38 ♪ Your voice

Somethin' in your eyes, makes me wanna lose myself

Makes me wanna lose myself, in your arms

There's somethin' in your voice, makes my heart beat fast

Hope this feeling lasts, the rest of my life

[ Randy Newman ]



MARA ║ Die ersten Akkorde von Rod Stewarts 'Sailing' waren leicht und angespannt wartete ich darauf, dass Niall sich regte. Aufgeregt, nervös und fast atemlos sah ich ihn an.

Und dann hörte ich seine neue Stimme das erste Mal.

Eiskalt jagte eine Gänsehaut über meinen Rücken. Ich hatte Mühe nicht einfach aufzuhören zu spielen. Dafür entgleisten mir sämtliche Gesichtszüge. Das sorgte dafür, dass Niall geschockt inne hielt: „So schlimm?"

„Nein, nein, mach weiter!", forderte ich ihn auf und setzte wieder mit der Gitarre an. Du heilige Scheiße, seine neue Stimme hatte es  in sich. Er klang definitiv anders. Rau und tief, aber total interessant. Niall kam der Stimme von Rod Stewarts verdammt nahe.

Der typische Boygroup-Sound würde damit passé sein, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass Harry, Liam und Louis das besonders schlimm fänden. Völlig fasziniert lauschte ich Nialls Stimme und ein bisschen fühlte es sich so an wie damals, als ich Spencer das erste Mal hörte.

Bombig und mit ganz viel Potenzial.

Etwas unsicher beendete Niall den Song mit: „We are sailing stormy waters, to be near you, to be free." Dann räusperte er sich und hinter ihm klatschten sowohl die beiden männlichen Wanderer, als auch Hannelore und Hans Peter sichtlich überrascht.

„Boah", ich konnte mir das nicht verkneifen und schob direkt nach: „Komm, noch eins! Bitte!"

„Ich weiß nicht recht", Niall atmete tief durch und schien selbst nicht so genau zu wissen, was er von seiner Stimme halten sollte. Ich zog also mein Handy aus der Hosentasche hervor und suchte die App zum aufnehmen.

„Bitte Blondie, bitte, bitte!", ich wurde immer aufgeregter. „Du musst dir selbst anhören, wie du klingst, denn das ist einfach total toll!"

Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, allerdings nicht zum Positiven und ich sprach hastig: „Du klingst anders, das ist wahr. Aber das bist immer noch du, nur rauer und heiserer." Ich wusste nicht, wie ich das beschreiben sollte.

„Blondie, du... du hörst dich an wie ein verdammter 70er Jahre Rocksänger! So... ich weiß nicht... das ist so Gänsehautmäßig und markant. Man wird deine Stimme aus allen anderen sofort heraushören. Ein bisschen, wie Spencers Stimme, aber deine hat einen anderen Charme, wahrscheinlich durch den Akzent."

Niall runzelte die Stirn und ich bemühte mich nicht in hilfloser Begeisterung auszubrechen: „Klar ist es für dich fremd, aber du gehst einem mit diesem Klang total unter die Haut. Natürlich sind weiche Töne jetzt schwierig, aber dafür hörst du dich an, als würdest du eine Geschichte lebendig erzählen."

So glücklich wirkte er damit nicht, also positionierte ich die Gitarre neu, stellte das Aufnahmegerät an und fragte: „Kennst du 'Rhythm of my heart' von Rod?"

„Ja, natürlich", gab er zu und dann begann ich einfach zu spielen. Ich wollte ihn motivieren und dass er hörte, wie großartig er mit ein bisschen Übung klang. Rhythm of my heart war etwas stärker vom Beat begleitet, was ich mit der Gitarre natürlich nicht hinbekam, aber Niall war Profi genug, um den Takt trotzdem zu halten.

Mein Herz raste vor Freude und ich wünschte, er würde immer wieder von vorne anfangen zu singen. Was fehlte, war die Begeisterung, die Niall sonst immer beim Singen zeigte. Es war nicht besonders Glücklich und ich fragte mich, was ich tun könnte, damit es anders war.

Viel zu früh war er bei der letzten Zeile und beendete ganz in Rod Stewarts – Manier mit: „For I know my place is home, where the ocean meets the sky."

Erneut erntete Niall viermal Applaus. Doch das schien ihn nicht zu interessieren. Ich stellte das Aufnahmegerät aus und Hannelore sagte etwas zu uns. Keiner verstand sie, aber sie lächelte und wir beobachteten, dass sie mit ihrem Mann die Gaststube räumte. Auch die zwei Männer gingen und so blieben Niall und ich nach einer Viertelstunde zurück.

„Es war großartig", erklärte ich. „Mit ein wenig Übung wird das noch großartiger."

