34 | speed up

Nach knappen sieben Stunden Schlaf wache ich von den sanften Sonnenstrahlen New York Citys geküsst auf. Was so viel bedeutet wie: Ich hab vergessen die Jalousien runterzumachen. Jarvis macht das eigentlich immer automatisch. Genervt blinzele ich dem morgendlichen New York entgegen, dann nehme ich meine Decke und drehe mich noch einmal um. Nur noch fünf Minuten. Außerdem ist Sonntag. Ich muss irgendwann im Laufe des Abends eingeschlafen sein. Und in meinem Traum war dieser ungebetene Partygast, ein Mörderroboter, den Dad und Banner kreiert haben. So ein Spinner. Und dann hatte er nichtmal ein Partyhütchen auf.

Ruckartig setze ich mich auf. Nein halt, das ist wirklich so passiert. Ultron ist passiert. Steve will ihm entgegentreten. Und das darf ich auf keinen Fall verpassen.

Innerhalb weniger Minuten habe ich mich geduscht und angezogen und stürme nun mit einem Tablet in der Hand in den Flur hinaus. Auch, wenn Jarvis ruiniert ist, habe ich immer noch Tess. Ich schlittere zur Schlafzimmertür auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges. Die Bettdecke ist sauber gefaltet, es sieht nicht so aus, als hätte da heute Nacht jemand drin gelegen. Alles klar, Dad wird müde sein und dekoffeiniert, also werde ich ihm, als nette Geste, einen Kaffee kochen. Damit er dann, während er ihn trinkt, alles ausplaudern kann.

Funktioniert eigentlich immer.

Die Fensterwand der Laborebene ist abgedunkelt. Dad hat die meisten Bildschirme wieder zum Laufen gekriegt. Er steht an einem der Computer und wischt dabei immer wieder auf einem Tablet herum.

»Ich hoffe du hast über Nacht nicht noch einen Roboter erschaffen«, sage ich.

Er dreht kurz den Kopf, wendet sich aber fast sofort wieder dem Bildschirm zu. »Nein«, sagt er abwesend.

Ich verenge die Augen. Auf diese Art ignoriert zu werden gefällt mir nicht. »Ich hab dir eine nette, heiße Tasse Kaffee gemacht.«

Dad nimmt die ziemlich übertrieben bunte ›#1 Dad‹ Tasse entgegen. »Der ist kalt.«

»Nette Tasse Kaffee«, sage ich mit ungeminderter Freude.

»Du weißt ganz genau, dass ich diese Tasse nicht leiden kann.« Er stellt sie immer ganz hinten in den Schrank, weil das Design einfach komplett kitschig ist, das muss sogar ich zugeben. Ehrlich gesagt war sie nur ein Spaßgeschenk.

Ich zucke mit den Schultern. »Immer noch eine Tasse Kaffee.«

Eine Augenbraue hochziehend riecht Dad an dem Gebräu. »Ist das überhaupt Kaffee?«

»Es ist wenigstens eine Tasse. Mit einem Getränk drin. Damit habe ich heute Morgen schon mehr gemacht als du.« Dann muss ich meine Informationen eben auf diesen Weg erhalten. »Was wird das?«

Dad gibt auf, wirft das Tablet auf den Tisch, setzt sich auf einen Stuhl, und stellt die kitschige Tasse neben sich ab. »Ich hab versucht Ultrons Entstehungsprozess nachzuvollziehen. Lokis Zepter, der Stein, das Interface...« Er schüttelt den Kopf. »Wir hatten nichts

Ich ziehe mir einen Stuhl heran. »Was hattest du überhaupt mit ihm vor? Wolltest du Jarvis ersetzen? Glaub bloß nicht, er hätte das zugelassen.«

»Jarvis ist schon längst mehr als nur ein einfaches Sprach-Interface. Er steuert die Iron Legion, er regelt die Stromversorgung und Überwachung im Tower, leitet Geschäfte... Nein, Ultron... Ultron war nur eine Idee. Er sollte - Wieso erzähle ich dir das überhaupt?« Frustriert nimmt er einen Schluck aus der hässlichen Tasse.

