Der fünfte Daimon
Ratet mal, wer wieder zurück in Alfea ist? Viel Spaß beim Lesen, denn es wird (tod-) ernst...
Ich sprach über drei Tage mit niemanden außerhalb des Unterrichts. Den Mädels schrieb ich eine Notiz, dass ich meine Magie zu bündeln versuchte und nicht sprechen konnte. So ein Quatsch. Ich log normalerweise nicht, versuchte ehrlich zu sein und Grenzen zu setzen, denen man folgen konnte, sodass alle miteinander klarkamen.
Nur ich kam momentan mit nichts und niemanden klar.
Ich hatte es längst aufgegeben, Dowling oder Silva zu vertrauen. Sobald man anscheinend eine gewisse Autorität besaß, kümmerte sie es wohl nicht mehr, so etwas wie Transparenz an den Tag zu legen. Ich hatte es so satt, dass alle wussten, was abging außer mir. Ich war der reinste Vollidiot, wurde wie ein Äffchen im Zirkus vorgeführt und dann erwartete man von ihr, dass ich, bei Lilith, noch sang und die Närrin spielte. War ich das nicht? Eine Närrin, welcher man Kunststücke antrainierte, um sie dann wieder in ihre kleine, beschränkte Welt zu lassen. Es spielte keine Rolle, dass ich die mächtigste Fee in ganz Alfea war, seitdem ich Osiris bei mir hatte.
Die Musik in meinen Ohren erstarb. Unwillkürlich musste ich zusammenzucken. Verdammt war ich schreckhaft geworden.
Mein Handy klingelte. Der Musikplayer wurde unterbrochen. Ja, wir besaßen Handys in Alfea. Wir waren ja nicht bei Harry Potter oder so. Willkommen, im 21. Jahrhundert.
„Sag mir nicht, dass du es dir anders überlegt hast.", wurde ich begrüßt.
„Wie kommst du darauf?", erwiderte ich kühl. Laurin hatte mir gerade noch gefehlt.
„Du ignorierst alles und jeden und hast nichts von dir hören lassen.", knurrte er ungeduldig ins Telefon.
„Angst, dass ich dich ghoste?", Sarkasmus triefte aus meiner Stimme.
„Nur Angst, dass du dein Schoßhündchen doch behalten willst.", er meine Osiris damit. Ich konnte es mir nicht vorstellen, dass Osiris jemals freiwillig zu diesem Arschgesicht wechseln würde.
Ich schluckte: „Wir treffen uns nach dem Abendessen auf dem Trainingsfeld."
„Mit Freuden.", und er legte auf. Ich schleuderte mein Handy aufs Bett und atmete schwer ein und aus.
Wollte ich meine Kräfte endlich unter Kontrolle bekommen und mein Potenzial ausschöpfen? Ja. Warum? Weil ich es nicht mehr ertrug, wie eine Marionette behandelt zu werden und keine Ahnung zu haben, was um mich herum vor sich ging.
Ich konnte Gefühle lesen. Mittlerweile sogar auch Gedanken. Bis sie mich völlig überwältigten und ich am liebsten als Einsiedlerin im Wald leben würde. Damit war jetzt Schluss. Ich würde an mein Limit gehen, bis ich Grenzen verschieben konnte, sogar meine eigenen. Ich stand auf.
~
Schweiß benetzte mein ganzes Gesicht. Doch ich hatte keine Zeit, mich abzutrocknen. Ich parierte eine weitere Magiekugel von Laurin. Seine erste Kugel hatte mich unvorbereitet getroffen. Im ersten Augenblick war nichts passiert, bis in meinem Verstand tausende Stimmen zu kreischen angefangen hatten und ich Laurin angefleht hatte, dass er damit aufhören sollte.
„Bring sie zum Schweigen.", hatte sein Kommando gelautet. Sein überhebliches Grinsen hatte mir den Rest gegeben. Ich hatte selbst markerschütternd aufgeschrien und die Magie in meinen Adern war zu einem Flächenbrand in meinem Inneren aufgelodert, der die Stimmen erstickte.
