Die neunte Narbe
Ich präsentiere euch das neueste Kapitel mit gaaanz viel Drama! Viel Spaß, lasst mir einen Kommentar da.
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„Riven!", keuchte die Frau vor uns auf.
Sie stürzte durch den Bogen auf uns zu. Rivens Mutter war also wirklich eine Dame des Hofes von Isis. So viel verriet mir jedensfalls ihr Outfit. Solche Kleider trug man weder in der Menschenwelt noch in Alfea. Sie guckte abwechselnd zwischen Riven und mir hin und her und ich sah in ihren Augen so viel von Rivens.
Ich habe schon immer gefunden, dass Rivens Augenausdruck mehr über ihn verriet, als er vielleicht preisgeben wollte. Ein Hauch von Gefühl.
Warte, was heißt ihr immer Musa? Ich hatte nie über Riven nachgedacht, bis ich meine Kräfte verloren hatte - und gerade wünschte ich mir nicht sehnlicher, als dass ich sie ein zweites Mal verlieren könnte.
Ich nahm Rivens Schock, Wut, Verzweiflung, Enttäuschung und Panik in mich auf. Es fiel mir nur mehr schwer zu atmen. Oft, wenn Mentalfeen einer Person sehr nahe standen, konnte diese Gefühle der anderen Person die Mentalfee buchstäblich überwältigen. Dazu kamen meine eigenen Emotionen. Ich war genauso überrascht wie Riven und wusste mittlerweile um seine Geschichte rund um den Abgang seiner Mutter Bescheid. Zudem fürchtete ich, dass sie unsere ganze Mission auffliegen lassen würde.
Schließlich schwappten das Bewusstsein von Rivens Mutter zu mir herüber.
Neben ihrem entsetzten Auftritt, den sie gerade zur Schau trug, freute sie sich. Doch, verdammt, hinter dieser Freude lag keine Mutterliebe, sondern reines, eiskaltes Kalkül.
Sie passte hier perfekt an diesen Hof. Zwischen meinen unregelmäßigen Atemzügen musterte ich sie, als hätte ich gerade eine giftige Schlange entdeckt.
"Lass uns allein, Enya.", wies mich Riven an. Seine einfühlenden Worte von vorhin lösten sich in Luft auf. Seine Stimme klang gepresst, nüchtern und herablassend. Als ich in seinen Gedanken zu ihm sagte: Ich bleibe hier. Ich lasse dich jetzt doch nicht mit deiner Mutter, bestrafte er mich mit Stille.
Denn jetzt musste ihm bewusst sein, dass ich mehr über seine Familie wusste, als ihm lieb war. Ich wollte wirklich - musste - hierbleiben. Riven brauchte mich jetzt sicher, oder?
"Geh endlich. Das hier geht nichts an.", sprach er laut und fixierte hasserfüllt seine Mutter, die ihm ein mildes Lächeln schenkte.
Wenn ich nicht jetzt abhaute, dann würde sich sein Hass wohl auch auf mich richten. Wie gesagte ich wollte nur nicht gehen, sondern bei ihm bleiben. Ich war auch neugierig, wer seine Mutter nun war. Immerhin hatte sie ihn bis zu einem gewissen Alter aufgezogen.
"Du musst Rivens Begleitung sein.", sie streckte mir ihre Hand hin, "Ich bin Levina, seine Mutter."
Ich drückte widerwillig kurz ihre Hand etwas zu fest und nickte. Levina umgab eine eigenartige Aura. Mir fiel ihre Halskette auf. Sie sah etwas wie Laurins Kette aus, nur der Stein war kein hellblauer. Er hatte eine dunkelgrüne Farbe, fast schwarz.
Ich hatte immer angenommen, dass Rivens Eltern keine magischen Fähigkeiten besaßen. Mit einem Male war ich mir da gar nicht mehr so sicher.
"Warum bist du unter einem falschen Namen hier, Riven?", fragte Levina ihren Sohn. Es hörte sich nicht nach einer normalen Frage an. Mehr wie ein Befehl.
Bevor Riven ihr antwortete, fuhr er mich an: "Hau ab!"
Tatsächlich wandte er sich mit seinen ganzen negativen Emotionen mir zu, die wie ein Hagelsturm auf mich einschlugen.