»Das, was Ultron gestern gesagt hat... irgendetwas mit einem Schutzwall um die Welt... das hast du gesagt. Was für ein Schutzwall? Wie willst du das anstellen?«

»Also anfangen werde ich mit einem Informationsschutzwall für dich.« Er fährt sich mit einer Hand über's Gesicht. So erschöpft wie jetzt hat er lange nicht mehr ausgesehen. »Küken, erinnerst du dich an Lokis Armee? Denn ich erinnere mich sehr gut, und was die Stadt an diesem Tag erlebt hat, hätte nicht passieren dürfen.«

»Du wärst beinahe draufgegangen, ja, da klingelt was. Du hast die Story auch nur so ungefähr dreihundert Mal erzählt.«

»Und keine halbe Stunde davor hätte Loki dich beinahe vom Dach geworfen«, sagt Dad. »Das habe ich verhindert. Doch das alles hätte nichts gebracht, wenn ich die Armee nicht auch gestoppt hätte, verstehst du? Und mit Ultron... mit Ultron wäre das nicht passiert. Ultron, so wie er sein sollte, hätte die Welt vor außerirdischen Gefahren beschützt. Ultron hätte die Menschheit in den Momenten geschützt, in denen selbst die Avengers machtlos gewesen wären.«

»Ultron ist irgendwo da draußen und will dich umbringen, Dad«, erinnere ich ihn. »Hast du nicht gehört, was er gesagt hat? Die Menschheit soll sich entwickeln. Und wenn ein Roboter so etwas sagt, dann wird er wohl kaum die nächste Pokémon-Entwicklungsstufe meinen.«

»Ich muss dich beschützen. Dich, Pepper, alle, die mir wichtig sind. Andere Familie brauchen diesen Schutz auch, und Ultron... Ultron hätte diese Aufgabe übernehmen können.«

Es gibt da diesen Spruch, dass Betrunkene und Kinder immer die Wahrheit sagen. Bei Dad ist es so, dass Müdigkeit ihn in einen wahren Wasserfall der Gefühle verwandelt.

»Ultron könnte niemals deine Überfürsorglichkeit ersetzen. Niemand könnte meinen alten Herrn kopieren, nicht einmal du selbst.«

»Du unterschätzt meine Fähigkeiten.« Er seufzt. »Gleich nachher entsorge ich diese Tasse endgültig. Ich brauche einen richtigen Kaffee.«

»Ich mach dir einen«, biete ich an und stehe auf. »Vielleicht geb ich mir diesmal auch Mühe, mal sehen.«

In der Küchenecke des Labors kippe ich gerade Kaffeepulver in den Filter, als mein Handy beginnt, wie verrückt zu summen. Ich fische es aus meiner Hosentasche.

»Am Apparat«, melde ich mich.

»Hey, das sollte eigentlich ein Weckruf werden.« Cass klingt enttäuscht.

»Es ist acht Uhr an einem Sonntag.« Das Handy zwischen Kopf und Schulter geklemmt schließe ich die Dose mit dem Kaffeepulver, schalte die Kaffeemaschine an und lehne mich an die Theke.

»Ja, gerade deshalb bin ich ja verwirrt. Normalerweise stehst du nie vor Mittag auf.«

»Es ist was passiert, gestern, hier im Tower.«

»Ein episches Duell zwischen Iron Man und Captain America?«

»Nein, das war es nicht. Und so sehr hassen sie sich dann doch nicht.« Apropos Captain America, der verlässt gerade einen der Besprechungsräume in Richtung Gemeinschaftsebene. Ich recke meinen Kopf und sehe Natasha und Banner. Anscheinend findet da gerade eine Art Besprechung statt.

»Hm, ich wollt eigentlich fragen ob wir heute was unternehmen wollen. Ich hab mein Fahrrad repariert, wir könnten zum Central Park fahren.«

»Cass, ich glaub das ist heute ganz schlechtes Timing. Dad hat 'nen Mörderbot gebaut, der unseren Butler getötet hat und jetzt mit den Avengers Verstecke-Verbrannt spielt.«

»Muss ich das verstehen?«, fragt sie, und ich kann förmlich sehen, wie sie die Stirn runzelt.