„Ich weiß nicht, ob ich das will", gab Niall schließlich zu. „Und vor allem weiß ich nicht, ob ich mich an den Klang je gewöhnen werde. Ich mochte meine Stimme vorher. Außerdem wird sie jetzt kaum noch zu den anderen passen."

Ob Louis, Harry und Liam das genauso sahen? Ich bezweifelte es. „Was willst du dann tun? Nur Musik schreiben, für andere Leute?"

„Das tust du doch auch", meinte er. „Und du bist ziemlich zufrieden damit."

Ich schwieg kurz, dann gab ich zu: „Ich war es nicht immer."

Das schien Niall zu überraschen und ich erklärte: „Am Anfang, da hat kaum jemand meine Songs tatsächlich aufgenommen. Sie passten nicht zum Stil, waren zu ehrlich und zu 90 % werden sie übergangen. Die Meisten wollen sie verändern und es ist schwierig Künstler zu finden, die kontinuierlich beim selben Songschreiber bleiben."

Prompt erinnerte ich mich an die Zeit vor und nachdem ich Niall kennengelernt hatte. Davon erzählte ich ihm. Es war ein hartes Lose zu schreiben, ohne die Musik selbst lebendig zu machen. „Meine Stimme ist dafür zu dünn. Bei einer Probe klingt sie okay, aber für eine große Bühne zu dünn. Ich würde hoffnungslos untergehen." Außerdem war sie zu unscheinbar.

Ich stellte die Gitarre weg: „Wenn du nur noch für andere schreiben willst, nur zu, aber ich glaube die anderen wären traurig darüber."

„Die Sucht, auf der Bühne stehen zu wollen, hat mich erst dahin gebracht, wo ich nicht hin wollte", meinte Niall, doch da widersprach ich ihm: „Nein, das ist Quatsch. Du hast vorher Jahrelang auf der Bühne gestanden, ohne, dass du Angst hattest. Sie kam aus einem ganz anderen Grund."

Kurz musterte er mich stumm, dann lächelte er komischer Weise: „Das ist wahr." 

 Damit wäre alles gesagt und ich wollte gerade vorschlagen ins Bett zu gehen, weil wir Morgen zurückwanderten, als Niall sprach: „Wir sollten mal wieder zusammen schreiben. Vielleicht verschwindet dann auch deine Blockade. Du hast doch immer noch eine, oder?"

„Jap", brummte ich. „Ich sollte mir mal die Kante geben, nackt im See baden und mich in Schokoladenpudding wälzen."

Laut brach Niall in Gelächter aus und stand auf: „Gut zu wissen. Beim nächsten Einkauf werde ich also viel Milch und Puddingpulver kaufen."

„Wieso würdest du mich nicht viel eher aufhalten?", warf ich ein und er schüttelte den Kopf, als wäre die Vorstellung furchtbar: „Bist du verrückt? Ich will ein Foto davon machen, wenn du in Pudding badest, damit ich dich dein Leben lang damit erpressen kann."

Wie nett von ihm.

Möglichst leise machten wir uns auf dem Weg ins Bett und wenig später kuschelte ich mich in die Ecke. Das Bett stand an der Wand und sollte jemand durch die Tür kommen, dann war Niall zuerst dran.

Ein dummer und hässlicher Gedanke, aber er beruhigte mich. Niall kletterte ebenfalls ins Bett und ließ sich nach hinten fallen: „Ich glaube, ich kann morgen noch nicht runter wandern."

„Wieso nicht?", wollte ich sofort wissen und er machte das Licht aus: „Weil ich so viele Blasen an den Füßen habe, dass ich Angst habe einen Knöchel unterwegs zu verlieren."

Ich kicherte, denn auch mir tat jedes Bisschen Fuß weh: „Können wir denn einen Tag länger hierbleiben?"

Wie sich herausstelle konnten wir.

So schlief ich die Nacht neben Niall tief und fest. Ich verpasste das Frühstück und in der Zeit sprach er irgendwie mit Hannelore. So kam es, dass wir den folgenden Tag einfach nur damit verbrachten noch ein Stück die Alm hochzugehen, um eine neue fantastische Aussicht zu genießen.

Mehr Bewegung taten wir uns nicht an. Stattdessen nutze ich dieses Mal den Jacuzzi. Die beiden Männer und das Pärchen waren abgereist und Niall trieb sich bei Hans Peter in der Küche herum. Das warme Wasser tat mir gut und ich verstand, wieso Niall am Vortag nicht aus dieser riesigen Wanne hatte rausgewollt.

