9 ♪ Homeland
Ich schliess die Augen und bin Zuhause.
Ich spür den Wind in meinen Haaren.
Wie stolz wir waren zu jener Zeit.
Mein Zuhaus,
das liegt heut ganz am Ende der Zeit,
zwischen Bergen und Meer,
tausend Träume von hier.
[ Wolfgang Petry ]
MARA ║ „Okay", sprach ich mehr mit mir selbst, als alles andere.
Fast drei Stunden hatte ich zum Einkaufen gebraucht. Die Liste war endlos gewesen und ich hatte mir eine Verfolgungsjagt mit ein paar Aasgeiern leisten müssen. Dann hatten die Bullen mich wegen zu schnellen Fahrens angehalten und die dämliche Presse bekam ihr Foto.
„Das reicht!", schnaufte ich. „Drei Stunden und drei graue Haare später gebe ich das Zepter ab, jemand anderes darf den Wagen mit all seinen Tüten und Extrawünschen ausräumen."
Im Haus war es immer noch still, niemand regte sich. Also setzte ich noch einen drauf: „Nur so nebenbei, die Uhr tickt, das Eis schmilzt." Es war dumm das zu sagen, denn ich konnte das Eis einfach nicht sterben lassen. Was sollte ich denn heute Abend essen?
Ganz alleine räumte ich also eine Armee an Essen in die Küche, schleppte und schleppte und schleppte. Wütend knallte ich die Kühlschranktür zu und gab dem Wasserkasten einen Tritt. Meine Laune war abgrundtief schlecht.
Ich stampfte durch die Wohnung, die eigentlich Mattheo und mir gehörte, doch keine Spur davon. Fenton hatte sich sich ein ganzes Zimmer unter den Nagel gerissen und weigerte sich abzureisen und Alex war letzte Woche aufgetaucht, so übel gelaunt, dass es keine Frage war, ob mit Demi und ihm alles in Ordnung war.
Definitiv nicht.
„Ihr seid so furchtbar egoistisch geworden, ich bin doch nicht eure Putzfrau, die ihr mit sämtlichen Blödsinn beladen könnt! Werdet erwachsen und kümmert euch um euren eigenen Scheiß!", rief ich wütend durch denn Flur und polterte in den ersten Stock.
Die Tür zum Bad stand auf und ich sah in Fentons chaotisches Zimmer. Er war nicht da. Es überraschte mich, denn die letzten Tage hatte er wie ein nutzloser Staubfänger nur auf seinem Bett gelegen.
„Was machst du da?", entwich es mir zickig, als ich Mattheo in Alexs Zimmer sah, wie er einen Schrank hielt. Halb erschrack ich mich zu Tod, denn auch Alex stand im Schrank und hielt zwei Bretter. „Ist das ein neuer Sport oder was?"
„Wir warten auf Fenton, er wollte einen Schraubenschlüssel aus dem Keller holen, damit der Schrank alleine steht", erklärte mir Mattheo. Schweiß stand auf seiner Stirn.
Alexs Arme zitterten, wusste nur Gott, wie lange sie hier schon standen.
Ich zog meine Lederjacke aus und warf mich aufs Mattheos ungemachtets Bett. Er hatte immer noch nicht richtig ausgepackt und da beide mich gerade so niedlich ansahen, nutze ich die Gelegenheit und fing an mich zu beschweren: „Hiermit reiche ich meine Kündigung ein. Ich habe Essen gekauft, eure Anzüge aus der Reinigung geholt und die neuen Aufträge von Parker entgegen genommen. Ist eine ganze Kiste."
„Ach komm", meinte Alex, „so übel ist das nicht. Ich darf mich heute Abend durch Papiere und Emails graben und Mattheo kocht wieder für alle. Wir sind ziemlich anspruchsvoll geworden."
Wie auf Kommando stöhnte Mattheo vor Anstrengung und ich sah mir die beiden zufrieden an, erst dann fragte ich: „Wie lange steht ihr schon so da?"
„Siehst du hier irgendwo eine Uhr?", fauchte Mattheo ungehalten und ich setzte mich in den Schneidersitz. Es war zu niedlich, wie leichtgläubig sie doch waren. Ich zog mein Handy hervor, dann ließ ich die Bombe platzen: „Übrigens, Fenton ist nicht da."
„So ein Schwachsinn!", erklärte Mattheo, während Alex blinzelte: „Was?"
„Ich habe gut zwanzig Minuten gebraucht, um alle Lebensmittel zu verstauen und das Auto auszuladen. Mir ist niemand begegnet", sprach ich. „Und was denkt ihr, wie lange braucht man, um einen Schraubenschlüssel zu holen?"
So groß war unser Keller nun auch wieder nicht.