»Nächste Woche erklär ich dir's ausführlich.« Die Kaffeemaschine gibt ein Klick-Geräusch von sich. Einige verirrte Tropfen finden verspätet ihren Weg in die Kaffeetasse.

»Aber nicht schon wieder während Mr. Cressels Unterricht. In Algebra verstehe ich auch ohne Ablenkung nur Bahnhof.«

»Ich halt dich auf dem Laufenden«, verspreche ich und lege auf.



Als ich mit der öden, normalen, blauen Kaffeetasse zu den anderen stoße, sind alle damit beschäftigt, in großen Pappkisten zu wühlen.

»Was soll'n das hier werden?«

»Altmodische Recherchearbeit«, erklärt Dad knapp und nimmt mir die Tasse aus der Hand. »Danke, Küken.«

»Das ist ja sogar für Steve zu altmodisch«, sage ich.

Steve ist mittlerweile derart an diese Art von Kommentar gewöhnt, dass er sich nicht bei seiner Arbeit stören lässt. Er stellt einen weiteren Pappkarton auf den Tisch. »Bekannte Mitarbeiter... Strucker hatte 'ne Menge Freunde.«

»Sind ja alles grauenhafte Typen«, murmelt Banner, als er durch eine Akte blättert.

»Warte. Den Typ da kenn ich.« Ich schaue Dad über die Schulter, als er sich von Banner den Stapel geben lässt. »Aus alten Zeiten, treibt vor der afrikanischen Küste illegalen Waffenhandel.«

Steve straft ihn mit einem vorwurfsvollen Blick.

»Das sind Tagungen, okay«, rechtfertigt er sich. »Leute treffen Leute. Ich hab ihm nichts verkauft. Er wollte was haben womit er so richtig mitmischen kann, hatte so 'nen Käpt'n Ahab Touch.«

Ulysses Klaue, steht auf einem der Blätter. Er sollte T'Chaka während einer Konferenz umbringen. Wakanda, Vibranium, Panther? Weiter kann ich nicht lesen, denn Thor greift nach der Mappe. Er zeigt auf ein Foto.

»Diese Tattoos, glaub ich, hatte er noch nicht«, meint Dad.

»Das da sind Tätowierungen, das hier ist ein Brandzeichen«, sagt Thor.

Banner jagt das Zeichen durch eine Bilderkennungssuche. »Ein Wort aus einem afrikanischen Dialekt, bedeutet Dieb, nur deutlich unfreundlicher ausgedrückt.«

»Was für ein Dialekt?«, fragt Steve.

»Wakanada... Wa-Wakanda.«

Dads Blick sagt mir, dass er schon wieder etwas weiß. Und zur Abwechslung sieht Steve genauso aus. Um genau zu sein scheinen nur die Beiden eine Ahnung zu haben, was gerade abgeht. »Wenn der Kerl Wakanda mit gewissen Rohstoffen verlassen hat...«

»Ich dachte deinem Vater gehörte der Rest davon.«

Ich werfe Natasha einen fragenden Blick zu. Sie zuckt mit den Schultern. Also liegt es wohl an mir, die Frage zu stellen:

»Okay, kann mich bitte mal jemand aufklären? Was genau kommt aus Wakanda?«

Auf einmal gucken alle zu Steves Schild, der an einem Regal lehnt. »Das stärkste Metall der Erde.«

Ehe ich mich versehe stehe ich alleine zwischen Pappkartons. Noch dazu hat mir Dad die leere Kaffeetasse wieder in die Hand gedrückt. »Hey, wo wollt ihr alle hin?« Typisch Avengers. Wenn man nicht Teil der Gruppe ist, weiß man anscheinend nie, was genau gerade passiert.

