31 ♪ Alive again
Now I feel my heart beating
I feel my heart underneath my skin
And I feel my heart beating
Oh you make me feel
Like I'm alive again
[ Coldplay ]
NIALL ║Unauffällig sah ich Mara nach, wie sie sich mit meinem Handy auf in die entgegengesetzte Richtung machte. Sie schien fast zu schweben vor Glück und es war ein gutes Gefühl ihr geholfen zu haben. Ich dachte, ein simpler Anruf würde in Ordnung gehen, zumal mein Handy unter den Namen meines Vaters lief.
Beim ersten Versuch das Boot am Steg vor meinem neuen Haus festzumachen, war ich samt Klamotten und Handy in den See gestürzt. Um mir auszuhelfen hatte mein Dad das neue Handy besorgt.
Ich fröstelte kurz, der Wind war kalt und der Herbst ging in die Endrunde. Es war viel los auf dem Bauernmarkt. Die Stände waren bereits aufgebaut, draußen konnte man Kartoffeln kaufen und bevor wir hier verschwanden, würde ich dort noch einmal Halt machen.
Seit ich abgetaucht war hatte ich sämtliche regionalen Veranstaltungen abgeklappert. Alle drei Monate gab es Schulkonzerte, was ziemlich cool war. Kidis im Alter von sieben bis zwölf spielten zusammen irgendwelche Klassiker und nahmen ein bisschen Kleingeld als Eintritt.
Im einheimischen Gasthof, der als Kneipe für die Bewohner fungierte, hatte man mir schon gesteckt, dass bald das große Reibekuchenessen stattfand und man sich das nicht entgehen lassen sollte. Noch verstand ich nicht, was so toll an so einem Essen sein sollte.
Jedenfalls gab es genug Dinge, die ich noch besuchen wollte, so lange ich hier war. Denn Weihnachten würde ich es dieses Jahr auf jeden Fall nach Mullingar schaffen. Sonst briet mich meine Mutter wie ein Spanferkel.
Ich setzte den Weg fort, ging an kleinen Ständen vorbei, die nicht nur heiße Getränke anboten, sondern auch frische Brötchen und lecker riechende Gemüsesuppen. Man pries getrockneten Tee, Kürbissaft und gepressten Karottensaft an.
Da ich kein Schweizerdeutsch konnte und die meisten Verkäufer kein Englisch, verständigten wir uns mit Händen und Füßen. Ich wusste, was ich kaufen wollte und noch bevor ich in der großen Scheune war, da hatte ich die ersten zwei Saftflaschen im Stoffbeutel.
Es gab jede Menge zum probieren, überall bekam man Häppchen und ich schlug nur zu gerne zu. Die Frauen am Salatstand wollten mich überhaupt nicht mehr gehen lassen. Ständig bekam ich ein neues Schüsselchen zum kosten unter die Nase geschoben.
„Oh wow", entwich es mir, als ich den Kartoffelsalat probierte. Er war ohne Mayonnaise, und nur mit Speck, Öl und Essig gemacht.
Die zwei Frauen wollten mir noch ein Kochbuch aufschwatzen, aber ich würde es sowieso nicht lesen können, also kaufte ich zwei abgepackte Salate und versuchte mich loszureißen. „Ich muss jetzt wirklich-!"
„Was machst du da?", hörte ich eine britische Stimme und wandte mich um. Mara sah die zwei Frauen irritiert an und reichte mir das Handy zurück. Dies nutze ich, um sie vom Stand wegzuzerren.
„Du bist schon fertig mit telefonieren?"
„Das waren fast vierzig Minuten", erklärte sie mir und linste neugierig in den Stoffbeutel. „Danke übrigens. Es hat gut getan Pennys Stimme zu hören und sicher zu sein, dass sie nicht denkt... ich..."
„Du hättest sie vergessen", half ich ihr auf die Sprünge und sie nickte leicht: „Genau. Okay", tief atmete sie und wechselte das Tham: „... und was willst du hier kaufen?"
Sie sah sich um, es roch nach Heu und zahlreichen Speisen. Ich zuckte mit den Schultern: „Das, worauf ich Lust habe. Denkst du, du kannst uns einen Apfelkuchen backen?"
