36 | paranoid android

Ich treffe Dad, wie versprochen, einige Minuten später im Eingangsbereich des Farmhauses an. Steve ist selbstverständlich schon vollständig ausgerüstet, und auch Fury zieht sich gerade seine Jacke an.

»Ich bring Banner zur Basis, was dagegen, wenn ich Miss Hill ausleihe?«, fragt er.

»Die gehört Ihnen«, antwortet Dad. »Offenbar.«

»Hat sie eigentlich jemals nicht für Sie gearbeitet?«, frage ich und platziere mich neben Dad. Der Pirat schenkt mir nur einen nichtssagenden Blick.

»Was haben Sie vor?«, will Steve wissen.

»Ich weiß nicht. Hoffentlich irgendwas Dramatisches.«

»Ich fürchte nur, das ist Stark'sches Fachgebiet«, stelle ich klar.

Jetzt schenkt Fury mir doch ein kleines Lächeln. Er öffnet die Eingangstür. Er zwinkert Dad zu. Vielleicht blinzelt er auch, schwer zu sagen, bei einem Auge. »Passen Sie auf sie auf. Den Verlust eines weiteren Stark werden wir wohl kaum verkraften können.«


Auf dem Weg nach Oslo muss ich wohl auf halber Strecke eingenickt sein, denn als ich aufwache befindet sich der Jet schon im Sinkflug. Aufgrund der Zeitverschiebung habe ich keine Ahnung, wie spät es ist, aber der Himmel über Norwegen hat ein sattes Königsblau angenommen, und die Hälfte des Horizonts ist bereits von der Dämmerung überzogen.

»Es ist drei Uhr morgens, wenn du es genau wissen willst«, informiert mich Dad, als wir auf dem einsamen Rollfeld aussteigen.

»Super«, gähne ich. »Ich hoffe nur du hast 'nen Plan, wie wir jetzt zum Nexus kommen. Um die Uhrzeit fährt bestimmt kein Bus mehr.«

Wieso frage ich überhaupt noch? Es war doch von vornherein klar, dass vor dem Flugplatz ein Wagen für uns bereitsteht. Dad nimmt dem Fahrer den Schlüssel ab und setzt sich selbst hinter's Lenkrad.

Am Nexus angekommen werden wir schon von drei Mitarbeitern in Empfang genommen, zwei Frauen und einem Mann. Wir werden durch mehrere Sicherheitsschleusen gescheucht, und schließlich muss ich auch noch (widerwillig) mein Tablet zur Untersuchung durch einen Röntgenapparat laufen lassen.

Ich staune nicht schlecht, als wir durch meterhohe Datenbank-Hallen geführt werden. Meine Müdigkeit ist wie verflogen. Bereits im Auto haben Dad und ich uns einen Plan ausgedacht, wie wir den Unbekannten ausfindig machen können. Auf einer Plattform inmitten der Server setzt sich Dad als erstes seine Sonnenbrille auf, bevor er sich der Tastatur unter dem holografischen Bildschirm widmet.

»Ein Hacker der schneller ist als Ultron? Er könnte überall sein. Und da das hier das Zentrum des Internets ist, suche ich nichts weiter als eine Nadel im großen Heuhaufen der Erde.«

»Und wie finden Sie sie?«, fragt die blonde Frau neben ihm interessiert.

»Ziemlich einfach. Mit einem Magneten.«

Die anderen beiden Leute sind damit beschäftigt, ein Selfie von sich und Tony Stark zu machen, was ich mit einem kleinen Grinsen quittiere. Mit einem Fingertipp aktiviere ich meine Brille, zusätzlich dazu habe ich noch mein Tablet. Dad dechiffriert mittlerweile Nuklearcodes, und ich überprüfe die Herkunft der Datenströme, die sich dem entgegenstellen. Wenn Ultrons Versuche abgeblockt werden, dann auch alle anderen. Der Unbekannte will die Nuklearcodes schützen, und das um jeden Preis.

»Hast du schon was?«, fragt Dad.

Ich schüttele den Kopf. »Noch nicht. Probier's weiter.«

»Ich empfange ein Signal«, meldet Tess nach einer kleinen Weile. »Es sind bekannte Datenströme

»Woher kommen sie?« Vor meinen Augen fliegen Datenpakete umher, die ich mit mehrfachem Blinzeln auf das Tablet umleite.

