Kapitel 31
"Keigo, ich schwöre dir, wenn du noch eine Minute länger in diesem Badezimmer bleibst, pinkel ich den ganzen Flur voll und lass es dich wegwischen!" Normalerweise kein Satz, den er laut ausgesprochen hätte. Gedacht, vielleicht. Ausgesprochen, niemals. Dafür lag die Grenze seines Schams einfach viel zu niedrig. Es war nur eben so, dass sich seine Prioritäten in der jetzigen Situation etwas verschoben hatten. Seit 2 Stunden, 2 gottverdammten Stunden, wartete er nun schon darauf, endlich das Badezimmer benutzen zu dürfen! Am Anfang war es nicht ganz so schlimm gewesen und er hatte sich einfach mit anderen Dingen abgelenkt, doch so langsam wurde es immer schwerer den Druck in seinem Unterleib zu ignorieren. Warum zur Hölle gab es in diesem gesamten Gebäude auch nur ein einziges Badezimmer für sieben Personen? Seine Blase fühlte sich so an, als würde sie gleich explodieren! Ein metallisches "Klick" war seine Rettung in letzter Not, als er schon fast die Hoffnung aufgegeben hätte und die Geschwindigkeit mit der er die Tür aufriss und in den Raum hinein stürmte, glich geradezu einer Verfolgungsjagd mit der Polizei. Ihm war in diesem Moment vollkommen egal, ob Hawks oder sonst wer noch anwesend waren und ihm zusehen konnten oder nicht! Sein Fokus lag gerade auf exakt einer Sache und das war die Toilette. Ein nur halbherzig unterdrücktes Seufzen verließ seine Lippen, als sich der Druck in seinem Unterleib endlich verflüchtigte und er spürte, wie pure Erleichterung seinen Körper durchflutete.
"Du hättest wenigstens warten können, bis ich draußen bin.", hörte er im Hintergrund eine bekannte Stimme nörgeln und automatisch wanderten seine Augen zu der zweiten Person im Raum. Der Blondschopf hatte sich an das weiße Keramik Waschbecken angelehnt und starrte ihn aus unbeeindruckten Augen an. In seiner Hand hielt er etwas, das Dabi erst nicht ganz identifizieren konnte, sich bei genauerem hinsehen allerdings, als hauchdünner Metallkamm herausstellte. Irritiert zog er eine Augenbraue nach oben und blickte zu den Haaren des anderen. Er war dessen eher zotteligen Look gewöhnt und auf ihn wirkten die goldenen Locken unverändert. Dann gab es nur noch eine andere Möglichkeit... Neugierig wanderten seine Augen zu den ausgefahrenen Schwingen seines Gegenübers und tatsächlich wirkten die roten Federn darin seltsam aufgeplustert und zerzaust. Warte, war es etwas das, womit der andere die ganze Zeit über beschäftigt gewesen war? Seine Federn zu bürsten? Oh mann, und er hatte schon gedacht, er wäre durch seine Narben ein Sauberkeits Fanatiker! Er brauchte einen Moment, um seinen Blick von den Flügel seines Partners zu lösen und sich wieder an dessen Aussage zu erinnern. "Du bist mein Freund. Du bist der einzige, der mich unten ohne sehen darf. Wenn dir der Anblick nicht gefällt, dann schau irgendwo anders hin.", antwortete er trocken und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er das Augenrollen auf seine Worte bemerkte. Vor 2 Wochen wäre er vor Scham noch tot umgefallen, wenn er so mit Hawks geredet hätte. Jetzt jedoch, dachte er gar nicht mehr lange darüber nach, was angemessen zum laut aussprechen war und was nicht, sondern äußerte meist einfach das, was ihm in den Sinn kam. Bei seinem Partner war es genauso. Nicht nur hatten sie beide über ihre Vergangenheiten geredet und ein paar Geheimnisse gelüftet, nein, sie waren auch im normalen Alltag offener und ehrlicher zueinander geworden. Es fühlte sich gut an. Endlich hatte er jemandem, dem er vertrauen konnte.
Der geflügelte antwortete nicht auf seine Aussage, wand aber auch nicht den Blick ab. Ganz im Gegenteil. Er schien ihn damit nur noch mehr zu durchbohren. "Was?", fragte er und zog irritiert die Stirn kraus. Er war es gewohnt, dass Hawks mit seinen Falkenaugen immer so wirkte, als würde er direkt in deine Seele starren, aber in dieser Situation war es dann doch etwas unerwartet. Es war nicht so, dass er sich vor seinem Freund noch großartig für seinen Körper schämte, aber dieser Blick ließ ihn dann doch leicht verlegen werden. Einen Moment lang, musterte sein Gegenüber ihn noch weiterhin stumm, bevor sich schließlich ein Grinsen auf seinen Zügen ausbreitete. "Du sitzt auf dem Klo, wie ein Mädchen." Die Aussage war so trocken, dass er kurz perplex blinzeln musste, bevor er verstand, dass es ein Witz war. Sein Vater hatte ihn damals oft, als nicht männlich genug bezeichnet. Von Geburt an war er nicht das, was man einen typischen, gut gebauten Mann nennen würde. Er hatte die dünne und eher grazile Statur seiner Mutter geerbt und auch seine Züge waren, trotz der vielen Narben in seinem Gesicht, eher weich. Sein Äußeres ließ, außer seiner Augenfarbe, kein bisschen vermuten, dass er mit Enji Todoroki verwand war. Er besaß zwar die nötigen Muskeln und wusste, wie man einen Schlag verteilte, doch dies sah man ihm so gut, wie nicht an. Das, gepaart mit seiner Vorliebe für Dinge, wie stricken oder lesen, hatte immer wieder zu Komplikationen mit seinem Vater geführt. Er konnte gar nicht mehr sagen, wieviele Argumentationen er schon mit diesem gehabt hatte, "wieso er sich wie ein Weib benahm" und "wann er endlich lernen würde, ein echter Kerl zu sein". Ihm persönlich war es dabei nie so vorgekommen, als würde er sich besonders feminin oder gar, wie ein Mädchen verhalten. Er benahm sich einfach so, wie er war und verstellt sich nicht großartig. Vielleicht lag es wirklich nur an seinem äußeren, vielleicht auch daran, dass er schwul war. Wer wusste das schon? Seinen Vater nach seinen Gründen zu fragen, war defintiv keine Option, welche er in Erwägung zog.
