Kapitel 36

Er hätte es besser wissen müssen. Er hätte es besser wissen müssen, als seinem Bruder blindlinks in das Unbekannte zu folgen, wenn er es doch nicht einmal schaffte, das Bekannte zu aktzeptieren. Er hätte wissen müssen, dass es nur wieder in einem Drama endete. Er hätte vieles wissen müssen und doch stand er jetzt hier. Unter seinen Füßen schien die Erde flüssig zu werden und ihn einzusaugen, wie Treibsand, während die Luft, um ihn herum, mit jeder Sekunde immer dicker und dicker wurde. Er hatte das Gefühl, er steckte in einer Zeitschleife fest. Egal, wie sehr er versuchte mit seiner Vergangenheit abzuschließen, egal wie oft er sich selbst sagte, dass er nun ein neuer Mensch mit einem neuen Leben war, all diese Erinnerungen, all die Monster und Albträume, krochen doch nach einer gewissen Zeit aus ihren dunklen Ecken hervor, um ihn zu jagen. Sie würden ihn solange verfolgen, solange an seinen Fersen heften und in seinen Schatten wandeln, bis er endlich den Mut dazu hätte, sich umzudrehen und ihnen ins Gesicht zu blicken. "Wie lange ist sie schon hier?", fragte er. Seine Stimme hörte sich dabei nicht, wie die seine, an. So zerbrechlich und schwach. So...so emotional. "Schon seit ein paar Jahren.", erwiderte sein Begleiter, bevor er einen tiefen Atemzug nahm und zu erzählen begann.

"Weißt du, Vater hat sich verändert, seitdem du von Zuhause geflohen bist und alle von uns dachten, du wärst in dem Feuer umgekommen. Zuerst wurde er nur noch wütender und frustrierter. Ließ all seine angestauten Emotionen beim Training an mir aus, schlug mich, schrie mich an, verspottete mich. Wo du nun nicht mehr da warst, wurde er nur noch verbissener, mich zu dem perfekten Püppchen zu machen, das er immer wollte. Ich weiß nicht, was genau der springende Punkt war, der ihn zu einer Veränderung animierte, doch mit der Zeit begann er sich immer weiter in eine neue Person, eine bessere Person, zu verwandeln. Mom war weg, du warst weg und hätte er so weitergemacht, dann hätte es nicht lange gedauert, bis auch der Rest von uns verschwunden wäre. Ich glaube, es war diese Erkenntnis, die ihn zum nachdenken brachte. Er hat seine Taten und Ideale reflektiert und eingesehen, dass es nicht der richtige Weg war, auf dem er sich befand. Im geheimen gründete er dann diese Organisation, die UA. Am Anfang hatte er nicht mal uns etwas davon erzählt. Es hat insgesamt zwei Jahre gedauert, bis er endlich auch seine eigene Familie eingeweiht hat. Unsere Reaktionen darauf waren...gemischt. Fuyumi war von Beginn an begeistert. Du weißt ja, sie hat sich schon immer für den Zusammenhalt unserer Familie eingesetzt und fand auch die Idee dieser Gruppe toll. Natsuo und ich, wir brauchten eine Weile, um ihm für das zu vergeben, was er uns angetan hatte und zu respektieren, dass er versucht die Fehler seiner Vergangenheit zu begleichen und in der Gegenwart zu einem besseren Menschen zu werden. Er hat nie direkt, um Vergebung gebeten. Er wusste, dass er seine Taten nicht einfach von heute auf morgen ungeschehen machen konnte, doch er wollte sich nicht auch noch das Hier und Jetzt versauen und zu einem besseren Mann werden. Er wollte für uns da sein und endlich zu dem Vater werden, den wir schon die ganze Zeit über gebraucht hätten." Nach dem Satz legte Shoto eine kurze Pause ein, um ihm tief in die Augen zu schauen, wandte seinen Blick danach jedoch wieder nach vorn. "Er wollte, dass unsere Familie endlich glücklich wird, gemeinsam. Deshalb hat er auch Mom hierher gebracht."