»Sie kommen aus unterschiedlichen Richtungen und scheinen Umwege zu nehmen. Ich versuche, den Ausgangspunkt zu bestimmen.«

Während über Dads Bildschirm lauter Zahlen- und Buchstabenreihen laufen, ist auf meinem eine Weltkarte zu sehen, dazu ein grüner Kreis mit immer kleiner werdendem Radius. Nordamerika. USA. East Coast. New York. Manhattan. Je mehr der Kreis schrumpft, desto größer werden meine Augen.

»Dad, unser Unbekannter ist vielleicht doch nicht so unbekannt, wie wir dachten.« Ich halte ihm das Tablet vor die Nase. Mitten in New York City blinkt der grüne Punkt fröhlich über einem uns mehr als vertrauten Gebäude. Dem Avengers Tower.

»Jarvis«, sagen Dad und ich gleichzeitig.

Die zuverlässige KI ist unser geheimnisvoller Helfer.


Als wir wenige Zeit später den Avengers Tower erreichen, hat Dad die Sache mit der Schule schon längst vergessen. Ich bezweifle, dass er überhaupt noch weiß, welchen Wochentag wir haben. Er ist sofort Feuer und Flamme, was die Wiederherstellung von Jarvis angeht.

»Die ganze Zeit über war es Jarvis«, sagt er. »Ich hätt's mir denken können.«

»Wie hat er das geschafft?«, rätsele ich. Als Ultron unsere kleine Partyrunde gestört hat, sagte dieser, er hätte die KI getötet.

Dad betätigt einen Regler außen am Labor, sodass alle Lichter angehen und die Betriebssysteme hochgefahren werden. Wie's aussieht waren wir schneller als Steves Team. »Ultron konnte Jarvis nicht vollständig vernichten, weil dieser vorher abgetaucht ist. Dabei hat er sozusagen seine Festplatte formatiert. Seine Protokolle allerdings...«

»...waren noch intakt, deswegen hat er die Abschusscodes ständig verändert, um sie vor Ultron zu schützen«, beende ich den Satz.

»Und jetzt muss ich ihn nur reaktivieren. Nichts leichter als das.«

Auf meinem Weg nach unten begegne ich Banner. Von den Lichtern angelockt begibt er sich auf den Weg in die Labore. Auch er hat noch keine Nachricht von den anderen erhalten. Hoffentlich geht alles gut. Und endlich kann ich meine Nachrichten checken. Auf das Netz im Tower hab ich mich schon die ganze Zeit gefreut. Zunächst explodiert mein Handy förmlich vor Nachrichten, die beinahe alle von Cass stammen. Sie lauten allesamt ungefähr: Und? Was passiert gerade? In den Nachrichten hab ich den Hulk gesehen, warst du auch da? Gab es eine Schlacht? Bin ich auch eingeladen? Wurde dein Handy zerstört? Wo bist du gerade? Passiert was Aufregendes? Gab es Explosionen? Bist du tot?

Und Ähnliches. Ich tippe eine lange Antwort, aber es erscheint nur ein einzelner, grauer Haken. Ja gut, es ist mitten in der Nacht, und morgen muss sie vermutlich in die Schule.

Nun lese ich Matts Nachricht ein weiteres Mal. Alles in Ordnung bei dir?

Wie soll ich darauf antworten? Nichts ist in Ordnung, die ganze Welt ist in Gefahr. Momentan liegt es noch bei Barton, Steve und Natasha, die Ultron in Seoul hinterherjagen, soweit ich das verstanden hab. Ich kaue auf meiner Unterlippe herum. Wieviel weiß er? Soll ich wahrheitsgemäß antworten? Oder doch lieber gar nicht?

Das Dröhnen der elektromagnetischen Triebwerke eines Jets nimmt mir die Entscheidung ab. Die anderen sind wieder da. Ich lasse mein Handy auf der Couch liegen und stürme die Landebahn. Steve und Barton tragen gerade einen menschengroßen Kasten aus dem Jet.

»Noch ein Roboter?«, frage ich skeptisch.

»Eher ein halber Ultron«, korrigiert mich Banner.

Ja, das ist viel beruhigender. Ich werfe einen Blick in den Jet. Niemand weiteres befindet sich darin. »Wo ist Natasha?«

Schweigend setzt Barton seinen Weg in die Werkstatt fort. Steve sieht zur Seite.