Zumindest finde ich in den nächsten paar Minuten heraus, was sie als nächstes vorhaben. Sie machen den Jet startklar. Ich folge Dad auf die Plattform. »Wo fliegt ihr hin?«

»Afrikanische Südwestküste. Und nein, du darfst nicht mit«, ergänzt er, als ich schon meinen Mund öffne.

»Ach komm schon, Dad«, bettele ich. »Ich bleibe auch im Jet.«

»Das hatten wir schonmal.«

»Ja und? Es hat funktioniert.«

»Du bist als unautorisierte Person in einen SHIELD-Stützpunkt eingedrungen, nicht zu vergessen, dass du beinahe draufgegangen wärst, als Lokis Leute das Schiff-«

»Wir waren zufälligerweise dabei, Stark, du musst es nicht ein weiteres Mal erzählen«, unterbricht ihn Natasha, die mit Clint die Waffenkisten überprüft.

»Außerdem bin ich nicht eingedrungen. Ihr habt mich freiwillig mitgenommen«, erinnere ich ihn.

»Ja, und ich bereue es.«

»Lass sie doch mitkommen. Was soll schon passieren?", sagt Clint und zuckt mit den Schultern.

»Sie hat ein Händchen für Talente, hab ich gehört. Wenn die beiden sich in Ultrons Nähe aufhalten, kann Judy uns vielleicht helfen, sie auf unsere Seite zu ziehen.«

»Danke, Nat. Siehst du Dad, diese Art von Unterstützung habe ich erwartet.« Nat habe ich definitiv auf meiner Seite. Barton tut eh immer das gleiche wie sie, und Steve wird auch nichts dagegen haben.

Dad dreht den Kopf zur Seite. Ich sehe schon, dass er aufgegeben hat. »Du kannst da nicht ohne einen Anzug hin.«

»Hast du einen in deiner Hosentasche versteckt?«

»Nein.« Er zückt ein Tablet. »Im Labor.«

Nur mit Mühe kann ich meinen Mund vorm Aufklappen bewahren. »Ohne Witz?«

Er hat tatsächlich keinen Scherz gemacht. In einer Nische neben seinem eigenen, rot-goldenen MARK 43 steht ein schlanker, silberner Iron Man Anzug.

»Das Design ist grundsätzlich dasselbe wie beim letzten Mal«, erklärt Dad. »Ich habe nur bedeutende Änderungen an der Stabilität und Feuerfestigkeit vorgenommen. So, wie du mit Geschenken umgehst, muss das sein.«

»Hey, ich hab ihn nicht kaputt gemacht, das waren die Feuersalamander.« Ich gehe näher an die Rüstung heran. Das Metall ist silberglänzend und noch unversehrt. Ich könnte mich stundenlang daran sattsehen. Aber dafür bleibt uns keine Zeit. Schwungvoll drehe ich mich wieder zu Dad um. »Also dann, lassen wir das A-Team mal ein wenig Aktion erleben.«







Afrikanische Südwestküste, gute Ortsbeschreibung übrigens. Naja, Hauptsache Dad weiß, wo er uns hinfliegt. Als wir aber am Stadtrand über einem Schiffsfriedhof schweben, kommt mir die Skyline vor uns merkwürdig bekannt vor.

»Dad, sind wir in... Johannesburg?«

»Yep. Wie's aussieht hast du in Erdkunde doch aufgepasst.«

Ich starre aus der Frontscheibe auf die Stadt mit ihren hohen Gebäuden und staubigen Straßen. Ich kann kaum glauben, dass es tatsächlich schon elf Jahre her ist, seit ich mit Mum von hier weggezogen bin. Viele Erinnerungen habe ich nicht, aber trotzdem werde ich dieses merkwürdige Gefühl der Vertrautheit nicht los. Der Jet landet auf einer Lichtung in Küstennähe, und damit verschwindet auch die Skyline.

Zum Glück bin ich schon mal in so 'nem Anzug geflogen, denn für Flugstunden haben wir gar keine Zeit. Wir nähern uns einem auf Grund gelaufenen Schiff, der Churchill. Dieser Schiffsfriedhof scheint genau Ultrons Ästhetik zu entsprechen.

