06
--- einige Tage später ---
"...Wir freuen uns, dass er heute da ist.", sprach der Moderator der Talkshow überleitend und ich beobachtete über den kleinen Monitor, wie er sich zum Aufgang der Bühne drehte. "Ladies and Gentleman, begrüßen Sie bitte mit mir Jeon Jungkook von BTS." Applaus ertönte und kurz darauf bereits auch die ersten Melodien von JK's neuem Song.
Die Bühne erleuchtete und in ihrer Mitte stand Jungkook. Top gestylt und dynamisch. Hinter ihm bauten sich die Background-Tänzer auf. "Standing next to you...", klang seine Stimme durchs Mikro und ich erwischte mich bei einem weiteren Schauer, der über meine Unterarme und meinen Rücken huschte.
Obwohl dies bereits sein fünfter Auftritt in den letzten neun Tagen war, wurde es nicht weniger schön, ihnen beizuwohnen. Jungkook war irre gut. Neben seiner Stimme, trafen auch seine Choreografien einen Nerv, der einen dazu bewegen wollte, auf der Stelle mitzutanzen. Mit dem rechten Fuß im Takt auf den Boden tippend, verfolgte ich jede einzelne seiner Bewegungen und summte leise mit. Bald war die Promo-Tour zu Ende und ein wenig traurig darüber war ich schon, wenn ich darüber nachdachte. Besonders auch darüber, wie schnell die Zeit bislang verrannt war. Bald schon würden wir zurückfliegen.
Als der Song beendet war, gab es Standing Ovations. Jungkook verbeugte sich und lief dann strahlend auf den Moderator zu, der ihm bereits einladend die Hand entgegenstreckte. Okay, mein Einsatz! Ich aktivierte den Knopf in meinem Ohr, nahm das kleine Mikrophon zur Hand und stellte mich mental auf die englische Sprache ein. "Wow!", rief der Moderator und klatschte erneut, nachdem er JK's Hand geschüttelt hatte. "Das war der Wahnsinn!" Das Publikum tobte immer noch und die Army's, die anwesend waren, kreischten zustimmend.
Zusammen liefen Jungkook und der Moderator hinüber zu einer gemütlich aussehenden Couch und nahmen dort Platz. Das Publikum verstummte nur kurze Zeit später. "Also Jungkook...", begann der Moderator und setzte eine ernste, aber freundliche Miene auf. "Standing next to you... ich muss gestehen, dass mir nichts anderes als wow dazu einfällt." Ein kurzes Lachen ging durch die Menge und Jungkook grinste daraufhin erneut. Leichtes Englisch konnte er verstehen. "Aber das ist nicht der einzige Song, den du rausgebracht hast.", fuhr der Moderator fort und nutzte eine künstlerische Pause, um Spannung aufzubauen. Dann griff er hinter sich und förderte die Hülle einer Schallplatte mit dem Cover von JK's Album Golden zutage und hielt es in die Kamera. Die Menge jubelte und Jungkooks Miene hätte in diesem Moment nicht stolzer ausfallen können.
Wieder wurde es ruhig. "Also Jungkook...", sprach der Moderator. "Golden...ich habe, um ehrlich zu sein, nur wenig recherchiert. Ich glaube allerdings, dass viele von uns nicht erwartet hätten, dass dein Album auf Englisch rauskommt." Mit einem spitzbübischen Lächeln sah Jungkook zurück, während ich ihm übersetzte. "Das kommt daher, dass unsere Fangemeinde so stark gewachsen ist.", entgegnete er auf englisch und Interesse blitzte in den Augen des Moderators auf. "Könntest du das näher ausführen?" "Nun ja...", begann Jungkook und wechselte dann, durch seine Aufregung, unsicher ins Koreanische. Ich machte mich erneut bereit.