Mir dem Kopf nickte der der jüngste Todoroki zu der Frau, die ein ganzes Stück entfernt von ihnen stand und viel zu beschäftigt mit der Schar an Kindern, die wild um sie herum wuselte, war, als das sie sie bemerken würde. Ihr reines weißes Haar schimmerte in dem dimmrigen Licht, welches von den Tunnellampen auf sie fiel und das blaue Kleid, das sie trug, ließ ihre helle Haut förmlich erstrahlen. Ihr Körper bewegte sich grazil und anmutig, als sie sich mit den Kindern unterhielt und gleichzeitig versuchte, jeden dieser kleinen Teufel in Schach zu halten. Ein sanftes Lächeln lag auf ihrem Gesicht, welches man schon von weitem erkennen konnte und für Dabi wirkten ihre Gesichtszüge wärmer, als die Sonne selbst. Er konnte sich nicht an das letzte Mal erinnern, an dem er sie so unbeschwert hatte lächeln sehen. "Ich dachte, sie...er hat sie gebrochen und in eine Klinik abgeschoben. Wieso...wieso ist sie jetzt hier?" Es war für ihn unbegreiflich seine Mutter, diejenige, die aus ihrer Familie wohl am meisten gelitten hatte, nun so sorglos und glücklich zu sehen. Er selbst hatte Jahre gebraucht, bis er endlich verstanden hatte, dass es nichts brachte in der Vergangenheit zu leben. Er hatte gelernt, das Hier und Jetzt zu sehen und sich zu einer neuen Person zu entwickeln und dennoch...dennoch verspürte er noch immer diesen abgrundtiefen Hass, genau wie damals, gegenüber seinem Vater. Er wusste, dass seine Mutter keine böswillige und rachsüchtige Frau war. Sie war sanft und liebevoll und besaß ein viel zu reines Herz für diese Welt. Ihm war das alles bewusst, doch auch auf eine gutherzige Person, wie sie, mussten die Taten ihres gewalttätigen Ehemanns doch einen Einfluss haben. Er konnte sich noch genau an das Zittern in ihren Gliedern erinnern, jedesmal, wenn sie gegenüber seines Vaters stand, das kurze unruhige Zucken, wenn man sich ihr zu schnell näherte und die Panik in ihrem Gesicht, immer wenn sie in ozeanblaue Augen starrte. All das hatte sie so sehr mitgenommen, dass sie ihrem jüngsten Sohn eine niemals heilende Narbe zugefügt hatte und in eine Klinik für psychisch kranke Menschen eingewiesen werden musste. Wieso also konnte sie jetzt hier stehen, in einer Organisation, die ihr Bastard eines Ehemanns leitete und sich so verhalten, als hätte sie nie ein Leid in ihrem Leben empfunden?

Sein verwirrter Blick landete zurück auf Shoto, der ihn mit einem unlesbaren Ausdruck musterte. Einen endlosen Moment lang starrten sie sich nur gegenseitig in die Augen, bevor er ein Seufzen vernehmen konnte. "Es ist ganz schön viel passiert, seit du verschwunden bist, hm?", murmelte der andere und schaute nach einem weiteren Augenblick wieder nach vorn. "Sie ist hier, weil sie sich nicht an das erinnern kann, was mit ihr passiert ist." Zuerst nahm Dabi an, dass er sich verhört oder dass sein Bruder einen schlechten Scherz gemacht hatte, doch als er in dessen Gesicht blickte, konnte er dort nichts, außer reiner Ernsthaftigkeit, erkennen. "Was?", fragte er mit einem verunsichertem Lächeln. Er hoffte, nein, betete, dass es sich tatsächlich nur, um ein Missverständnis handelte, doch das Leben war noch nie gnädig mit ihm gewesen. "Sie kann sich nicht mehr an uns erinnern. Dad hat all ihre Erinnerungen an unsere Familie löschen lassen." Shoto sagte das alles so, als wäre es das normalste der Welt, so als hätte es rein gar nichts mit ihm zu tun. Dabi dagegen fühlte bei diesen Worten nur, wie eine Hand in seine Brust hinein griff, sein Herz umschlang und einmal fest zudrückte. Es war das gleiche Gefühl, wie das, welches er verspürt hatte, als er heute Natsuo und seinem Vater gegenüber gestanden hatte, nur in tausendmal schlimmer. Er war sich nicht sicher, wie viele bösen Überraschungen er heute noch standhalten würde, bevor er komplett daran zerbrach. Es hatte ihn einiges an Mühe und Anstrengung gekostet, bis jetzt so ruhig zu bleiben, ausgenommen der Sache mit seinem Vater, wobei er sich in dieser Situation auch mehr oder minder zurückgehalten hatte und er wusste nicht, wie lange er diese Fassade noch aufrecht erhalten könnte.