Danach hockten wir dick eingepackt auf der Veranda in Korbstühlen und tranken heiße Schokolade. Ich wusste nicht warum, aber auf dieser Almhütte schlief ich unglaublich viel. Es war so kuschelig, gemütlich und vermittelte mir ein Gefühl von Sicherheit.

Hannelore zauberte Älplermagronen auf den Küchentisch und ich hätte mich dort am liebsten reingesetzt. Es war eine Art Gratin aus Kartoffeln, Magronen, Käse, Rahm und Zwiebeln. Als Beilage gab es Apfelmus.

„Langsam solltest du aufhören dir Nachschlag zu nehmen, Kiddo. Sonst platzt du", zog Niall mich auf. Doch ich hörte nicht auf ihn und wurde mit Magenschmerzen gestraft. Da half mir auch der klare Schnaps von Hans Peter nicht. Bis zum nächsten Morgen hatte ich ein merkwürdiges Ziehen im Magen.

„Wir können noch eine Nacht hier bleiben", schlug Niall vor, aber es war Zeit wieder zurück zu wanden. Denn ich wusste, dass er am nächsten Tag einen Termin im Krankenhaus hatte. Verpassen sollte er den nicht.

Also verabschiedeten wir uns freundlich und umständlich bei Hannelore und Hans Peter und brachen Richtung See auf. Falls ich geglaubt hatte, dass es bergab leichter war, dann irrte ich. Zweimal knickte ich prompt um und es war schwierig mit den Füßen Halt zu finden.

Mein Atem ging pfeifend und immer wieder hielten wir inne für eine Pause. „Hannelores Essen schmeckt einfach besser, egal was sie macht", stellte Niall fest und biss in seine Stulle. Ich stimmte kauend zu: „Sie belegt die Brote mit einem Liedchen auf den Lippen und Liebe im Herzen."

Niall grinste und wollte etwas sagen, doch dann hielt er inne und nickte mit dem Kinn auf etwas. Ich wandte mich sofort um und sah hinter ein paar Bäumen etwas lang springen. Zwei Rehe suchten sich ihren Weg und schienen sich von uns nicht stören zu lassen.

Es war schon seltsam, als wir zur Alm hoch wanderten, hatte ich da nicht drauf geachtet. Jetzt sahen wir Eichhörnchen, Hasen und hörten die Vögel, die nicht Richtung Süden geflogen waren. Immer wieder hielten wir auf unserer Wanderung inne, nur um zu zuhören, oder Tiere zu beobachten.

„Lohnt sich ja doch jeder Meter Anstrengung", brachte Niall es auf den Punkt und als nach vier Stunden der improvisierte Weg breiter wurde, da fand meine Hand Nialls Hand. Kitschig schlenderten wir zusammen weiter.

Aber immer wieder blieben wir stehen. Wir kamen dem See näher, die Kälte war mittlerweile egal und ich ignorierte meine schmerzenden Waden. Am See selbst stimmte ich von Edward 'Castle on the Hill' an und zu meiner Überraschung stieg Niall im Refrain mit ein.

Sein: „I'm on my way. Driving at 90 down those country lanes. Singing to "Tiny Dancer" and I miss the way you make me feel, and it's real. We watched the sunset over the castle on the hill", klang komplett anders als meines.

Dominanter und kräftiger, aber das war egal. Unsere Stimmen passten null zusammen und niemanden scherte es. Denn es war nicht wichtig. Viel mehr beflügelte es mich, dass Niall versuchte die Stimme wieder mehr zu nutzen. So, wie er es früher getan hatte.

„Fifteen years old and smoking hand-rolled cigarettes. Running from the law through the backfields and getting drunk with my friends", dröhnte Niall und sorgte dafür, dass ich eine Pirouette unter seinen Arm hindurch machte. Überschwänglich beendete ich die Strophe mit: „Had my first kiss on a Friday night, I don't reckon that I did it right. But I was younger then, take me back to when we found weekend jobs, when we got paid. We'd buy cheap spirits and drink them straight."

Lachend und gut gelaunt stolperten wir den Weg entlang und schließlich stellte Niall fest: „Ein Duett von uns würde sich nicht sehr gut verkaufen."

„Du wolltest doch eh nie wieder auf die Bühne", stichelte ich und er stieß mich in die Seite, sodass ich stolperte. „Hey, das waren deine eigenen Worte."

„Und du nimmst sie auch direkt immer ernst?", fragte er ungläubig. Ich sah ihn an und konnte nicht anders als zu grinsen: „Natürlich. Es tut ja sonst keiner."

Ich sah Niall an, dass er zum Gegenschlag ausholen wollte, aber etwas unterbrach uns. Belustigt sah ich ihn an: „Du hast dein Handy bis zum Gipfel mitgeschlappt? Da gab's doch sicher nicht mal Empfang."

