20 ♪ Mullingar

Baby, I'm done

I gotta go home

Let me go home

It'll all be all right

I'll be home tonight

I'm coming back home

[ Westlife ]



NIALL ║ Nach Hause zurückzukehren war eines der schwierigsten Dinge, die ich je getan hatte. Nicht, weil ich Mullingar hasste, sondern weil ich jemanden gegenübertreten musste, den ich unglaublich enttäuscht hatte.

Zuerst hatte ich in London einen Brief an die Fans verfasst und Richard, unser Oberst, würde sich drum kümmern. Im Endeffekt bat ich unsere Fans um Rücksicht und entschuldigte mich, dass wir die geplanten Konzerte nicht zu Ende bringen konnten.

Ich erklärte ihnen jedoch auch offen und ehrlich, dass ich dazu nicht in der Lage war, Erschöpfung, Probleme mit der Stimme und vieles mehr mich in die Knie gezwungen hatten. Von den Drogen sollte ich vorerst nichts erwähnen.

Zugegeben mit Make-up und spezielle Lichteinstellungen versuchte Richard mich nicht so zerschlagen aussehen zu lassen, wie ich wirklich war. Es klappte nur mäßig, die Fotos mussten extra bearbeitet werden.

Jetzt saß ich im Range Rover und zögerte es hinaus auszusteigen. Vor mir lag das kleine Haus meines Vaters. Leichter Regen klopfte gegen die Scheiben und in meinem Magen wog der Knoten schwer.

Ich hatte mit meinem Vater nicht mehr gesprochen und mochte mir nicht vorstellen, wie enttäuscht er von mir war. Laut Liam hatten meine Eltern dabei geholfen meine Bude in London wiederaufzubauen. Aber das sagte mir nichts darüber, was sie nun dachten. Ich konnte sie nicht mehr einschätzen.

Früher wusste ich, was passierte, wenn ich Scheiße baute. Doch jetzt hatte ich absolut keine Vorstellungen.

Hinauszögern brachte nichts, also griff ich nach meiner Reisetasche und schwang die Beine aus dem Auto. Vor der Haustür schob ich mir die Snapback in den Nacken und drückte die Klingel. Ich war schon ewig nicht mehr hier, es fühlte sich ziemlich fremd an. Vor über einem Jahr hatte ich mein Haus in Mullingar verkauft, einfach, weil ich so gut wie nie hier gewesen war.

Jetzt ärgerte ich mich darüber.

Die Tür glitt auf und das Erste, was mich erwartete, war das vertraute Gesicht meines Vaters. Neue Falten waren in seinem Gesicht dazu gekommen, er wirkte schmaler und kleiner, doch eines hatte sich nicht verändert.

„Hey", entwich es mir schwer.

Seine Augen musterten mich noch immer mit derselben Wärme, die mich empfing, wenn ich nach Hause kam. Doch zum ersten Mal wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich war auf alles gefasst, auf Enttäuschung, Abneigung, Wut und Unverständnis.

Ich würde es ertragen, wenn er mich anschrie, mich beschimpfte, wie ich so dumm sein konnte mit der Nase voran in Drogen zu fallen.

Stattdessen lächelte er und machte einen Schritt auf mich zu. Fest umarmte er mich und sofort stieg mir der simple Geruch von Zuhause in die Nase. Ich war so überrumpelt, dass ich nicht sofort reagierte.

Schließlich ließ er mich los und nahm mir die Reisetasche aus der Hand: „Komm rein, Aoife ist schon ganz nervös, ob das Irish Stew zerkocht, oder nicht."

Im Haus lief mir das Wasser im Mund zusammen und ich bemerkte, dass sich trotz meiner langen Abwesenheit nichts verändert hatte. Noch im Flur begrüßte mich die Lebensgefährtin meines Vaters mit einem breiten Lächeln: „Schön, dass du endlich da bist, Niall. Bring deine Sachen in dein Zimmer und dann komm zum Essen."

Es war komisch durch die vertrauten Räume zu gehen und kurz hielt ich in meinem alten Zimmer inne. Hier hatte sich absolut nichts verändert, außer die Bettwäsche. Ich setzte die Tasche ab und öffnete den Schrank, leise schmunzelte ich, denn ich hatte ihn nicht so ordentlich hinterlassen.

