7 ♪ Guiding light
'Cause the Sun is low,
and I yet have still so far to go,
my lonely heart is beating so,
tired of the wonder.
Well the air is cold,
and yonder lies my sleeping soul,
by the branches broke like bones,
this weakened tree no longer holds.
But the night is still,
and I have not yet lost my will,
oh and I will keep on moving 'till,
'till I find my way home.
[ Foy Vance ]
NIALL ║ Ich machte mir nicht die Mühe Louis herzlich zu begrüßen. Mein Gräm war zu groß dafür. Bud ließ uns jedoch nicht draußen sitzen, sondern führte uns ins Innere. Der Raum war offen von jedem zu betreten und wurde von mehreren Pflegern im Auge behalten.
Einzige Sitznischen waren belegt, andere frei. Es gab Kaffee, Tee und ein wenig kam es mir vor, wie der Besuchertag im Knast, nur um einige Klassen höher.
Hinter Louis sah ich, wie der fette Carl zwei kleine Kinder herzte und dann eine dürre Frau, wahrscheinlich seine Gattin.
Andere saßen dicht beieinander und tuschelten miteinander. Als würden sie Staatsgeschäfte besprechen. Vielleicht taten sie das auch, keine Ahnung. Die meisten Leute hier sah ich mir nicht genau genug dafür an.
Louis saß mir gegenüber und musterte mich angespannt, das Lächeln auf seinen Lippen wirkte wacklig: „Wie geht es dir, Nialler?"
Ich antwortete nicht, denn es war eine bescheuerte Frage. Das schien er nun auch selbst zu begreifen, denn er erwartete nicht, dass ich ihm erzählte, es wäre wie Urlaub. Stattdessen räusperte Louis sich nun: „Ich wollte dich schon eher besuchen, aber man ließ mich nicht eher zu dir."
Interessierte mich nicht.
Wir schwiegen und dann begann Louis zu erzählen: „Wir haben dein Haus fast fertig. Allerdings mussten wir ein paar Möbel im Wohnzimmer austauschen und das Klavier haben wir auch ersetzt. Deine Mum hat deine Klamotten aussortiert, ein paar Säcke für die Altkleidersammlung fertig gemacht, von Dingen, bei denen sie glaubte, sie würden dir eh nicht mehr passen."
„Von mir aus", entwich es mir.
Mein Blick schweifte an Louis vorbei, zu der Tür hinter ihm.
Eine Tür, die mich hier raus brachte. Es war nicht das erste Mal, dass ich mit diesem Gedanken spielte. Rauszukommen würde bedeuten endlich raus aus diesem zeitlosen Gefängnis zu gelangen.
„Freddie und Briana habe ich mit nach Malibu genommen", sprach Louis weiter, als würde mich das interessieren. „Briana hat den Urlaub bitter nötig. Obwohl wir schon eine Woche hier sind, steht sie immer noch um kurz nach sechs auf, als müsste sie zur arbeit. Ist ein bisschen, als hätte sie verlernt, wie man Urlaub macht und ausschläft."
Tja, da kannte ich noch jemanden.
„Am liebsten hätte ich ein Hotel gebucht, Buffett ohne Limit und man muss sich um nichts kümmern. Aber du weißt, wie das früher oder später in Hotels rund geht", führte er aus.
Ich war vielleicht hinter Gitter, aber ich hatte noch nicht mein Hirn verloren. Natürlich wusste ich das noch. Man wurde dort belagert, wenn man zu lange an einem Ort blieb. Dahin war dann Erholung und Ruhe.
„Freddie liebt den Strand, er könnte dort den ganzen Tag verbringen und ich denke, ich sollte zu Hause in London einen Sandkasten bauen lassen", sprach Louis und lächelte unsicher. „Dann kann er backen, so viel er will."
Er redete und redete und redete. Alles nur unwichtiges Zeug, es ging mir im einem Ohr rein, im anderen wieder raus. Wir waren hier nicht beim Kaffeeklatsch. Sollte er das doch mit Liam oder Harry durchkauen.
Diese verdammte Tür, sie war so verlockend.
Ich musste nur durchgehen und dann wäre es vorbei. Dann würde ich einfach frei atmen können, sicher auch wieder Schlaf finden. Da war ich mir sicher. Mich würde die Enge nicht mehr erdrücken und all der andere Scheiß auch nicht.
„Okay", schloss Louis nach einer Ewigkeit und ich sah ihn wieder an. Er wirkte besorgt und wartete darauf, dass ich etwas sagte, aber ich schwieg. Also sah er wohl ein, dass es sinnlos war mit sich selbst zu reden.
