10 ♪ Back to you

I know you say you know me, know me well

But these days I don't even know myself, no

I always thought I'd be with someone else

I thought I would own the way I felt, yeah

[ Louis Tomlinson ]



MARA ║ „Ich weiß, wir haben uns lange nicht gesehen, aber du darfst mich ruhig loslassen, Miss England", hörte ich Spencer sagen. Wie eine Klette klammerte ich mich an ihn. Beine, Arme, alles, was ich hatte.

Ich wusste, dass er kommen würde – irgendwie. Aber es war trotzdem schön zu wissen, dass die Hoffnung nicht enttäuscht worden war. Vorsichtig trat er mit mir durch die Tür, warf sein Gepäck zur Seite und dann stürzte Alex auch schon zu uns. Ich wurde zur Seite gedrängt und auch Mattheo hielt sich nicht zurück, als er gähnend die Treppen runterkam.

Nach einigem hin und her fanden wir uns schließlich in der Küche wieder und wir alle drei sahen Spencer schweigend an. Er runzelte die Stirn, dann sprach er: „Tut mir leid, dass ich so ausgetickt bin und so spät komme."

Noch immer schwiegen wir.

Irritiert fügte er hinzu: „Ähm... und ich verspreche, solche Aussetzer kommen nicht wieder vor."

Regungslos sahen wir ihn an und nun fragte er: „Was ist los?"

„Ähm..."

„Also.."

„Nun ja..."

Wir tauschten zu dritt einen unsicheren Blick. In diesem Moment fiel der Groschen bei Spencer und er schlug sich die Hand gegen die Stirn: „Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, dass ich diese bescheuerte Ausstiegsklausel unterschreibe, oder?"

„Nein, natürlich nicht", beeilte ich mich zu sagen. Neben mir schüttelte Mattheo heftig den Kopf, während Alex einfach gar nichts tat. 

Ehrlich gesagt, doch, wir hätten es ihm zugetraut.

„Ich habe nur eine kleine Pause gebraucht, das ist alles und ich hoffe... es reicht, wenn ich zu Kreuze krieche und eine Runde Pizza ausgebe?", warf er ein. Leicht rot wurde er um die Nase, denn es schien ihm unangenehm zu sein, dass wir wegen ihm ziemlich lange in der Luft hingen.

„Die Sache ist die", begann Alex, „wir nehmen die Pizza sofort, aber Fenton ist ziemlich..."

„... scheiße drauf", beendete Mattheo den Satz.

Spencer musterte sie: „Ich habe im Flugzeug die Sun gelesen. Er wird jetzt der Schwestern-Killer genannt?"

In diesem Augenblick wurde mir klar, dass Spencer wirklich null Ahnung hatte, wie echte Freundschaft richtig funktionierte und scheinbar machte er das nicht einmal mit Absicht. 

„Hör mal, Spencer, dein heiß geliebter Fynnyboy ist echt schlecht auf dich zu sprechen." Ich verknotete die Finger miteinander.

„Jaaaa", gab er gedehnt zu, „ich hätte ihn nicht so rüde behandeln sollen und gehe mich am besten entschuldigen."

„Nein", schob ich hinterher und räusperte mich: „Fenton ist nicht deshalb so schlecht drauf, sondern denkt, dass er von Harry abgelöst wurde."

Spencer sah mich an, als hätte ich verkündet, ich würde jetzt nur noch im Tanga auf Konzerten live spielen.

Zum Glück kam mir Mattheo entgegen und erklärte: „Er ist dein bester Kumpel und denkt, er hat jetzt ausgedient."

„Ja", bekräftigte Alex. „Sieh mal, du bist sein Wingman, seine erste Wahl, wenn es darum geht irgendeinen Scheiß zu machen und sind wir ehrlich, wenn du aus dem Knast ausbrechen wollen würdest, dann wäre Fenton auch deine erste Wahl."