Das war Absicht, kam es mir. Du willst mich absichtlich so vertreiben. Du kennst meine Schwachstelle, die du ohne Reue einfach so ausnützt.
Was tat ich? Ich flüchtete. Vor Rivens Emotionen. Ich brach die Gedankenbrücke zwischen uns und ließ das Vertrauen, das ich in ihn gesetzt hatte, mit ihm zurück. Wir waren kein Team. Wohl nicht mal Freunde.
Nein, sicher keine Freunde. Wut regte sich in mir. Eine unbändige Wut auf ihn. Ich dachte, wir wären ein Team. Wenigstens für diese Mission.
Zurück im Diplomatentrakt stürmte ich auf die erste Person zu, die mir entgegenkam. Irgendein Politikerschnösel.
"Wo bewahren Sie hier am Hof die Waffen auf?", wollte ich wissen.
Er sah mich verwirrt an und meinte nach kurzem Zögern: "Im Westtrakt. Vor dem Botanik-Institut und der Sternwarte."
Wow, eine Sternwarte hatten sie in Isis auch.
Gut, ich wusste, wo das war. Ich ging dabei nicht. Ich rannte. Mein Kopf dröhnte und aus irgendeinem Grund schien ich weiterhin eine Verbindung zu Riven zu haben. Ich hörte ihn schreien, obwohl am Gang kein Mucks zu hören war. Es tat weh, ihn so außer sich zu erleben. Es tat so weh, als wäre er ein Teil von mir.
Ich erkannte den Waffensaal sofort. Vor dem Eingang befanden sich rechts und links zwei riesengroße Steinstatuen. Die Statuen waren halb Krieger, halb Monster und ihre Augen bestanden aus roten Edelsteinen. Sie blickten mich böse an. Gewalt war wohl auch nicht gerade gut. Krieg war die Hölle und diese Figuren sah wie Vorboten davon aus.
Ich wollte das hohe Flügeltor aufmachen, doch so sehr, wie ich daran rüttelte, alles blieb zu.
"Scheiße.", fluchte ich und normalerweise machte ich das nicht, aber jetzt? Ich würde gerne alle hier auf diesem Kack-Planeten verfluchen.
Es fiel mir schwer mich zu beruhigen, wenns Rivens Emotionen weiterhin wie Nebel um mich herumwirbelten.
"Enya! Wohin willst du?", spürte ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter. Prinz Laurin stand hinter mir. Ich hatte ihn nicht herkommen sehen. Eigentlich spürte ich die Präsenz von Personen, wenn sie in meiner Nähe waren, aber meine Kräfte liefen gerade Amok.
"Waffensaal.", brachte ich hervor. Oh Gott, das hier war mir gerade so peinlich. Warum musste ich ausgerechnet Laurin über den Weg laufen? Ich war die mieseste Spionin aller Zeiten.
"Und was willst du da? Wo ist Kyle?", erwiderte er. In seiner Stimme und auch auf seinem Gesicht lag Misstrauen.
Ich fing zum Zittern an.
"Na, schön. Ich mache schon die Türe auf."
Laurin trat zu den Statuen. Ihre roten Augen blitzten in demselben Moment auf, als Laurins blaues Amulett zum Strahlen anfing. Die Türe gingen mit einem lauten Sausen auf.
"Schnell rein, bevor wir noch zerquetscht werden.", Laurin bemühte sich eine heitere Miene aufzusetzen.
Der Saal war riesig. Überall befanden sich Schränke und Kabinette. Zusätzlich wurden Regalreihen aufgezogen, zwischen denen sich weiteres Rüstzeug befinden musste.
"Ich brauche magische Fesseln.", erklärte ich.
"Warum, Enya?", fragte er. Das war also die Stimme eines Prinzen, die kein Nein akzeptieren würde. Es war klar. Ich musste ihm etwas sagen. Irgendetwas.
"Meine Kräfte überwältigen mich. Ich halte die Emotionen der anderen nicht aus. Nicht ihren Schmerz, ihre Wut."
Ich meinte Rivens Schmerz. Rivens Wut.
"Deshalb haben sie dir in Alfea solche Fesseln gegeben? Das ist doch die reinste Folter!", Laurin stieß ein eisiges Lachen voller Abscheu aus. "Das ist ein Scherz, oder?"