»Sie ist bei Ultron«, sagt eine Stimme hinter mir. Sie hat einen osteuropäischen Akzent.

Als ich mich umdrehe, sehe ich mich den Maximoff-Zwillingen gegenüber. Mein Mund klappt auf und wieder zu. Gleichzeitig weiche ich unbewusst einen Schritt zurück. Schließlich finde ich doch meine Stimme wieder. »Wie - Wer hat euch denn eingeladen?«

»Sie haben sich uns angeschlossen«, erklärt Steve. »Und Natasha... sie hat sich von Ultron erwischen lassen.«

Was daran jetzt strategisch wertvoll sein soll, weiß ich auch noch nicht. »Ihr habt also Nat gegen Pinocchio eingetauscht. Ganz mieser Plan, wenn ich das mal so sagen darf.«

»Natasha ist... sie weiß, was zu tun ist.« Damit verlassen Steve und Barton die Landebahn, wobei sie von Dad an der Tür in Empfang genommen werden.

Damit bleibe ich mit den Zwillingen zurück.

»Und ihr seid jetzt zu uns übergelaufen? Oder spioniert ihr für den irren Androiden?« Ich verschränke meine Arme.

»Ich habe gesehen, was er vorhatte«, sagt das Mädchen. »So war es nicht geplant.«

»Ultron ist verrückt«, bestätigt Speedy. »Wir müssen ihn stoppen. Und den Regenerator zerstören.«

Ich presse die Lippen zusammen und betrachte die Geschwister genau. Abgedrehte Teenager. Nichts, mit dem ich keine Erfahrung gemacht hätte. Doch diese Beiden hier sind von einem ganz anderen Kaliber. Und ihre Kräfte sind unvorstellbar mächtig. Trotz allem - sie sind nur Kinder, die, genauso wie ich, in den ganzen Schlamassel hier reingezogen wurden. »Kann ich euch was zu trinken anbieten?«

Jetzt sitze ich also mit Pietro und Wanda (ihre echten Namen; was mich nicht davon abhalten wird, sie weiterhin Speedy und Powerpuff Girl zu nennen) in der Sofaecke. Wanda hat ihre Hände um eine Tasse Tee gelegt, während ihr Bruder kaum stillsitzen kann. Liegt wohl an seinen Superkräften.

»Und warum genau habt ihr Ultrons böse Absicht erst entdeckt, nachdem ihr jeden einzelnen von uns einem Gedankenbann auf den Hals gehetzt habt?« Wegen dieser Sache bin ich den Zwillingen immer noch böse. Momentan kann ich nichts gegen sie ausrichten, also bleibt nur die Hoffnung, sie meinen es ernst.

»In diesem Labor, in Seoul, da habe ich Ultrons wahres Ich zum ersten Mal gesehen«, sagt Wanda. Sie schüttelt den Kopf. »Ich konnte in seine Gedanken eintauchen. Und was ich dort gesehen habe, war Zerstörung.«

Fury hat etwas Ähnliches angedeutet. Dabei war uns allen von Anfang an klar, das Ultron es niemals bei der ›Vernichtung der Avengers‹ belassen wird.

»Ultron muss aufgehalten werden«, bestätigt Pietro. »Ohne seinen neuen Körper ist er immer noch verwundbar. Wir hätten einen Vorteil.«

»Vorausgesetzt, Stark erledigt seinen Job und vernichtet den Regenerator.« Wandas Tasse ist schon längst leer, doch sie rollt sie in ihren Händen hin und her.

»Natürlich wird er das«, sage ich.

Sie zieht eine Augenbraue hoch. »Du vertraust ihm?«

»Er ist mein Dad, soviel schulde ich ihm wohl. Naja, er ist schon ein verrückter Wissenschaftler, und nicht jede seiner Erfindungen ist von Erfolg gekrönt. Ultron war ein ganz schöner Griff ins Klo, wie man so schön sagt.« Ich setze die Teetasse an meine Lippen. »Nein, glaubt mir, mein Dad zieht so eine Aktion kein zweites Mal durch.«

Die Fahrstuhltür öffnet sich und Steve stapft an uns vorbei in Richtung Labor. »Stark öffnet den Regenerator«, offenbart er finster.