Einen Augenblick lang sahen mich die Jungs verkniffen an und dann ließen sie zeitgleich die Bretter los und der Schrank fiel in sich zusammen.
„Das reicht, jemand muss diesem Kind in den Hinter treten!", verlangte Mattheo. „Er führt sich auf, als wäre er-"
„Ein Kerl, der glaubt, dass sein tolles Leben ein Ende hat und sein bester Freund ihn ausgetauscht hat?", fuhr ich fort. „Ja, das könnte gut hinkommen."
Sofort verpuffte Mattheos Wut und er ließ die Schultern hängen: „Klasse, ein schlechtes Gewissen in drei Sekunden – das ist dein neuer Rekord."
Ich zog mir die Schuhe aus und lächelte süß: „Gib Fenton einfach die Zeit , er ist eben ein bisschen emotional."
Alex sah mich an, als wollte er sagen: „Nicht ganz Herr seines Verstandes." Doch er verkniff es sich. Den Rest des Tages half ich den Jungs beim Schrank und sie räumten mit mir auf. Selbst durch Fentons Zimmer gingen wir mit dem Staubsauger, sammelten alte Wäsche ein und taten das, was wir eben so taten.
Am frühen Abend werkelte Mattheo in der Küche herum und ich wuchtete die frische Wäsche nach oben. Dabei sah ich, wie Alex vor dem letzten Zimmer stand und die Tür nicht öffnete. Der letzte Raum war für Spencer und wir hatten ihn noch nicht groß eingerichtet.
Außer einem Bett, einem Schrank und Vorhänge hatten wir dort nichts angebracht. Eigentlich wollten Mattheo und ich hier alleine einziehen, aber damit hatten wir schon abgeschlossen. Unser Reihenhaus wurde eine Art Kessel, wie bei Tante Carrie.
Ich stellte den Wäschekorb ab: „Wenn er das Zimmer nicht haben will, Edward hat Interesse gemeldet."
„Nur über meine Leiche", kam es direkt von Alex und er verbrachte den restlichen Abend damit Unterlagen durchzugehen. Immer wieder seufzte er im Esszimmer am Tisch, während Mattheo einen Film laufen ließ und schließlich einschlief.
Fenton war um halb zwölf immer noch nicht nach Hause gekommen und nachdem die anderen beiden ins Bett gegangen waren, da ging ich das letzte Album für die Sky-Reihe durch. Alles war aufgenommen, nur für den Titelsong und drei weitere fehlte uns Spencer.
Ich glaubte daran, dass er irgendwann kommen würde. Ganz sicher. Aber scheinbar war ich die Einzige. Lange brütete ich über neue Songs, aber so richtig wurde das nichts. Ich konnte mich nur schwer konzentrieren und verzog mich in mein Zimmer.
Penny hatte mir sehr viel geholfen es einzurichten. Lichterketten säumten die Decke, mein Bett stand direkt am Fenster, breit und bequem, während viele Fotocollagen meine freie Wand säumten. Ich hätte gerne tolle Leinwände, aber irgendwie hatte ich keinen Geschmack, was das betraf.
Mein größter Stolz war die Jukebox, die Penny, Mattheo und ich bei einem Lagerverkauf gefunden hatten. Sie funktionierte wieder einwandfrei, nachdem ich Stan gebeten hatte sich das mal anzusehen.
Ich gab es nicht gerne zu, aber Penny hatte ihren Liebsten wirklich im Griff. Es war schön zu sehen, wie glücklich sie mit Stan war und dass er kein Problem damit hatte, dass sie öfter den Ton angab.
Regungslos lag ich im Bett sah an die Decke. Die Lichterketten waren aus und durch die offenen Vorhänge fiel Mondlicht.
Meine Gedanken kreisten umher, wie so oft in den letzten Wochen. Ich schlief schlecht, seit wir die Tour unterbrochen hatten. Am Anfang glaubte Penny – und auch ich – dass ich vielleicht einfach nicht ausgelastet genug war.
Meine beste Freundin tat das, was eine Beste eben tat und zehn Tage später mussten wir einsehen, dass all die Shopping-Horrors, Body Workouts und Spinnings nur dafür sorgten, dass wir Muskelkater extrem hatten und ich vor Schmerzen nicht schlafen konnte.
Und wenn ich dann einschlief, dann wachte ich völlig gerädert auf. Da half es auch nichts, dass ich Abends aufräumte, Wäsche faltete, oder irgendwelche alten Filme laufen ließ.
Was ich nun tat, wenn ich morgens mit Kopfschmerzen und Anspannung aufwachte war, dass ich meine Yogamatte im großen Wohnzimmer ausrollte und meine Übungen machte.
Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal zu diesen Leuten gehören würde, aber wenn ich mit meinen Übungen fertig war, dann dröhnte mein Kopf etwas weniger und ich konnte mich auf den frischen Tee freuen.