Nachdem er nicht antwortete, schenkte Shoto ihm einen kurzen Seitenblick in sein schockiertes Gesicht, bevor er auch schon fort fuhr. "In unserer Gruppe gibt es einen Mutanten, der die Erinnerungen, an bestimmte Personen, löschen kann. Dieser Mensch verpufft dann sozusagen einfach aus dem Verstand der anderen Person und wird nicht mehr erkannt. Dad wusste, dass Mom schrecklich unglücklich in dieser Klinik war und wenn er schon dafür sorgen wollte, dass unsere Familie wieder erstrahlen kann, dann sah er es natürlich, als seine Pflicht an, etwas an ihrem Zustand zu ändern. Ihm war bewusst, dass ihre Psyche darunter gelitten hätte, wenn er sie so schnell zu sich zurückgeholt hätte. Aus dem Grund ergriff er auch diese extreme Maßnahme. Ich weiß, dass es grausam klingt, ich habe am Anfang genauso gedacht, aber es...es war eine gute Entscheidung. Sie ist jetzt zufrieden, lacht viel und kümmert sich freiwillig, um die Kinder hier. Sie ist glücklicher, als sie es jemals mit und gewesen war. Wir haben ihr gesagt, sie hätte einen Gedächtnisverlust erlitten und wäre schon seit geraumer Zeit ein Mitglied unserer Gruppe gewesen, so fiel ihr das Eingliedern nicht so schwer. Sie ist jetzt einfach nur Rei Himura, ohne tragische Vergangenheit und Narben." Stille. Alle Geräusche, um ihn herum, blendete der Schwarzhaarige in diesem Moment vollkommen aus. Das einzige, was er wahrnahm war eine leise Stimme in seinem Kopf, die ihm immer wieder den gleichen Satz zuflüsterte. "Sie kann sich nicht an dich erinnern. Sie kann sich nicht an dich erinnern. Sie kann-"

Bevor diese Worte noch einmal ihren grausamen Satz bilden konnten, wurde ihm für einen Moment schwarz vor Augen und die Welt, um ihn herum, taub und still. Er musste sich an einer der Erdwände festhalten, um nicht zusamnenzubrechen, als er spürte, wie seine Beine zu zittern begannen. Er konnte nicht mehr atmen und die Welt vor seinen Augen drehte sich, wie in einem Karussell. Er musste weg von diesem Ort! Auf zitternden Beinen richtete er sich auf und stürmte dann geradezu, an die Wand gestützt, in die Richtung aus der Shoto und er gekommen waren. Er war mehr, als dankbar dafür, dass dieser die einzigst andere Person in seiner Nähe war, denn wenn er eines nicht brauchte, dann waren es unverschämte Gaffer, die ihm dabei zusahen, wie er zerbrach. Jeder einzelne Schritt kostete mehr Kraft, als sein tauber Körper hergab und sobald er ein einsames Fleckchen gefunden hatte, auf dem er nicht, wie auf dem Präsentierteller saß, ließ er sich zu Boden sinken. Seine Knie zog er an seine Brust heran, während sich seine Finger krampfhaft in seinem Haar verhakten und einzelne Strähnen herausrissen. Er nahm einen erstickten Atemzug und japste noch im gleichen Moment mitleidserregend auf. Zu viel. Das war alles zu viel auf einmal! Er hatte Natsuo ausgehalten, Shoto, selbst seinem gottverdammten Vater hatte er ohne zu zögern gegenübertreten können, doch das hier...das war mehr, als er gerade verkraften konnte.