Ihm war klar, dass Hawks diese Worte nicht mit der Absicht, ihn zu verletzen, gewählt hatte. Dieser konnte es nicht wissen und Dabi gab ihm keine Schuld daran. Dennoch war da dieser bittere Geschmack auf seiner Zunge, den er schnell weglachte. "Hör auf mich zu mobben! Wenn ich schon ein Mädchen bin, dann bin ich eine Prinzessin. Deine Prinzessin, um genau zu sein, also solltest du mich auch so behandeln!", erwiderte er lachend, während er die Klospülung aktivierte und seine Hose hochzog. Bei seinem Worten konnte er den Blondschopf schmunzeln sehen, bevor sich dieser einmal erwürdig verbeugte. "Zu Befehl, Prinzessin Toya." Erneut verließ ein Lachen seine Kehle und um die ganze Show perfekt zu machen, legte er noch einen kleinen Knicks hin. Verführerisch klimperte er dem anderen aus seinen Wimpern hindurch zu, bevor er sich wieder aufrichtete und kopfschüttelnd zum Waschbecken lief. "Idiot...", murmelte er grinsend, bevor er den kalten Wasserstrahl über seine Hände laufen ließ. Normalerweise würde er sich selbst eher als Kopf gesteuerte, statt stark emotionale Person bezeichnen. Das Leben auf der Straße hatte ihn gelehrt, in jeder Situation erst Rationalität und Ernsthaftigkeit walten zu lassen, bevor man sich von seinen Gefühlen übermahnen ließ. Wenn man überleben wollte, dann musste man kalt und analysierend sein. Dinge, wie Humor oder andere Gefühlsausbrüche waren nur eine Ablenkung von den Gefahren, die da draußen drohten und nur darauf warteten, dich bei lebendigen Leib zu verschlingen.
Seit er Hawks und die Liga kennengelernt hatte, war dieses Denken jedoch immer weiter in den Hintergrund gerückt. Natürlich waren sie alle Killer und konnten gnadenlos sein, doch wenn sie diese Rolle einmal fallen ließen, merkte man fast nichts mehr von ihrem gefürchteten Ruf. Sie lachten, machten Witze und blödelten herum, wie sorglose Kinder. Es war erfrischend. In seinem alten Zuhause war solches Verhalten nie toleriert wurden. Spaß war verboten gewesen. Es ging allein darum, sich von klein auf darauf vorzubereiten, wie man seine späteren Wege einmal gestalten würde. Welche Person man einmal sein würde. Spaß war dabei nur eine Ablenkung, die es zu vermeiden galt. Seit er ein Kind war, wurde ihm vorgeführt, perfekt zu sein. Er wurde dafür trainiert und ausgebildet. Sein Vater hatte kein Kind gewollt, sondern einen Nachfolger. Jemand, der noch besser und stärker, als er selbst wäre. Bei der Liga war dies anders. Sie interessierten sich nicht dafür, ob du von außen makellos und perfekt erschienst. Sie legten keinen Wert auf die Fassade, die du so mühsam zusammengestellt hattest. Sie wollten die Person innerhalb dieser Mauern sehen. Keiner von ihnen war perfekt. Sie alle hatten Fehler in ihrem Leben begangen, manche davon gravierender, als die restlichen und ein jeder von ihnen besaß genug Probleme, mit denen er umgehen musste. Sie alle waren zerbrochene Seelen. Von der Gesellschaft ausgesondert und weggeworfen, wie Abfall. Sie waren nicht perfekt, auf keinen Fall. Das mussten sie jedoch auch nicht sein, denn sie hatten einander. Sie ergänzten sich und fügten sich gegenseitig die fehlenden Puzzle Teile ihrer Seele an. Hier war es in Ordnung, dass er seine Emotionen zeigte. Er durfte lachen und herum albern. Er durfte leben.
"Vielleicht bin ich ja einer, aber wenn schon, bin ich dein Idiot.", setzte sein Freund mit neckischer Stimme an ihrer Unterhaltung an. Bei den Worten verdrehte Dabi nur einmal schmunzelnd die Augen, bevor er den Wasserhahn wieder zudrehte. Statt jedoch zu dem Handtuch neben ihm zu laufen, hielt er seine feuchten Hände mit einem schiefen Grinsen in die Luft und sah noch den verwirrten Blick seines Gegenübers auf seine Geste, bevor er all die Wassertropfen von seinen Händen direkt in das Gesicht von diesem spritzte. Bei der spontanen Aktion, machte dieser nur einen überraschten Laut, taumelte ein paar Schritte nach hinten, rutschte auf den glatten Fließen aus und fiel ungrazil nach hinten. Dabi hätte wohl über diese akrobatische Leistung gelacht, wäre da nicht die Hand, welche während des Fall seinen Arm gepackt und ihn mit nach unten gezogen hätte. Mit einem dumpfen Prall landeten sie gemeinsam auf dem Boden und brauchten beide einen Moment, um zu begreifen, was gerade passiert war. In Richtung Decke blinzelnd, lagen sie nebeneinander, bevor sie schließlich zeitgleich ihren Kopf zur Seite drehten und sich gegenseitig in die Augen starrten. Dabi war der erste, der sich nichtmehr halten konnte und musste sich die Hand vor den Mund pressen, damit man sein Lachen nicht bis in den Flur hinaus hören würde. Auch sein Freund nahm die Situation mit Humor und boxte ihm einmal kichernd gegen den Oberarm. "Und du sagst, ich wäre ein Idiot. Schau dich mal an!", keuchte dieser zwischen seinem Lachen und schüttelte ungläubig den Kopf. Er antwortete nicht, sondern rollte sich nur vor Lachen auf seine Seite. Solange, bis seine Bauchmuskeln zu ziehen und seine Lunge zu brennen begann. Lange hatte er keinen richtigen Lachanfall mehr gehabt. Er hatte ganz vergessen, wie gut es sich anfühlte...