„Ein wenig dramatisch, aber gut gemacht. Du setzt zu viel Kraft ein, finde heraus, wie viel wirklich notwendig ist.", hatte er schulterzuckend entgegnet.
Nun war ich bei Kugel Nummer Zwei und mir war bewusst, dass er sich jedes Mal etwas Grausameres überlegen würde.
Ein Schweißtropfen rann mir ins Auge. Es brannte so sehr, dass ich blinzeln musste und meine Konzentration gestört wurde. Prompt setzte er zum zweiten Schlag an.
„Nicht so!", keuchte ich und schleuderte einer meiner Kugeln, die um meine zu Fäusten geballten Hände wirbelten. Magie prallte auf Magie und wir wurden von der Wucht nach hinten geworfen.
„Du kannst nicht immer abwarten, Musa. Greif mich an!", rief Laurin. Ein Kugelregen ergoss sich auf ihn, aber er generierte einen Schutzschild.
Ich hatte noch nie in meinem Leben so gekämpft. Mit reiner Mentalenergie. Es war berauschend und furchteinflößend.
„Das reicht nicht. Du sollst die mächtigste Fee hier sein? Dann zeig es mir!", hielt er mir entgegen. Mit einem Mal wurde ich aus dem Nichts zu Boden gerissen. Die Stimmen fingen wieder an. Mein Trommelfell würde zerplatzen.
Du bist schwach, hast keinen Willen und schaffst es nicht einmal einen Treffer zu landen.
Laurin war in meinem Kopf. Scheiße. Ich verstand nicht, wieso es mir so schwerfiel gegen ihn anzutreten. Hatte ich ihn nicht bereits auf Isis überwältigt? Aber wir hatten nie so gekämpft.
Sag mir nicht, was ich nicht schaffen kann.
Meine Stimme übertönte das Gekreische. Sie schwoll zu einem Orkan an, der alles und jeden mitzureißen drohte. Jetzt hörte ich Laurin schreien. Ich war so, so wütend. Ich wollte ihn nicht töten, aber alles in mir lechzte danach.
Ich folgte meiner Stimme, bis meine Haut wieder zu prickeln begann und Funken über sie rannten. Ich rappelte mich wieder vom Boden auf. Magie formte sich erneut in meinen Händen. Es waren keine Kugeln. Es waren Nebelfäden, reine geistige Magie.
Laurin starrte mich an und in der darauffolgenden Sekunde klappte er wie ein gebrochener Ast zusammen. Ich blinzelte diesmal nicht wegen dem Schweiß. Angst ergriff mich und ich sprintete zu ihm. Nebel spann sich wie Spinnenweben über seinen Körper. Seine Augen waren offen, aber er bewegte sich nicht.
Deine Magie ist schneller als das menschliche Auge, Musa. Du hast ihn bereits getroffen.
Verschwinde, fuhr ich Osiris an.
Er sagte nichts, aber seine Präsenz löste sich auf.
Ich verbannte die Magie, so wie Laurin es mir vor unserem Kampf gezeigt hatte. Auch die Fäden verschwanden um ihn herum.
„Komm schon, steh auf.", stupste ich ihn mit dem Zeigefinger an der Schulter an.
„Wie hast du das gemacht?", krächzte er und setzte sich auf. Er war kreidebleich.
„Schluss für heute, du Gespenst. Morgen finden wir es heraus. Gleiche Uhrzeit?", fragte ich.
Er nickte bloß benommen, bis sich sein Blick schärfte, aber er fixierte nicht mich.
Meine Magie war immer noch aktiviert und mich durchfuhr ein Beben. Zwei Herzschläge steuerten auf uns zu. Während der eine schwach in meinen Ohren klang, hämmerte sich der andere in meinem Verstand ein. Am liebsten wollte ich mir die Ohren zuhalten. Dann setzte mein Herz einmal aus, bis es unnatürlich zu rasen anfing.
Ich biss mir auf die Zunge.