Und glücklicherweise treffen wir ihn auf genau diesem Schiff an. Dad wird von Thor und Steve flankiert, während Nat und Clint sich auf der unteren Ebene entlangschleichen. Nat war es auch, die mir den Platz auf einem der Querstreben im oberen Teil des Schiffes als Beobachtungsplatz zugewiesen hat. Und mehr soll ich eigentlich auch nicht tun. Lediglich Struckers Talente beobachten.

Ultrons Stimme hallt zu mir hinauf. »Vergleich mich nicht nochmal mit Stark! Da bin ich empfindlich, Stark ist eine Krankheit!«

Dad landet in seiner Rüstung direkt vor ihm. »Oh, Junior. Du brichst deinem alten Herrn das Herz.«

»Wenn es sein muss.«

»Niemand muss hier irgendetwas brechen«, sagt Thor.

»Du hast offensichtlich noch nie ein Omelett gemacht.«

Okay, den Humor hat er auf jeden Fall von Dad. Äußerlich sind aber keine Gemeinsamkeiten festzustellen. Er hat sich eine richtige Hülle besorgt, mit zwei Armen, zwei Beinen und allem Drum und Dran. Steht ihm hervorragend. Er hat gewisse Ähnlichkeiten mit diesem einen Robotertyp aus dem Robots-Film.

»Ah, das ist lustig, Mr. Stark«, sagt eine Stimme mit starkem Akzent. Ich beuge mich nach vorne, um den Urheber zu sehen. Da stehen zwei Leute hinter Ultron. Der Junge tritt nach vorne. Er sieht zu den Raketen, die überall im Frachtraum gestapelt sind. »Und, fühlen Sie sich wohl? Wie in guten alten Zeiten?«

»Waffen waren nie meine Welt.«

Steve macht einen Schritt auf die beiden Talente zu. »Noch könnt ihr beide verschwinden.«

»Oh, das werden wir.« Das war das Mädchen. Ich glaub die beiden waren Geschwister. Die Maximoff... Zwillinge? Irgendetwas in der Art hat Maria Hill gesagt.

»Ich weiß ihr habt gelitten-«, beginnt Steve, wird aber sofort von Ultron unterbrochen.

»Captain America. Gottes rechtschaffenster Mann. Der immer vorgibt er könnte ohne Krieg leben. Rein physisch kann ich zwar nicht kotzen, aber...«

»Wenn du für Frieden bist, dann lass ihn uns bewahren«, sagt Thor.

»Ich glaube du verwechselst Frieden mit Ruhe

Ultron ist nie und nimmer für Frieden oder Ruhe oder sonstige Synonyme dieser Worte. Er schindet Zeit. Dad ist allerdings nicht in Plauderstimmung. Wie's aussieht will er das so schnell wie möglich hinter sich bringen. »Uh-huh, das Vibranium, wofür ist das?«

»Nett das du das fragst«, sagt Ultron, »weil ich gerade nichts Besseres zu tun habe, enthülle ich eben meinen heimtückischen Plan.«

Wie aus dem Nichts stürzen sich zwei kleinere Roboter auf Thor und Captain America, während Ultron - keine Ahnung, wie er das macht - die Energie des Ark-Reaktor-Kerns des Iron Man Anzugs benutzt, um diesen gegen die nächste Wand zu werfen. Dad verliert keine Zeit und stürzt sich auf Ultron. Die beiden drehen sich in die Luft und schleudern sich gegenseitig umher.

Er schafft das schon, ich sollte mich besser auf die Talente konzentrieren. Der Junge rennt blitzschnell über die Gitterbrücke und wirft Thor aus der Bahn. Ich fliege ihm hinterher, was echt schwierig ist, denn der Typ ist verdammt schnell. Zu allem Übel kommen jetzt die Arbeiter des Schiffes aus ihren Ecken gekrochen und eröffnen das Feuer. Der Anzug ist zwar kugelsicher, aber ich will nicht am ersten Tag schon Dellen reinmachen.