Als er es schließlich schaffte seine Atmung halbwegs zu normalisieren und die Geräusche, welche tief aus seinen Bauch zu kommen schienen, zu stoppen, waren bereits gefühlte Stunden vergangen und sein ganzer Körper war vollkommen matt und kraftlos, so als wäre er gerade einen Marathon gelaufen. "Oh mann, eigentlich wollte ich nur ins Bad, um auf Toilette gehen zu können.", keuchte er atemlos, während er sich mühevoll in eine Sitzposition erhob. Sein Gegenüber brummte etwas unverständliches und verrschränkte die muskulösen Arme vor der Brust, während er sich nun auch hinsetzte. Er wirkte geradezu beleidigt, doch Dabi wusste, dass es nur zur Show diente und dieser nicht wirklich wütend auf ihn war. "Jaaa, und ich wollte nur in Ruhe meine Flügel säubern, als ein gewisser jemand hereingeplatzt kam.", erwiderte Hawks und dessen Stimme hörte sich an, wie die eines trotzigen Kleinkindes. Bei den Worten rümpfte er nur die Nase und zog skeptisch eine Braue hoch. "2 Stunden lang? Du willst mir sagen, dass du 2 Stunden lang deine Flügel geputzt hast?" Der Blondschopf wirkte von dieser Frage nun wirklich empört und die Federn in seinen Flügeln pufften in einer geradezu beleidigten Art auf. "Es ist nicht einfach nur putzen! Die ganze Sache ist viel wichtiger und Energieaufwendiger, als du dir vorstellen kannst! Wenn ich nicht regelmäßig eine Grundsanierung meiner Flügel durchführe, dann könnte dies die Leistungsfähigkeit meiner Federn stark beeinträchtigen und mich im Kampf zu einem leichten Ziel machen. In den Zwischenräumen der Federn kann sich ganz leicht Staub und Dreck ansammeln und dies kann dafür sorgen, dass ihre Wahrnehmung stark darunter leidet. Im schlimmsten Fall macht es meine Flügel so schwer, dass ich gar nichtmehr mit ihnen fliegen kann. Eigentlich müsste ich sie alle paar Tage von Grund auf reinigen, aber du glaubst gar nicht, wieviel Arbeit das ist! Zuerst muss ich sie gründlich abwaschen, danach muss ich sehen, wie ich das ganze Wasser am schnellsten wieder aus ihnen heraus bekomme, was die meiste Zeit in Anspruch nimmt und als letztes muss ich sie noch sorgfältig durchkämen und kontrollieren, dass ich auch ja keine Staubkörner vergessen habe. Klingt vielleicht erstmal nach nicht sehr viel Arbeit, aber du weißt gar nicht, auf wieviele verdammte Dinge ich dabei achten muss! Ich kann beispielsweise nicht alle Federn auf einmal abschütteln und dann mit einem Handtuch darüber rubbeln, um sie zu trocknen oder sowas in der Art, denn in einer kleinen Feder sind mehr Nervenzellen vorhanden, als in meiner ganzen Hand. Im Kampf fühlt es sich zwar auch nicht gerade toll an, wenn sie etwas abbekommen, aber da ist es oftmals noch angenehmer, weil ich mich auf andere Sachen konzentrieren muss. Jetzt würde ich mich nur auf die Empfindungen in meinen Federn fokussieren und dann auf so eine grobe Weise mit ihnen umzugehen, wäre mein eigenes Todesurteil. Ich muss also vorsichtig und gleichzeitig so sorgfältig, wie nur irgendwie möglich sein. Das kann schon einiges an Zeit beanspruchen. Ihr habt Glück, dass ich mich schon auf einmal in der Woche beschränkt habe."
Entweder sein Freund liebte es, eine Rede über dieses Thema zu halten oder es war nicht das erste Mal, dass er mit einer anderen Person diese Unterhaltung führte. Dabi tippte dabei stark auf Variante zwei, immerhin hatte er nicht unbedingt den kürzesten Geduldsfaden aus der Liga, wenn er an Leute, wie Toga oder auch Shigaraki dachte. Er brauchte einen Moment, um all diese neuen Informationen zu verarbeiten, bevor er den Kopf schief legte und seinem Gegenüber fragend entgegen blinzelte. "Ist das jetzt meine Aufforderung, dir einen Vortrag darüber zu halten, wie ich täglich meine Narben reinige?", witzelte er und sah daraufhin nur, wie der andere die goldenen Augen verdrehte, auch wenn kein echter Biss hinter der Geste steckte. "Nein, ich denke ich verzichte, sonst sitzen wir noch für Stunden hier. Aber danke für das Angebot, vielleicht brauche ich dieses Wissen irgendwann ja wirklich einmal..." Mit diesen Worten, griff der Blondschopf wieder nach dem Kamm, welchen er bei seinem ungrazilen Sturz fallen gelassen hatte, breitete einen seiner Flügel in einem unbequem wirkenden Winkel auf seinem Schoß aus und begann dann vorsichtig durch das Meer an roter Farbe zu bürsten. Dabi musterte das ganze für eine Weile einfach nur stumm. Eine Frage lag ihm auf der Zunge, doch er war sich unsicher, ob er sie wirklich stellen oder es lieber sein lassen sollte. "Ich kann dir helfen, wenn du willst. Ich übernehme den einen Flügel und du den anderen. So würde es schneller gehen." Diese Worte ließen den Angesprochenen in seiner Bewegung inne halten. Langsam wanderte dessen Blick wieder nach oben und seine goldenen Augen schienen etwas in seinem Gesicht zu suchen. Hatte er Angst, dass Dabi dies nutzen wollte, um ihn mit dem Wissen darüber, wie empfindlich jede einzelne Feder in seinen Schwingen war, zu ärgern? Nein, sowas würde er nicht tun! Er ärgerte zwar gerne aus Langerweile heraus seinen Partner und ging ihm auf die Nerven, aber er würde diesem niemals freiwillig weh tun! "Wenn du es nicht willst, dann ist es natürlich auch in Ordnung. Ich möchte nicht, dass du dich gezwungen fühlst etwas zu tun, bei dem du dich unwohl fühlst.", stellte er ganz deutlich klar, denn er wusste, dass sein Gegenüber die Art von Person war, die ihr eigenes Wohlbefinden oftmals über das von anderen Menschen stellte. Der Blondschopf sah ihn noch einen weiteren Moment schweigend an, bevor er schließlich zögerlich nickte. "Gut, okay. Ich...ich vertraue dir." Der Schwarzhaarige ließ es sich nicht anmerken doch die letzen Worte sorgten dafür, dass sein Herz einen kleinen Hüpfer in seiner Brust machte. Dass Hawks ihm heute auf Sekoto Peak von seiner Vergangenheit erzählt hatte, war ja schon eine riesige Überraschung für ihn gewesen, aber jetzt noch einmal so deutlich ausgesprochen zu hören, dass dieser ihm vertraute, fühlte sich...es fühlte sich einfach gut an.