„Ihr könnt Tage damit verbringen Mist zu machen und eure Zeit zu verschwenden", führte Mattheo fort. „Und trotzdem käme es keinen von euch wie Verschwendung vor."

„Außerdem, jetzt leg mal die Hand aufs Herz", verlangte Alex und wartete, bis Spencer tat, worum er bat. „Du weißt doch sicher selbst schon, dass du ihn uns gegenüber immer bevorzugen würdest."

„So ein-", begann Spencer, doch wir sahen ihn alle drei mit en typischen Wir-durchschauen-dich-Blick an.

„Da ist nichts Schlimmes dran", behauptete Mattheo und lächelte. „Im Gegenteil, Mara und ich würden auch immer zuerst Alex anrufen, wenn die Kacke am dampfen wäre."

Wir alle würden Alex anrufen, der Vergleich war ziemlich mies.

Ich beugte mich vor: „Gib's auf, dein bester Freund fühlt sich ersetzt und du bringst das besser in Ordnung, bevor Parker seine Definition von 'ersetzen' wahr werden lässt."

„Okay", meinte Spencer langsam und fragte, wo er hinmüsste. Als er erfuhr, dass wir ein Zimmer für ihn freigelassen hätten, da huschte ein merkwürdiger Ausdruck über sein Gesicht, etwas, was ich vorher noch nie gesehen hatte.

Eine Mischung aus Unglauben, Freude und Überforderung.

Kurz darauf packte er seine Sachen und machte sich auf den Weg nach oben. Ich wartete, bis die Schritte nicht mehr zu hören waren, dann wollte ich hinterher. Doch Alex war schneller und griff nach meinem Arm: „So sehr ich deine Neugierde auch teile- Mattheo, wo willst du hin?"

„Willst du nicht wissen, was oben abgeht?", fragte er überrascht.

Wir hockten schließlich zu dritt direkt vor Fentons Zimmertür und pressten unser Ohr dagegen. Es war ungemütlich und anstrengend, denn Alex stütze sich auf meinem Rücken an. Ich fluchte zischend: „Wieso sind die Türen so dick?"

„Du hast sie doch ausgesucht", hielt mir Mattheo vor. Wir hörten gar nichts und das ziemlich lange, frustrierend.

Erst als etwas ordentlich bumste, da stürzten wir zur Treppe, um uns wie Spione auf die Lauer zu legen. Keine Sekunde zu früh, denn die Zimmertür von Fenton sprang auf und wir hörten: „Lass mich los, mir geht's gut!"

„Du stinkst furchtbar", hielt Spencer dagegen. Beinahe schlug Fenton sich den Kopf an, denn er wurde wie ein nasser Sack über die Schulter getragen. Der Alkoholgeruch wehte zu uns herüber und wir verzogen sofort das Gesicht.

„Ich glaub' ich muss kotz'n...", hörten wir Fenton würgen. Sie taumelten ins Bad und da erhob sich Mattheo schließlich zufrieden: „Ging ja fix."

Alex tat es ihm mit einem Lächeln gleich und beide verschwanden wieder zum Frühstück. Ich hörte es noch einmal krachen und Fenton dann kreischen: „Du musst mich nich' auszieh'n!"

„Du kannst dich kaum bücken, außerdem weiß ich schon, wie Big Fynnyboy aussieht", erklärte Spencer.

Kurze Stille, dann ertönte ein dramatisches: „Du warst mir untreu, wie kannst du nur!", von Spencer.

Es folgte sein episches Buhu-Geheule und ein Geräusch, das arg danach klang, als hätte sich Fenton in der Dusche aufs Maul gelegt.

„Ich dachte, wir halten uns immer gegenseitig die Hand, wenn wir uns ein neues Tattoo stechen lassen und jetzt brauchst du mich nicht mehr!", klagte Spencer nun.