„Musa.", warnte mich Laurin. Ich spürte seine aufkeimende Panik. Er ließ sie mich spüren. „Schau nicht nach hinten und lauf zum Schloss, kapiert?!"
Ich durchblickte die Situation nicht, dafür merkte ich, wie ich körperlich am liebsten Laurins Aufforderung folgen wollte.
Ich drehte mich um. Laurin zischte missbilligend.
Als sich seine Augen in meine bohrten, schoss meine Magie plötzlich aus und umgab mich und Laurin wie ein strahlendes Paar Flügel.
„Netter Trick.", nickte mir Riven zu und musterte die Magiemanifestation. In unmittelbarer Entfernung kam er mit einem älteren Mann an seiner Seite zum Stehen. „Leider wird der dir auch nichts helfen."
Dann strömten aus Rivens Hände mehr als ein Dutzend schwarze Wölfe, die es auf Laurin und mich abgesehen hatten. Schatten, realisierte ich. Schatten, die nur ein Dämon heraufbeschwören konnte.
Osiris!!
Jetzt brauchst du mich?
Hol uns von hier weg, sofort!
Nichts tat sich. Rivens Fokus war weiterhin auf mich gerichtet. Laurin musste noch in meinem Kopf sein. Das konnte nicht wahr sein.
Das war nicht echt.
Nicht echt. Nicht echt. Nicht echt.
„Laurin!!", schrie ich verzweifelt. Doch er wappnete sich nur selbst mit seinen Kugeln um seine Hände herum.
Osiris, bitte, ich flehe dich an! I
ch werde dir zuhören, lasse dich erklären, aber bring uns von IHM weg, bitte!
Als die Schattenwölfe uns fast erreicht hatten, zog ich die Flügel wie ein Panzer um uns herum. In meinen Ohren sang es erneut. Doch keine Seele schrie, es war meine Magie, die surrte und wie ein Wirbelwind sang. Ich fühlte mich, als würde ich jeden Augenblick explodieren, bis ich ohne Vorwarnung meinen Kopf gegen einen Holztisch rammte und ich rücklings in ein Bücherregal stürzte.
Wir waren in einem Klassenzimmer. Ich hatte uns teleportiert.
„Was. Zur. Hölle. War. Das.", presste ich jedes einzelne Wort mühevoll aus meiner Kehle. Mein gesamter Körper schmerzte bis aufs Mark.
„Das? Nur dein Angebeteter. Riven.", keuchte Laurin.
„Ich bringe dich um.", lehnte ich meinen Kopf gegen das Regal und rührte mich nicht vom Fleck. Ich fühlte mich vollkommen ausgebrannt.
„Nicht, wenn ich schneller bin.", konterte Laurin. Wir beide meinten es nicht ernst.
Das war nicht dein Riven. Super, jetzt war auch Osiris wieder zurück, aber ich hatte ihn ja auch wieder in mein Vorderstübchen gebeten. Hat sich ziemlich verändert in ein paar Monaten. Und zwar zum Negativen.
Laurin erhob sich schwerfällig. Ich folgte ihm mit meinen Augen. Wenn er jetzt beschloss, dass er Osiris holen wollte, konnte ich nichts tun. Ich war zu erschöpft.
Als Seelenbegleiter bin ich nicht so stark wie einst. Ich bin an dich gebunden, also wäre es ihm möglich, mich aus dir mit Magie herauszureißen. Unter der Gefahr, dass du stirbst, natürlich.
Was ist in Riven gefahren?
Er hat wohl auch genau das beschlossen, Musa.
WAS? Wieso um alles in der Welt?
„Bist du verletzt?", musterte mich Laurin argwöhnisch. „Du blutest."
„Bin mit dem Kopf aufgeschlagen. Uns von A nach B zu manifestieren, mache ich nicht jeden Tag, weißt du.", seufzte ich. Jetzt dröhnte auch mein Kopf, als hätte ich einen miserablen Kater.
Laurin zog einen Armband mit Amethyst-Kristallen aus seiner Jackentasche und murmelte Worte in einer Sprache, ich nicht kannte.