Ein paar Fächer waren leer, doch mein Blick fiel auf das Hemd, welches fein säuberlich auf einem Bügel hing. Seit X Factor weigerten sich meine Eltern es wegzuwerfen. Ich hatte es schon einmal in die Altkleidersammlung gesteckt, nur, damit meine Mutter es dort wieder rausholte.

In der Küche erschlug mich der köstliche Geruch von Irish Stew, ein Eintopf aus Lammfleisch, Kartoffeln, Zwiebeln und Petersilie. Dazu hatte Aoife noch Karotten, Pastinaken und Steckrüben reingeschmuggelt.

„Irgendwelche Pläne noch für heute?", fragte mein Vater und ich wischte mit meinem Brötchenrest den Teller sauber: „Nein. Vielleicht auspacken, aber ansonsten nichts."

„Du solltest im Cons vorbeischauen", schlug er vor und ich blinzelte. Eigentlich war mir nicht danach den Pub aufzusuchen. „Die Anderen werden sich bestimmt freuen."

Die Anderen... ich wusste nicht einmal wer sie sein sollten.

Auf Drängen meines Vaters zog ich nach dem Essen zu Fuß los. Das Cons war ganz ordentlich besucht, wie immer an einem Freitagabend und obwohl sich im dunklen Pub mit den vielen Holz nichts veränderte, so fühlte ich mich fehl am Platz. Ich ließ den Blick schweifen und erkannte meinen Cousin Willie, seine Freunde Stephen, Eoghan und Holly Scally, meine Exfreundin. Sie alle zusammen hatte ich ewig nicht gesehen.

Eoghan entdeckte mich als Erstes: „Niall, hier sind wir – kommt, rutscht mal ein bisschen. Smithwicks oder ein Guinness?"

Eigentlich wollte ich keinen Alkohol trinken. Trotzdem sprach ich zögerlich: „Guinness."

Sofort bestellte Eoghan und als ich mich zu ihnen an den Tisch setzte, da sahen sie mich alle an, wie ein Alien auf Besuch. Musik dröhnte zu uns herüber und , der den Pub einst erben würde, brachte mir das Guinness. Ich räusperte mich verhalten und dann fragte ich in die Runde: „Wie geht's so?"

Zuerst antwortete niemand, dann meinte Willie: „Holly hat ihre Karre rückwärts gegen eine Mauer gesetzt und einen Blechschaden."

„Die Mauer war einfach plötzlich da!", empörte sich die Blondine und Stephen prustete in sein Bier: „Klar, die Mauer hat beschlossen dir einfach mal in den Weg zu springen."

„Frag doch die Mauer, wenn du mir nicht glaubst!"

Es war komisch mit ihnen zusammenzusitzen. Ich merkte, dass sie sich Mühe gaben, aber es war Fakt, ich hatte den Anschluss verloren und musste erst einmal wieder durchsteigen, wer mit wem gerade Krach hatte, oder wo es an allen Ecken brannte.

Obwohl es amüsant war, so sehnte ich mich nach Ruhe. Früher war mir Gesellschaft so wichtig, wie die Luft zum Atmen. Partys, Unternehmungen, Ausflüge – auf all das konnte ich mittlerweile verzichten. Jetzt ließ ich den Blick schweifen, hörte manchmal nur mit einem Ohr zu und warf nur ab und an etwas Banales ein.

Um zehn Uhr war mein Limit erreicht.

„Ich muss los", sprach ich schließlich, stand auf und verabschiedete mich. Mein Guinness hatte ich nicht angerührt. Bei Darragh zahlte ich die Zeche und sorgte dafür, dass die Rechnung der anderen auch gleich beglichen war."

„Großzügig, wie immer", brummte er und ich reagierte darauf nicht. Als ich die Tür nach draußen aufstieß, da atmete ich tief durch.

Geschafft.

Ich vergrub die Fäuste in der Jackentasche und wollte gerade den Weg nach Hause einschlagen, als Willie mich einholte: „Niall, warte mal."

Prompt blieb ich stehen und wandte mich um. Mein Cousin quälte sich umständlich in seine Jacke, dann nickte er auf sein knallgrünes Auto: „Komm, ich fahre dich nach Hause."

„Lass mal, es ist nicht weit", wehrte ich ab, doch er ließ nicht locker: „Spinn nicht, ich muss eh durch eure Straße."