„Altaaaa, kraul mir nich' die Eier, du hast doch damit angefang'n ne' Solo-Nummer zu ziehen", beschwerte sich Fenton, doch Spencer ging gar nicht drauf ein: „Es ist rot! Rot! Als hättest du eine Ladung Nasenbluten drüber gehabt!"

Ich musste grinsen und in diesem Moment war klar, dass zwischen den zwei Chaoten alles wieder wie immer war. Nur, dass wir jetzt alle belustigt beobachten konnten, wie Spencer begriff, was es hieß jemanden zu haben, der ihn als best Buddy sah.

Er verhätschelte Fenton, als wäre dieser drei und nicht auf dem Weg zur Dreißig. Es gab eine Kopfschmerztablette und jede Menge Wasser für Fenton, dazu eine Mütze Schlaf. Erst am frühen Nachmittag fanden wir alle in meinem Zimmer zusammen.

„Wieso werden Krisensitzungen jetzt hier abgehalten?", beschwerte ich mich, während die Jungs sich breitmachten. Eine Antwort bekam ich nicht, stattdessen ging Alex mit uns ein strammes Programm durch.

Wir mussten viel klären.

Zuerst einmal brachten wir in vier Wochen die Tour zu Ende und riefen Parker an, damit dieser alles organisieren konnte. Dann stand der letzte Song für die Sky-Reihe auf dem Programm und schließlich ging es darum, was wir danach aufgreifen wollten.

Spielberg ließ E.T. – Der Außerirdische neu verfilmen und fragte, ob wir Interesse hätten. Darüber runzelte Spencer lange die Stirn, denn er war für uns der Experte für Filme.

„Spielberg ist eine große Nummer, toll und alles, und normalerweise würde ich sofort zusagen", sprach er langsam. „Aber Remakes von berühmten Filmen laufen selten wirklich gut und ich mag die alte Version von E.T."

„Also ein Nein", schloss Alex sauber ab. „Wir können ja durchsickern lassen, gerne für einen Film von Spielberg zu arbeiten, aber nicht für ein Remake."

Am liebsten würde ich für Disney schreiben, aber daran schien niemand auch nur einen Gedanken zu verschwenden, egal wie oft ich es durchsickern ließ. Die Jungs schienen einfach nichts davon zu halten Disney als Herausforderung ansehen zu wollen.

Das Nächste waren mehrere kleine Gastauftritte in Serien. Ich setzte Riverdale durch, da ich die Serie angefangen hatte zu schauen und liebte, außerdem verkündete ich, dass ich sie alle hassen würde, wenn mir die Jungs den Wunsch bei Doctor Who abschlugen. 

The Big Bang Theory, Navy CIS und Arrow zogen also den Kürzeren.

Danach diskutierten wir über das neue Album, eines, was wir etwas anders aufziehen wollten. Natürlich waren wir zufrieden im Bereich Pop Rock, aber es war Zeit für ein paar Experimente und Spencer erklärte sich einverstanden ein paar Sitzungen bei einem Gesangslehrer abzuhalten.

Auch wir würden unsere alten Mentoren noch einmal um ein paar Kniffe fragen.

Mein Blick fiel auf Fenton, er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und wirkte merkwürdig ernst. Ich kannte diesen Gesichtsausdruck und die anderen auch.

„Was ist?", fragte Mattheo und Fenton antwortete: „Es gibt da Richtungen, die ich gern' anschneiden würd', aber es wäre... riskant und wir müss'n stark drauf achten, dass wa' nich' kopieren, ne?"

„Spuck es schon aus", meinte ich ungeduldig. Kurz darauf erklärte er, dass es gewisse Stilrichtungen im Rock Genre gab, die unangefochten Geschichte schrieben. 

We will rock you, Sweet child o' mine, Livin on a prayer, Tiny dancer, sie alle wagten damals einen neuen Schritt und waren doch in gewisser Weise gleich.

Ich verstand Fenton.

Aber scheinbar als Einzige.