Er versuchte nicht genauso aufgeregt und hippelig zu wirken, wie er sich innerlich fühlte, als er schließlich auf seinen Knien näher zu seinem Freund rutschte und sich dessen Flügeln widmete. Er hatte die kleinen roten Federn zwar schon das ein oder andere Mal auf seiner Haut fühlen können, aber er hatte noch nie zuvor richtig...nun, hineingefasst. Hawks Flügel hatten ihn in ihren Bann gezogen, seit er sie zum ersten Mal erblickt hatte. Sie waren so unglaublisch schön und elegant und gleichzeitig waren sie eine Waffe, die nicht tödlicher sein könnte. Jeder ihrer Bewegungen sahen grazil und anmutig aus und in dem bläulichen Licht des Mondes, welches durch das Fenster hereinfiel, schienen sie förmlich aufzuleuchten. Es war ein traumhafter Anblick und als er nun endlich das Gewicht und die Wärme einer der stattlichen Schwingen in seinem Schoß spürte, konnte er das breite Lächeln, welches sich auf seine Lippen schlich, nicht verhindern. Er fühlte sich beinahe, wie ein kleines Kind vor dem gefüllten Geschenketisch. Zur Versicherung blickte er noch einmal zu seinem Partner, doch dessen Augen waren voll und ganz auf seine eigene Arbeit fokussiert, sodass er sich nach einem Moment einfach dazu entschied, sein Glück auf die Probe zu stellen. Er nahm erst nur einen Finger, um damit langsam durch die einzelnen Federn zu fahren und stahl dabei immer wieder flüchtige Blicke zu dem geflügelten, um dessen Reaktion auf seine Geste sehen zu können. Er wollte nicht etwas falsches tun und diesem im schlimmsten Fall auch noch Schmerzen zufügen, doch das leichte Zittern, welches bei der sanften Berührung durch dessen Körper jagte, wirkte alles andere, als gequält. Es sah so aus, als würde er sich gut fühlen und auch Hawks Mimik sprach von keinem Unwohlsein. Mit dieser innerlichen Versicherung, lenkte er seinen Fokus zurück auf den wartenden Flügel in seinem Schoß und begann nun mit allen fünf Fingern gerade Linien durch die rote Fläche zu fahren. Die Federn fühlten sich ganz weich, beinahe flauschig an und ihre gekerbten Ränder hinterließen ein prickelndes Gefühl auf seiner Haut. In dem Moment war er sich nicht mehr sicher, ob sich das ganze besser für seinen Freund oder doch für ihn selbst anfühlte. Es war eine entspannende Aktivität, die eine unglaubliche innere Ruhe in ihm auslöste. Ohne, dass er es selbst richtig bemerkte, richtete sich seine Konzentration immer weiter auf seine eigene Hand, welche vorsichtig durch Hawks Flügel hindurch strich und der Rest der Welt wurde nur noch zu einem sanften Rauschen in seinen Ohren. Seine gesamte Sicht war mit der Farbe rot gefüllt und er konnte an nichts anderes mehr denken, als das angenehme Gefühl von Hawks Federn auf seiner Haut.
Ab einem bestimmten Punkt war er so weit in seine Tagträumerein abgedrifted, dass er gar nichtsmehr von seiner Umgebung mitbekam und auch seine Bewegungen mehr einem maschinellen Rythmus glichen. Erst ein vorsichtiges Rütteln an seiner Schulter, holte ihn abrupt ins Hier und Jetzt zurück und vor Schreck zuckte er einmal zusammen. "Toya, hey! Oh mann, ich dachte schon, ich hätte dich mit meinen Flügeln hypnotisiert.", drang eine bekannte Stimme in sein Gehör und er blinzelte perplex. Warte, wieviel Zeit war vergangen? Wie lange hatte er jetzt schon so erstarrt da gesessen und hatte Hawks Federn gekämt? Als er zurück zu dem besagten Mann blickte, entdeckte er ein kleines Lächeln auf dessen Lippen und spürte im nächsten Moment auch schon, wie ihm fremde Hände sanft durchs Haar strichen, so wie er es die ganze Zeit bei den Flügeln des Blondschopfs getan hatte. "Zurück in der Welt der Lebenden?" Bei der Frage erröttete er einmal sichtlich und starrte verlegen auf den weichen Flügel, der noch immer entspannt in seinem Schoß lag. "Tut mir Leid. Ich war nur...naja, konzentriert.", stammelte er und mied noch immer den Blick des anderen. Solange, bis dieser schließlich seine Hand aus seiner schwarzen Mähne löste und damit zu seinem Kinn wanderte. Mit sanfter Gewalt drückte er dieses nach oben, sodass sie gar keine andere Wahl hatten, als sich in die Augen zu schauen. Hawks hatte sich ein Stück nach vorn gelehnt, sodass nun nur noch ein paar Zentimeter ihre Gesichter voneinander trennten und ein unlesbarer Ausdruck lag in den goldenen Raubtieraugen. "Ja, das habe ich gemerkt. Du warst wirklich sehr konzentriert bei der Arbeit gewesen. Eine bessere Pflege, haben meine Federn noch nie erlebt...", raunte dieser ihm in einer Stimme zu, die ungewohnt tief für ihn war. Dabi wusste nicht was oder wieso, aber diese unbedeutenden Worte, gepaart mit Hawks rauer Stimme und dem beinahe verlangenden Ausdruck in seinem Gesicht, machten etwas mit ihm. Sein Körper fühlte sich so an, als stände jeder einzelne Nerv unter Strom und die gesamte Umgebung erschien ihm auf einmal wärmer, als noch Minuten zuvor. Er hatte etwas in dieser Art noch nie zuvor verspürt. Es war ein seltsames, aber nicht wirklich unangenehmes Gefühl. Um es länger zu ergründen, hatte er jetzt allerdings keine Zeit, da sein gesamtes Fokus auf den goldenen Augen vor ihm lag, die ihn mit so einer Faszination ansahen, mit der er noch nie zuvor konfrontiert wurden war.