Ich versuche also, während ich so gut es geht den Kugeln ausweiche und ab und zu ein paar Energiestöße abgebe, den Road Runner in die Finger zu kriegen. Seine Schwester habe ich im Getümmel aus den Augen verloren. Meine einzige Chance, ihn zu kriegen, liegt darin, ihn handlungsunfähig zu machen. Er müsste irgendwo dagegen laufen. Oder...

»Thor, wirf mal deinen Hammer!«, rufe ich ihm zu.

Er dreht sich verständnislos zu mir um. »Was?«

»Tu es einfach!«

Thor wirft Mjölnir quer durch den Lagerraum und erledigt den Roboter vor sich mit seinen bloßen Händen.

Ich halte mich mit den Repulsoren in der Luft. Mein Plan geht auf. Ein blauer Körper wird durch die Reling geworfen und landet auf dem Boden. Ich lande vor ihm und halte den Handrepulsor auf ihn gerichtet. »Game Over, Speedy.«

»Leute, ist das ein Code Grün?«, fragt Banner über das Intercom.

»Bleib bitte im Jet!«, lautet Dads Antwort.

Ich drehe den Kopf, kann ihn aber nirgendwo entdecken. Allerdings ist da ein Loch in der Decke. Dann ist er wohl mit Ultron abgehauen. Thor und Steve erledigen die letzten Roboter, und ich sehe Barton kontinuierlich Pfeile auf die Angreifer schießen. Von Nat erhasche ich lediglich blaues Leuchten und das Grunzen der Männer, denen sie einen Elektroschock verpasst.

Sieht so aus, als würden wir gewinnen. Ich lasse den Helm zurückklappen.

»Starks Tochter«, sagt der Maximoff-Zwilling vor mir, milde überrascht.

»Hier, um euch von Ultron wegzubringen.«

Seine Augen wandern für den Bruchteil einer Sekunde auf etwas hinter mir, und seine überraschte Miene verwandelt sich in ein Grinsen.

»Das wollen wir gar nicht«, flüstert eine weibliche Stimme.

Ich drehe mich um, doch meine Beine knicken unter mir weg und ich falle auf die Knie. Mir wird schwarz vor Augen.

Blaues Flackern.

Ein Flüstern.

»Judy...«, sagt die Stimme in einem merkwürdigen Singsang.

Ich hebe den Kopf. Mum sieht genauso aus, wie ich sie in Erinnerung habe. Eine Sekunde später steht sie direkt vor mir und streicht mir die Haare aus dem Gesicht. »Mein Mädchen«, flüstert sie.

Beim nächsten Blinzeln ist sie fort. Dafür lösen sich nun andere Gestalten aus dem grauen Nebel. Dad, Pepper, mit emotionslosen Gesichtern. Dad sieht mir nicht ins Gesicht, er senkt den Blick und taucht zurück in die Dunkelheit.

Jetzt sind es Alyssa, Zach und Marcelo, die mit Cass und Matt vor mir auftauchen. Matt steht mir am nächsten, und seine Gesichtszüge werden von einem grauen Licht erhellt.

Matts Stimme ist tonlos. »Es ist deine Schuld. Siehst du es nicht? Du hast sie enttäuscht.«

Meine Sicht verschwimmt und ich blinzele die Tränen weg. Langsam verschmelzen die anderen drei mit der Dunkelheit.

»Weißt du, Judy«, sagt Cass, »ich hätte mehr von dir erwartet.«

Dann machen sie kehrt und gehen zurück in den Schatten. Verzweifelt drehe ich mich im Kreis. Von überall her tauchen jetzt Gesichter auf. Traurige Gesichter, enttäuschte Gesichter, stumm, erschöpft, betrübt starren sie mich an. Mit jedem Atemzug tauchen mehr von ihnen auf. Dann beginnen sie zu summen. Hundert Stimmen vereinen sich zu einem ohrenbetäubenden Geräusch, das zu einer nicht auszuhaltenden Lautstärke anschwillt.

Ich presse mir die Hände auf die Ohren, aber sie werden lauter, immer lauter, drohen, mir den Schädel zu sprengen und dann - und dann ist es still, und nur ein langgezogener, hoher Ton bleibt zurück.