Er - wie bitte?! Innerlich seufze ich auf. Ich hätte es besser wissen sollen. Pietro springt sofort auf, während Wanda langsam ihre Tasse auf dem Couchtisch abstellt. Hinter Steve, der seine rot-weiß-blaue Rüstung immer noch nicht abgelegt hat, betreten wir den abgedunkelten Raum.

»Ich sage das nur einmal«, verkündet Steve mit lauter Stimme.

»Wie wär's keinmal?«, bietet Dad an.

»Schalte es ab.«

»Nö, kannst du vergessen.«

»Ihr wisst nicht, was ihr da tut.«

»Aber du schon?« Banner sieht von dem Kasten auf und nickt in Wandas Richtung. »Lenkt sie deinen Verstand?«

»Banner, nach all dem was passiert ist...«

»Das ist nichts verglichen damit, was kommen wird«, sagt Dad.

»Dad, vielleicht solltest du-«

»Judy, du hältst dich da raus!«

Mein Mund klappt auf und wieder zu. Hat er mich gerade ernsthaft zurechtgewiesen? Sein Gesichtsausdruck variiert zwischen entschlossen und wütend.

Plötzlich reden alle durcheinander, Wanda schreit Banner und Dad an, Banner diskutiert mit Steve, ich trete vor auf das Podest mit den Bildschirmen. Die Übertragung ist schon zu 98% abgeschlossen. Ein blauer Blitz schießt an uns allen vorbei. Keine Sekunde später sind alle Kabel und Schläuche vom Regenerator abgetrennt, und Pietro steht neben Banner. »Nein nein, nur weiter. Was wolltest du sagen?«

Im nächsten Moment bricht der Glasboden, auf dem er steht, ein, und er fällt in die Etage darunter.

»Pietro!«, ruft Wanda.

Dad reagiert sofort. Er eilt zurück zu den Computern. »Ich leite den Upload um.«

Steve wirft seinen Schild, der gegen alle möglichen technischen Geräte knallt und sie funkenschlagend außer Kraft setzt. Beinahe gleichzeitigt ruft Dad einen Teil seiner Iron Man Rüstung herbei, die sich über seine Hände und seinen Brustkorb legt. Ich tue das gleiche mit meiner Rüstung, da ich wenig Lust habe, noch mehr blaue Flecken zu erhalten. Während Wanda mit Banner zu kämpfen hat (oder umgekehrt), bewirft Cap Dad abermals mit dem Schild. Daraufhin feuert dieser ihm einen Energiestoß entgegen. Bevor er sich wieder aufrichten kann, schieße ich ihm den Schild aus der Hand. Mit dieser Mörderfrisbee verletzt er sonst noch jemanden.

Mitten in diesem Kampfgeschehen betritt ein blonder Hüne den Raum. Da fällt mir ein - wo war Thor eigentlich die ganze Zeit? Seit er auf Clints Farm davongestapft ist, haben wir kein Wort von ihm gehört. Jetzt stapft er auf den Regenerator zu. Er wird ihn vernichten. Okay, jetzt muss ich mich wirklich langsam entscheiden: soll ich Dad bei dem Bau eines weiteren potenziellen Mörderbots helfen, oder stelle ich mich auf die Seite von Cap und den Zwillingen und jeglichem gesunden Menschenverstand?

Doch Thor zerstört den Regenerator nicht. Stattdessen hebt er Mjölnir in die Luft. Grelle Blitze schießen durch den Raum, elektronische Geräte zerspringen und sprühen Funken, und Thor lässt seinen Hammer auf den Regenerator niedersausen. Die Luft um uns herum knistert vor Elektrizität.

Kurz nehme ich die Hand von meinen Augen. Bunte Flecken tanzen in meinem Gesichtsfeld umher. Dann gibt es ein Krachen und die Schockwelle wirft Thor um. Etwas erhebt sich zischend aus dem Kasten. Ein humanoides Wesen, lila und grau, mit einem leuchtend gelben Stein auf der Stirn. Wir starren es an. Da muss ich auch schon zur Seite springen, als der Android auf Thor zuschießt, der ihn allerdings aus dem Labor befördert. Der Halbgott und der Supersoldat springen hinterher.

Die versammelte Gruppe rennt aus der Werkstatt.

»War das geplant?«, frage ich.