"Ich würde dich jetzt gerne küssen." In der vergangenen Zeit war der Blondschopf ihm nur noch näher gekommen und hauchte ihm diese Worte leise ins Ohr. Dabi spürte eine Gänsehaut seinen Körper hinaufkriechen und seinen Atem kurz in seiner Kehle feststecken, doch wer war er schon, dass er zu sowas "Nein" sagen könnte? "Dann tu es doch einfach.", flüsterte er zurück und bekam nicht einmal einen Moment Zeit zum Luft holen, als er auch schon fremde Finger in seinen Haaren und weiche Lippen auf seinen eigenen spürte. Es war nicht das erste Mal, dass er und Hawks sich küssten oder gegenseitig kleine Zärtlichkeiten austauschten, doch jetzt gerade fühlte es sich so an, als würden sie sich zum ersten Mal richtig küssen. Es war nicht langsam und vorsichtig, wie all die Male davor. Der Rhythmus, den ihre Lippen nun einschlugen war schnell und voller gegenseitiger Leidenschaft. Fast wie von selbst, lehnte er seinem Kopf leicht zur Seite, um den Kuss zu vertiefen und spürte in nächsten Moment auch schon, wie eine warme Zunge über seine Unterlippe leckte und sich dann langsam ihren Weg in seinen Mund bahnte. Die Geste überraschte ihn ein wenig, da sie vorher noch nie auf diese Art geküsst hatten, doch er entschied sich dafür, sich einfach von seiner Neugier leiten zu lassen und öffnete seinen Mund ein Stück weiter, um dem anderen besseren Einlass zu gewähren. Es war ein seltsames Gefühl. Er konnte ganz genau spüren, wie sich die fremde Zunge in seinem Mund bewegte, wie sie kurz über seine Zähne schliff und danach spielerisch seine eigene Zunge anstupste. Es war seltsam und ungewohnt, aber nicht unangenehm.
Wie von selbst legten sich seine Arme um die Schultern seinen Gegenübers und zogen diesen nur noch weiter zu sich heran, sodass ihre Körper nun flach aneinander gepresst waren. Auch das Herz des geflügelten trommelte wild gegen dessen Brust und Dabi war erleichtert, festzustellen, dass er nicht der einzige war, mit dem diese Aktionen etwas machten. Sie küssten sich länger, als üblich. All ihre Berührungen hatten ihre schüchterne Zärtlichkeit verloren und sprachen nur noch von Verlangen und Leidenschaft. Ab einem bestimmten Punkt, konnte er spüren, wie Hawks ihm scheinbar immer näher und näher rückte, bis er in schließlich mit sanfter Gewalt nach unten drückte. Die Hand des anderen lag noch immer in seinem Haar und hielt seinen Kopf vorsichtig fest, sodass er nicht mit dem Schädel auf die kalten Fließen krachte. Die neue Position störte ihn nicht, sondern erlaubte ihm nur noch besser, sein Gegenüber aus unschuldigen Augen zuzublinzeln und zu beobachten, wie sich die goldenen Seelenspiegel voll und ganz auf ihn fixierten. Die Wangen des Blondschopfs waren gerötet, sein Atem ging unregelmäßig und an seinen Lippen konnte er einen dünnen Speichelfaden entdecken, der sie eben noch miteinander verbunden hatte. Er wirkte wie ein Raubtier. Bereit jederzeit seine Beute zu verschlingen. "Was tun wir hier eigentlich, Keigo?", fragte er atemlos, obwohl er sich die Antwort schon längst selbst denken konnte. Der angesproche schmunzelte ihm bei diesen Worten nur einmal zu und stütze seine beiden Hände rechts und links von seinem Kopf ab, sodass er nun sein gesamtes Sichtfeld einnahm. Auch die Augen seines Freundes verweilten die ganze Zeit über auf ihm. Es war fast so, als wäre es ihnen beiden gar nicht möglich, irgendwo anders hinzuschauen.
Die Welt um sie herum war stumm. Alles, worauf sie sich konzentrieren konnten war die Person gegenüber von ihnen. Dabi betete innerlich dafür, dass sein Partner eine seiner Federn ausgesandt hatte, um die Tür zum Badezimmer zu verschließen, denn er wusste nicht, wann das hier wieder aufhören würde. Ehrlich gesagt wollte er gar nicht, dass es aufhörte. So als hätte der andere seine Gedanken gelesen, beugte er sich langsam zu ihm herunter und stupste seine Nasenspitze mit seiner eigenen an. "Stell keine Fragen. Genieß es einfach.", murmelte er, als verspätete Antwort, gegen seine Lippen und der Schwarzhaarige machte sich schon auf einen erneuten Zungenkuss gefasst, der jedoch niemals eintrat. Stattdessen hatte der geflügelte es nun auf eine andere Stelle seines Körpers abgesehen. Ein federleichter Druck war alles, was er spürte, als Hawks seine Lippen auf die Narben an seinem Kiefer legte und sich dann langsam seinen Weg bis zu seinem Ohr vor bahnte. Er konnte das kitschige Geräusch hören, jedesmal wenn sich die weichen Lippen seines Freundes auf das lila Gewebe legten und fühlte dessen Atem auf seiner intakten Haut, doch mehr war es nicht, was er verspürte. An den Stellen, wo seine Verbrennungen waren, gab es nur noch abgestorbene Nervenzellen. Im Alltag störte es ihn nicht wirklich, er hatte sich schlichtweg daran gewöhnt, nicht mehr so empfindlich, wie ein "normaler" Mensch zu sein, doch gerade in so einer Situation, rief es ihm einmal mehr ins Gedächtnis, wie kaputt sein Körper in Wirklichkeit war. "Du bist angespannt. Was ist los?" Er hatte gar nicht bemerkt, wie verkrampft sein Körper während des nachdenkens geworden war. Erst die sanfte Stimme seines Partners machte ihn darauf aufmerksam und er seufzte einmal leise auf, bevor er dessen Gesicht in seine beiden Hände nahm, um einen schnellen Kuss auf dessen feuchten Lippen zu verteilen. "Mir geht's gut. Es ist nur...ich fühle nichts mehr, wo meine Haut vernarbt ist. Die Nervenzellen sind an diesen Stellen verbrannt. Tut mir Leid, dass hätte ich dir vorher sagen sollen." Nach diesen Worten, fühlte er eine leichte Frustration in sich aufkeimen. Es war nicht fair! Hawks war so verdammt sanft und liebevoll und tat all die Dinge, die er sich insgeheim immer von einer anderen Person gewünscht hatte und dann konnte er es nich nicht einmal fühlen! Wie sollte man seinen gebrochenen Körper denn jemals richtig lieben können, wenn er auf ungefähr der Hälfte seiner Haut keine Empfindungen mehr hatte? Zögerlich blickte er in die glänzenden Augen seines Gegenübers und erwartete, dass dieser etwas auf seine Aussage erwiderte, doch das tat er nicht. Nunja, zumindest nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Mit dem gleichen verlangenden und gleichzeitig so warmen Ausdruck in seinem Gesicht, beugte dieser sich ein weiteres Mal zu ihm hinunter und ließ seine Lippen über die verkümmerte Haut seines Ohres wandern, bevor er ein paar leise Worte hinein hauchte.