Es sollte aufhören! Dieser ganze abgefuckte Scheiß sollte einfach nur aufhören! Wieso suchte sich diese Welt immer ihn, als das Opfer, den gottverdammten Sündenbock, aus?! Er wollte nach Hause...oh gott, er wollte nur noch nach Hause! Tsk, wenn er denn eines hätte. Für seinen Vater war er schon früh zu einer bloßen Enttäuschung, einem gescheiterten Experiment, einer reinen Zeitverschwendung gewurden. Seine Geschwister, so sehr er sie auch liebte, interessierten sich doch auch nur einen Scheiß für ihn und hatten vermutlich schon längste mit seinem Tod abgeschlossen. Und seine Mutter...tja, seine Mutter erinnerte sich nicht einmal mehr an seine Existenz. Sie erinnerte sich weder an Toya, noch an Dabi. Für sie war er jetzt nur noch ein Niemand, ein fremdes Gesicht auf der Straße, ein Geist, der langsam immer mehr und mehr verblasste, bis irgendwann nichts mehr von ihm übrig bleiben würde. Er war nicht mehr ihr Sohn. Er war nicht mehr der kleine Junge, den sie in den Arm genommen und sanft auf und ab gewiegt hatte, wenn er begonnen hatte zu weinen, dem sie die fantastischsten Geschichten aus fernen Ländern und Welten erzählt und dem sie heimlich ein Törtchen mehr gebacken hatte. Er...er war nicht mehr Toya für sie. Er war jetzt nur noch ein unbedeutender Niemand, der sich einbildete, einmal jemand gewesen zu sein, den sie geliebt hatte.

Ihm war heiß und gleichzeitig eiskalt. Sein kompletter Körper bebte und jeder seiner Atemzüge endetet in einem erbärmlichen Schluchzen. Er war schon immer eine kleine Heulsuse gewesen, wenn er ehrlich war, doch in diesem Moment fühlte er nichts nasses seine Wange entlang rinnen und es gab keinen metallischen Geruch nach Blut, der ihm in die Nase stieg. Keine einzige Träne wollte herauskommen, egal wie sehr er zitterte und wieviele Schluchzer seinen Körper durchschüttelten. Es war beinahe so, als wäre nicht nur seine Seele, sondern auch sein Körper so sehr geschockt, dass er keine Tränen produzieren konnte. Stattdeseen starrte er nur schwer atmend und mit weit aufgerissenen Augen die Wand gegenüber von ihm an, so als wäre er besessen. Die langsamen Schritte, die sich ihm dabei von der Seite näherten, realisierte er erst, als er das Gewicht zweier fremder Hände auf seinen Schultern spürte. Er zuckte unkontrolliert zusammen und wollte sich aus Reflex heraus vor der Berührung verkriechen, doch die Hände, welche sich sanft, aber bestimmend, auf seine Schultern gelegt hatten, hielten ihn an Ort und Stelle fest. "Toya! Toya, sieh mich an!", erklang irgendwo im Hintergrund seines Verstandes eine dumpfe Stimme, die sich mühevoll ihren Weg, vorbei an all den anderen wirren Gedanken, welche derzeit in seinem Schädel wüteten, in den Vordergrund bahnte. Er musste sich zusammenreißen, doch er schaffte es tatsächlich, seinen zitternden Kopf ein Stück zu heben und in das verschwommene Gesicht seines Bruders zu schauen. "S-Shoto...", presste er aus seiner zugeschnürten Kehle hervor, was nur wieder in einem weiteren verzweifelten nach Luft japsen endete. Er konnte den Ausdruck von besagtem Jungen nicht erkennen, wo dessen ganze Gestalt doch schummrig und unscharf war. Vor seinen Augen flimmerte es und die gedämpften Geräusche, die aus weiter Ferne zu ihm zu dringen schienen, wurden mit jeder Sekunde immer leiser, während sich sein Körper immer weiter und weiter hinein im den Zustand des Schocks steigerte. Die Hände an seinen Schultern schüttelten ihn erst zaghaft und dann mit mehr Entschlossenheit. Eine Stimme rief ihm immer wieder etwas zu, doch er konnte die genauen Worte nicht ausmachen. Alles, an das er denken konnte, war schneeweißes Haar, sanfte Gesichtszüge, warme graue Augen und-