Dad schüttelt den Kopf. Er starrt wie hypnotisiert den Androiden an. »Durch Thors Blitze hat sich der Regenerator zu vierhundert Prozent aufgeladen. Aber wir hatten keinen Schaltplan.«

»Thor! Du hast geholfen, das zu erschaffen?«, fragt Steve, schwankend zwischen überrascht und wütend. Irgendwoher hat er seine Frisbee wieder aufgegabelt.

»Ich hatte eine Vision. Ein Strudel, der jede Hoffnung auf Leben einsaugt und der Gedankenstein in seiner Mitte. Einer der sechs Infinity-Steine, der größten Macht im Universum, ohnegleichen in ihrer Zerstörungskraft.«

»Warum bringst du ihn dann-«

»Stark hat Recht.«

»Das war's, die Welt geht wirklich unter«, murmele ich. Wanda wirft mir einen Seitenblick zu, der mir zuzustimmen scheint.

»Die Avengers können Ultron nicht besiegen.« Also seine Pep-Talks muss Thor wirklich nochmal üben. Außerdem - Steine als größte Macht, die es gibt? Wer denkt sich denn sowas aus? Und wenn dieses Wesen hier einen von ihnen besitzt, wo sind dann die anderen fünf?

Der Android geht an uns vorbei. Er ist einen guten Kopf größer als Dad, der ihn prüfend mustert.

»Ihr denkt ich sei ein Kind von Ultron«, sagt er mit Jarvis' Stimme.

»Bist du das nicht?«

»Ich bin nicht Ultron. Ich bin nicht Jarvis. Ich bin... der ich bin.«

Super, ein Android mit einer Identitätskrise. Das hat uns gerade noch gefehlt. Zumindest klingt er wie Jarvis, was echt merkwürdig ist, denn die KI in Fleisch und Blut (oder Vibranium und Kabel) zu sehen, hätte ich mir nie vorstellen können.

Thor deutet auf Wanda, die mit ihrem Bruder einige Meter neben der Gruppe steht. »Ihre Kräfte, unsere Wahnvorstellungen, Ultron selbst, der Gedankenstein ist immer die Quelle davon, und er kann so viel mehr entfesseln. Aber auf unserer Seite-«

»Ist er das?«, fragt Steve. Wenn er seine Augenbrauen noch tiefer zieht, verschwinden sie bald in den Augenwinkeln. »Ist es so? Bist du auf unserer Seite?«

»Ich bin auf der Seite des Lebens. Ultron nicht. Er wird alles beenden.«

»Worauf wartet er dann noch?«, fragt Steve.

»Auf euch.«

Barton hat sich mittlerweile hereingeschlichen. »Er ist in Sokovia. Natasha hat er auch dort.«

Also das war zu erwarten. Vielleicht wussten sogar die Zwillinge davon. Wir sehen uns reihum an. Dads Miene ist wie in Stein gemeißelt. Langsam tritt Banner an Thors Vision heran. »Wenn wir uns in dir irren, wenn du das Monster bist, das Ultron erschaffen wollte...«

»Was würdet ihr tun?« Schweigen. »Ich möchte Ultron nicht töten. Er ist einzigartig. Und er leidet Qualen. Doch würden diese Qualen die Erde überrollen. Deshalb muss er zerstört werden. Jede Gestalt die er geschaffen hat, jede seiner Spuren im Netz. Wir müssen sofort handeln. Und keiner von uns kann es ohne die anderen tun.« Während er spricht geht der Android ein paar Schritte. Vermutlich aus Gründen der Dramatik. »Vielleicht bin ich ein Monster. Doch wenn ich eins wäre, wüsste ich es nicht. Ich bin nicht was ihr seid. Und nicht was ihr gedacht hattet. Daher mag es schwer für euch sein, mir zu vertrauen. Aber wir müssen gehen.« Er hält etwas in der Hand. Nein, er hält Mjölnir in der Hand, den Hammer des Donnergottes, und er streckt in Thor entgegen.

Allen Anwesenden klappt der Mund auf. Ich kann mir das Grinsen kaum verkneifen. Und Thors Gesichtsausdruck, als er Mjölnir entgegennimmt - unbezahlbar.

»Drei Minuten«, sagt Steve, ernst wie immer. »Macht euch bereit.«

Das war's dann wohl endgültig mit Dads Plan, mich morgen in die Schule zu schicken. Denn ich bin sowas von dabei.