"Na dann, musst du mir mehr Fläche bieten, auf der du meine Berührungen auch spüren kannst..." Bei dem Verlangen in Hawks Worten erschauderte er kurz und fühlte eine Gänsehaut seinen Rücken hinaufkriechen. Die Aufforderung des anderen war klar und doch zögerte er, als er nach dem Saum seines Oberteils griff. Er brauchte einen Moment, um tief durchzuatmen, bevor er den Stoff schließlich Zentimeter für Zentimeter hinauf schob und ihn dann achtlos in eine Ecke des Badezimmers warf. Sofort spürte er den Blick seines Partners auf seinem nun entblößten Oberkörper und eine seltsame Art der Nervösität begann seine Knochen hinaufzukriechen. Er wusste, dass sein Freund ihn nicht zum ersten Mal so gesehen hatte, immerhin schliefen sie beide in einem Bett und zogen sich im gleichen Raum um, aber in diesem Moment fühlte es sich anders an, als all die Male davor. Es war nicht nur ein kurzer, verstohlener Blick in seine Richtung, wie sonst. Diesmal waren die goldenen Augen voll und ganz auf ihn fixiert und sogen geradezu jedes Detail ein. Er konnte nicht verhindern, dass seine eigenen Arme nach unten wanderten und sich über seiner Brust verschränkten, als kümmerlicher Versuch sich zu verstecken. Bevor die Nervösität nun allerdings seinen ganzen Verstand einnehmen konnte, spürte er auch schon einen sanften Druck an seinem Handgelenk und fühlte, wie ihm erst der eine und danach der andere Arm von ihrer Position über seinem Oberkörper heruntergezogen wurden. "Tu das nicht. Ich möchte dich sehen. Alles von dir." Diese liebevollen Worte sorgten dafür, dass sein vereistes Herz nur noch mehr schmolz und er musste nach oben an die Decke starren, um nicht in die intensiven Augen des anderen zu blicken, die ihn nur noch gefühlsdusliger gemacht hätten. "Ich bin knochig und voller Narben...", erwiderte er nur. Er wusste, dass dieser Satz rein gar nichts zu bedeuten hatte oder gar zwischen ihnen ändern würde. Hawks fand ihn schön, so wie er war. Dies bekam er jede Nacht, wenn sie dicht aneinander gekuschelt nebeneinander im Bett lagen und sich gegenseitig Wärme spendeten, zu hören. Er wusste, dass seine Narben oder seine fragile Statur kein Abturn für diesen waren und doch...doch war da diese Angst in ihm. Die ständige Befürchtung nicht gut genug zu sein und denjenigen, dessen Meinung ihm so unglaublisch viel bedeutete, zu enttäuschen.
Bei seiner Aussage, konnte er seinen Freund in dessen Bewegung inne halten spüren und hörte dann, wie dieser sich über ihm bewegte, bevor es auf einmal goldene Augen waren, die seine Sicht zierten. Der Blondschopf hatte sich über ihn gebeugt und sah ihn mit einem unlesbaren Ausdruck an. "Habe ich jemals gesagt, dass mich deine Narben stören?" Die Worte ließen ihn erst perplex blinzeln, bevor er schließlich zögerlich den Kopf schüttelte. "Gut, habe ich jemals gesagt, dass mich dein Körperbau stört?" Er wusste, worauf sein Gegenüber hinaus wollte, doch er konnte nicht anders, als dessen kleines Spielchen mitzuspielen. "Nein.", antwortete er leise und sah den anderen daraufhin lächeln, bevor er weitersprach. "Habe ich jemals gesagt, dass mich irgendwas an deinem Äußeren stört?" Er musste gar nicht lange nachdenken, um diese Frage zu beantworten. Noch nie zuvor hatte Hawks ihm das Gefühl gegeben nur wegen seines Aussehens weniger wert, als alle anderen Menschen zu sein. Er fand ihn schön, egal wieviele Narben seine Haut zierten und wie kaputt sein Körper schon war. Wenn er ihn ansah, lag kein Ekel oder Spott in seinem Blick, sondern reine Zuneigung. Er behandelte ihn, wie einen Schatz, etwas unglaublich wertvolles. Etwas, das es verdient hatte, geliebt zu werden. "Nein.", antwortete er auch auf die letze Frage und sah, wie sich das ehrliche Lächeln auf den Zügen des geflügelten nur noch vergrößerte. "Ganz genau. Du siehst es vielleicht nicht selbst so, aber ich finde deinen Körper wunderschön. Ich finde, dich wunderschön. Alles an dir. Du weißt gar nicht, wie oft ich mich in dem blau deiner Augen oder in der Art, wie du dich bewegst, verliere. Es gibst absolut nichts an dir, was ich hässlich finde. Ich möchte, dass du das weißt, Toya." Nach diesen Worte brachte er keinen einzigen Laut mehr aus seiner Kehle. Sein Herz trommelte wild gegen seine Brust und sein Atem steckte in seinem Hals fest. Er wollte etwas darauf erwidern, Hawks sagen, dass er genauso über diesen dachte und ihm klar machen, wieviel er ihm bedeutete, doch alles, was er herausbrachte, war ein sanftes Seufzen, als der andere sich wieder seinem entblößten Oberkörper zuwand und seine warmen Lippen auf seine Brust legte, während seine geschickten Hände langsame Kreise in seine Hüfte rieben. Der Blondschopf zierte sich nicht davor, auch seine Narben oder Klammern anzufassen und die unterschiedliche Intensität in seinen Berührungen, jagte einen Stromschlag nach dem nächsten durch Dabis Nerven. Mit einem genießerischen Laut, lehnte er seinen Kopf zurück und schloss die Augen. Alles war so warm und angenehm. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals so berührt wurden zu sein. Es war perfekt. Zu schön, um ewig anzuhalten...