„Bin ich die neue Sally?", warf sie ein empört ein und ratzte sich an der Stirn. „Allerdings könnte ich es versuchen."
So kam es, dass wir Äpfel kauften, eine Weinschorle, geräucherten Schinken, der so lecker roch, dass wir direkt einige Proben verdrückten und uns beim Bäcker darüber stritten, ob wir Roggenbrot oder Zwiebelbrot mitnahmen. Am Ende kauften wir schlicht beide.
Ich sah, dass sich Mara genauso gerne überall durchprobierte, wie ich. Zwar warf sie hin und wieder einen nervösen Blick über ihre Schulter, aber alles in einem blieb sie so gelassen, wie sie es über sich brachte. Sie kaufte Unmengen an Gemüse und Obst, weshalb ich sprach: „Warst du nicht einmal ein Fastfood-Junkie?"
„Bin ich immer noch, allerdings zweifle ich daran, dass man zu dir eine Pizza geliefert kriegt", spottete sie und reichte mir eine neue schwere Tragetasche, in der sich Milch vom Bauern befand. Die ganzen Glasflaschen zogen langsam an meinen Armen, wieso kauften wir nicht gleich Kisten?
Vor einem Stand blieben wir länger stehen, dort gab es Honig mit verschiedenen Geschmacksrichtungen. Mit Orange, Himbeere, einen Schuss Alkohol oder Zitrone.
Es war unglaublich interessant und am Ende nahm Mara zwei Gläser mit. „Am liebsten würde ich sie verschenken, ich bezweifle allerdings, dass ich es so lange aushalte sie anzurühren."
Prompt musste ich lachen. „So ging's mir mit der Marmelade. Ich hatte mir fest vorgenommen jeden der Jungs ein Päckchen fertig zu machen. Am Ende habe ich nicht nur die Marmelade gefressen, sondern auch die typisch Schweizer Schokolade, die ich extra für sie gekauft hatte."
„Die Schokolade hätte von mir auch keinen Poststempel bekommen", gab sie unbekümmert zu und ich bemerkte, dass dieses simple Telefonat mit der blonden Puppe ihre Laune enorm hob. So ähnlich fühlte ich mich, wenn Louis, Harry und Liam mich terrorisierten. Sie riefen seltsamer Weise immer am selben Tag hintereinander an.
Als hätten sie sich abgesprochen und wahrscheinlich taten sie das auch.
„Ich habe ewig keine Birnen mehr gegessen", sprach Mara und sah mich mit großen Kulleraugen an. Ich seufzte tief und ging ihr in die Falle: „Gib mir den Beutel." Mit Birnen hatte sich das leider nicht erledigt. Spinat, Champions und rote Beete kamen dazu. Am Ende schleppte ich auch noch einen Sack Kartoffeln und glaubte, dass mir die Arme abfallen würden.
Mittlerweile gab es draußen eine Feuerstelle. Man konnte Quiche und Bratwürste essen und genau das taten Mara und ich auch. Wir hockten auf einer Bank, bisschen in die Quiche und beobachteten die Leute.
„An so was könnte ich mich gewöhnen", sprach Mara zufrieden. Ich mich auch, vor allem weil es mich ein wenig an die erste Reise erinnerte. Wir waren schon oft auf verschiedenen Märkten gewesen und fraßen uns durch regionale Speise.
„Kannst du ein paar Sätze Schweizerdeutsch?", fragte sie und ich schüttelte den Kopf: „Nein, aber vielleicht sollte ich langsam mal damit anfangen."
„Wenn du das nächste Mal in die Klinik zur Reha musst, dann kaufe ich ein Wörterbuch oder so etwas", beschloss sie pragmatisch.
Ich sah sie an: „Hast du vor so lange noch hierzubleiben?"
Mara ließ die Quiche sinken und blickte über die Leute: „So lange, bis der Alptraum zu Ende ist."
„Was, wenn man den Stalker nie fasst?", warf ich ein und das mochte sie sich nicht einmal vorstellen. Dämliche Situation.
Schweigend aßen wir weiter und rafften schließlich unsere Sachen zusammen. Das Treiben der Leute wurde langsam zu dicht und wir mussten das Glück nicht herausfordern.