Kurz darauf hievte ich mich auf den kleinen Sitz und prompt sprang das Radio an. Sofort stellte Willie es leiser und fragte: „Alles okay?"

„Ja", antwortete ich knapp. Den Rest der Fahrt bemühte sich Willie um ein spannendes Gespräch, dass wir gar nicht brauchten. Vor dem kleinen Haus meines Dads hielt er und ich sprach: „Danke fürs mitnehmen."

„Niall", rang Willie sich durch, er wusste scheinbar nicht, wie er es sagen sollte. Also nahm ich ihm das ab und sprach: „Lass gut sein, ja? Ich haue mich ins Bett und melde mich die Tage mal."

Mein Cousin nickte zerstreut und ich war froh, als er mich endlich ziehen ließ. Möglichst leise schlich ich mich ins Haus und hörte den Fernseher laufen, ab und an unterhielten sich mein Dad und Aoife, aber ich verstand sie nicht.

In meinem alten Zimmer ließ ich mich schwerfällig auf meinem Bett fallen. Ich war hier falsch, hier gehörte ich nicht hin. Denn hier fühlte ich mich noch fremder, als in London.

Später machte ich mein Wlan im Handy an und checkte neue Nachrichten. Modest! hatte also mein Schreiben veröffentlicht und es stellte unsere Fans nicht sehr zufrieden. Viele waren enttäuscht, hatten sie sich doch auf neue Musik und eine weitere Tour gefreut.

Ich verstand sie, aber ich konnte ihnen nicht die Wahrheit schreiben. Noch nicht. Sie mussten warten und mir diesen Raum geben. Wenn ich wieder auf den Damm war, dann sicherlich. Als ich also auf dem Bett lag und das Handy sinken ließ, da blickte ich an die dunkle Decke und fragte mich, ob es sich irgendwann wieder okay anfühlen würde.

Kurz darauf ließ ich Musik laufen. Mein Handy war voll mit Maras Songs, egal welche es je ans Tageslicht geschafft hatten. Ich hörte zwar nicht ihre Stimme, aber irgendwie beruhigte mich ihre Arbeit. Der Konzertfilm von The Metropolis kam nächste Woche raus und ich konnte es kaum abwarten ihn zu sehen.

Mehrmals wollte ich mich überwinden Mara anzurufen, aber ich konnte das nicht. Denn was sollte ich ihr sagen? Egal, wie ich es drehte und wendete, keine Entschuldigung der Welt würde das gut machen, was ich getan hatte.

Die Tatsache, dass ich seit dem Entzug ständig an Mara dachte, machte das Ganze nicht leichter. Stattdessen wurde es nur schlimmer. Ich vermisste sie. Natürlich hatte ich sie auch vorher schon vermisst, aber jetzt war es... anders.

Am Morgen war es ruhig im Haus und zum Ersten Mal seit langer, langer Zeit nahm ich meine erste Gitarre zur Hand. Sie war verstimmt und klang grausam, doch sie sorgte für ein längst vergessenes Glücksgefühl.

„Morgen", hörte ich meinen Vater sagen und zuckte erschrocken zusammen. Er wirkte nachdenklich und setzte sich schwerfällig auf meinen knarrenden Schreibtischstuhl. In der Hand hielt er eine starke Tasse Kaffee und musterte mich, dann sprach er: „Und was hast du jetzt so vor?"

Das war die gute Frage.

„Ich sollte mich operieren lassen", sagte ich langsam und setzte mich aufrecht hin. Meine Stimme tat zurzeit nicht weh, aber ich nutze sie auch nicht viel. Stattdessen klang ich erschreckend monoton.

„Weißt du schon, wo du das machen lassen willst?"

Knapp nickte ich: „Richard hat mir mehrere Optionen angeboten. Nahe liegt London, aber um ehrlich zu sein denke ich, dass es vielleicht besser wäre, wenn ich unter dem Radar laufe."

Mein Vater nippte an seinem Kaffee, er hörte stumm zu, also führte ich aus: „Die Schweiz hat gute Ärzte, ich mag das Land und hätte dort mehr Ruhe und wenig Ablenkung. Niemand würde mich dort vermuten und ich bräuchte nicht ständig einen Personenschützer."

Außerdem wäre die Versuchung, in mein altes Schema zurückzufallen geringer.