Er wollte, dass wir mutiger wurden und sich zu unserer recht guten Party, die wir auf Konzerten immer abzogen, so etwas mischte, wie dieser eine Gänsehautmoment. Aber dafür mussten wir uns etwas einfallen lassen.

„Wir sollt'n Mara Raum geb'n, für sehr emotionale Texte, etwas, was wa' dramatisch oder aber auch schlicht inszenieren könn'." Fenton kratze sich an der Stirn. „Aber das geht nur, wenn wa' ganz gezielt darauf achten vom Mainstream wegzukomm'."

„Aber was ist", warf Alex ein, „wenn daraufhin ganze Säulen an Fans wegbrechen?"

Fenton schüttelte den Kopf: „Wenn wa' das richtig mach'n, dann wird das nich' passieren. Außerdem haben wa' nie für Fans gespielt, sondern-"

„-für uns", schloss Mattheo. „Er hat recht, das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Wenn wir anfangen uns nur noch nach anderen zu richten, dann geht uns irgendwann der Spaß flöten."

Ich sah auf unser ursprüngliches Album und bemerkte nicht, wie ich von allen Seiten angesehen wurde. Stille breitete sich aus, schließlich fragte Spencer: „Was ist, Miss England?"

Hart schluckte ich: „Um ehrlich zu sein... ich mag das neue Album nicht so sehr, wie ich sollte."

Fenton brach in lautes Gelächter aus, dann gab er zu: „Ich auch nich'. Meene Fresse, und ich dacht' schon, dass ich dat echt die nächste Tour aushalten muss."

„Ich verstehe nicht", begann Alex, „wieso mögt ihr es nicht?"

„Es ist so ähnlich, wie unser Zweites", brachte Mattheo es auf den Punkt. „Es fehlen die Überraschungen. Der einzige Song, den ich gut finde, ist der für Sky."

Nun lachte Spencer hysterisch auf und bekam sich überhaupt nicht mehr ein. Mattheo schlug ihn mit meinem Bettkissen und er keuchte: „Parker wird uns umbringen."

Aber so was von.

Schweigend musterte Alex uns und schließlich seufzte er: „Okay, folgendes, wir nehmen das Album neu auf, ich schaue, ob ich ein Tonstudio irgendwo auftreiben kann und ihr zwei-", er deutete auf Fenton und mich, „-kümmert euch darum, dass alles steht in spätestens drei Wochen. Um Parker kümmert sich Mattheo."

„Wieso ich?", geschockt sah dieser auf.

„Weil du dann deinen Bitte-friss-mich-nicht-Blick aufsetzt und er dich nicht anbrüllen kann", behauptete Spencer.

Mich durchflutete dagegen totale Erleichterung darüber, dass ich nicht alleine dastand, was das neue Album betraf. Die Musik für Skyless war toll, sogar Orgel hatten wir Fenton spielen lassen um einen dramatischen Moment besonders hervorzuheben.

Der Titelsong würde sehr melancholisch sein, auf Abschied gestimmt, so wie es für einen letzten Teil einer Reihe nun einmal passte. Ich freute mich darauf ihn endlich mit Spencers Stimme zu hören.

„Super", fasste Fenton sehr aufgekratzt zusammen. „Und jetz' geh'n wa' was trinken."

„Wie wäre es, wenn wir uns erst ein bisschen London ansehen und dann im Pub bleiben?", schlug Spencer stattdessen vor. Ich wollte gerade einwerfen, dass wir uns nicht einfach mehr draußen bewegen konnten, wie in Nashville. Paul und Parker war es beiden lieber, wenn wir jemanden dabei hatten, der die Lage unter Kontrolle hielt.

Selbst Fenton hatte auf seiner Sauftour einen Aufpasser da, der ihn im Falle eines Falls einsammeln konnte.

Doch bevor ich auch nur etwas sagen konnte, da stand gerade Alex schon begeistert auf: „Los, machen wir uns fertig."

„Aber nicht nach Madam Tussaud", sprach Mattheo, „dort ist es einfach nur gruselig."