Als ich in der Werkstatt am Tisch neben ihm kleinere Makel in meiner Iron Man Rüstung ausbessere, sagt er nicht einmal etwas dagegen. Da er Jarvis gewissermaßen an den Androiden verloren hat, benötigt er eine neue KI für seinen Anzug. Einige Chips liegen vor ihm ausgebreitet.

»Du hast ja noch mehr davon«, bemerke ich.

»Es wäre sogar eine mehr, wenn du sie nicht für dich beansprucht hättest.«

»Tess gefällt mir sehr gut, danke. Das beste Weihnachtsgeschenk, das ich bis jetzt bekommen hab. Mal davon abgesehen, dass ich einen Großteil der Arbeit selbst vorgenommen habe.«

Dad schmunzelt und wählt einen der Chips aus.

»Guten Abend, Boss«, sagt eine weibliche Stimme.

Ich runzele die Stirn. »Du springst jetzt also auch auf den ›weibliche-KI‹-Zug auf?«

»Weiteres System erkannt. Verbinden?«, fragt die Stimme wieder. Friday steht auf dem Bildschirm.

»Bloß nicht«, stelle ich gleich klar. »Mein Anzug gehört alleine Tess.«

»Und die beiden werden ein Team sein«, sagt Dad.

»Du willst zwei künstliche Intelligenzen aufeinanderhetzen?«

»Ich will dich jederzeit erreichen können, wenn wir dann in Sokovia sind. Nicht nur über die Intercoms. Wenn etwas passiert, dann können wir immer noch miteinander kommunizieren.«

Mal wieder eine richtige Dad-Idee. Genauso wie die Sache mit dem Regenerator.

»Ultron hat es auf mich abgesehen«, sagt Dad. »Er wird dich vielleicht halbwegs in Ruhe lassen. Und sobald die Situation auf irgendeine Art brenzlig wird, bist du unser Bodenkommando.«

Bodenkommando? Was soll das denn jetzt heißen? »Aber die Zwillinge-«

»...sind genmutierte Teens mit Superkräften. Außerdem stehen sie nicht unter meiner Verantwortung.«

Klar verstehe ich ihn. Irgendwie. Aber bis es soweit ist, werde ich meinen Teil zur Rettung Sokovias und Zerstörung Ultrons beitragen. Eine Diskussion würde zu nichts führen. Außerdem müssen wir uns an Steves Zeitplan halten. Wir sollten losgehen.

Aber natürlich muss Dad vorher noch meine Frisur zerstören, in dem er mir durch die Haare wuschelt. »Wir schaffen das schon, Küken.«

Ich ducke mich unter seiner Hand weg, um meine Haare erneut glatt zu streichen. »Natürlich werden wir das. Gegen uns sind Ultrons Marionetten doch nur ein Haufen Altmetall.«

Dad zieht den Chip mit Friday aus dem Laufwerk und sieht auf die Uhrenanzeige des Bildschirms. »Das waren sicher mehr als drei Minuten. Also los. Wir wollen doch nicht den Zorn von Gottes rechtschaffenstem Mann auf uns ziehen.«


Ich will mich ja nicht beschweren; aber der Quinjet ist eindeutig nicht für neun Personen ausgelegt. Ich suche mir einen Platz neben Wanda, die ihr Outfit um eine rote Lederjacke ergänzt hat. Uns gegenüber sitzt Pietro, komplett ausgerüstet in blauen Sportklamotten inklusive Schuhe. Im Cockpit stehen Clint, Dad und Steve. Letzterer ist diesmal mit der Ansprache dran. Ich hänge einen Arm über die Lehne, um meinen Oberkörper besser drehen zu können.

»Ultron weiß, dass wir kommen. Sehr wahrscheinlich geraten wir unter starken Beschuss. Wir wissen, was uns erwartet. Die Bewohner von Sokovia nicht. Wir finden raus, was Ultron gebaut hat. Wir finden Romanoff. Und evakuieren die Gegend. Der Kampf findet nur zwischen uns statt. Ultron hält uns für Monster. Für das Problem auf dieser Welt. Es geht nicht nur darum, ihn zu besiegen. Es geht darum, ob er Recht hat.«

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Nächster Halt: Sokovia.

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