„Ich könnte die Reha direkt vor Ort machen und die Schweiz hat erstklassige Stimmtherapeuten, die mir helfen könnten, meine Stimme wiederaufzubauen."

„Willst du das denn?", fragte mein Dad und ich musste gestehen, ich wusste das selbst nicht so genau. Denn die Operation garantierte mir nichts. Ich würde mein altes Leben nicht einfach so zurückbekommen und niemand konnte sagen, wie sich meine Stimme danach entwickelte.

Ich zuckte mit den Schultern: „Wer immer nach einer Möglichkeit sucht, alle Risiken auszuschalten, bringt sich um alle Möglichkeiten."

Mein Vater lächelte, dann stand er schwerfällig auf: „Gut, ich rufe Richard an und sage ihm, er soll einen Termin in der Schweiz machen und unsere Flugtickets buchen."

Prompt blinzelte ich, so als hätte ich mich verhört. Mein Dad bemerkte es und sprach: „Ich komme mit, du solltest das nicht alleine machen."

„Was ist mit der Arbeit?", warf ich an, doch er winkte ab: „Jack wird Verständnis haben, kennst ihn doch."

Das stimmte, sein Chef war eher Kumpel statt Vorgesetzter.

Ich war mehr als froh, dass Richard ziemlich schnell einen Termin bekam und ich so zwei Tage später schon wieder abreisen konnte. Louis und Harry riefen an, ob ich Gesellschaft brauchte und Liam versprach in der Schweiz vorbeizuschauen.

Es war schon komisch, als ich meine Sachen wieder ins Auto packte, da wurde mir klar, dass Mullingar irgendwie für mich nicht mehr Zuhause war. Zuhause war nun für mich London und es war in Ordnung, ich hatte kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich an Irland dachte.

Mein Vater und ich flogen ins Kantonsspital Aarau in die Schweiz. Basil begleitete uns, nur für den Fall der Fälle. Ich war jedoch der Meinung, dass wir zu dritt mehr auffielen, als zu zweit. Möglichst unscheinbar gekleidet meldeten wir uns in Aarau an.

Ich hatte kein Auge für Aarau selbst, stattdessen wollte ich nur so schnell wie möglich endlich etwas zu tun haben. Stunden verbrachten wir damit im Krankenhaus auf und ab zu laufen, zahlreiche Voruntersuchungen zu wuppen und Zeit totzuschlagen.

Fast zwei Tage brauchten wir, dann saßen wir endlich im Büro von Doktor Kielholz und sahen einen Mann, Mitte vierzig und mit Halbglatze, abwartend an. Laut Richard war er einer der renommiertesten Stimmchirurgen in Europa und auf die stimmverbessernde Operationen bei „voice professionals" spezialisiert.

Um uns herum standen Regale voller Akten, Abbildungen von Hals, Nase und Ohren, immerhin befanden wir uns in der Oto-Rhino-Laryngologi.

Links von mir stand eine Kommode, auf der 3D Abbildungen der HNO-Bereiche thronten und an den Türen der Kommode selbst klebten Kinderzeichnungen.

Der Gott in Weiß blickte noch einmal in vorliegende die Akte, dann sprach er in einem weichen Englisch: „Ihre Stimmbandknötchen haben sich stark herausgebildet, Mr Horan."

Zum Glück hockte Basil draußen, denn es war unglaublich unangenehm zuzugeben, dass ich all dies mit einfachen Medikamenten hätte verhindern können. Gerade wollte ich das erklären, als Doktor Kielholz lächelte, die Hände auf seinem Schreibtisch faltete und fragte: „Was erwarten Sie als Musiker von dieser Operation?"

„Ich möchte meine Stimme wieder ausreichend belasten können", gab ich zu und Doktor Kielholz musterte mich eindringlich: „Das heißt, Sie möchten wieder auf Tour?"

Ich nickte knapp und mein Gegenüber verzog keine Miene, dann sprach er: „Sie wissen, dass Ihre Stimme sich nach einer erfolgreichen Operation anders anhören wird und dass Sie eine ausführliche Reha brauchen, sowie weiter in Behandlung bleiben werden?"

„Ja", gab ich zu. „Ich werde Stimmtraining brauchen, um zu lernen, wie ich meine Stimme richtig nutze."