Bevor er den Gedanken beenden konnte, hallte ein schrilles Geräusch durch die Watte in seinem Gehör und vertrieb noch im gleichen Moment all die anderen lästigen Gedanken und Empfindungen. Der klatschende Laut war kurz gefolgt von einem dumpfen Schmerz an seiner Wange und aus Instinkt heraus, rieb er sich winselnd die brennende Stelle. "Aua! Für was war das denn bitte schön?", rief er in einer empörten Stimme und realisierte nur abseits, dass die Welt vor seinen Augen nun wieder scharf und verständlich war. "Tur mir ja Leid, aber ich habe keinen anderen Ausweg gesehen. Du hast dich immer mehr in eine Schockstarre versetzt. Hätte ich dich einfach so gelassen, dann hättest du noch einen Nervenzusammenbruch oder einen Herzinfarkt bekommen.", erwiderte sein Gegenüber trocken, bevor er sich auf seine Augenhöhe kniete und ihm todernst in die Augen sah. "Geht es dir gut?" Die Frage ließ sich mit einem kurzen Blick auf Dabi von allein beantworten, was auch sein Bruder zu merken schien und schnell noch ein paar erklärende Worte anhängte. "Ich meine, offensichtlich ja nicht, aber es ist aushaltbar, oder? Ich muss keinen Arzt rufen?" Als Antwort brachte er nur ein knappes Nicken zustande, während er kramphaft versuchte, seine Atmung zu normalisieren. Sein Körper hatte sich nach der Ohrfeige zu, sagen wir, 50% beruhigt, doch die andere Hälfte stand noch immer unter Schock. Der junge Todoroki atmete einmal erleichtert auf, bevor er ihn fast schon tadelnd ansah. "Jag mir nie wieder so einen Schreck ein, hast du verstanden? Ich dachte, du würdest weglaufen oder dir etwas antun. Hätte ich gewusst, dass du so auf das ganze reagierst, dann hätte ich lieber meine Klappe gehalten." Shoto schüttelte einmal den Kopf und fuhr sich sichtlich erschöpft durch die zweifarbigen Haare. "Es ist für uns alle ein Schock gewesen. Fuyumi hat auch geweint und sich für Stunden in ihrem Zimmer eingeschlossen, Natsuo war hauptsächlich wütend auf Dad, während dieser einfach nur versucht hatte uns die ganze Situation rational zu erklären." Diese Worte ernteten ein spöttisches Schnauben von Dabi und er entblößte ein freudloses Grinsen. "Er hat seiner eigenen Frau ihre Erinnerungen genommen, ohne sie vorher, um ihr Einverständnis zu fragen, nur weil er es für das Richtige hielt. Ich weiß nicht, was daran rational sein soll." Er spuckte die Worte geradezu triefend vor Spott und Verachtung in das neutrale Gesicht des anderen und verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen. Sein Bruder schüttelte jedoch nur den Kopf und sah ihn genauso ernst an, wie zuvor. "Du liegst falsch. Er hat sie vorher, um ihr Einverständnis gefragt und sie hat es ihm gegeben. Es hatte sie traurig gemacht, uns alle hinter sich lassen zu müssen, natürlich, doch sie sagte, dass wenn es ihr und unserer Familie die Möglichkeit geben würde, endlich glücklich zu sein, dann würde sie dieses Opfer erbringen. Sie bat uns dabei auch, um unseren Rat. Hätten wir uns gegen diese Idee ausgesprochen, dann wäre es erst gar nicht so weit gekommen, doch wir...wir alle sahen nicht ein, dass wir unsere eigenen Wünsche über ihre stellen sollten. Es war eine gute Sache. Sie hat es verdient, glücklich zu sein." Dabi schwieg. Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Natürlich hatte Shoto Recht. Ihre Mutter hatte es, mehr als die meisten anderen, verdient zu lachen und endlich all ihre Sorgen und Ängste zu vergessen und er gönnte es ihr aus vollem Herzen. Doch warum...