„Gut... okay... wenn du nicht mit mir sprechen willst, dann... ist das so. Ich dachte nur, dass dich mein Besuch aufheitern würde"
Er erhob sich und just in diesem Moment griff meine Hand nach seiner. Fest umfasste ich sein Handgelenk und mir entwich gepresst: „Hol mich hier raus."
„W-Was?", stotterte Louis und ich wiederholte mich: „Bitte, hol mich hier raus!"
Im ersten Augenblick schien er mich nicht verstanden zu haben, denn er blinzelte und ich fuhr ebenfalls aus meinem Sessel: „Ich habe genug hiervon. Mir geht es gut, es kann aufhören."
Es musste aufhören – sonst wurde ich wahnsinnig.
„Niall", sprach Louis verunsichert und gezwungen ruhig, „ich kann dich nicht einfach mitnehmen, du hast einen Vertrag unterschrieben und erst wenn du-"
„Mir ist scheiß egal, was in diesem Vertrag steht!", fuhr ich ihn lauter an, als ich es beabsichtigt hatte. „Komm schon, es ist alles okay und-"
Louis wandte sich aus meinen Fingern, zumindest versuchte er es, aber mein Griff wurde nur fester: „Hör auf, du- ich kann dich nicht rausholen!"
„Lügner!", brüllte ich ihn an und dann sah ich buchstänlich rot.
Ich verlor jeglichen Funken Kontrolle und noch bevor ich richtig nachdenken konnte, da stürzte ich mich auf Louis.
Ich hasste ihn für seine Untätigkeit, für dieses Gefühl der Ohnmacht und dass er mich auf eine furchtbare Art und Weise verriet.
Louis verlor das Gleichgewicht, er fiel und dann holte ich mit der Faust aus.
Meine Wut war grenzenlos, ich spürte nicht einmal mehr, wie ich rüde und heftig herumgerissen wurde. Ich sah Louis' Gesicht nicht, die Panik, den Schock und all die Emotionen.
Da war nur unglaubliche Wut.
Von ihm heruntergerissen zu werden verhinderte, dass ich diese Wut völlig an ihm ausließ. Mir war, als könnte ich prompt nicht mehr atmen. Die Arme um mich herum waren stark, ich schrie auf und mir wurde die Sicht auf Louis versperrt.
Egal, wie heftig ich mich wehrte, ich kam nicht frei, man hielt mich wie einen Gefangenen. Meine eigene Stimme hallte in meinem Kopf wieder, ich wollte beißen, aber nicht einmal das konnte ich. Irgendjemanden traf ich mit einen gezielten Tritt, doch mein Triumph währte nicht lange.
„Beruhigen Sie sich!", dröhnte mir eine tiefe Stimme ins Ohr.
Bud.
Doch er erreichte bei mir das genaue Gegenteil. Jemand half ihm, ich sah nicht, wohin sie mich brachten.
Erst, als ich ruppig auf dem Boden abgesetzt wurde und nach vorne stolperte, auf meinen eigenen Füßen, da begriff ich, dass ich in Raymonds Büro war.
Sofort fuhr ich herum und sah Hulk Hogan und Bud an, hinter ihnen humpelte Raymond dazu, die Stirn gerunzelt und den Becher Kaffee in der Hand. Sein Arbeitstag begann gerade erst.
„Raus", wies Raymond die beiden Pfleger direkt an. „Schließt die Tür hinter euch ab, so lange, wie ich das sage."
Glaubte er ersthaft, dass er mich damit aufhalten würde?
Blind vor Wut schnappte ich mir den Schreibtischstuhl, hob ihn hoch und wollte ihn direkt in die Fensterfront werfen. Ich wollte hier raus und würde, egal was komme, einen Weg finden.
Aber bevor ich die Front erreichte und den Stuhl werfen konnte, da zog etwas mir den Boden unter den Füßen weg. Ich stürzte hart auf den rauen Teppich, rollte mich herum und just in diesen Moment drückte Raymond seinen Fuß direkt auf meinen Brustkorb.
Er war ein verdammter Krüppel, aber er hatte unglaublich viel Kraft.
Mein Puls jagte durch die Decke und dann, ganz langsam wurde meine Sicht wieder klar. Ich atmete hektisch, angespannt, panisch und Raymond lockerte den Druck. Schweißnass, fertig und mit einem seltsamen Rauschen im Ohr sah ich an die Decke.
Gerade, als Raymond den Fuß von mir nahm, da wollte ich mich aufrichten, doch dieses mal hielt er mich mit seiner Gehhilfe zurück. „Bleib liegen, atme weiter ruhig aus und wieder ein", verlangte er und hockte sich dann zu mir.
Er hatte Geduld und meine Anspannung wich.