„Der Aufwand wird sich ziehen, Sie dürfen nicht damit rechnen vor Weihnachten voll einsatzfähig auf Tour gehen zu können", erklärte er mir. „Vielleicht wieder ins Studio, aber auch das nur mit medizinischer Kontrolle."

Wir hatten Hochsommer. Eine lange Wartezeit stand mir bevor.

„Bis zum Herbst werden Sie sich erholen müssen und dann langsam mit dem Aufbautraining der Stimme beginnen können", fuhr Doktor Kielholz fort. „Können Sie diese Zeit aufbringen?"

Ich würde es müssen: „Ja." Etwas anderes blieb mir nicht übrig.

Er notierte sich etwas und ich spürte, dass mein Vater neben mir, unruhig wurde. Seine Stirn war gerunzelt und er schien sich Sorgen zu machen.

Doktor Kielholz holte das 3D Model für den Hals und begann mir zu erklären, was mich erwarten würde. 

Immer wieder änderte er die Position seines Kugelschreibers. „Da es sich bei Stimmlippenknötchen um eine Erkrankung der oberflächlichen Stimmlippenanteile handelt, ist es nicht erforderlich, den Stimmlippenkörper zu eröffnen wie bei anderen Erkrankungen. Meistens ist es ausreichend, die Stimmlippenknötchen vorsichtig zu entfernen und den Stimmlippenrand mikrochirurgisch zu rekonstruieren."

Er zeigte mir, wo alles passieren würde und ließ durchsickern, dass die Operation an sich nicht besonders gefährlich war. Immerhin etwas.

„Nach der Operation von Stimmlippenknötchen sollten Sie eine Stimmruhephase von 10-14 Tagen einhalten. In dieser Zeit erfolgen die Wundheilung und das Zeitintervall, in welchem sich die feine Deckhaut wieder über dem Wundbereich bildet", fuhr er fort und ich beugte mich vor.

„Die Stimmruhezeit ist unbedingt einzuhalten. Flüstern ist nicht gestattet. Darüber hinaus sollte in der Zeit der Wundheilung auch auf das Rauchen verzichtet werden. Der Genuss von Alkohol sollte aufgrund der damit verbundenen Blutungsgefahr vermieden werden", er räusperte sich und musterte mich: „In Ihrer Akte ist ein Entzug vermerkt, Mr Horan."

„Ja", gab ich zu. „Er ist abgeschlossen und ich bin clean."

„Sie werden verstehen, dass wir uns davon selbst überzeugen müssen", sprach Doktor Kielholz und schrieb sich dazu etwas auf.

Es folgte, dass er mir erklärte, was nach der Operation passierte. Nach erfolgter Stimmruhephase war eine intensive, hochqualifizierte stimmtherapeutische Arbeit mit einem spezialisierten Therapeuten dringend zu empfehlen. Doch das wusste ich bereits.

Da sich Stimmlippenknötchen ohnehin auf der Basis eines unangemessenen Stimmgebrauchs gebildet haben, wurde besonderer Wert daraufgelegt, die vokalen Druckmuster des Patienten, die sich ja manchmal über Jahre aufgebaut haben, zu korrigieren. 

Diese Überdruckmuster der Stimme musste im Rahmen einer längeren Stimmübungstherapie abtrainiert werden, sonst war ein Wiederauftreten von Stimmbandknötchen zu befürchten.

Nachdem ich aufgeklärt war, musste ich Formulare unterschreiben und zu weiteren Checks. Ohne zu murren lief ich sie alle ab und landete ab und an mit meinem Vater in der Cafeteria. Wir redeten nicht viel, das brauchten wir auch nicht.

Schlussendlich bekam ich einen Termin, der in fünf Tagen stattfand. Bis dahin sollte ich allerdings noch einmal auftauchen, damit man mir vor der OP Blut abnehmen konnte. Ich hatte Verständnis dafür, dass sie kontrollieren wollten, ob ich wahrhaftig clean war.

Nadeln blieben furchtbar für mich und ich musste mich zwingen wegzusehen. Den gesamten Donnerstag lief ich über die weiten Flure des Krankenhauses. Sprach mit der Anästhesistin und ließ mich dermaßen durchchecken, wie schon lange nicht mehr.

Allergien, Vorerkrankungen und jeder kleine Pups wurde abgesprochen.