„Können wir ein Jamie Oliver Restaurant besuchen?", fragte Spencer als sie sich alle daran machten aus meinem Zimmer zu kriechen.

Fünfzehn Minuten später fanden wir uns im Flur ein, alle startklar und hinter mir hörte ich Spencer labern: „Hey Leute, sorry, dass es so lange nichts Neues von uns gab, aber die kleine Pause war dringend nötig. Ich hoffe, ihr nehmt uns das nicht allzu übel."

Ich wandte mich um, denn er quatschte in die übliche Kamera.

„Heute erkunden wir London! Vielleicht werden wir den einen oder anderen im Tower los und sind am Ende nur noch ein Trio."

„Pass ma' auf, dass du dat nich' bist", höhnte Fenton.

Wir besuchten das Dungeon und ohne auf Mattheo Rücksicht zu nehmen quälten alle ihn dort durch. Jeder hatte eine Snapback auf, eine Mütze oder seine Kapuze des Pullovers über den Kopf gezogen.

Spencer flüsterte fast nur noch in die Kamera und als es endlich losging, da schwitze Mattheo vor Angst vier Kilo Wasser weg.

Zweimal sprang er mir in die Arme und Fenton und Spencer konnten es nicht lassen und nutzen jede Gelegenheit, um ihn abseits der Attraktion kreischen zu lassen. Dabei pisste sich der eine vor Schiss in die Hose und die anderen beiden sich vor Lachen.

Alex machte dem schließlich wütend ein Ende.

Als nächstes besuchten wir das Cabinet War Rooms, dies war die ehemals geheime Kommandozentrale der britischen Kriegsführung im Zweiten Weltkrieg. Schweigend lauschten alle dem Frendenführer. Immer wieder drehte Fenton sich zu mir um, er wirkte nervös und kurz darauf verstand ich weshalb.

Eine Gruppe von vier Erwachsenen musterten uns immer wieder, tuschelten und sahen sich über die Schulter. Sobald sich der Pulk bewegte, zum folgenden Ausstellungsstück, seilten wir uns ab. Niemand wollte nun irgendwelche Fotos machen und dann von weiteren Leuten verfolgt werden.

Wir landeten auf dem Borough Markt und stopften uns dort mit Essen voll. Die Auswahl war so riesig, dass wir uns kaum entscheiden konnten.

Fenton überfraß sich fast am Pork Pie, während Alex vom grünen Thai nicht genug bekam und immer wieder die Meeresfrüchte darin lobte.

„Wenn er noch einmal sagt, dass die Shrimps schmecken, wie frisch aus dem Meer, dann findet er sich da gleich wieder", hörte ich Spencer murmeln. Neben mir schlang Mattheo sein Porchetta Sandwich herunter, als habe er die Befürchtung, wir könnten es wagen abzubeißen.

Spencer dagegen filmte, quatschte und störte die anderen beim schlingen. Erst als wir fast am Ende des Marktes waren, da flogen wir auf. Zwei Teenager-Mädchen überfielen uns und baten um ein Foto. So direkt weigerte sich niemand von den Jungs. Etwas verhalten grinsten wir in die Kamera.

Bevor wir jedoch in die Pubs wollten schlenderten wir an der Themse entlang. Ich grub die Fäuste in meine Jacke und betrachtete die Jungs vor mir. Sie alberten herum, zogen sich gegenseitig auf und niemand schien darauf zu achten, welch schöne rötliche Farben der Himmel nun hatte.

Die Sonne ging unter und der Weg vor uns wirkte erschreckend leer. Ich ließ den Blick schweifen, sah die Fähren, spürte die kühler werdende Luft und irgendwie, warum auch immer, dachte ich plötzlich nach sehr langer Zeit wieder an Niall.

Sich in ihn zu verlieben war wundervoll gewesen, aber zu sehen, dass die Gefühle nur einseitig waren... weniger.