Die Jungs lachten darüber, aber mir tat das gut, also behielt ich es bei.
Auch an diesem Morgen. Fix und fertig zog ich mich aus dem Bett. Ich war erst um kurz nach zwei eingeschlafen und jetzt war es erst zwanzig nach sieben. Mein Rücken schmerzte und ich taumelte durch mein Zimmer, barfuß, da ich meine Hausschuhe wieder nicht finden konnte.
Als ich die Treppen runterschlich, da hörte ich geräusche aus der Küche. Etwas schepperte und dann bog ich um die Ecke. Ungeschickt versuchte Fenton die Wasserflasche zu öffnen und mir entwich beinahe ein geschockter Laut.
Er sah aus, als hätte er eine Faust ins Gesicht bekommen. Seitlich hatte er einen heftigen Bluterguss, mitten an der Schläfe.
„N' morgen", sprach er raue und ich roch starken Alkohol. Seine Augen waren Blutunterlaufen.
„Was hast du denn gemacht?", fragte ich und nahm ihm die Wasserflasche aus der Hand, nur um ihn ein Glas einzuschütten, doch er ging bereits ins Wohnzimmer und zog sich umständlich die Schuhe aus.
„Du stinkst furchtbar", meinte ich, gab ihm das Wasser, in dem sich nun eine Kopfschmerztablette auflöste und kümmerte mich dann darum, dass er den Doppelknoten aus seinen Schnürsenkeln bekamm.
„Ja", gab er nur zu.
Kurz danach kehrte ich mit einem Kühlkissen zurück und hielt es ihm an den Kopf, dann fragte ich: „Also, was ist passiert?"
„Bin gegen ne' Laterne gehopst", gab Fenton zu und grinste schief. „Hab' wohl n' bisschen viel-", er machte mit der Hand eine Glasbewegung und ich schmunzelte: „Ein Bisschen ist gut." Tief seufzte ich, dann meinte ich: „Fenton, meinst du nicht, dass es nichts bringt sich die Kante zu geben?"
„Solltest du auch ma' machen", behauptete er. „Dann kannste' auch wieder besser pennen."
Eiskalt erwischt schwieg ich eine Weile. Schließlich sprach ich: „Der Alkohol wird nichts daran ändern, wie Spencer sich entscheidet."
„Dann isses vorbei", erklärte er traurig und ich verstand das. The Metropolis war etwas, was ihn absolut glücklich machte. Er atmete schwer: „Wieso habt'er mich noch nich' rausgworf'n?"
„Sollten wir?", stellte ich die Gegenfrage. „Das ist doch Blödsinn, wir würden so etwas nie machen. Bleib hier, so lange, wie du nur willst. Weder Mattheo, noch mich stört das."
Leicht nickte er und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. „Hier fühlt sich mehr wie'n Zuhause an", gab er dann zu, ich hatte mir so etwas Ähnliches schon gedacht.
„Wenn ich nach Hause fahr'", fuhr er fort, „dann isses wie... Urlaub mach'n."
„Man war zu lange weg", es erinnerte mich daran, dass es mir bei Penny manchmal nicht anders ging. Ihr Leben drehte sich weiter, nur in eine andere Richtung. Ich besuchte sie und fragte, ob sie umgeräumt hätte, nur, um dann zu hören, dass es so schon seit Monaten aussah.
Fenton lehnte sich zurück und presste das Kühlkissen gegen seinen Kopf. Er schluckte hart: „Ich bin angepisst."
Nun musste ich lachen: „Ja, das dachte ich mir schon. Willst du mir sagen warum?"
„Weg'n diesen kack' Boybandfuzzi! Wieso glaubter', dass er Spenc so viel mehr helfn' kann, als wir?" Fenton ließ das Kühlkissen sinken. „Ich dacht' wir sind...", er schien nach der richtigen Beschreibung zu suchen und ich schob nach: „Ich glaube nicht, dass Harry besser für Spencer ist, als du. Nur denke ich, dass Harry für ihn etwas anderes ist."
Fenton blinzelte und ich erklärte: „Du weißt schon, weniger Freund, sondern mehr-", ich machte eine knappe Geste und in diesem Moment huschte nur ein kleiner Anflug von Überraschung über sein Gesicht: „Oh... ja und? Wieso sagt er's nich' einfach? Wir wiss'n doch schon, dass er im selben Revier jagt, wie du und flexibel is'."
Ich musste ihm einfach eine Kopfnuss geben. Empört stöhnte er auf: „Was denn! Ich hab' kein Problem damit."
„Du nicht, aber Harry vielleicht", erklärte ich ihm. „Man hält ihn für einen Playboy und ich schätze nicht, dass er seinen Ruf so bald ändern wird."