»Judy? Judy? Hey, alles in Ordnung?« Wie durch Watte dringt eine Stimme in mein Bewusstsein. Jemand rüttelt an meinen Schultern.

Meine Augen sind bereits offen, und langsam komme ich in die Realität zurück. Die bunten Flecken in meinem Blickfeld verschmelzen zu einem Gesicht. Barton.

»Sie auch?«, fragt eine andere Stimme.

»Alle haben etwas abgekriegt.« Barton richtet sich wieder auf. Um mich herum dreht sich alles.

»Und die Maximoffs?«

»Verschwunden. Ultrons Handlanger und das Vibranium ebenso.«

Ich kneife die Augen zusammen und reibe mir die Stirn. Was ist passiert? Ich erinnere mich an den Maximoff-Jungen, und dann war da seine Schwester, und dann...

»Judy, komm, ich bring dich zurück zum Jet.« Allmählich klärt sich mein Blickfeld auf. Dads besorgtes Gesicht beugt sich über mich.

»Dad«, murmele ich, »die Talente - der Anzug-«

»Mach dir darüber keine Gedanken. Aber wehe, du versuchst nochmal mich zu überreden, dich auf irgendeine Mission mitzunehmen.«

Irgendwie - ich kann mich nicht an den Weg dahin erinnern - irgendwie sitze ich einige Zeit später auf einem der Sitze im Quinjet. Bruce Banner hockt in eine Decke eingehüllt auf dem Boden und starrt ins Leere. Natasha hat sich ebenfalls auf einen Sitz fallen lassen. Sogar Steve und Thor, der Supersoldat und der Halbgott, sehen ziemlich mitgenommen aus. Maximoffs Fähigkeit, Gedanken zu manipulieren, haben wir wohl alle unterschätzt.

Barton, der als einziger von dem im Schiff Zurückgebliebenen nicht der Gedankenwäsche unterzogen wurde, bringt den Jet in die Luft. Sobald wir auf der Flughöhe angelangt sind, schnallt sich Dad los und kommt zu mir. Er legt mir eine Decke um die Schultern.

»Du hast dich gut geschlagen«, sagt er. Es soll aufmunternd klingen, aber auch in seiner Stimme liegt Erschöpfung und Frust.

»Was ist mit Banner passiert?«, frage ich.

Dad seufzt. »Die Hexe hat mit seinen Gedanken gespielt. Es war, als hätte sie dem Hulk noch eine extra Portion Aggression mitgegeben.«

»Ultron hat das Vibranium. Und die Zwillinge sind bei ihm.«

»Ich weiß. Wir - wir müssen uns was überlegen. Schlaf ein wenig.«

Bevor er gehen kann, greife ich nach seinem Arm. »Du hast es auch gesehen, oder? In Struckers Basis. Sie hat auch deine Gedanken manipuliert.«

Der Ausdruck, den sein Gesicht bei Erwähnung dieses Ereignisses annimmt, sagt schon alles aus. Ich habe erlebt, dass ich alle enttäuscht habe. Wie sich alle von mir abwenden und ich alleine zurückbleibe. Was hat Dad gesehen?

»Ruh dich aus«, murmelt er statt einer Antwort.

Über einen kleinen Bildschirm redet Dad mit Maria Hill, die keine guten Nachrichten zu haben scheint. Es ist das Gerede von einem Haftbefehl für Banner, und dass wir lieber für eine Weile untertauchen sollen.

Daraufhin sehe ich Dads Silhouette aufstehen und sich zu Clint am Steuer setzen.

»Hey, soll ich dich ablösen?«, fragt er.

»Nein musst du nicht. Wenn du 'ne Runde pennen willst, dann jetzt, wir brauchen noch ein paar Stunden.«

Ich kann nicht einschlafen, denn sobald ich die Augen schließe, kommt das Summen zurück.

»Ein paar Stunden bis wohin?«

Clint sieht aus dem Fenster. »Zu einem Safehouse.«

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