Es war schwer sich nicht wieder von dieser Wut überwältigen zu lassen, konzentriert sah ich an die Decke, meine Brust hob und senkte sich. Mein Zeitgefühl verschwand und schließlich fragte Raymond: „Geht's wieder?"
„Ja", entwich es mir gepresst und er nickte. Dann sprach er: „Niall, ist dir klar, was du eben getan hast?"
Ich schwieg. Scham stieg in mir auf.
„Dein Freund kam jeden Tag einmal vorbei, als wir ihm mitteilten, dass du den kalten Entzug verlassen hast", begann Raymond. „Jetzt kriegst du Besuchserlaubnis und das Erste, was du tust, ist ihn buchstäblich anzugreifen. Hätte sich niemand eingemischt, dann hättest du ihn ernsthaft verletzt und das nur, weil er das Beste für dich möchte."
Ein bitterer Geschmack machte sich auf meiner Zunge breit. „Ich habe ein Problem."
„Ja", bestätigte Raymond direkt. „Ein Entzug ist nicht damit beendet, nur weil man körperlich clean ist."
Und das war der Moment, in dem regelrechte emotionale Risse durch meinen Köper fuhren.
Die Erkenntnis, was ich getan hatte, erschlug mich. Heiße Tränen stiegen in mir auf und Raymond lockerte den Stock, so konnte ich mich auf die Seite rollen.
In den folgenden Minuten konnte ich nichts anderes als weinen.
Wie hatte ich mich dazu hinreißen lassen können?
Der Schmerz in meiner Kehle kehrte zurück. Eine Faust schien meinen Hals zu umschließen und ich dachte daran zurück, als ich Louis das erste Mal getroffen hatte. 2010... bei X Factor, als alles noch gut war.
In London ließ er mein Haus nach Drogen durchsuchen, er behob Schäden, wo er es konnte und schließlich kam er hier hin. Und alles, was ich tat, war ihn scheiße zu behandeln, so, als wäre er für mich nicht wichtig.
Agressionen an Freunden auszulassen – das war für mich immer unvorstellbar gewesen. Doch ich hatte es getan. Es war erbärmlich und furchtbar von mir.
Das war's, ich hatte wirklich meinen absoluten Tiefpunkt erreicht.
Ich dachte an die Worte, die ich zu Harry sagte – oh mein Gott!
Die Art, wie heftig ich Liam ins Gesicht schleuderte, was ich wirklich von ihm hielt und trotzdem... war er Louis zur Hand gegangen. Nicht meine Freunde waren die Verräter und der Abschaum, für die ich sie hielt. Ich war es.
Sie änderten sich. Oder versuchten es zumindest.
Plötzlich sah ich ich Realität so klar, wie schon lange nicht mehr. Der Kloß in meinem Hals war unvorstellbar groß. Ich lag am Boden, genau dort, wo ich als ein Stück Scheiße hingehörte.
Beruhigend strich Raymond mir über die Schulter.
„Was habe ich nur getan?", entwich es mir heiser und ich vergrub das Gesicht in den Händen. „So bin ich nicht! Ich-", hart schluckte ich, mein Hals fühlte sich an, wie bei einer heftigen Mandelentzündung.
„Nein, niemand ist so, außer er hat seine Kontrolle schon lange verloren", gab Raymond mir zu verstehen. Ich rieb mir über das Gesicht, wollte mich weniger erbärmlich fühlen und verlangte: „Wie ändere ich das?"
„Indem du anfängst mit mir zu reden", erklärte Raymond mir ruhig. Er half mir schließlich mich zu erheben und reichte mir eine große Flasche Wasser. Dann setzte ich mich in den Ohrensessel, wo ich immer saß.
Raymond klopfte dreimal mit dem Handknöchel gegen die Bürotür und Bud schloss kurz darauf wieder auf. Sie besprachen etwas und er kehrte zu mir zurück. Kaum hatte er sich auf dem Schreibtischstuhl gesetzt, da sprach er: „Dein Freund hat das Center verlassen, er hat keinen größeren Schaden genommen."
Zumindest etwas.
Zittrig schloss ich die Wasserflasche, atmete tief durch und sah auf den Ausblick. Das Meer schien näher gerückt zu sein. Raymond räusperte sich und dann stellte er die Fragen aller Fragen: „Erinnerst du dich daran, warum du angefangen hast die Kontrolle an Drogen abzugeben?"
Lange hatte ich das verneint, denn ich war damals unglaublich stolz darauf gewesen, dass ich nur abschätzig den Kopf geschüttelt hatte, wenn man mir Drogen anbot.
„Ich hatte Halsschmerzen und zwar immer öfter", gab ich zu und griff mir automatisch an die Kehle. „Zuerst dachte ich, dass ich zu viel feiern würde, zu wenig Schlaf und zu viel Arbeit hatte."