„Idiot", murmelte Fenton und da stimmte ich vom Herzen zu. Er seufzte, dann stand er schwankend auf: „Ich geh' pennen."
„Sei bloß leise, Alex und Mattheo haben noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen", sprach ich grinsend und Fenton wollte schmunzelnd wissen: „Und, wie lange ham' die Zwo auf mich gewartet?"
„Länger als zwanzig Minuten", gab ich zu, was ihn freuen schien. Noch bevor er das Wohnzimmer verlassen hatte, rannte er gegen den Türrahmen und ich verzog das Gesicht.
Fenton war eindeutig immer noch hacke, vielleicht sollte ich an der Treppe warten, bis er oben war. Schlussendlich tat ich das auch, so lange, bis ich seine Tür leise zugehen hörte.
Erst dann begrüßte ich den Tag mit einer ausgedehnten Runde Yoga, einer Tasse Tee und machte das Radio an. Um halb neun leistete Alex mir Gesellschaft, er humpelte stärker, als am Vortag und hatte einen Termin bei der Krankengymnastik.
„Ist unser Verbrecher nach Hause gekommen?", fragte er, als er sich zu mir an den Küchentisch setzte.
„Nenne ihn nicht so, er hat nur eine schlechte Zeit und die Schuld liegt alleine bei Spencer", behauptete ich. „Es ist halt ein scheiß Gefühl, wenn der Typ, von dem du glaubst, er sei dein bester Freund, dich nicht ertragen kann."
Denn so sah die Sache aus.
Spencer schien das gar nicht richtig begriffen zu haben und Fenton war einfach nur enttäuscht. Das war sein gutes Recht und mir wäre es an seiner Stelle nicht anders ergangen.
Alex knickte ein: „Okay, du hast recht. Ich suche mal meinen Geduldsfaden und wir sollten darüber nachdenken, dass er einen Peilsender am Hintern kriegt."
„Ist er auf Twitter gelandet?", fragte ich und Alex murrte: „Zum Glück nicht. Parker würde austicken, wenn Fenton schon wieder in der Presse landet."
Ja... das letzte Mal war etwas... peinlich.
Er war mit Sophie Turner Abends auf ein Date gegangen und am Morgen hatten wir Maisie Williams zerzaust und in einem Shirt von Fenton zum Frühstück da gehabt.
Die Presse dokumentierte natülich, wie Fenton erst mit der einen „Stark-Schwester" anbändelte und sie dann austauschte gegen die Andere. Dass sich Sophie und Fenton eigentlich nur anödeten und der Abend gerettet wurde, weil sie auf Maisie trafen und diese mit unseren Spinner mehr anfangen konnte, erwähnte niemand.
Sie hatten denselben komischen Humor, also war Sophie Turner sitzen gelassen worden – was diese sicher nicht groß störte – und beide hatten den Abend gefeiert.
Für die Presse genug Spielraum, um aus Fenton den Schwestern-Killer zu machen. Parker fand das alles andere als toll, weil ein Stempel ewig haften bleiben würde. Miley Cyrus blieb die Tussi mit der Abrissbirne, Justin Bieber der Ex von Selena Gomez, oder der Typ, der Nuttentitten leckte.
Mir kam es jedoch nicht so vor, als hätte Fenton ein Problem damit zu sein der Schwestern-Killer zu bleiben.
„Ich bin die Anfragen durchgegangen", wechselte Alex das Thema. „Ein Regisseur möchte, dass für den Song für seinen Film schreiben."
„Nicht schon wieder", stöhnte ich frustriert, aber dann schob er hinterher: „Auch nicht, wenn es Steven Spielberg ist?"
Prompt verschluckte ich mich an meinem Tee und röchelte nach Luft. „Spielberg?"
„Aber wenn du nicht willst, dann-"
„Wir müssen das abstimmen", unterbrach ich ihn und stand auf, da es an der Tür klingelte: „Ist das jetzt Spielberg?"
„Sei nicht albern", rief Alex mir hinterher und ich huschte zur Tür. Hoffentlich war das nicht wieder ein Reporter, der meinte uns mal 'Hallo' zu sagen. Wir standen nicht mal im Telefonbuch. Vielleicht waren wir auch einfach zu naiv, wenn wir glaubten, in diesem Stadtteil Privatsphäre zu haben.
Zögerlich öffnete ich die Tür und dann riss ich die Augen auf.
„Ich bin etwas früh, aber ich dachte-"
Was er dachte, erfuhr ich nicht, stattdessen machte ich einen beherzten Sprung nach draußen, direkt in überraschte Arme. Nachlässig gekleidet, mit zwei Taschen bepackt und angespannt fing er mich auf, mit den Reflexen von Spiderman.
Spencer war da.
Wir waren wieder vollzählig.
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