Ich verneinte geschockt. Ich dachte, die Fesseln wären die einzige Möglichkeit, meine Kräfte zu kontrollieren. Die Fesseln hatten mir die Direktorin und Riven gegeben.
"Amateure.", meinte Laurin zu sich selbst als zu mir. "Dein Freund hat dich diese Fesseln tragen lassen? Unglaublich."
Ich nickte. Ich brachte nicht mehr Worte hervor. Es war zu anstrengend.
"Hier in Isis helfen uns die Edelsteine unsere Magie zu kontrollieren, wie du jetzt schon weißt. Im Gegensatz zu solchen Fesseln sperren sie Magie nicht aus. Sie hemmen sie oder unterdrücken sie auch nicht direkt. Die Fesseln hingegen geiseln deine Magie an deinen Körper. Sie kann sich nicht mehr frei bewegen. So wendet sich die Magie nach einiger Zeit gegen den eigenen Körper. Körper und Magie werden praktisch aufgespalten. Not healthy." bemerkte Laurin.
Mir wurde richtig, richtig übel bei seinen Worten. Laurin verschwand hinter einem Regal. Ich fühlte wie die Wände des Saals mich einquetschten.
Aus irgendeiner Richtung wurden mir auch noch die leisen Worte zugetragen: Musa, wo bist du???
Ich kickte Riven aus meinem Kopf. Unbewusst ließ meine Magie anscheinend immer einen Spalt für ihn offen.
Laurin kam zurück und ich konzentrierte mich auf ihn.
"Ich habe etwas anderes für dich.", lächelte er. "Ich weiß, wie Magie auch eine Bürde sein kann."
Dankbarkeit ergriff mich. Er hielt mir ein Amulett hin. Es glich seinem eigenen. Nur der Stein war strahlendrot.
"Der Stein sperrt die Magie nicht ein. Er lässt sie weiterfließen, also hinaus aus dir, wenn es zu einer Art von Magiestau kommt und du überwältigt wirst.", er legte mir ungefragt die Kette um den Hals.
Doch Laurin musste nicht fragen. Prinzen fragten nicht. Es war klar, dass ich diese Kette haben wollte.
"Danke. Ich stehe in deiner Schuld.", bedankte ich mich ehrlich. Zu ehrlich. Ich sollte nicht in seiner Schuld stehen.
"Betrachte es als Gefallen. Außerdem bist du ein Mitglied meines Zirkels, Enya. Ich möchte, dass du im Reinen mit deiner Magie bist.", zuckte er mit den Schultern. Er wirkte viel lockerer als Diaspro. Mir gefiel das irgendwie.
"Wie hast du Kyles und meinen Gedankenaustausch unterbrechen können?", die Frage hatte ich mir jetzt schon die ganze Zeit über gestellt.
Seine bernsteinfarbenen Augen glitzerten schelmisch: "Die mentale Magie wandert stetig zwischen euch hin und her. Ich muss den Magiestrom einfach nur aufspüren und mit meiner eigenen unterbrechen."
"Das geht so leicht?", meinte ich verblüfft. Er musste also meine Magie gespürt haben, als er mich vor dem Waffensaal "gefunden" hat.
"Durch den Stein, den ich trage, wird es leichter, dass ich den Magiestrom wahrnehme. Der Stein ist wie ein Radar.", antwortete Laurin. "Man muss aber stark genug sein, damit man den Stein dafür verwenden kann."
"Ich muss mich erst an Isis gewöhnen und auch an den ganzen Prunk, aber diese Steine finde ich klasse.", lachte ich.
Laurin stimmte in mein Lachen ein: "Isis ist nicht so schlecht, wie du denkst."
Erst jetzt nahm ich wahr, wie viel besser es mir bereits ging. Ich war so viel leichter - freier.
"Kyle und ich haben uns vorher ziemlich gestritten.", seufzte ich. Ich wusste nicht, warum ich das preisgab.
"Wirklich?"
Da meine Magie jetzt wieder im Ansatz normal funktionierte, merkte ich, dass Laurin insgeheim zufrieden schien, dass es zwischen Kyle alias Riven und mir nicht so toll lief. Vielleicht konnte ich das für die Mission ausnützen, kam mir die blendende Gedanke.
"Wirklich.", meinte ich traurig. Ich musste es auch nicht faken. Ich war tatäschlich traurig darüber.