Zusammen beluden wir das Boot und als ich die Nussschale über den See lenkte, die kalte Luft an uns zerrte, da fiel mein Blick immer wieder auf Mara. Unter ihren Augen lagen immer noch Schatten, obwohl sie heute etwas geschlafen hatte.
„Ich penne heute noch mal bei dir im Zimmer", beschloss ich und sie runzelte die Stirn: „Hast du Angst Freddy Krüger könnte dich besuchen?"
„Du hast mich erwischt", gab ich gespielt zu und überlistete sie so, ohne sie die Pistole auf die Brust zu setzten. Das hatte ich oft genug in Form von Giftspritzen gemacht und ich wollte nicht wieder streiten. Mara selbst würde wahrscheinlich eher einen Kopfsprung in den Sumpf machen, als zu zugeben, dass sie in meiner Anwesenheit gut pennen konnte.
Auf der anderen Seite des Sees befestigte ich erneut das Boot und Mara stiefelte mit den ersten Einkäufen voran. Ich blickte ihr nach und hielt inne. Alleine der simple Ausflug machte mir klar, wie sehr ich sie vermisste und wie beschissen mein Timing war.
Ich hatte ihr im Streit an den Kopf geworfen, dass sie meine beste Freundin gewesen war. Vor einigen Monaten hätte ich genau das wiederhaben wollen, aber jetzt würde ich mich selbst in die Hölle schicken, sollte es je passieren.
Denn als ich im Entzug war, da musste ich auf die harte Tour lernen, dass ich bei all der Freundschaft das Wichtigste übersah. Ich war in Mara verliebt.
Wann das angefangen hatte konnte ich nicht sagen, nur, dass ich alles tun würde, um so viel Zeit, wie nur möglich mit ihr zu haben. Hier, im letzten Winkel der Schweiz.
Ich war realistisch genug, zu wissen, dass ich es verkackt hatte und zwar nach allen Regeln. Mara würde nie meine feste Freundin werden, dafür war zu viel vorgefallen. Aber ich würde zumindest versuchen, dass sie sich bei mir sicher fühlte, bis sich das mit dem Stalker erledigt hatte.
Und dann würde sie gehen.
Ich wusste das, und wenn es so weit war, dann würden sich unsere Wege so vorschnell nicht wieder kreuzen. Wieso auch, Mara hatte keinen Grund mehr sich mit mir abzugeben und ich konnte nichts dagegen tun. Nicht nachdem ich den Oberarsch gegeben hatte.
Tief seufzte ich und hörte auf ihr nachzusehen. Stattdessen griff ich nach den Leinentaschen. Es war verflucht und ich wünschte jemand hätte die Lösung für mich. Doch ich wüsste nicht wer.
Keiner meiner Freunde hatte in seinen Beziehungen total den Durchblick und wenn ich meinem Dad beichte, was ich verbrochen hatte, dann würde er mir offen und ehrlich sagen, dass ich keine Chance hatte.
Das wusste ich selbst und ich brauchte niemanden, der mir das so unverblümt ins Gesicht sagte.
Gerade hatte ich die Beutel in der Hand, als ich mein Handy klingeln hörte. Verwirrt setzte ich die Einkäufe wieder ab und sah auf eine unbekannte Nummer.
„Hallo?", sprach ich vorsichtig und hoffte, dass mir jetzt niemand in den Hörer hauchte und gruselige Sprüche vom Stapel ließ. Zu meiner Überraschung sprach eine weibliche, reife Stimme: »Niall? Entschuldige, ich wusste nicht genau, ob ich dich auf deinem neuen Handy anrufen durfte. Aber Bobby war so nett und-«
„Anne?", was zum Teufel brachte Harrys Mum dazu bei mir durchzuklingeln? Ganz höflich, wie es nun einmal ihre Art war, erkundigte sie sich bei mir, ob es mir gut ging. Dass sie nicht für Smalltalk angerufen hatte, wusste ich nach dem ersten Satz.