Es war eine kurze, unschuldige Berührung, die keinerlei böse Absichten verfolgte, welche ihn von der einen auf die andere Sekunde sofort wieder hell wach werden ließ. Er konnte erst nicht ganz zuordnen, was es war. Es war, wie eine böse Vorahnung, dass gleich etwas schief gehen würde. Keine Sekunde später, spürte er auch schon, wie fremde Hände immer weiter von seiner Hüfte abwärts strichen und schließlich neugierig unter den Stoff seiner Jeans wanderten. Beinahe sofort, verschwand das warme Gefühl aus seiner Magengegend und bevor er überhaupt auf irgendeine Art reagieren konnte, sah er schon die Bilder vor seinem inneren Auge aufblitzen. Es waren Bilder aus seiner Vergangenheit, die ihn immer und immer wieder an ein Ereignis erinnerten, welches er am liebsten ein für alle Mal vergessen würde. Er versuchte diese Eindrücke zu verbannen und die Bilder verschwinden zu lassen, doch dafür war es schon zu spät. Die harte und eiskalte Stimme aus seinen Erinnerungen ließ ihn erschaudern und es fühlte sich beinahe so an, als könnte er erneut den stinkenden Atem des Mannes auf seinem Gesicht und die steifen Hände seinen Körper entlang streichen spüren. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr vermischte sich die Vergangenheit mit der Gegenwart und schon bald fand er sich zwischen den beiden Zeiten gefangen. Als er erneut die fremden Hände unter dem schwarzen Stoff seiner Jeans spüren konnte, aktivierte sich automatisch sein Schutzreflex und bevor er überhaupt richtig darüber nachdenken konnte, was er tat, schlug er die Hand auch schon grob weg, rappelte sich ungeschickt auf alle viere auf und kroch dann so schnell er konnte in eine Ecke des Zimmers. Einfach irgendein Platz, der ihm Schutz vor diesen Händen, die viel zu neugierig für ihr eigenes Wohl waren, bot. Der Raum vor seinen Augen war nun nicht mehr das warme Badezimmer der Liga, sondern eine verdreckte Seitengasse in Tokio, in der man ihn grob gegen eine kalte Steinwand presste und seine Hände in einem gnadenlosen Griff, der Blutergüsse hinterlassen würde, über seinem Kopf festhielt. Wehren war zwecklos. Es würde alles nur noch schmerzhafter für ihn selbst machen.
Sein Herzschlag hallte so schnell in seinen Ohren wieder, dass ihm schwindelig wurde und er konnte fühlen, wie sein ganzer Körper zitterte. Was war nur passiert? Vor einer Minute hatte sich alles noch so warm und unfassbar gut angefühlt und jetzt...was war jetzt? Seine Knie zog er aus Reflex an seine Brust heran und stützte seinen schmerzenden Kopf darauf ab, während er verzweifelt versuchte sich zu beruhigen. Er wusste ja selbst, dass er empfindlicher war, als er freiwillig zugab, aber niemals hätte er gedacht, dass so eine angenehme Berührung ihn so sehr aus der Fassung bringen könnte! Er schloss seine Augen und öffnete sie wieder. Die Umgebung vor ihm, hatte sich erneut verändert, doch diesmal war es ein Ort, an dem er sich gern wiederfand. Die schützenden vier Wände der Liga. Er war nicht mehr in dieser kalten und verdreckten Seitengasse. Er war hier, wo er warm und sicher war. Diese ganze Szene hatte gerademal den Bruchteil einer Sekunde gedauert, doch es war genug Zeit gewesen, um ihm einen halben Herzinfarkt zu verpassen. "Toya?" Die Stimme ließ ihn aufsehen. Noch immer ging seine Atmung zu schnell und er konnte die Panik tief in seinen Gliedern sitzen fühlen, doch er ermahnte sich selbst dazu, tief ein und aus zu atmen und sich zu beruhigen. Er war noch immer in einem Zustand des Schocks, doch er empfand seltsamerweise keine Angst, als er sah, wie Hawks sich ihm mit langsamen und vorsichtigen Bewegungen näherte. Es war ja auch nicht so, als würde er sich vor seinem Partner und dessen Berührungen fürchten. Er hatte ihn nur gerade mit einer anderen Person, einer Person vor der er in der Tat Angst hatte, verwechselt. Das war alles.
Mit einem gewissen Abstand kniete sich der Blondschopf vor ihm hin und musterte ihn mit dem gleichen Maß an Verwirrung und Besorgnis. "Toya?", wiederholte er noch einmal. So, als würde er befürchten, der Schwarzhaarige wäre mental gar nicht bei ihm. Nun, verdenken konnte man es ihm nicht. Nicht bei dem, was gerade passiert war. Er nickte nur einmal zittrig und wischte sich mit der Handfläche über das taube Gesicht. "Ja, ich bin noch da. Ich war nur gerade...ich habe mich an etwas erinnert, was ich lieber vergessen würde. Tut mir Leid, dass ich die Stimmung ruiniert habe.", murmelte er seufzend. Er konnte noch immer die aufmerksamen Seelenspiegel seines Gegenübers auf sich spüren, doch ihr Besitzer hakte nicht weiter nach, an was genau er sich erinnert hatte, sondern ließ ihm die nötige Zeit sich zu beruhigen. Dabi wusste, dass Hawks wusste, was damals mit ihm passiert war. Nicht nur hatte er ihm gegenüber so eine wage Andeutung gemacht, als sie zu Besuch bei Overhaul eingeladen gewesen waren, nein, wenn er ehrlich war, dann war seine jetzige Reaktion auch mehr, als offensichtlich gewesen.