"Ich bringe dich schon noch auf andere Gedanken, Enya.", versuchte er mich scheinbar aufzumuntern. Es klang aber auch so, als würde er ein wenig mit mir flirten. "Warte die Feier ab."
Ich lachte einfach nur. Stella hatte mir einmal erklärt, dass dieses leicht dümmliche Lachen angeblich girly wirkte. Ich war ja laut ihr bekanntlich gar nicht girly.
Laurin begleitete mich raus und meinte noch: "Melde dich, wenn du etwas brauchst."
"Wie?", rief ich ihm nach. "Prinzen sind doch immer beschäftigt."
"Suche meinen Magiestrom.", grinste er.
Ach, jetzt sollte ich Kyle abschießen und mit Laurin gedanklich kommunizieren? Ich hatte mir ja Sorgen gemacht, dass Riven sich an Diaspro ranmachte, aber anscheinend schien ich hier die Übeltäterin zu sein.
Ich bekam ein schlechtes Gewissen. Halt, warum sollte ich? Riven war ein Arschloch.
Apropos Arschloch... Cleo Trandore hatte für uns ein kleines Gästezimmer im Diplomatentrakt einrichten lassen, zudem ich für eine Pause von dem Drama zurückkehrte. Doch Pause ließ sich nicht mit einer Person wie Riven im Zimmer definieren.
Ich betrat das Zimmer, schenkte ihm einen Blick voller Verachtung und setzte mich zum Fenster, von dem ich aus die Rosengärten betrachten konnte.
"Musa, warum kann ich nicht mehr mit dir reden?", kam er auf mich zu.
"Kannst du ja oder rede ich gerade mit einem Geist?", ich hielt den Zorn in meiner Stimme schwer zurück. Meine Zähnen knirschten.
"Du weißt, was ich meine.", gab er zurück.
"Ja, und stell dir vor, Riven, ich weiß auch, was du fühlst! Deine Gefühle sind die Hölle, besonders, wenn du sie mich absichtlich so spüren lässt wie vorhin!", fuhr ich zu ihm herum.
Deine Gefühle sind die Hölle. Der Satz fraß sich zwischen den geringen Abstand zwischen uns.
Er verzog sein Gesicht schmerzverzerrt. Autsch, das musste gesessen haben.
Es tat mir schon wieder leid: "Riven -"
"Daran ist nur Levina Schuld."
Okay, er nannte seine Mutter beim Vornamen. Das würde ich wahrscheinlich bei so einer miesen Kindheit.
"Sie plant mir eine Position am Hof zu verschaffen. Sie denkt, dass ich genauso machtbesessen bin wie sie. Sie benützt mich.", sprach er weiter. Er musste das wohl loswerden.
Machtbesessen? Das erinnerte mich an seine Ex, an Beatrix.
"Ich hoffe, du konntest das mit deiner Mutter klären und sie deckt unsere Identitäten."
"Ja, solange ich sie am Hof unterstütze. Wenn wir hier erst einmal weg sind, kann sie uns aber nichts mehr tun und -"
Ich hörte Riven nicht mehr zu. Ich erinnerte mich an noch etwas: Riven interessierte es, wie es wirkte, nicht die Spur, wie es mir ging.
"Du bist so ein Arschloch.", platzte ich raus und sprang auf. Er interessierte sich für die Mission und für Levina, aber nicht für mich. Nicht für mich!
Ich hatte früher den Eindruck gehabt, dass Riven der einzige Mensch wäre, der mich verstehen könnte. Ich sah die Trainingseinheiten vor mir. Ich sah auch unsere stundenlangen Gespräche klar vor Augen. Doch das war in Alfea gewesen. Ich wusste nicht, was dieser Planet mit ihm machte, doch ich hatte keine Lust alles Weitere mitzuerleben.
"Hast du irgendeine Ahnung, was gerade mit mir los war?", schrie ich ihn an.
Ich schrie! Ich schrie eigentlich nie. Mir kamen die Tränen. Nicht Levina war Schuld. Es war Rivens und diese Scheiß-Verbindung zwischen uns.
Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte, aber ich würde nicht bis zur Feier mit ihm in einem Raum sein.
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Die Sterne stehen gerade gar nicht gut für Riven und Musa.
Was hält ihr von Laurin?
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