Also sprach ich: „Bevor wir anfangen über das Wetter zu reden, sag einfach, was du eigentlich wissen möchtest." Ich musste grinsen, denn Anne atmete hörbar aus: »Ist Harry bei dir?«
„Äh nein", antwortete ich ehrlich. „Wieso rufst du ihn nicht einfach an?"
»Weil ich gerne etwas mit ihm persönlich bereden möchte und ich dachte, er wäre in London, jetzt stehe ich in seinem Haus und hier sieht es aus, als wäre er seit einer Woche nicht mehr da gewesen«, erklärte sie frustriert. »In LA kann er nicht sein, sonst hätte das auf Twitter oder sonst wo gestanden.«
„Hast du Louis schon gefragt?", warf ich ein und wieder holte sie Luft, fast wirkte es, als würde ihr etwas die Atemwege abschnüren: »Er geht nicht ans Handy und Liam konnte mir keine Antwort geben.«
Ich schwieg einen Moment: „Was ist überhaupt so wichtig, dass du Harry nicht anrufst und das von Angesicht zu Angesicht mit ihm ausmachen willst? Hat er so viel Ärger gemacht?"
Anne blieb mehrere Herzschläge lang stumm, dann räusperte sie sich: »Er hat... mir von seiner neuen Beziehung erzählt.«
Ich erstarrte, blinzelte und dann musste ich laut auflachen. Aber scheinbar fand nur ich das so lustig.
»Darüber lacht man nicht!«, hielt Anne mir ärgerlich vor. »Ihr Jungs wusstet das natürlich alles schon und niemand hat es für nötig gehalten irgendetwas zu sagen!«
„Nun ja", schaltete ich mich ein. „Um dich zu erinnern, wir Jungs hatten im letzten Jahr nicht unbedingt das beste Verhältnis. Außerdem musste Harry diesen Schritt selbst machen. Das kann ihm niemand abnehmen."
Dass ich die Sache mit Spencer und ihm damals bekifft auf einer Club-Toilette enthüllte, das verschwieg ich besser. Denn Anne wirkte nicht, als könnte sie damit besonders sachlich umgehen. Wer wusste schon, wie Harry seiner Mum reinen Wein eingeschenkt hatte, wenn sie ihn nicht einmal anrufen wollte.
„Fahr bei Louis vorbei, der wird dir sicher helfen können und hat mehr Ahnung, wo Harry jetzt ist", schlug ich ihr vor. „Kennst du seine neue Adresse?"
»Nein«, gab sie zu und ich versprach: „Ich schicke sie dir, sobald du aufgelegt hast, okay?" Damit war sie einverstanden und als wir das Gespräch beendeten, da hielt ich mein Wort. Während ich die Adresse eintippte, da fragte ich mich, ob Harry mit Spencer zusammen abgetaucht war. Denn dann würde Anne ihn so schnell nicht finden.
Louis hatte bestimmt trotzdem mehr Details auf Lager als ich. Außerdem hielt ich den Verhör einer Mutter sowieso nicht stand. Da war Louis besser geeignet, außer bei seiner eignen, da gestand er, bevor sie richtig warm geworden war. Ein Blick und vorbei war es. Jetzt sollte das jedoch nicht meine Sorge sein.
Ich schritt mit den Einkäufen über den Steg, hoch zum Haus. Mara hatte die Terrassen-Tür offen gelassen, wenn auch nur einen Spalt. Sie räumte in der Vorratskammer und in der Küche herum und ohne sie zu sehen, wusste ich genau, was sie gerade tat.
Keine Ahnung, wie viel Zeit ich noch mit ihr hatte, aber ich würde jede einzelne Minute genießen und zwar so lange, wie ich konnte. Danach fand sowieso alles ein Ende. Ich trat ein und fühlte mich schlecht, denn ich wünschte mir, dass dieser ekelhafte Stalker noch sehr lange seinen Job ausübte und es schaffte Paul zu entwichen.
Im Endeffekt machte ich mir selbst einen vor, denn ich kannte Paul. Der Stalker hatte keine Chance. Zumindest dann nicht, wenn er seinen ersten Fehler machte. Blieb zu hoffen, dass er dumm genug war Mara nicht zu finden und schlau genug, um vor Paul zu flüchten.
Für diesen Gedanken schämte ich mich prompt selbst.
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