Die Sätze kamen über seine Lippen und während er sprach, blitzte es schüchtern in seinen Augen auf. Als er eine Pause machte, begann ich mit der Übersetzung für den Moderator und das Publikum, für die ich jetzt zugeschaltet wurde. "Anfangs waren wir, wie die meisten hier sicherlich wissen, nur in Korea bekannt. Dort hat man unsere Texte verstanden und es war nicht nötig, die Texte weiter zu transformieren. Jetzt, da Army allerdings weltweit unsere Musik hört und einige sogar koreanisch lernen, um uns zu verstehen, wollte ich zum Dank etwas zurückgeben." Gekreische aus einer Ecke des Publikums: "JK!!!!!!!" Aus einer anderen schrie die Nächste: "WIR LIEBEN DICH!!!!!" Im Licht des Scheinwerfers sah ich seine Wangen erröten, als er zeitgleich geschmeichelt und verlegen zu Boden blickte. Noch ein Jauchzen in der Menge. Er sah auf und zum Moderator, ehe er weiterredete. Aufmerksam lauschte der Moderator seinen Worten, ohne sie zu verstehen und wartete ab. Erneut holte ich Luft.
"Ich empfinde immer noch pures Glück wenn ich daran denke, dass unsere Texte tatsächlich Menschen bewegen und ihnen Kraft schenken können. Das ist wohl das größte Lob, dass ein Künstler erhalten kann." JK formte seinen Daumen- und Zeigefinger zu einem Herz und zielte damit auf die Menge. "Armyyy, sarangaeyo!!!" Wildes Kreischen war die Antwort und für den Rest der Show hatte der Moderator immer wieder Mühe, das Publikum zu beruhigen. Nur Jungkook verfügte über die Macht, mit seinem Zeigefingern an den Lippen, jeden im Raum verstummen zu lassen...
Als Jungkook und ich diesen Abend zusammen im Hotelrestaurant aßen, war er immer noch ganz elektrisiert. Wieder und wieder haben wir das Gespräch mit dem Moderator analysiert, während wir unsere Steaks aßen. "Ich glaube, dieses Gefühl wird sich nie ändern.", sprach er, nahm einen Happs von seiner Gabel und lehnte sich dann in seinem Stuhl zurück. Lächelnd sah ich ihm dabei zu und stützte meine Ellenbogen auf der Tischplatte ab. "Ich freue mich für euch, dass ihr es so weit geschafft habt." Seine Mundwinkel zogen sich nach oben und in seine Augen schlich sich ein kurzes Schmunzeln. "Danke dir. Aber jetzt erzähl mir nochmal, wie du auf deinen Beruf gekommen bist. Was hat dich dazu inspiriert, eine Karriere als Dolmetscher zu starten?" "Wo soll ich anfangen?", sprach ich mehr zu mir selbst und blickte kopfschüttelnd auf meinen Teller und dann wieder zu ihm.
Interessiert lehnte Jungkook sich vor und musterte mich. Ich senkte noch einmal kurz den Blick, dann sah ich ihm wieder in die Augen. "Wegen meiner Oma.", erklärte ich kurz. Verwundert hoben sich seine Augenbrauen. "Deine Oma?" "Ja.", bestätigte ich und ließ die Information bei ihm kurz sacken.
"Wenn wir früher manchmal zusammen unterwegs waren, blieb sie immer vor den Fernsehgeschäften mit den ganzen eingeschalteten Bildschirmen stehen, sah auf die Untertitel und sagte dann immer: Ach könnte ich die englische Sprache doch nur verstehen. Sie hatte nie eine weitere Fremdsprache gelernt und sich im Alter auch nicht mehr getraut. Deswegen habe ich mir damals gedacht: Wenn ich eines Tages übersetzen kann, dann gehe ich zu meiner Halmeoni und übersetze ihr die Welt..."
Ein mysteriöses Lächeln breitete sich auf JK's Gesicht aus und löste damit ein ungewohnt warmes Gefühl in meinem Bauch aus. "...tja und später dann, erweiterte ich mein Ziel dahingehend, eine der gefragtesten Dolmetscher Koreas zu werden. Ich mag Sprachen einfach.", schoss ich meine Ausführung und aß den letzten Bissen Steak von meiner Gabel. Jungkooks Blick blieb unergründlich weiter auf mir ruhen...
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