Die letzten Wochen hatte ich mich gezwungen keine einzige Sekunde mehr an ihn zu verschwenden. Ich hatte mich taub gestellt, was ihn betraf und am Anfang war es auch einfach besser gewesen.

Es sollte mir egal sein, wo er war und doch war es das nicht.

Briana erzählte mir, bevor sie nach Malibu flog, dass die Jungs Niall zum Drogenentzug gebracht hatten und sofort spürte ich einen bitteren Geschmack auf meinen Lippen. Ich wusste, dass er damals, als ich einen Tag früher nach London kam, bereits große Probleme hatte.

Für einen Musiker gab es nichts Schlimmeres, als wenn man der eigenen Stimme nicht mehr trauen konnte. Niall löste dieses Problem auf seine Weise.

Die Falsche, wie ich mittlerweile wusste.

Ich sollte Verständnis für ihn haben und er hatte Teils auch recht mit dem, was er mir damals sagte. Denn ich hatte gewusst, dass er nicht dieselben Gefühle für mich hegte, wie ich für ihn. Und trotzdem ließ ich mich auf ihn ein.

Es war dumm von mir.

Doch gleichzeitig... hätte ich es auch nie anders haben wollen.

Die warmen und schönen Gefühle, die Niall in mir weckte, waren den Schmerz danach wert gewesen. Ich erinnerte mich gerne an die schönen Dinge mit Niall zurück.

Dies war es auch, was Penny mir riet: Denk an das, was toll war.

Und setzte einen Strich drunter.

Nun, ich gab mein Bestes. Im Moment war der Strich nur mit Bleistift gezogen, aber ich arbeitete darauf hin, dass ich nun mit einem Kugelschreiber ansetzten konnte.

Niall war eine Erinnerung, die ich zwar behalten wollte, aber zu der ich Abstand gewinnen musste. Auch zu den Gefühlen. 

Ich konnte sie nicht abstellen, dieser Gedanke war dumm. Aber vielleicht konnte ich anfangen aufzuwachen und den Schmerz, der sich in Taubheit verwandelt hatte, entgegentreten.

Ich sah auf die Jungs, hörte sie lachen, bemerkte ihre glücklichen Gesichter und nicht zum ersten Mal fand ich, dass Tante Carrie uns erschreckend gut zusammengesucht hatte. Jeder von uns war anders und doch wirkten wir ein bisschen wie ein Puzzle.

Ohne Absicht blieb ich stehen, dachte an Fentons Worte, dass wir mutig sein sollten, emotionale Texte bräuchten und Songs, die uns fest in den Köpfen der Menschen verankerten. Man sollte uns nicht vergessen oder für einen kurzen Hype halten.

Mit unserem nächsten Album mussten wir beweisen, dass wir mehr konnten und bereit waren Risiken einzugehen. Es musste nach uns klingen, persönlich sein und...

Ich unterbrach mich gedanklich selbst, denn ich bemerkte, dass die Jungs stehen geblieben waren und auf mich warteten.

„Komm in die Pötte, Miss England!", rief Spencer ungeduldig, während Fenton mit den Füßen auf und ab wippte: „Biste' festgewachsen oder wa'?"

Alex stütze sich lächelnd auf seinem Stock ab, obwohl er Stress mit Demi hatte, so wirkte er doch völlig im reinen mit sich selbst. 

Neben ihm neigte Mattheo den Kopf, er schmunzelte und ich wusste, dass er froh war sämtliche Chaoten wieder um sich zu haben. Oft genug beschwerte er sich über uns, aber eigentlich jammerte er dem Tohuwabohu nach, wenn es allzu still wurde.

Meine Beine bewegten sich und ich ging meinen Freunden entgegen. Und da hatte ich dieses seltsame Gefühl zum ersten Mal. Die Jungs waren eigentlich nicht meine Freunde, sondern die Familie, die ich mir ausgesucht hatte.

Niemals würde ich sie missen wollen.

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