Mein Vater wartete in dem Einzelzimmer auf mich. Er blätterte sämtliche Zeitungen durch, die er sich aus Mullingar hatte mitgenommen und packte sogar sein iPad aus. Ich wusste, wie ungerne er daran herumhantierte. Als ich spät am Nachmittag zurück ins Zimmer kam, da begriff ich, dass er mit Louis Skypte und ihm das Krankenhaus gezeigt hatte.

Ich setzte mich aufs Bett und mein Dad machte den iPad aus: „Es hat seine Vorteile einen Bonus zu besitzen, hm?"

„Hätte sonst sicher Monate auf einen Termin gewartet", gab ich zu und Ruhe auf einem Einzelzimmer zu haben war auch großartig. Hier konnte ich Fernsehgucken und machen, was ich wollte. Außerdem war es bestimmt geräumiger. Die Aussicht jedenfalls konnte sich sehen lassen.

„Ich habe Unterlagen von einer Schwester bekommen, wo du die Reha machen könntest", sprach mein Vater und reichte mir die Prospekte. „Du willst sicher in der Schweiz bleiben, oder?"

„Wäre mir lieber. In London und Los Angeles würde ich keine Privatsphäre haben und ich denke, dass du die auch nicht mehr allzu lange in Mullingar hast", meinte ich und sah ihn abwartend an. Weihnachten hatten schon Mütter an der Haustür meines Dads geklingelt und nach mir gefragt.

Aoife war richtig laut und wütend geworden.

„Und wenn schon, sie werden selbst alle feststellen, dass du nicht da bist", sprach er leichthin. Es blieb nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Paparazzos sich an die Spur eines jeden hefteten. Die Jungs waren darauf vorbereitet. Aber mein normales Umfeld hatte sich immer schwer damit getan.

Mein Vater warf einen Blick auf die Uhr, dann erhob er sich: „Ich muss los. Maura landet in einer Stunde."

Ich blinzelte und mein Dad lachte: „Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, dass deine Mutter hier nicht ihre Zelte aufschlagen würde, oder? Sie ist immer noch sauer, dass du nicht bei ihr vorbeigefahren bist, als du in Irland warst. Wenn du also die Operation morgen halbwegs hinter dir hast, wird sie dir die Leviten lesen."

„Na toll", beschwerte ich mich und prompt grinste mein Vater noch breiter: „Und das Tollste, dieses Mal wirst du ihr nicht einmal Wiederworte geben können."

Stimmt, ich war zu zwei Wochen Schweigen verdammt.

„Liam ist ab übermorgen da, bis dahin solltest du dir überlegen, wo du die Reha machst, damit er dich dabei unterstützen kann, eine passende Unterkunft zu finden", meinte er und zog sich die Jacke an, dann umarmte er mich und gab mir einen aufmunternden Klaps gegen die Wange.

„Du solltest dich heute verabschieden, Niall", waren seine letzten Worte, bevor er ging und als sich die Tür hinter ihm schloss, da wusste ich genau was er meinte. Ich setzte mich auf die breite Fensterbank und sah, wie die Sonne am lauen Abend langsam verschwand.

Morgen war es endlich so weit. Ich würde es riskieren und meine alte Stimme verlieren. Aber vielleicht konnte ich mit der Neuen ein anderes Kapitel anfangen. Ob ich dann wirklich noch zurück auf die Bühne wollte, das würde sich zeigen.

Das Zimmer wurde in ein mattes Orange geflutet und in diesem Moment griff ich nach meinem Handy und nahm eine letzte Sprachnachricht auf. Immer wieder musste ich eine Pause machen, denn die richtigen Worte zu finden, war schwierig. Doch gleichzeitig wusste ich, dass es nicht alleine um die richtigen Worte ging.

Sondern darum, etwas längst Überfälliges laut auszusprechen. Als sie zu Ende war, da schickte ich die Aufnahme direkt ab. Ich wusste nicht, ob ich mich besser fühlen sollte. Trotzdem atmete ich laut durch und war froh, es nicht weiter hinausgezögert zu haben.

Wartend sah ich nun auf die Sendung und dann gingen die beiden Häkchen auf WhatsApp an.

Mara hatte meine Nummer nicht blockiert.

Und das gab mir mehr Hoffnung, als es sollte.

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