Eine Weile saßen sie in absoluter Stille nebeneinander. Er war dankbar für diese Ruhe. Er brauchte einen Moment, um seinem Körper, als auch seinem Kopf klarzumachen, dass von hier keine Gefahr ausging. Eine Bewegung in seinem Augenwinkel erweckte seine Aufmerksamkeit und er sah stumm dabei zu, wie sein Freund eines der Handtücher von dem Stapel, auf dem sie aufgereiht waren, herunterzog und sich damit zu ihm wandte. "Du zitterst.", erklärte er und beugte sich dann langsam nach vorn, um das Objekt mit einer gewissen Vorsicht über seine Schultern zu legen. Er wehrte sich nicht dagegen, sondern ließ seinen Freund langsam das Handtuch über seinem Oberkörper ausbreiten. Es war nur die billige Ausrede einer wärmend und schützenden Decke, doch sein Zweck ihm ein wenig Geborgenheit zu spenden, erfüllte es dennoch. "Danke...", flüsterte er und hielt den Saum des Handtuchs unterhalb seinen Halses fest, sodass es nicht gleich wieder herunterrutschen würde. Er wusste selbst nicht genau, wofür er sich bedankte. Das Handtuch oder doch Hawks ruhige und gefasste Reaktion, in einer Situation, in der die meisten Menschen schon längst selbst in Panik ausgebrochen wären. Der Angesprochene musterte ihn nur schweigend und er konnte schwören, dass er einen Funken von Mitleid in seinen Augen aufkeimen sah. Dabi wollte kein Mitleid. Auch nicht in so einer Situation. Es machte nichts, von dem, was mit ihm passiert war ungeschehen oder gar besser. Ganz im Gegenteil. Es ließ ihn nur noch mehr, wie ein verlorener Fall wirken. Glücklicherweise wusste sein Partner ganz genau, wie er über solche Dinge dachte, weshalb er sich nur auf eine gewisse Stufe der Empathie beschränkte. "Geht es wieder?", fragte dieser in der gleichen ruhigen Tonlage, wie schon zuvor. Würde er den Blondschopf nicht so gut kennen, dann würde er annehmen, dass ihm dies täglich passiert, so gefasste wie er auf seinen Anflug von Panik reagiert hatte, allerdings waren es die kleinen Details die dessen waren Gemütszustand verrieten. Das leichte Zucken in seinen Federn und der besorgte Glanz in seinen Augen. Er war sich sicher, dass Hawks Herz genauso schnell im seiner Brust klopfte, wie sein eigenes. Er nickte und nahm einen tiefen Atemzug, bevor er die Mühe zum antworten aufbrachte. "Ja, ich...es tut mir Leid. Du hast nichts falsch gemacht. Es hat sich unheimlich gut angefühlt. Alles, was du getan hast. Ich hab nur...gott, es tut mir Leid. Das ganze sollte nicht so ausgehen." Es war schwer, diese Worte laut auszusprechen. Immer dann, wenn er genauer auf das eingehen wollte, das damals mit ihm passiert war, fühlte sich seine Kehle so an, als hätte jemand sie mit Nadel und Faden zugenäht. Er erstickte an den Worten und alles, was er schließlich herausbrachte war eine kümmerliche Entschuldigung. "Hey, Toya. Sieh mich an." Die Stimme seines Gegenübers war frei von Spott oder Ekel, wie er es erwartet hätte. Stattdessen war sie unglaublich sanft und rücksichtsvoll. Gott, was hatte er in seinem Leben nur getan, um so eine reine Seele, wie Hawks zu verdienen?
Als er seinen Blick hob, lag ein warmer Ausdruck in dem Gesicht des anderen und ein ehrliches Lächeln hatte sich auf seinen Lippen ausgebreitet. "So ist's gut. Darf ich dich berühren?" Diese vorsichtige Frage sorgte dafür, dass das warme Gefühl in seiner Magengegend zu einem Teil zurückkehrte. Die meisten Personen nahmen sich einfach, dass worauf sie gerade Lust hatten, ohne Rücksicht auf ihre Mitmenschen. Dass der Blondschopf erst nach seiner Einwilligung fragte, war daher eine willkommene Überraschung für ihn. Er nickte und sah einen Hauch der Erleichterung in dem Gesicht seines Freundes aufkeimen. Mit langsamen Bewegungen näherte er sich ihm und strich ihm sanft über den Oberarm, bevor er ihn an der Schulter vorsichtig zu ihm zog. Er setzte sich von selbst in den Schoß des anderen und lehnte seinen Kopf in dessen warme Halsbeuge. Mit einem kleinen, entspannten Seufzen schloss er seine Augen und als er sie wieder öffnete, war die Welt um ihn herum in eine rote Farbe getaucht. Hawks hatte in einer beinahe beschützerischen Art seine Flügel, um sie herum ausgebreitet und hielt ihn sanft in seinem Arm. Eine bessere Art, wie diese verkorkste Situation hätte ausgehen können, konnte er sich nicht vorstellen. "Danke, Keigo. Wirklich, danke." Noch immer wusste er selbst nicht genau, wofür er sich bedankte, doch er musste diese Worte einfach aussprechen. Der Blondschopf hatte so viel für ihn getan, dass es das mindestens war, was er zurückgeben konnte. Dieser kommentierte die Aussage nicht, auch wenn Dabi spüren konnte, wie sich dessen Griff, um ihn leicht verfestigte. Eine Weile saßen sie so beieinander, genossen die Wärme des anderen und passten ihre Herzschläge an den ihres Gegenübers an. Schließlich drehte er leicht seinen Kopf, um dem geflügelten in die Augen sehen zu können. "Findest du es nicht ekelig? Dass mich eine fremde Person auf so eine Art und Weise benutzt hat." Ich finde es ekelig. Den letzen Satz sprach er nicht laut aus, auch wenn er sich sicher war, dass sein Freund genau wusste, was er von sich selbst hielt. Dieser blickte ihn nur mit dem selben warmen Ausdruck an und strich ihm zärtlich eine verrutschte Strähne hinters Ohr. "Wieso sollte ich? Ich liebe dich." Diese Worte sorgten dafür, dass sein Atem kurzzeitig in seiner Kehle stecken blieb. Er wusste, was Hawks für ihn empfand, was sie gegenseitig füreinander empfanden, aber es so klar und deutlich ausgesprochen zu hören, war nochmal etwas anderes. Er brauchte einen Moment, um das ganze richtig zu verarbeiten, bevor er sich schließlich langsam aufrichtete und seine Stirn dann sanft gegen die seines Partners lehnte. Er konnte dessen warmen Atem auf seiner Haut spüren und schloss mit einem Lächeln die Augen.
"Ich liebe dich auch."
The others probably outside: "Come on, man. Get over your drama, I need to pee!"
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