Die Nacht in Tokio war wieder da und es folgte der Tag, an dem ich bei einem Shooting Maras Mum traf.
„Irgendwann gewöhnt ich mich einfach daran erschöpft zu sein und nicht fit zu werden", unwirsch zuckte ich mit den Schultern. „Und nach Silvester war meine Stimme das erste Mal weg und ich hatte eine Panik-Attacke."
Ja, genau so war es, am Flughafen. Louis bat mich Songs mit ihm durchzugehen und dann war es passiert. Erneut brach mir der Schweiß aus.
„Ganz ruhig", vernahm ich Raymonds Stimme. „Das alles ist bereits passiert, es wird sich nicht wiederholen, wenn du es nicht zulässt."
„Mir versagte die Stimme im Melbourne Cricket Ground", gestand ich und fuhr fort: „Dass etwas nicht in Ordnung war, ahnte ich damals schon und ein Arzt bestätigte es mir."
„Was ist es?", fragte Raymond sanft.
Tief atmete ich durch und dann, zum aller ersten Mal sprach ich es laut aus: „Ich habe Stimmbandknötchen und mit Medikamenten werden sie nicht wieder weggehen. Man wird es operabel beheben müssen und das bedeutet, dass ich meine Stimme neu anlernen müsste, eine Stimmtherapie lässt sich nicht vermeiden. Schlussendlich werde ich trotzdem anders klingen."
Ich sah Raymond an, doch er verurteilte mich nicht, also gab ich zu: „Damit ich die Schmerzen aushielt und trotzdem weiter mit den Jungs auf der Bühne stehen konnte, habe ich Schmerzmedikamente genommen."
Zuerst ganz Harmlose, dann immer Stärkere.
„Ich bekam eine Lungenentzündung", zählte ich auf, „habe sehr, sehr lange im Bett liegen müssen und als meine Medikamente nicht mehr richtig wirkten, da habe ich zuerst mit einem Joint angefangen, dann mit zweien. Es ging irgendwie immer weiter und irgendwann war ich bei Crack... damit ich funktionierte."
Zuerst hatte ich Angst es auszuprobieren, aber es brachte den gewünschten Erfolg. „Eigentlich... war ich ständig nur noch müde, erschöpft und nervös zugleich."
„Warum hast du nicht um eine Pause gebeten?", fragte Raymond. „Deine Freunde hätten das doch sicherlich verstanden."
„Nein", ich zögerte. „Ich... weiß nicht, ob sie mich da noch verstanden haben, weil... sie nicht mehr da waren."
Raymond beugte sich vor: „Erkläre mir das."
Unsicher rieb ich meine Handflächen aneinander, wich seinem Blick aus und gestand: „Ich glaubte nicht, dass überhaupt jemand verstehen würde, was mit mir los ist. Ich hatte Angst, dass der Zerfall meiner Stimme das Ende bedeuten würde."
„Das Ende wovon?", hakte er nach.
„Das Ende von allem", gab ich zu. „One Direction ist alles, was ich habe. Das, was ich mehr liebe, als irgendetwas sonst. One Direction steht für Musik, Begeisterung, Freundschaft und einen Traum, der lebendig geworden ist."
Ich nahm einen weiteren Schluck aus der Wasserflasche, mein Hals war mittlerweile wund.
Schweigend musterte Raymond mich, dann notierte er sich etwas auf seinem Block. Schließlich stellte er die Frage, vor dessen Antwort ich immer Angst gehabt hatte: „Was ist plötzlich zuerst weggefallen, Niall? Welche stabile Säule war nicht da, damit du dich nicht krampfhaft an Substanzen hättest festhalten müssen?"
Stumm musterte ich ihn.
Raymond gestikulierte in der Luft: „Lass es mich anders sagen, wieso hattest du solch einen Drang den Schein zu wahren? Was fiel weg, auf das du dich hättest stützen können?"
Die Musik – hätte ich eigentlich gesagt, immerhin ging es um meine Stimme. Wenn sie nicht mehr funktionierte, dann konnte ich nicht auf die Bühne, zu den anderen.
Aber als ich Raymond ansah, wusste ich, dass das nicht stimmte.
Die eigentliche stabile Säule brach vorher weg. Mir wurde eiskalt, doch ich begriff, dass es die absolute Wahrheit war.
„Was", begann Raymond erneut sanft und ruhig zugleich, „fiel als Erstes weg, Niall?"
Meine Finger gruben sich in den Saum meiner Jogginhose. Ich holte tief Luft und dann sprach ich aus, was ich die ganze Zeit über gewusst hatte. Niemand hatte es gesehen und das hatte es umso schlimmer gemacht.
„Die Freundschaft."
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