„Nur für alle Fälle", rechtfertigte Niall sich und schulterte den Rucksack ab. Dann kramte er darin herum und fischte es heraus. Uh, das sah nach einer Menge verpasster Nachrichten aus.

„Liam", erklärte er knapp und wir machten auf einer Bank am See eine Pause. Niall wählte die Nummer seines Kumpels und ich versuchte nicht allzu aufmerksam zu zuhören. Also sammelte ich am Rand des Wassers Steinchen auf und versuchte sie über das Wasser hüpfen zu lassen.

Mäßig talentiert musste man dazu sagen. Sie gingen eher traurig sofort im Wasser unter, als da ein bisschen Hüpf hier und Hüpf da zu veranstalten.

„Kiddo?"

Ich wandte mich um, Niall ließ das Handy sinken und rieb sich ratlos über das Kinn: „Wir müssen etwas Gas geben, Liam steht vor meinem Haus und kriegt einen kalten Arsch."

„Er ist hier? In der Schweiz?", zuerst hielt ich das für einen Witz, doch Niall meinte das ernst: „Ja, er hat gestern schon angerufen, aber im Himmel hat er uns nicht erreicht."

Und dann fuhr der einfach auf gut Glück hier her? Na der musste ja einen langen Arsch haben. Ich seufzte, ohne es beabsichtigt zu haben und das sorgte dafür, dass Niall schief grinste: „Ja, ich hatte auch andere Pläne. Machen wir das Beste raus."

Irgendwie erleichterte es mich, dass auch Niall der Besuch nicht so passte. Ich wollte total egoistisch Zeit mit ihm alleine verbringen. Ganz egal, was wir machten.

„Wenn er uns zu sehr auf die Nüsse geht, dann verschwinden wir einfach", schlug er vor und ich musste lachen: „Du meinst, dann stiefeln wir bei Nacht und Nebel zu Hannelore?"

„Wäre eine Idee", stimmte er zu. Wir zogen den letzten Rest der Wanderstrecke durch. Ein bisschen Tempo mussten wir zulegen, denn wenn es dunkel war wollte ich nicht mehr draußen sein. Fast zwei Stunden brauchten wir noch und ich sehnte mich erneut nach einem Fußbad.

„Kriege ich eine Massage, wenn wir da sind?", horchte ich und unterdrückte den Drang zu jammern. Niall schien drüber nachzudenken: „Vielleicht."

Endlich bogen wir in die Landstraße ein. Da es hier keine Straßenlaternen mehr gab, wir aber dafür das Dach des Hauses schon sehen konnten gingen wir einen Schritt schneller. Zu schnell für meine Blasen, die an meinen Zehen nun meinten zu zeigen, wie toll sie doch waren.

Ein protziger schwarzer Geländewagen stand in der Einfahrt und mit den Augen suchte ich zuerst Liam. Die Autotüren standen offen und mehrere Reisetaschen bildeten einen hübschen Berg. Füße lugten aus der Beifahrertür und dann steckte Liam den Kopf auf der Fahrertür raus. Irgendwie sah er anders aus als ich ihn in Erinnerung hatte.

„Hey, da bist du ja!", fing er laut an und setzte sich eine Snapback auf. Sein Kopf wirkte als wäre er kahlgeschoren. Sichtlich irritiert sah er mich an, so als würde er mich erst auf den zweiten Blick erkennen.

Dann blieben Niall und ich prompt stehen, denn Louis zog sich vom Beifahrersitz und grinste breit: „Ich dachte schon, wir müssten im Auto pennen."

„Wen meinst du mit wir?", stellte Niall exakt die Frage, die sofort durch meinen Kopf schoss. Louis blinzelte: „Na Liam, Harry und ich!"

Harry war hier?

„Harry ist hier?", echote Niall direkt und just in diesem Moment war ich kurz davor ihm erschrocken in die Arme zu springen. Doch so rempelte ich ihn nur an, wie der allergrößte Angsthase dieser Welt.

Beinahe hätte ich Harry wütend angefaucht, was ihm denn einfiele zwischen den Büschen hervor zu kommen. Dieser schien meinen innerlichen Panikanfall nicht mitbekommen zu haben. Seltsam unauffällig gekleidet nahm er sich eine Flasche Wasser und wusch sich die Hände: „Es war kein anderes Klo in der Nähe." Als würde das alles erklären.

Niall atmete tief und geräuschvoll durch: „Und da kackst du in meine Büsche?"

„Sehe ich aus, wie ein Neandertaler? Ich musste nur flüssig", rechtfertigte er sich und in diesem Moment fiel mir etwas auf.

Es war das erste Mal, dass ich One Direction komplett vollzählig an einem Ort als Freunde erlebte. 

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