3. Kapitel
Panik überrollt mich. Sie dringt langsam zu mir durch, in jede einzelne Zelle und übernimmt die Kontrolle. Ich taste nach meinem Handy, es ist in meiner hinteren Hosentasche. So langsam bereue ich, dass ich keine Tasche mitgenommen habe, sie ist zusammen mit Nina's in einem Schließfach. Ich stehe ruckartig auf und schaue zurück zu Wincent, der mich nur bittend anschaut. Man könnte meinen, er will nicht, dass ich gehe. Aber ich muss.
"Vila.." Er zögert einen Moment und atmet tief durch. „Gibst du mir deine Handynummer, bevor du gehst? Bitte." Meine Hände zittern und mein Herz schlägt unruhig. Ich weiß genau, dass ich es nicht tun sollte, wirklich nicht. Aber ich will und ich tue es. Das ist so unrealistisch.
Dann gehe ich durch den Flur, vorbei an den Menschen. Wieder in Trance, aber diesmal ganz anders. Ich lande in einem Lagerraum und als ich ihn durchquere, stehe ich neben einem hohen Stapel Getränkekisten. Als ich die nächste Tür öffne, finde ich mich hinter einem Tresen wieder. Die Bedienung sieht mich stirnrunzelnd an, reagiert aber nicht.
Ich schlengle mich an ihr vorbei und mische mich unter die Leute. Zuerst bin ich erleichtert, denn es ist nicht so schlimm, wie befürchtet. Unten in der Halle steht nur noch eine kleine Gruppe, die in Richtung der Treppen gedrängt wird. Hier oben strömen alle, wenn auch widerwillig, in Richtung des Ausgangs. Keiner nimmt von mir Notiz oder schaut mich an. War auch lächerlich überhaupt zu denken, dass es anders sein könnte.
Ich begebe mich zu unserem Schließfach. Alles geht gut, ich halte den Blick gesenkt und hoffe, dass Nina dort auf mich wartet. Am Ausgang ist es etwas chaotischer, während die eine Hälfte raus will, versuchen Andere von draußen rein zu kommen. Die Sicherheitsleute haben alle Hand zu tun.
An den Schließfächern angekommen, suche ich unsere Nummer. Von Nina ist nichts zu sehen und sie hat den Schlüssel. Ich finde die Nummer, aber es kann nicht unseres sein, denn es ist offen und meine Tasche ist nich drin. Ich überprüfe die Nummer, wieder und wieder und gehe die anderen Schleißfächer ab, aber die meisten sind leer.
Ich setze mich auf die Treppe, stütze den Kopf auf die Knie und warte. Früher oder später wird sie ja wohl zurück kommen.
Nach einer halben Stunde, in der Nina nicht aufgetaucht ist, stehe ich auf und mache mich auf die Suche nach ihr. Eigentlich wollte ich mein Handy nicht anschalten, aber jetzt bleibt mir nichts anderes übrig.
Sie hat mir bestimmt ein paar Nachrichten geschrieben. Und sie war sicher nicht die einzige, denke ich mir, während mein Bauch unruhig flattert und mein Nacken kribbelt. Die Situation draußen sieht schon etwas besser aus, die Halle unten ist jetzt komplett leer, nur oben haben sich noch ein paar kleinere Grüppchen gebildet.
Ich schaue mich um, halte nach Ninas platinblonden Haaren Ausschau. Irgendwann wende ich resigniert den Blick ab. Es ist sinnlos. Wahrscheinlich ist sie schon lange weg. Aber ich kann nicht fassen, dass sie mich ohne Tasche hier zurück gelassen hat.
Nach einer Zeit verändert sich die Stimmung wieder. Es wird unruhiger. Ich versuche Nina anzurufen, aber mein Touch reagiert nicht. Verzweifelt drücke ich stärker auf den Bildschirm, es tut sich nichts.
Ich schalte es aus und wieder an. Mache das Internet aus, vielleicht hört es dann auf rum zu spacken und rufe Nina an. Sie geht nicht ran. Ich probiere es nochmal und dann noch einmal.
Es wird leiser und dann setzt wieder das Geflüster ein. Kleine, tuschelnde Wörter. Ich hebe den Blick und schaue in die Augen eines Mädchens, sie schaut mich direkt an. Nicht wütend, sie lächelt. Genau wie ihre Freundin, ein anderes braunhaariges Mädchen neben ihr weicht meinem Blick aus.
"Bist du mit ihm zusammen?" Das kommt von links. Ein junges Mädchen, wahrscheinlich nicht einmal 14, schaut mich neugierig an. Alle, die noch da sind, haben ihren Blick auf mich gerichtet. Ich schüttle nur den Kopf, versuche nicht eingeschüchtert zu wirken, und weiche zurück an die Wand hinter mir. Was ist hier los?
Von den Security Leuten ist niemand zu sehen. "Aber du bist doch seit 2014 in einer Beziehung!" Wendet eine hübsche Brünette ein. Mein Handy klingelt und ich gehe schnell ran, weil ich hoffe, dass es Nina ist.
"Nina, wo bist du?" Stille, sie ist sauer. "Ich brauche meine Tasche. Bist du schon zuhause?" Keine Antwort.
Dann ein Lachen. Nicht irgendeins. Seins.
"Mark?" Scheiße. Mein Herz hämmert in meiner Brust. "Richtig geraten." Seine Stimme vibriert vor Wut. "Ihr seit zusammen. Seit Jahren." Jetzt brüllt er. Ich halte das Handy weg von meinem Ohr. Zucke nur kurz zusammen und versuche das Brennen hinter meinem Lidern zu ignorieren.
"Wie kannst du mir sowas antun?" Ich sehe ihn vor mir, die Ader an seiner Stirn ist vor Wut ausgetreten, den Kiefer aufeinander gepresst und die Haare stehen zu Berge. Die Augen rot, die Hände zornig zu Fäusten geballt. Ich bin froh, dass ich nicht vor ihm stehe.
"Du bist so eine verlogene Schlampe. Wenn du zurück kommst, findest du dein Zeug unten auf der Straße!" Ich höre Türen knallen, Schubladen werden aufgerissen und Glas zerbricht. Er nimmt unsere Wohnung auseinander.
"Hör mir doch bitte zu," flehe ich leise und kann nicht verhindern, dass mir Tränen übers Gesicht laufen. All die schönen Momente, die Urlaube, Ausflüge und gemeinsamen Abende auf der Couch, alle weichen Küsse und sanfte Berührungen. Dieses Mal ist es wirklich vorbei. Das wird er mir nicht verzeihen. Das weiß sich ganz genau, dafür ist der Schmerz zu real.
"Nein, verdammt. Du bist ein scheiß Hure, ich will dich weder sehen, noch dein beschissenes Zeug. Fick dich und dein behindertes Leben. Und nur damit du es weißt, Caro ist viel besser im Bett als du!" Dann legt er auf. Und das war es, das Ende einer fünfjährigen Beziehung.
Hat sie das verdient?😥
Was macht ihr heute?💕
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