„Leg es um, es beruhigt die Blutung.", erklärte er mir ruhig.
„Das ist keine magische Fessel oder so?", wisperte ich misstrauisch. Mein Kopf...
Nein. Er spricht die Wahrheit.
Ein Wunder.
„Nein, keine Sorge. Du hast mir gerade das Leben gerettet, Musa. Du hättest mich einfach da liegen lassen können und Riven hätte aus mir Staub gemacht.", senkte Laurin seine Stimme. War das ein Trick, um ehrlicher zu wirken? Leise sprechen und einem in die Auge schauen?
Ich streckte einfach nur meine linke Hand zu ihm hin.
„Riven will mich umbringen.", sprach ich laut aus. „Hab immer gedacht, dass du es sein wirst, der es als Erstes probiert."
Laurin verzog sein Gesicht zu einem Lächeln: „Ich auch, aber ich hatte ja meine Chance. Riven ist in seinem Dämonenstadium weiter fortgeschritten als eigentlich von mir angenommen. Er ist im Blutrausch. Ich nehme an, dass er Osiris von dir lösen will, um wirklich zu einem vollen Dämon zu werden."
„Aber er hasst Magie. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das will.", schüttelte ich den Kopf.
Ist er unter der Kontrolle deines Dämons?
Nicht möglich. Der Dämonenfluch funktioniert nicht so. Niemand sagt ihm, was er tun soll. Es ist Riven, der handelt, niemand sonst. Musa, du und ich, wir sind getrennt. Wir sind zwei Wesen. Aber Riven ist der Dämon und der Dämon ist Riven. Wenn ich mich von dir löse, dann gibt es kein Gleichgewicht mehr, er wird komplett zu einem, weil er damals im Berg gestorben ist.
Kann man ihn zurückverwandeln?
Nur, wenn ich sterbe.
Ich lachte hysterisch auf. Laurin guckte mich mitleidig an: „Was ist los? Was sagt er?"
„Riven hat zwei Möglichkeiten. Entweder reißt er Osiris aus mir heraus und wird zu einem vollen Dämon, was ihm nichts ausmacht, oder er schafft es Osiris zu töten und kann wieder ein Mensch werden. Was aber wahrscheinlich ist, ist, dass er dabei auch mich tötet. Zwei Fliegen mit einer Klappe.", erkläre ich bitter.
Laurin legte die Stirn in Falten: „Aber er liebt dich!"
„Wohl kaum. Er hat gesagt, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, dass er nicht mit mir zusammen sein kann, weil wir nur das Produkt der Prophezeiung sind. Seele und Rabe. Wir sind dazu bestimmt, uns zu verlieben, und er weigert sich etwas nachzugehen, was nicht aus seinem freien Willen entstanden ist."
„Du weißt schon noch, dass die Prophezeiung damit endet, dass der Rabe sich darauf verwettet hat, dass die Seele sich nach allem immer noch für ihn entscheidet, oder?", hakte Laurin nach.
„Fragst du mich ernsthaft, ob ich Riven immer noch will, obwohl er drauf und dran ist mich abzumurksen?", fasste ich es nicht.
„Naja...", überlegte Laurin, „Vielleicht ist das ein Test."
„Oder vielleicht willst du mich einfach in den Tod schicken.", verschränkte ich die Arme.
„Vielleicht.", stand er wieder auf und zog mich mit. „Komm, wir bringen dich in den Krankensaal."
„Laurin, wenn du Osiris wirklich haben willst, dann lässt du mich mit Riven nicht allein, okay?", murmelte ich ihm zu, als wir aus dem Klassenzimmer humpelten.
„Sorry, eine Dreiecksbeziehung ist nichts für mich.", gestand er scherzend.
„Nein, echt jetzt. Ich habe...", ich holte Luft. Ich konnte mich gegen Laurin wehren, aber gegen Rivens neues Daseins als Dämon? Ich war der Hölle näher als dem Himmel. „Wirklich Angst vor ihm."
Soooo jetzt geht das Drama, kann es kaum erwarten, hihi!
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