"Warum tut es dann so weh?", flüsterte er in die bedrückende Stille hinein. Noch immer fühlte sich sein Herz so an, als hätte es jemand mit einem Hammer zerschlagen und auch Shotos rationale Worte, konnten dies nicht ändern. Der Junge seufzte einmal mitfühlend auf und ließ sich dann vollständig auf den Boden vor ihn sinken. "Ich weiß, dass es weh tut, Toya. Ich weiß auch, wie schwer das alles gerade für dich sein muss, aber es wird wieder vorbei gehen, hörst du? Der Schmerz wird irgendwann verblassen und alles, was bleibt, ist eine ferne Erinnerung daran. Gute Zeiten werden wieder beginnen, auch für dich, großer Bruder." Auch wenn diese Versicherung allein das ziehende Gefühl in seiner Brust nicht wegzauberte, so war er dankbar dafür, dass Shoto sich so sehr, um ihn sorgte und zumindest versuchte, es besser zu machen. Es war nicht selbstverständlich, wo sie sich doch eigentlich beide kaum kannten. "Seit wann bist du eigentlich zu meinem Babysitter gewurden?", scherzte er verlegen und brachte tatsächlich ein kleines, ehrliches Lächeln zustande. Sein Gegenüber schmunzelte nur und zuckte dann mit den Schultern. "So verloren, wie du aussahst, konnte ich dich ja schlecht allein lassen. Ich habe es dir schon einmal gesagt, Familie lässt sich nicht im Stich." Dabi nickte, doch sagte nichts weiter dazu. Ein winziges Lächeln lag auf seinen Lippen und für diesen kurzen Moment war sein Schmerz vergessen.

Eine Weile saßen sie sich nur stumm gegenüber und lauschten den fernen Geräuschen der anderen Tunnelbewohner. Sein Atem hatte sich wieder normalisiert und auch sein Körper zitterte nicht mehr, wie Espenlaub. Sein Äußeres hatte sich beruhigt, doch in seinem Inneren schwirrten die Gedanken noch immer umher, wie Bienen in ihrem Nest. "Weißt du...ich dachte immer, es wäre besser, wemn ihr mich alle vergessen würdet. Wenn ihr ohne mich weitermacht und allein glücklich seit, aber jetzt...jetzt bim ich mir nicht mehr sicher, ob es wirklich das ist, was ich will.", gestand er. Als er zurück in Shotos Gesicht blickte, war dessen Stirn in nachdenkliche Falten gelegt und für diesen einen Moment wirkte er ungewöhnlich sentimental und mitfühlend. Es dauerte einen Moment, bevor dieser ihm schließlich antwortete und auch seine Worte klangen untypisch zögerlich. "Es ist noch nicht zu spät. Du kannst es den anderen immer noch sagen. Du bist jetzt vielleicht ein Verbrecher, aber du gehörst noch immer zu unserer Familie. Wir können glücklich werden, gemeinsam." Dies ließ ihn kurzzeitig verstummen und er senkte seinen Blick betrübt zu Boden. Die Vorstellung klang toll, doch..."Sie würden mich nicht mehr wollen, so wie ich jetzt bin.", murmelte er schließlich. Diese ganze Sache war kompliziert und selbst wenn Shoto Recht haben sollte, so war sich Dabi nicht sicher, ob er auch den Mut dazu hatte, diesen Entschluss in die Tat umzusetzen. Im Augenwinkel bemerkte er eine Bewegung und spürte im nächsten Moment auch schon, wie sich zwei fremde Hände an seine Wangen legten und seinen Kopf nach oben drücken. "Doch, Toya. Das würden sie.", erwiderte sein Bruder mit so einer Standhaftigkeit, dass er gar nicht erst die Mühe zu Widerworten aufbrachte.

"Ja, vielleicht hast du Recht..."

Ich weiß, dass Canon Dabi Shoto hasst und ihn tot sehen will, aber ich komme einfach nicht von der Vorstellung los, dass die zwei sich gegenseitig retten könnten...
Jedenfalls gibt es im nächsten Chapter wieder Liga Content und die Dinge zwischen Hawks und Dabi werden ein wenig ausarten. In welchem Sinne? Tja, lasst euch überraschen...

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