachdenklich die Stirn. „Würdest du mich nicht aufgeben, wenn du etwas anderes haben könntest?"
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ich mich einmal hilfesuchend nach Laurin umdrehen würde. Ich war sehr, sehr verwirrt. Laurins Blick kreuzte sich mit meinem. Ein höhnisches Lächeln umspielte seine Lippen.
„Du willst doch nicht Riven, Musa. Du willst Macht. Schau auf deine Hände, spüre die Magie in deinen Adern. Du bist wie geschaffen für das hier. Du könntest dir alles nehmen, wenn du nur wolltest. Du hättest die Macht über jedes Lebewesen.", tadelte mich Laurin.
„Du willst mich nicht wirklich.", stimmte ihm Riven zu und sah mich traurig an. „Wer bin ich denn für dich? Nicht als ein arroganter, egoistischer Spezialist, der sich an erste Stelle rückt, respektlos ist und das Leben für einen Witz hält, nicht wahr? Du denkst, ich würde dich brauchen, Musa. Ich brauche dich nicht."
Ich schlug Rivens Hände weg und stand auf. Auch Riven erhob sich. Schwerfällig. Sein Bein war weiterhin verdreht und von Federn gesäumt.
„Wenn ich dich nicht brauche, warum solltest du mich brauchen? Du brauchst keine Unterstützung von anderen, wenn du selbst alles machen kannst, was du willst."
„Und wie? Wie mache ich das?", spielte ich mit. Die Wahrheit war, dass ich fast nie das tat, was ich wollte. Wie denn auch, wenn ich als Mentalfee immer die Wünsche der anderen berücksichtigte?
„Zeig keine Reue, kein Bedauern. Stehe zu dir selbst und scheiß auf alle, die nicht zu dir stehen. Vergiss mich.", Rivens Augen wurden kohlschwarz.
Laurin trat an meine Seite und kniete vor Riven.
„Osiris.", erkannte ich. Ich zögerte nicht. Ich hatte längst aufgehört zu zögern. Laurin hatte das im Wald vergessen, als ich in seinen Geist eingedrungen war.
Die Welt hielt mich für zerbrechlich, für zu einfühlsam. Für zu schwach, um mich durchzusetzen. Sie glaubten, ich sähe nur schwarz oder weiß. Meine Magie macht es mir aber möglich, dass ich mehr als das sah. Ich sah die Schattierungen, sah die Grauzonen, sah, wie vielschichtig die Welt war.
Ich wusste, dass ich nicht gut sein musste, um Gutes zu tun. Ich war dazu bereit, mir die Hände schmutzig zu machen, Grenzen zu überschreiten. Ich musste nicht fair spielen.
Also zeigte ich keine Reue, kein Bedauern, als ich nach der nur mehr leicht flackernden Kerze griff, Rivens Geist, und die schwache Flamme in meine Handfläche zog.
Es wurde stockdunkel und aus der Finsternis trat Osiris.
Aus der Ferne vernahm ich Laurins Aufschrei, merkte, dass er mich aufgefangen hatte. Jemand anderes krachte erneut auf den Boden.
„Ich bereue nichts, bedauere nichts.", stellte ich mich Osiris vor.
„Das ist der erste Schritt, Musa."
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